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Kapitel 5

 

Locker werden

 

 

 

„Es tut mir so leid, wie ich mich gestern benommen habe“, hörte ich eine ziemlich leise Stimme hinter mir, während ich mich über den Herd gebeugt um unser Frühstück kümmerte. Meine Männer waren wie immer noch im Bett und warteten darauf, dass ich sie zum Essen weckte. Maria saß in ihrem Hochstuhl und nuckelte zufrieden an ihrer kleinen Flasche Milch, die sie mittlerweile sogar schon selbst festhalten konnte.

 

„Kein Problem. Wer rechnet schon mit so etwas?“, fragte ich und drehte mich zu ihr um. Ich war erstaunt, dass sie schon in Jeans und einer Bluse dastand, und das um halb neun Uhr morgens. Das war wirklich keine Zeit schon vollkommen öffentlichkeitsfähig gekleidet zu sein. Da fühlte ich mich in meiner Jogginghose und dem lockeren Top schon beinahe etwas schäbig. „Aber nur, weil er ein Schauspieler ist, bedeutet das nicht, dass er von einem anderen Planeten kommt.“

 

Janine kicherte leicht und ich merkte erst im Nachhinein, dass dieser Kommentar wirklich unnötig gewesen war, immerhin hatte Orlando in seinem letzten Film einen Außerirdischen gespielt. Aber es schien, als hätte sie dieses Mal verstanden, was ich damit sagen wollte, denn sie nickte.

 

„Ich werde wahrscheinlich etwas Zeit brauchen, aber ich werde mich schon daran gewöhnen, dass mein Gastvater der Schauspieler ist, von dem meine Schwester jahrelang geschwärmt hat“, erklärte Janine und ich sah, wie sich ihre Wangen langsam röteten. Ich lächelte nur zurück. Sicher hatten manche Frauen ein Problem damit zu erfahren, dass andere ihren Mann attraktiv fanden und regelrecht besessen von ihm waren. Ich dachte mir allerdings nichts dabei. Ich wusste ja, dass Orlando mein Mann war und konnte mit gewisser Sicherheit sagen, dass sich daran auch nichts ändern würde.

 

„Du wirst sehen, Orlando ist ein Mann wie jeder andere. Die Schauspielerei ist sein Job, nicht sein Leben“, begann ich, aber ich sah, dass Orlando gerade selbst die Treppe runtergekommen war.

 

„Meine Frau hat Recht“, sagte Orlando und brachte unser immer noch nervöses Au-pair wieder aus der Ruhe. Sie fuhr mit einem Blick zu ihm herum, der dem meiner Schwägerin in nichts nachstand, als sie das erste Mal meine Freunde kennengelernt hatte. „Versteh mich bitte nicht falsch, ich liebe meinen Job und ich würde keinen anderen haben wollen, aber meine Familie liebe ich mehr.“ Der warme Blick, mit dem er mich ansah, und die Zärtlichkeit, die er unserer Tochter gegenüber zeigte, als er sie begrüßte, sprachen nur für das, was er gerade gesagt hatte.

 

„Siehst du, kein Grund zur Sorge“, schloss ich daher, als ich dann das fertige Rührei neben den Rest auf den Esstisch stellte. „Janine, wärst du so freundlich, unseren Sohn zu wecken?“ Janine nickte nur dankbar und verschwand in Richtung Treppe. „Ach, und bevor ich's vergesse: vor 10 Uhr trägt hier niemand etwas anderes als den gemütlichen Schlabber-Look. Außer natürlich, es muss gearbeitet werden“, rief ich ihr noch zu und hoffte, dass sie verstand, was ich damit sagen wollte. Ich sah Orlando fragend an, um zu sehen, ob er wenigstens wusste, was ich damit gemeint hatte, und er nickte mir nur zu. Andererseits war das nicht ganz überzeugend, weil er meistens sowieso wusste, was ich dachte.

 

„Sie wird sich daran gewöhnen“, sagte ich mit einem breiten Grinsen, als Orlando endlich zu mir kam, um mich zu begrüßen, auch wenn uns das mit dem überdimensionalen Bauch etwas schwieriger fiel als gewöhnlich. Schon lange schaffte es Orlando nicht mehr, seine Arme ganz um mich zu schlingen, und ich freute mich auf den Moment, an dem er genau das wieder tun konnte. Ich freute mich darauf, wieder richtig in seinen Armen liegen zu können, endlich wieder einmal alleine zu sein.

