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Kapitel 16

 

Heilung und Tod

 

 

Meine Ohren waren von schmerzerfülltem Stöhnen und Schmerzensschreien erfüllt und meine Nase rümpfte sich bei dem Geruch von verbranntem Fleisch, aber ich musste weiter gehen. Der große Saal war mir noch nie so unheimlich und grausam vorgekommen. Hier schien man die Verwundeten der vergangenen Schlacht zu sammeln. Anscheinend hatten nicht nur im Palast Kämpfe stattgefunden, anscheinend hatten auch die Gefangenen in ihren Lagern einen Aufstand angezettelt, als sie vom Kampf im Palast gehört hatten.

 

„Wo liegt er?“, fragte ich Panaka, der mir mit gesengtem Kopf entgegenkam. Er hatte viele seiner Männer verloren, doch die Verletzung seines Neffen war sicherlich auch für ihn ein schwerer Schlag. Er zeigte an das hinterste Ende des Raumes und jetzt sah ich auch, das Padmé bereits neben seinem Bett stand. Ich hatte mir den Kopfschmuck der Königin vom Kopf genommen und am Brunnen in der Eingangshalle das Make-Up abgewaschen. Jetzt war ich wieder nur Sabé und es fühlte sich… seltsam an. Nicht, weil ich die Autorität, die ich als vermeintliche Königin gehabt hatte, vermisste, sondern weil ich mit der Maske auch meine Emotionslosigkeit aufgegeben hatte. Es fühlte sich komisch an, weil ich das erste Mal auf Naboo als Sabé keine Kapuze über meinem Gesicht trug, die mein wahres Aussehen und meine wahren Gefühle verschleiern konnte.

 

„Nur eine von ihnen ist blond“, hörte ich einen kleineren Jungen flüstern und ich wusste, dass er über uns redete. Er hatte Recht. Eirtaé war die einzige Blonde unter uns und war daher immer leicht von uns anderen zu unterscheiden. Der Rest von uns hatte dunkelbraune Haare, wie Padmé. Ich fragte mich, ob ich, nun, da man wusste, dass ich eine Doppelgängerin war, überhaupt noch weiter an Padmés Seite würde arbeiten können, ob sie mich noch als ihre Erste Kammerdienerin haben wollte.

 

Aber das war etwas, über das ich später mit ihr würde reden können. Jetzt war es erst einmal wichtig, dass Gregar seine Verletzung überlebte. Auf unserem Weg hier herunter hatte Rabé mir erzählt, dass er es gewesen war, der mich aus der Schusslinie der Droiden gestoßen hatte. Der Schuss war gegen die Steinsäule geprallt und hatte einige Splitter davon abgesprengt, einen großen direkt in Gregars Gesicht.

 

Als ich endlich an seinem Bett ankam, bemerkte ich erleichtert, dass er noch lebte. Das Blut bedeckte noch immer sein Gesicht, aber man konnte nicht mehr auf die verletzte Augenhöhle sehen. Die hatten sie mit einem Tuch verdeckt.

 

„Wie geht es ihm?“, fragte ich besorgt. Padmé drehte sich zu mir um, als sie mich hörte, und legte eine Hand auf meine Schulter.

 

„Er wird es überleben. Aber die Heiler sagen, dass sie ihm sein linkes Auge nehmen müssen“, erklärte sie mir und ich merkte, wie vorsichtig und traurig ihre Stimme war. „Der Splitter hat zu viel davon verletzt, er könnte nie wieder damit sehen.“

 

„Sie werden ihm doch ein Neues einsetzen, oder?“, fragte ich, doch irgendetwas tief in mir drin sagte mir, dass auch das nicht möglich war. Padmé schüttelte nur mit dem Kopf und ich setzte mich an den Rand von Gregars Bett. Ich sah, dass er atmete, aber wahrscheinlich hatten sie ihm so viele Schmerzmittel gegeben, dass er schlief. Dann ließ Padmé mich mit ihm alleine, immerhin hatte sie als Königin die Pflicht, alle tapferen Kämpfer zu besuchen.

