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Kapitel 8

 

BBQ an Weihnachten

 

 

 

Mit missmutigem Gesicht beäugte ich meinen Bauch. Nicht genug, dass er durch die Zwillinge darin wirklich überdimensional war. Nein! Passend zu Weihnachten leuchtete er jetzt auch noch so rot wie eine Christbaumkugel. Anscheinend hatte ich den Sonnenschutz, den ich aufgetragen hatte, doch etwas unterschätzt und so hatte ich jetzt einen gehörigen Sonnenbrand, der meiner Haut so einheizte, dass ich mir sicher war, dass meine Kinder darunter sicherlich auch mitbekamen, was los war.

„Das nächste Mal solltet ihr beide vielleicht nicht ganz so lange in der Sonne liegen“, schlug Orlando mit einem breiten Grinsen vor. Auch Janine hatte einen gewaltigen Sonnenbrand gehabt, aber da ihr Bauch nicht so weit heraustrat wie meiner, sah es bei mir weitaus schlimmer aus als bei ihr.

„Sehr lustig“, kommentierte ich mussmutig, während ich meinen Bauch vorsichtig mit Aloe Vera-Creme einrieb, die ich mir aus L.A. mitgenommen hatte. „Bevor du dich über deine arme Frau lustig machst, könntest du die Geschenke für unseren Neffen und unsere Nichte schon einmal einpacken. Was hältst du davon?“ Ohne einen weiteren Kommentar ging Orlando wieder aus dem Bad. Wahrscheinlich ahnte er, dass es besser war, mich alleine zu lassen, damit ich nicht überkochte.

Wir waren sowieso schon etwas zu spät und ich wollte wirklich nicht wieder die Letzte sein, vor allem nicht, wenn auch Freunde von uns kommen würden, die wir sozusagen eingeladen hatten. Ich wollte vor ihnen da sein, aber selbst wenn ich mich jetzt beeilte, würde es knapp werden.

Zu meiner großen Überraschung war aber der Rest meiner Familie und unsere beiden Gäste schon fertig, als ich aus dem Schlafzimmer kam und eigentlich nachsehen wollte, ob ich Janine bei Maria oder Seth helfen musste. Anscheinend hatte sie das aber ziemlich gut alleine hinbekommen und es machte mir etwas Hoffnung für die Zeit, die ich den größten Teil des Tages am Set verbringen würde.

„Dann können wir wohl, oder?“, fragte ich, denn ich hatte mich bereiterklärt zu fahren. Trinken konnte ich eh nichts und daher war es nur fair, wenn ich niemand anderen davon abhielt, auch wenn ich wusste, dass mein Mann nicht allzu sehr über die Stränge schlagen würde. Immerhin gab es ja auch immer noch die leichte Chance, dass unsere Zwillinge uns einen Strich durch die Rechnung machen würden, auch wenn die Wahrscheinlichkeit noch ziemlich gering war.

Wir stiegen also alle zusammen in den großen Van, den wir kurz nach unserer Ankunft hier in Neuseeland gemietet hatten, und machten uns auf den Weg von der Miramar Halbinsel zum Stadtkern Wellingtons, in dem sich ja das Restaurant meines Bruder befand.

„Jetzt gleich wirst du sehen, wo alles angefangen hat“, erklärte Viggo Janine mit einem leichten Lächeln und die junge Deutsche sah ihren Sitznachbar verwirrt an. Sie wusste schon, dass Orlando und ich uns das erste Mal in Queenstown begegnet waren.

„Ich habe damals dort gewohnt und als wir meinen Geburtstag dort gefeiert haben, sind Dominic und ich ein Paar geworden. Erst dadurch bin ich überhaupt ans Set gekommen“, erklärte ich kurz und sah den etwas erstaunten Blick, der mich über den Rückspiegel maß.

„Du warst mit Dominic Monaghan zusammen?“

„Ja, das war ich. Dom war ein Schulfreund meines Bruders aus England, wo wir aufgewachsen sind. Hier in Neuseeland habe ich ihn dann wiedergetroffen und wir haben uns angenähert“, erklärte ich und es war mir beinahe etwas unangenehm, die Geschichte zu erzählen, während Orlando dabeisaß, auch wenn ich wusste, dass er damit kein Problem hatte. Immerhin hätten wir uns ohne meine Beziehung mit Dom wahrscheinlich nicht kennengelernt.

„Wir waren einige Zeit zusammen und Dom hat mich mit ans Set genommen. Während der Semesterferien in der Uni habe ich dann als eine Souffleuse am Set gearbeitet. Als ich dann mein Studium abgebrochen habe, hab ich vollständig am Set gearbeitet“, erklärte ich weiter und selbst für mich hörte sich die Geschichte beinahe etwas zu fantastisch an. Hätte ich ihr jetzt noch die Sache mit unseren Träumen erzählt, sie hätte mir wahrscheinlich gar nicht mehr geglaubt.

