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Kapitel 17

 

Abschiede

 

 

Still umfing eine leichte Brise eine meiner losen Haarsträhnen und wirbelte sie mir ums Gesicht, während ich starr auf die untergehende Sonne blickte, die in weiter Entfernung hinter dem Horizont aus Grashügeln verschwand. Das ruhige Geräusch der herabstürzenden Wasserfälle war stetig und beruhigend und es ließ mich für einen Moment das vergessen, was alles passiert war.

 

Ich atmete die frische Luft ein und versuchte meine immer noch angespannten und schmerzenden Muskeln zu entspannen, doch es wollte mir einfach nicht vollkommen gelingen. Immer wieder kam mir das Bild meines sterbenden Vater ins Gedächtnis und dann die Worte von meinem alten Freund Typho. Ich hatte schon damals in der Akademie geahnt, dass er mich auch nach meiner Abfuhr weiterhin geliebt hatte, aber dass er mich immer noch liebte, nachdem wir uns ein Jahr nicht mehr gesehen hatten, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Ebenso hatte ich auch nicht damit gerechnet, dass er dafür sogar bereit war verletzt zu werden, egal in welcher Form.

 

Nach dem Tod meines Vaters war er es gewesen, der versucht hatte, mir als Erster Trost zu spenden, doch ich war davongelaufen. Ich wollte nicht, dass er sich noch mehr Schmerzen wegen mir zufügte, als er es sowieso schon getan hatte. Das Opfer seines Auges war genug für eine unerwiderte Liebe. Ich hatte mich zu den Wasserfällen zurückgezogen, um alleine zu sein, und bis jetzt hatte mich noch niemand gesucht. Ich wusste, dass die meisten bei Hofe sich auf den Trauerfeiern für die Gefallenen befanden, zumindest das hatte ich mitbekommen. Im Anschluss daran würde es dann eine angemessene, aber ruhige Siegesfeier geben, die am Morgen mit einer Siegesparade abgeschlossen werden würde.

 

Ich empfand nicht das Bedürfnis, an einer dieser Sachen teilzunehmen, und Padmé hatte mich freigestellt, nachdem sie mir die Nachricht hatte überbringen müssen, dass die Föderation den Eingang der Höhle, in der meine Mutter und die anderen sich versteckt hatten, in die Luft gejagt hatte. Keiner von ihnen hatte überlebt. Ich war nun eine Waise, auch wenn meine richtigen Eltern vielleicht noch lebten. Die Menschen, die in meinem Herzen meine Eltern waren, wandelten nun nicht mehr unter uns und ich wollte sie nicht als zwei von Hunderten begraben lassen, wie es heute passierte. Ich würde sie in einigen Tagen in Helgar bestatten lassen, dem Dorf, in dem sie sich kennengelernt hatten, dem Dorf, in dem sie auch ihre todgeborene Tochter, deren Stelle ich eingenommen hatte, heimlich begraben hatten. Diese Sabé hatte lange genug auf ihre richtigen Eltern verzichten müssen, dies sollte jetzt ein Ende haben.

 

„Ihr nehmt nicht an den Festlichkeiten teil?“, riss mich eine ruhige Stimme aus meinen Gedanken. Ich drehte mich langsam um und war erstaunt über das, was ich sah. Vor mir stand ein Mann, den ich in seit unserer Ankunft hier auf Naboo nicht mehr gesehen hatte, und er hatte sich verändert. Sein Gesicht sah trauriger aus, nachdenklicher und gesetzter, seine Augen strahlten nicht mehr wie noch auf dem Raumgleiter, auf dem er mir beigebracht hatte, wie man ein Lichtschwert hielt. Und, das war mir direkt aufgefallen, die geflochtene Strähne eines Padawans fehlte.