 

„Die haben mich ziemlich erwischt, was?“, hörte ich auf einmal eine tonlose Stimme. Schnell wischte ich mir mit dem Ärmel meiner Robe die Tränen von den Wangen, die sich langsam darauf abseilten. Sprechen schien für ihn anstrengend zu sein, oder aber die Bewegung seiner Gesichtsmuskeln bereitete ihm Schmerzen, oder auch beides. Ich nahm die Hand, die er dann auf einmal nach mir ausstreckte, und hielt sie fest in meinen. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass er sein Auge verloren hatte und nun so schwer verwundet hier lag, nur weil er mir das Leben gerettet hatte.

 

„Du hättest das nicht tun sollen“, sagte ich leise, nicht in der Lage lauter zu sprechen. Mir fehlten die Worte, die Kraft, um mehr zu sagen. Ich blickte auf seine Hand. Sie war mit verkrustetem Blut und Dreck bedeckt und roch auch danach, und dennoch führte ich sie an mein Gesicht um sie zu küssen. „Was du mir gibst, kann ich dir nie zurückgeben“, flüsterte ich und ich meinte damit die Liebe, die er mir immer noch entgegenbrachte. Es tat weh, so sehr geliebt zu werden und es nicht erwidern zu können, besonders jetzt, da er so viel für mich aufgegeben, so viel verloren hatte.

 

„Ich weiß“, antwortete er und sah mich mit seinem verbleibenden Auge so eindringlich an, wie er es nur konnte. Ich konnte es wirklich nicht. So sehr ich es auch versuchte, wäre es doch nur aus Mitleid für das, was ihm passiert war, weil er mich hatte retten wollen. „Es ist genug zu wissen, dass du glücklich und in Sicherheit bist“, sagte er und es trieb mir noch mehr die Tränen in die Augen. Das konnte er nicht ernst meinen. Er konnte mich unmöglich so sehr lieben, dass er bereit war, einfach nur für mich da zu sein, wenn ich einen Freund brauchte.

 

„Wir müssen ihn jetzt behandeln“, sagte eine der Heilerinnen dann und begann sein Bett wegzuschieben. Ich hielt immer noch seine Hand fest.

 

„Bis später, Grinsekatze“, sagte er und ich konnte nicht glauben, dass er selbst jetzt noch versuchte mich aufzumuntern. Er würde gleich sein Auge verlieren und nie mehr wieder bekommen. Als seine Hand aus der meinen glitt und er mir noch einmal zuwinkte, stand ich wie verloren auf dem Flur zwischen den einzelnen Betten der Verwundeten. Ich sah mich einen Moment um, diesmal um hoffentlich nicht noch jemanden zu finden, den ich kannte, doch dieses Glück war mir natürlich nicht vergönnt. Ich hatte in diesem Palast nun lange genug gearbeitet, um die meisten Wachen zu kennen, und viele von ihnen lagen verwundet hier.

 

„Sabé?“, hörte ich dann auf einmal eine ziemlich dünne Stimme hinter mir. Ich drehte mich nicht um aus Furcht, etwas zu sehen, was ich nicht aushalten würde. Die Stimme kannte ich nur allzu gut, doch hatte sie niemals so schwach, so leise und gebrochen geklungen. Als ich dann ein zweites Mal angesprochen wurde, drehte ich mich doch um, aus Angst, die Stimme würde vielleicht verschwinden, wenn ich es nicht tat. Doch bereits während ich mich drehte und eine kalte Hand die meine ergriff, merkte ich, wie nun doch Tränen meine Wangen hinunterliefen. Ich hatte mich noch nicht ganz gedreht, da sank ich auch schon auf den Boden.

 

Wie befürchtet lag tatsächlich mein Vater hier. Er war nicht mein leiblicher Vater, das wusste ich, und dennoch liebte ich ihn. Er hatte mich aufgezogen, hatte mich in allem unterstützt, was ich je gemacht hatte. Doch auch wenn ich im Herzen sah, dass es mein Vater war, war der Mann, der dort dreckig und verwundet auf der Bahre lag, meinem Vater so ähnlich wie ein Bettler einem König. Sein sonst eher weiches Gesicht war vollkommen ausgemergelt und man konnte jeden einzelnen Knochen seines Körpers deutlich unter der dünnen, rissigen Haut sehen. Es war seltsam, waren wir nicht nur wenige Tage weg gewesen? Wir hatten einen Tag bis Tatooine gebraucht, wo wir 3 Tage festgesessen hatten. Von Tatooine aus waren wir dann in einem weiteren Tag nach Coruscant geflogen, wo wir weitere 4 Tage verbracht hatten, und dann waren wir wieder hierher gekommen. Insgesamt waren also seit dem Beginn der Belagerung 14 Tage vergangen. Wie konnte ein Mensch da so extrem abmagern?