„Dann hattest du sehr großes Glück.“ Janine hatte Recht, das hatte ich wirklich gehabt. Und wenn ich vorsichtig in die Zukunft sah, konnte ich mir vorstellen, dass Janine zumindest ansatzweise ein ähnliches Glück haben würde. Auch sie würde sicherlich ab und zu am Set sein und die wunderbare, einmalige Atmosphäre am Set mitbekommen, die irgendwie nur hier in Neuseeland und nur mit Peter als Regisseur zustande kommen konnte.

Bei Hirchop und Eileen angekommen kamen auch schon ihre beiden Kinder Brian und Amelia aus dem Restaurant gestürmt. Wahrscheinlich hatten sie hinter dem Fenster gewartet, bis unser Auto endlich in Sicht kam. Kaum war Seth ausgestiegen, waren zumindest er und mein Neffe auch schon wieder verschwunden, und ich war mir sicher, dass ich sie bis zum eigentlichen Essen nicht mehr sehen würde. Amy und Maria waren da doch noch etwas einfacher zu bändigen, auch wenn Amy langsam auch in ein Alter kam, in dem sie schwerer zu bremsen war.

„Frohe Weihnachten!“, kam eine flötende Eileen mit einem Rentiergeweih auf dem Kopf auf uns zu, als wir durch die Tür kamen. Ich musste zugeben, dass ihr nicht gerade modisches Accessoire mich ziemlich verwirrte. Rentiere passten einfach nicht zu der Jahreszeit, die hier herrschte. Auch wenn eigentlich Weihnachten war und wir aus den USA und England andere Temperaturen gewöhnt waren, war es hier Sommer.

„Dir auch“, antwortete ich ihr dennoch und sie umarmte mich vorsichtig.

„Jedes Mal, wenn ich dich drücke, habe ich Angst, dass ich die Kinder aus dir rausdrücke“, scherzte dann mein Bruder, als er mich ebenfalls in den Arm nahm, und ich schlug ihm leicht auf den Arm. Warum, um alles in der Welt, musste einfach jeder immer wieder auf meinem Bauch herumhacken?

„Hirchop, Eileen, das ist unser Au-pair Janine. Sie kommt aus Deutschland. Janine, das sind mein Bruder Hirchop und seine Frau Eileen“, stellte ich die sich noch Fremden kurz vor, aber ich war mir sicher, zumindest Eileen und Janine würden sich prächtig verstehen. Immerhin hatten sie beide schon einige Fan-Girl-Momente in unserer Gegenwart erlebt und konnten sich gut darüber unterhalten. Vor allem heute, wenn wieder einige Schauspieler kommen würden.

Und kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, da kamen auch schon Dom und Billy durch die Türe. Sie schienen bestens auf das Fest vorbereitet zu sein, denn neben den mit Glöckchen ausgestatteten Weihnachtsmützen trugen sie beide kurze Bermudashorts und bunte Hawaiihemden.

„Frohe Weihnachten!“, rief Billy enthusiastisch aus und warf die Arme in die Luft. Als dann auch Sean mit seiner Familie durch die Tür kam, war Seth so schnell wieder unten, dass ich mich beinahe erschreckte, als er so plötzlich neben mir stand und die Neuankömmlinge begrüßte. Ally, Lizzy und Bella, die Kinder von Sean und seiner Frau Christine, waren immerhin sozusagen seine engsten Freunde. Ally, oder Alexandra, wie sie richtig hieß, war während der Dreharbeiten zu so etwas wie einer Nichte der Gemeinschaft geworden und hatte mit ihren damals 4 Jahren einfach alle verzaubert. Elisabeth war zwei Jahre jünger als Seth und hatte vom Trubel um den Herrn der Ringe kaum etwas mitbekommen. Und Isabella, die alle nur Bella nannten, hatte gar nichts mehr davon mitbekommen, denn sie war erst zwei Jahre nach der letzten Premiere zur Welt gekommen.

„Lizzy, ich hab eine Playstation bekommen!“, erzählte Seth fröhlich, was er alles geschenkt bekommen hatte, aber viel davon bekamen wir nicht mehr mit, da die beiden Jungs und die drei älteren Mädchen direkt nach oben verschwanden. Auch Brian kannte Seans Töchter von einigen seltenen Besuchen bei uns und hatte sich immer gut mit ihnen verstanden.