 

„Ihr auch nicht“, sagte ich nur, als er sich neben mich setzte. „Ich habe von Qui-Gon gehört. Es tut mir leid.“

 

„So wie es mir leid tut, dass Ihr meinen Schmerz teilen müsst“, sagte er und ich wusste, dass er damit meinte, dass ich meinen Vater verloren hatte. „Wir beide mussten von Männern Abschied nehmen, die zwar nicht unser Blut teilten, denen jedoch unser Herz gehörte.“ Ich konnte nicht mehr als ihm zustimmend zuzunicken und dann wieder auf die letzte kleine Rötung hinter den Grashügeln zu sehen, die in weiter Ferne das Tal der Kilné bildete.

 

„Meine Mutter starb ebenfalls“, sagte ich dann nach einer Weile und zu meiner Überraschung sagte der junge Jedi nichts. Er legte nur den Arm um meine Schulter und zog mich zu sich, dass ich meinen Kopf auf seiner Schulter ruhen lassen konnte. Es war seltsam, wie ich mich auf einmal in seiner Gegenwart entspannen konnte, wie die Anspannungen der Vergangenheit endlich von meinen Schultern zu fallen schienen. Doch diesmal vergoss ich keine Tränen, ich blickte einfach nur in die Ferne und dachte daran, wie ich als Kind immer davon geträumt hatte, einmal den Sonnenuntergang vom Palast aus sehen zu können.

 

„Mein Vater und meine Mutter lebten nördlich dieses Tals, bevor sie in die Hauptstadt gezogen sind“, erklärte ich Obi-Wan nach einiger Zeit, in der wir beide nur in diese Richtung gestarrt hatten. „Wenn wir Großmutter und Großvater besuchten, haben wir bei Sonnenaufgang immer die Strahlen der Sonne gesehen, die sich auf der Kuppel des Palastes spiegelten“, erinnerte ich mich mit einem schwachen Lächeln. Mein Vater hatte mich jeden Morgen noch vor Sonnenaufgang geweckt, nur dass ich diesen Anblick nicht versäumte. Das war der Zeitpunkt gewesen, als ich mich entschieden hatte, dem Palast und seinem Monarchen dienen zu wollen.

 

„Mein Rücken verlangt nach Bewegung. Was haltet ihr von einem kleinen Spaziergang?“, fragte Obi-Wan dann nach einer Weile und bot mir seine Hand an, während er bereits aufstand. Ich nahm sie. Auch mein Rücken war steif und die Muskeln darin protestierten schon eine Weile. Ein kleiner Spaziergang durch den Park des Palastes würde keinem von uns schaden.

 

„Wie geht es Eurem Freund?“, fragte Obi-Wan, während er mich durch die Baumreihen der Hauptallee führte. Ich hatte meinen Arm in seinen gehakt und es kam mir beinahe so vor als kannte er sich aus. Ich schob es auf die Macht, die ihn leitete.

 

„Er hat sein Auge verloren, aber er wird überleben, auch wenn es mit gebrochenem Herzen ist“, sagte ich leise. Ich wusste nicht, warum ich das Letzte hinzugefügt hatte, aber es war gesagt und ich würde mit dem, was jetzt folgte, leben müssen. „Sein Auge war ein Opfer für die Liebe, das er nicht hätte bringen sollen“, fügte ich noch hinzu, als ich Obi-Wans fragenden Blick auf mir spürte. Er blieb stehen. „Diese Liebe wird immer unbeantwortet bleiben.“ Ich wusste, hätte ich nicht diese wie auch immer geartete Barriere, die meine Gefühle davon abhielten, sich in der Macht widerzuspiegeln, wahrscheinlich hätte Obi-Wan in diesem Moment einfach alles gespürt. Und wahrscheinlich wäre er davon genauso überwältigt gewesen, wie ich von der Liebe, die Gregar mir entgegenbrachte.

 

Doch Obi-Wan sah mir direkt in die Augen. „Warum?“ Seinen Blick konnte ich nicht einschätzen und nicht verstehen. Ich sah, dass er die Antwort wusste, dass er zumindest ahnte, was ich fühlte, doch irgendwie brauchte er anscheinen eine Bestätigung. Er war größer als ich und ich musste meinen Kopf etwas anheben, um ihn direkt ansehen zu können. Er stand so nah bei mir, dass ich beinahe wieder seinen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte. „Warum bleibt seine Liebe unbeantwortet?“, fragte Obi-Wan erneut.