 

„Sabé“, wiederholte er seine Worte ein drittes Mal. Ich konnte nichts sagen, sah einfach nur, wie elend er auf mich wirkte, und es ließ mein Herz in tausend kleine Splitter brechen, die sich wie bei einer Streubombe in meinem ganzen Körper verteilten.

 

„Vater… was ist passiert?“, fragte ich und meine Stimme war so leise, dass ich sie beinahe selbst nicht hören konnte, doch er hörte sie, oder hatte meine Frage zumindest von meinen Lippen gelesen. Unter einigen Unterbrechungen durch Hustenanfälle, oder einfache Schwäche und Trauer, erzählte er mir, wie die Armee der Republik das Dorf angegriffen hatte, in dem sich meine Eltern versteckt hatten. Sie hatten sie alle in Lager gebracht und dort hatten sie ohne viel Nahrung und Flüssigkeit hart arbeiten müssen, manchmal in der prallen Mittagssonne. Als die Droiden und Aufpasser der Föderation dann anfingen gewalttätig gegenüber denjenigen zu werden, die körperlich nicht mehr leisten konnten, also die Frauen, Kinder und alten Leute, hatten mein Vater und einige andere Männer sich gegen ihre Peiniger erhoben, doch sie waren deutlich in der Unterzahl gewesen.

 

Als sie dann gestern von den Kämpfen im Palast erfahren hatten und die Droiden deaktiviert waren, hatten sie auch die Aufpasser überwältigen können und waren hierher geflohen. Als ich ihn nach meiner Mutter fragte, wusste er nicht, wo sie war, erinnerte sich nur noch daran, dass sie sich mit den anderen Frauen und Kindern in eine kleine Höhle in der Nähe des Dorfes gerettet hatte, während die Männer den Angriff geleitet hatten.

 

„Wir werden sie finden, Vater, das verspreche ich dir“, sagte ich und drückte seine Hand leicht. Ich merkte, wie immer noch Tränen meine Augen füllten. Das Elend auf unserem Planeten war schlimmer, als ich es erwartet hatte. „Was ist mit den Eltern der Königin?“, fragte ich dann als mir einfiel, dass auch diese mit in dem Dorf gewesen waren.

 

„Gunray hat sie vor einer Woche abholen lassen. Sie wurden nach Theed gebracht. Wo sie jetzt sind, weiß ich nicht“, antwortete mein Vater und ich merkte, wie ihn wieder seine Kräfte verließen. Als ich dann die Decke hob, um sie ihm vernünftig über Arme und Brust zu legen, stockte ich. Um seine Taille war ein Verband aus Leinen gelegt und an einer Stelle war sie mit altem, braunen Blut getränkt und der Gestank, der daraus hervortrat, war der von Verwesung. Sofort rief ich nach einer Schwester.

 

„Es tut mir leid, aber als er her kam war die Entzündung schon zu weit fortgeschritten“, sagte die Schwester nur und bevor ich sie aufhalten konnte, war sie auch schon wieder verschwunden. Doch ihren Blick hatte ich genau erkannt. Es war der Blick schlechter Nachrichten, der Blick, den nur diejenigen kannten, die bereits einen wichtigen Menschen an eine Krankheit verloren hatten.

 

Von dem Moment an wich ich nicht von der Seite seines Bettes, außer wenn die Schwestern seinen Verband wechselten. Beim ersten Mal hatte ich mich nur umgedreht, doch seine Schreie und der Gestank, der ohne den Verband noch viel schlimmer war, waren zu viel für mich gewesen. Innerhalb der nächsten 4 Tage pendelte ich also nur von meinem Vater zu Gregars Bett, dem es weitaus besser ging, hin und der. Die Heiler hatten Gregar zwar sein linkes Auge nehmen müssen, aber dafür hatten sie das restliche Gesicht wieder komplett herstellen können, und mittlerweile sah er bis auf die Augenklappe wieder ganz normal aus. Bevor er am vierten Tag nach der Schlacht entlassen wurde, stattete er dann auch noch meinem Vater einen Besuch ab, denn mein Vater hatte darauf bestanden, den Mann zu sehen, der seiner Tochter das Leben gerettet hatte.