Als wir unsere Gespräche dann alle nach draußen in den Garten verlagert hatten, war ich froh zu sehen, dass anscheinend sowohl Eileen als auch Janine langsam mit dem Gedanken warm wurden, unter Schauspielern zu sein, und nicht mehr ganz so steif an der Seite standen. Vor allem Billy und Dom bemühten sich die junge Deutsche für sich zu gewinnen und Billy gab stolz die wenigen Worte Deutsch zum Besten, die Dom ihm beigebracht hatte.

Janines Gelächter zur Folge ahnte ich schon, dass Dom Billy nicht immer ehrlich sagte, was er da gerade auf Deutsch gesagt hatte, aber ich wollte ihm den Spaß lassen, zumindest solange die Kinder noch außer Hörweite waren. Seth würde von Janine wahrscheinlich noch früh genug einige deutsche Schimpfwörter übernehmen, aber es musste ja nicht unbedingt auch auf Brian und die Mädchen übergehen.

Natürlich, Ally mit ihren 14 Jahren kannte schon ziemlich viele Schimpfwörter und hatte wahrscheinlich auch ihren Schwestern und Seth das eine oder andere beigebracht, aber sie mussten ja nicht unbedingt mehrsprachig fluchen können. Nicht, wenn man es vermeiden konnte.

„Wann fangen die Dreharbeiten denn an?“, fragte mich Dom dann während des Essens, als alle in kleinere Gespräche verwickelt waren.

„Geplant ist Mitte Februar. Es wird dieses Mal in verschiedene Blöcke unterteilt, wobei Orlando erst ab dem 2. Block dabei ist. Und der fängt erst im September an. Aber ich muss ja von Anfang an am Set sein. Meine Arbeit beginnt kurz nach der Geburt dieser beiden“, sagte ich und strich kurz über meinen Bauch. Dom sah mich einen Moment lächelnd an und hob fragend seine Hand. Ich wusste genau, was er meinte, und nickte nur lächelnd.

Vorsichtig, als könnte irgendetwas kaputt gehen, legte er seine Hand auf meinen Bauch und eines meiner Kinder antwortete darauf mit einem heftigen Tritt oder etwas Vergleichbarem, genau gegen die Stelle, die Dom berührte. Erschrocken zog er seine Hand wieder weg und ich sah ihn lachend an.

„Machen die das öfter?“, fragte er und ich erklärte ihm, dass das noch harmlos war und er erst mal abwarten solle, wie ich reagieren würde, wenn sie meinen Magen oder meine Blase trafen. Das würde dann weniger angenehm werden. Er nickte verstehend und murmelte etwas davon, dass er froh war, ein Mann zu sein, und dass er sich überlegen würde, seiner Frau später einmal so etwas anzutun.

„Apropos: Frau… Muss ich sie umbringen, wenn ich sie sehe?“, fragte ich mit halb ernster Miene und meinte damit seine Ex-Freundin, die spätestens auch im September hier in Neuseeland sein würde, um ebenfalls eine Rolle im Hobbit zu übernehmen.

„Umbringen, wieso?“ Er hielt kurz inne und überlegte, was ich damit wohl meinen könnte. Als er es verstanden hatte, schüttelte er jedoch nur den Kopf. „Nein, Evi und ich, das war einfach nichts. Es… Es war nicht das, was wir beide von einer Beziehung erwartet hatten“, erklärte Dom und auch, wenn er es zu verbergen versuchte, sah ich eine gewisse Traurigkeit in seinen Augen. Aber wer war ich schon, jemanden wegen Doms Traurigkeit zu verurteilen. Ich war immerhin diejenige gewesen, die sein Herz das erste Mal gebrochen hatte.

„Also ganz normal behandeln?“, fragte ich noch einmal mit einem leichten Lächeln nach und Dom nickte mir zu.

„Evi ist klasse. Es war wirklich besser so, Teti“, versicherte er mir noch mal und ich sah, dass er es ernst meinte. „Sie wird wunderbar in das Cast passen, da hat Peter schon die richtige Entscheidung getroffen.“ Dann wechselten wir das Thema und er erzählte mir von seinen letzten Auftritten in LOST und einer neuen Serie, für die er eine Rolle hatte ergattern können, auch wenn sie nicht ganz so vielversprechend klang wie die Rolle als Charlie Pace.

„Meinst du, Peter wird dich wieder zu dem ein oder anderen Cameo verdonnern?“, unterbrach dann meine Schwägerin mein Gespräche mit Dom und auf einmal sahen mich einige Augen interessiert an, wahrscheinlich gespannt meine Antwort abwartend.