 

„Weil…“, setzte ich an, doch ich konnte es nicht aussprechen. Ich hatte Angst, was passieren würde, wenn ich es tat. Resignierend schloss ich meine Augen, doch in dem Moment, wo ich sie wieder öffnen wollte, spürte ich auf einmal etwas Warmes und Weiches auf meinen Lippen. Obwohl ich zuvor noch nie geküsst worden war, wusste ich dennoch, dass es passierte und dass Obi-Wan derjenige war, der mich küsste.

 

Ich spürte, wie auf einmal alles verschwand, jedes Gefühl von Angst, Verzweiflung, Wut oder Unsicherheit war vergessen. Es gab nur noch diesen Moment, den Moment, in dem wir einfach nur zwei Menschen sein konnten, die sich ihren Gefühlen füreinander hingaben. Ich wusste, wenn dieser Moment vorbei war, würde er wahrscheinlich nie mehr zurückkehren und vielleicht war das einer der Gründe, warum ich mir wünschte, er würde niemals enden.

 

Als er es allerdings doch tat und wir unsere Lippen voneinander trennten, sagte keiner von uns beiden auch nur ein Wort, auch wenn ich sah, dass Obi-Wan mich wartend ansah. Doch ich konnte ihm nichts sagen, nichts, was unsere Leben nicht vollkommen verändern und vielleicht zerstören würde. Es war ein Moment gewesen, den ich für immer in meinem Herzen halten würde, aber es war nur ein flüchtiger Augenblick gewesen und so würde es bleiben.

 

„Was geschieht nun mit Euch?“, lenkte ich nach einer Weile der Stille zwischen uns die Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema. „Nun, da ihr keinen Meister mehr habt?“, spezifizierte ich die Frage und er drehte sich zu mir um, ein leichtes, aber schmerzerfülltes Lächeln auf seinen Lippen.

 

„Der Rat der Jedi hat beschlossen, dass mein Kampf mit dem Sith meine Prüfung war. Ich habe sie bestanden und werde morgen zu einem vollwertiger Jedi-Ritter ernannt werden.“ Dann erzählte er mir von dem inneren Kampf, den er geführt hatte, nachdem der Sith Qui-Gon ermordet hatte. Er hatte die Dunkle Seite in sich gespürt und hätte seiner Trauer und dem Wunsch nach Rache für Qui-Gon beinahe nachgegeben. Nur seine Disziplin und die lange Ausbildung durch seinen Meister hatten ihn auf den Pfad der Tugend zurückbringen können.

 

„Es war schwer nicht nachzugeben, vor allem, wenn ich an die Entbehrungen denke, die der Weg, den ich gewählt habe, mit sich zieht“, sagte er und das erste Mal meinte ich den Anflug von Tränen in seinen Augen zu sehen. Ich wusste genau, was er meinte, wusste es einfach, weil ich genauso fühlte wie er. Dann fielen mir die Worte seines verstorbenen Meisters wieder ein. Obi-Wan hatte so hart gekämpft ein Jedi Ritter zu werden und nun hatte er auch noch die Verantwortung für Anakin. So sehr mein Herz es auch gewollt hätte, ich konnte seine Zukunft nicht zerstören.

 

„Jeder Weg, den man beschreitet, birgt Entbehrungen, sei es der einfache oder der schwere. Aber für den richtigen Weg lohnt es sich, diese Entbehrungen in Kauf zu nehmen“, antwortete ich ihm und sah ihm direkt in die Augen.