 

„Ihr seid ein mutiger Mann, Typho“, sagte er und nahm Typhos Hand. Ich sah in Gregars Gesicht seine Verwunderung, nicht nur über die Geste, sondern auch über die Kälte, die von den Händen meines Vaters ausgingen. Mittlerweile schien es so, als wäre das meiste Leben schon aus ihnen gewichen, und sie waren leicht bläulich angelaufen.

 

„Und ich würde diesen Mut immer wieder aufbringen“, erwiderte Gregar und sah mich einen Moment an. Ich wusste, was er dachte, ich sah es in seinem Gesicht, doch ich konnte es einfach nicht erwidern, also kniete ich mich einfach neben meinen Vater. Ich sah noch, wie mein Vater Typho zunickte, und dann hörte ich Schritte, die sich von uns entfernten.

 

„Ich bin müde, Sabé“, sagte mein Vater und ich wusste, was er damit meinte. „Versprich mir, dass du glücklich wirst, Kind. Versprich es mir“, verlangte er, doch der Kloß in meinem Hals war so dick und meine Stimme auf einmal so ausgetrocknet, dass ich ihm nicht antworten konnte.

 

„Das Amulett“, stammelte er schwach vor sich hin, „gehörte deiner Mutter, deiner richtigen Mutter“, sagte er und ich fasste mir unweigerlich an das Schmuckstück, das unter meiner Kammerdienerinnenrobe schlummerte. Ich wusste, dass ich es schon gehabt hatte, bevor ich von meinen Eltern auf ihrer Türschwelle gefunden worden war, aber ich hatte nie gewusst, woher es gekommen war. Nun zu erfahren, dass es früher einmal meiner richtigen Mutter gehört hatte, war beinahe überwältigend. Wahrscheinlich hatte auch sie es stets um den Hals getragen und ihre Mutter vor ihr, ein Erbstück, das von Mutter zu Tochter weitergegeben worden war. Zumindest wollte ich es mir so vorstellen.

 

„Kanntet ihr sie?“, fragte ich auf einmal, trotz der Situation neugierig geworden. Ich hatte beinahe Angst, dass mein Vater vielleicht sterben könnte, ohne mir eine Antwort darauf zu geben.

 

„Sie war“, er hustete wild, bekam kaum noch Luft und ich flehte ihn noch an durchzuhalten, für mich und für meine Mutter, seine Frau. „Sie war meine Schwester“, flüsterte er dann, als er sich wieder etwas gefangen hatte. „Sie war der gütigste Mensch, den ich je gekannt habe, doch sie hatte sich den falschen Mann ausgesucht.“ Seine Stimme wurde dunkel, doch dann stoppte er auf einmal.

 

„Ich bin furchtbar müde, Sabé“, stöhnte er unter Schmerzen und ich merkte, wie wieder die Tränen kamen, von denen ich eigentlich gedacht hatte, sie müssten schon längst nicht mehr vorhanden sein. Wieder flehte ich ihn an, nicht zu schlafen, doch ich sah die Müdigkeit in seinen Augen, sah, dass er sich nur noch quälte, um mir keinen Schmerz zuzufügen. Also ließ ich seine Hand los und küsste ihn ein letztes Mal auf die Stirn.

 

„Es ist okay“, sagte ich und versuchte meine Tränen zurückzuhalten. Ich wollte nicht, dass er als letztes meine Tränen sah. Ich versuchte sogar leicht zu lächeln. Ich hatte diesen Mann geliebt wie meinen richtigen Vater, als wäre ich tatsächlich das Mädchen gewesen, das meine Mutter unter ihrem Herzen getragen hatte, als sie mich gefunden hatten. „Schlaf ruhig, Vater, ich werde hier sein und auf dich acht geben.“ Ich tupfte ihm noch einmal den Schweiß von der fieberheißen Stirn und dann schloss er für immer seine Augen.

 

 

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