„Ich glaube, ich werde in diesen Filmen anderen den Vortritt lassen, sich zu blamieren.“ Ich erinnerte mich nur zu gut daran, wie ich mich gefühlt hatte, als ich für die zwei Cameo-Auftritte in den Herr der Ringe-Filmen vor der Kamera gestanden hatte. Ich war einfach nicht dafür geschaffen, das hatte ich feststellen müssen. Dafür war in unserer Familie eindeutig mein Mann zuständig und der machte eine so gute Figur, dass es für uns beide vollkommen reichte. Ich stand lieber hinter der Kamera und gab die Kommandos.

„Heißt das, du hattest Cameos in der ersten Trilogie?“, fragte Janine erstaunt und ich sah sie gespielt überrascht an.

„Ich dachte, du kennst alles auswendig“, lachte ich und auch sie, Orlando und Viggo mussten über diesen kleinen Insider lachen. „Ich denke, da musst du dir die Filme wohl noch mal ansehen.“

„Am besten studierst du dann auch noch mal die Extras und Easter Eggs“, empfahl Viggo lachend und Hirchop, Eileen, Dom und Billy sowie Sean und Christine sahen uns verwundert an. Sie wussten ja nicht, wovon wir redeten.

„Wir können die Filme zusammen gucken“, sagte Seth mit einem breiten Grinsen. Er war wahrscheinlich unter uns der einzige, der die Filme annähernd so oft gesehen hatte wie Janine. Auch er hatte sich sogar die Mühe gemacht, jede einzelne Minute des Audiokommentars und der Extras zu sehen. Aber bei ihm war es eher, weil er wissen wollte, ob er in irgendeiner Weise zu sehen war oder erwähnt wurde.

Als es dann langsam später wurde, merkte ich, dass es einen Vorteil hatte, wenn man ein Au-pair hatte. Auch wenn es mir in gewisser Weise Leid tat, war ich trotzdem froh, dass Janine um 22 Uhr unsere Kinder schnappte und mit ihnen nach Hause fuhr, damit sie ins Bett kamen. Maria war schon lange in ihrem Wagen eingeschlafen, aber auch Seth musste langsam ins Bett. Und Orlando und ich wollten noch die letzte Möglichkeit ausnutzen, mit unseren alten Freunden reden zu können. Auch Christine war mit ihren Töchtern schon nach Hause gefahren und hatte angeboten, uns später nach Hause zu fahren, wenn sie Sean abholen würde, damit wir noch etwas länger Zeit miteinander verbringen konnten.

Wir sprachen viel über die alten Zeiten, über das, was wir am Set damals erlebt hatten und was daraus entstanden war. Hirchop und Eileen kannten die ganzen Geschichten zur Genüge und konnten ihre objektiven Einblicke einfügen, und uns so manches Mal zum Lachen bringen. Vor allem Hirchop, der ja durch mich eine Menge mitbekommen hatte, hatte die eine oder andere Anekdote zu erzählen, wie ich mich zu Hause verhalten hatte, wenn ich vom Set zurückgekommen war. Dass ich stundenlang nur berichtet hatte, was am Tag geschehen war und nicht einmal dabei Luft hatte holen müssen.

Im Gegenzug konnte Ich Hirchop und auch Dominic mit Geschichten aus unseren frühen Kindertagen blamieren, in denen die beiden oft ziemlichen Unsinn angestellt hatten, den wir unseren Kindern heute selbst verbaten.

„Was macht ihr eigentlich an Silvester?“, fragte Hirchop dann nach einer Weile, in der wir größtenteils über unsere Zeit als Kinder geredet hatten. Ich sah Orlando einen Moment an und wir bemerkten, dass wir uns darüber noch gar keine Gedanken gemacht hatten.

„Ich würde sagen, wir feiern bei uns“, schlug ich dann auf einmal vor und ich wusste selbst nicht, was mich geritten hatte, aber ich hatte es gesagt und würde es auch nicht mehr zurücknehmen. „Heiligabend waren wir bei Peter, heute bei euch und an Silvester kommt ihr alle zu uns.“

„Meinst du nicht, dass das etwas zu viel für dich wird?“, fragte Viggo rücksichtsvoll und ich wusste, dass er wahrscheinlich Recht hatte, aber ich wollte auch nicht zugeben, dass meine Schwangerschaft mich mittlerweile doch recht einschränkte. Also stritt ich das nur ab, was mir einige zweifelnde Blicke einhandelte. Aber mein Mann war auf meiner Seite und anscheinend, trotz meiner spontanen, nicht mit ihm abgeklärten Entscheidung, entzückt von der Idee, eine Party bei uns zu schmeißen.

„Teti muss ja nicht alles alleine machen. Wir sind ja auch noch da“, sagte er und kündigte dann an, dass dieses Silvester unvergesslich werden würde.

 


 

 

 

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