 

„Der Orden der Jedi ist sehr wichtig für mich und ich halte an den Regeln fest, die vor so vielen Jahren entstanden sind“, sagte er und trat dann einen Schritt von mir zurück. „Aber meine… Freundschaft zu Euch wird immer bestehen bleiben“, fügte er hinzu und ich war so erstaunt von dem, was er hinter seinen Worten versuchte zu sagen, dass ich ihm nicht antworten konnte. Ich sah ihn einfach nur an und nickte kurz. Es blieb einen Augenblick still zwischen uns, dann verbeugte er sich und verschwand. Wie gerne hätte ich ihm gesagt, dass es mir genauso ging, dass ich ihn wahrscheinlich nie vergessen würde. Doch ich hatte Angst vor den Folgen. Mir war es lieber zu wissen, dass etwas zwischen uns war, dem wir aber nicht nachgeben durften, als es doch zu tun und es vielleicht irgendwann tief zu bereuen.

 

Ich bleib noch einige Zeit im Park, doch mit dem Verschwinden der Sonne und dem Fehlen der Wärme eines anderen Menschen wurde es draußen doch etwas zu kalt, als dass ich noch länger hätte dort bleiben können. Dennoch entschied ich mich nicht in die großen Säale des Palastes zu gehen, in denen sich alle zum Feiern versammelt hatten. Stattdessen zog ich mich direkt in die Gemächer der Königin zurück, in denen auch mein Bett stand. Doch schlafen konnte ich nicht. Das prickelnde Gefühl auf meinen Lippen, das mich immer noch glauben ließ, dass Obi-Wans Lippen die meinen berührten, verschwand einfach nicht und ließ mich den einzigartigen Moment immer und immer wieder erleben. Es war eine willkommene Ablenkung zu den Gedanken an den Tod meiner Eltern, die ich am nächsten Tag in ihre alte Heimat bringen würde.

 

Am nächsten Morgen, anscheinend hatte ich doch irgendwann in der Nacht Schlaf gefunden, wachte ich mit einem seltsamen Gefühl in der Magengegend auf. Ich wusste, dass dies der Tag vieler Abschiede war. JarJar Bings würde wieder zurück zu seinem Volk nach Otho Gunga gehen und Anakin würde als Obi-Wans Schüler mit seinem neuen Meister nach Coruscant gehen, um dort zum Jedi ausgebildet zu werden. Ich würde nicht anwesend sein, wenn sie alle abreisten, dafür hatte ich gesorgt. Ich wollte nicht Lebewohl sagen, nicht, wenn mein Herz eigentlich nach einem „Bis bald“ flehte. Zu groß war die Angst, etwas Falsches zu sagen und dadurch die Beherrschung, die ich während der Friedensparade heute Morgen bewiesen hatte, als Obi-Wan zusammen mit den Jedi-Meistern des Rates nur wenige Meter entfernt direkt vor mir gestanden hatte, zu verlieren.

 

Ich hatte mich daher direkt nach Beendigung der Parade zu dem Gleiter zurückgezogen, der mich und meine Eltern zu ihrem letzten Ruheort bringen sollte. Ich hatte mir den Ort gut überlegt, in dem Wissen, dass ich ihr Grab nicht oft würde besuchen können. Als die Palastwachen mir halfen, die Gefäße aus Transparistahl, in denen sich nun die Asche meiner Eltern befand, aus dem Gleiter zu nehmen, merkte ich, wie surreal mir das alles vorkam. Diese Gefäße waren gerade mal wenige Kilo schwer und das Schwerste an ihnen war das Material, aus dem sie gemacht waren. Meine Eltern waren stolze, große Menschen gewesen und nun waren diese kleine Mengen an Staub das einzige, das noch von ihnen übrig geblieben war.

 

„Ich hoffe, es gefällt euch hier. Von hier aus werden wir einander sehen können“, sagte ich zu den beiden Urnen und stellte sie in die Löcher, die bereits von einigen Dorfbewohnern ausgehoben worden waren. Ich hatte sie so postieren lassen, dass sie genau dort waren, wo abends die Sonne unterging. So würde ich immer wissen, wo meine Eltern waren, wenn ich bei Sonnenuntergang die Bank im Park besuchte, die ich immer besuchte. Die letzten Strahlen der Sonne würden ihre Gräber treffen und danach wärmend auf mich fallen, und so würde ich immer mit ihnen verbunden sein.

 

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