 

„Natürlich wird sie sich daran gewöhnen. Selbst Eileen konnte sich daran gewöhnen, dass ihr Mann mit Schauspielern verkehrt“, bemerkte Orlando glucksend und er hatte Recht. Ich erinnerte mich noch ziemlich gut an die Premiere in New York. Hirchop und Eileen hatten mich auf dem Flug begleitet und Eileen war vollkommen aufgelöst gewesen als sie festgestellt hatte, dass meine Freunde nicht nur irgendwelche Statisten oder etwas in der Art waren, sondern die Hauptdarsteller des Filmes.

 

„Ich musste sie förmlich zu euch schieben“, erklärte ich meinem Mann dann meinen plötzlichen Lachanfall und auch er musste lachen. Die kleine Maria quietschte vergnügt mit, einfach nur, weil ihre Eltern lachten, und Orlando nahm sie für einen Moment auf den Arm und wirbelte mit ihr herum.

 

Ich beobachtete die beiden einen Augenblick und war froh, dass wir die Entscheidung getroffen hatten, hier nach Neuseeland zu kommen. Zu Beginn hatte ich befürchtet, dass es nicht nur gute Erinnerungen aufwühlen würde, sondern auch die schlechten, aber wenn ich Orlando und unsere Tochter so sah, so befreit und glücklich, da wusste ich, dass wir die richtige Entscheidung getroffen hatten.

 

Doch ein Familienmitglied fehlte noch und es würde wahrscheinlich noch einige Zeit dauern, bis es hier in Neuseeland eintreffen würde. „Ich vermisse Bahad“, sagte ich gedankenverloren und Orlando setzte Maria wieder in ihren Hochstuhl und kam wieder zu mir.

 

„Ich auch, aber es dauert ja nicht mehr ganz so lange. Er hat schon mehr als die Hälfte hinter sich“, versuchte mein Mann mich aufzumuntern. Der kleine, immer noch ziemlich überdrehte, aber mittlerweile alte Basenji-Rüde hatte mich nun schon ziemlich lange begleitet. Er war ein kleiner Trost gewesen, wenn Orlando nicht dagewesen war, und hatte mich immer beschützt. Auch für unsere Kinder war er ein treuer Freund und Seth hatte mir in den vergangenen Wochen mehr als einmal gesagt, dass er „seinen Hund“ vermisste.

 

Leider waren die Quarantänebestimmungen, was die Einreise von Haustieren nach Neuseeland anging, ziemlich streng und so hatten wir Bahad schon einen Monat vor unserer Abreise von meinen Eltern abholen lassen. Die waren mit ihm zurück nach England geflogen, wo er 2 Monate die nötigen Untersuchungen bekommen musste, damit er dann im neuen Jahr mit meinen Eltern hierher kommen konnte.

 

Meine Eltern hatten darauf bestanden, bei der Geburt meiner Zwillinge dabei zu sein, hatten sie doch schon die von Maria verpasst. Und da sie auch ihren Sohn und seine Familie wieder besuchen wollten, war die Gelegenheit einfach passend. Bereits am dritten Tag des neuen Jahres würden sie in Wellington ankommen und dann für einige Wochen bleiben.

 

Dann klingelte es auf einmal an der Tür und ich sah Orlando verwundert an. Wir erwarteten keinen Besuch, zumindest hatte sich niemand angekündigt. Schulterzuckend ging Orlando dann zur Tür. Ein paar Sekunden später hörte ich nur, wie er jemanden bat, reinzukommen und die Tür wieder schloss.

 

„Wo ist die zukünftige Mama?“, fragte eine fröhliche Stimme und ich freute mich wirklich sie zu hören. Dann hörte ich noch einige Komplimente zu unserem neuen Haus, während Orlando sie in Richtung Küche brachte, und ich konnte noch eben meine Hände saubermachen, bevor die beiden auch schon um die Ecke bogen.

 

„Tania, wie schön dich zu sehen!“, begrüßte ich die Frau des WETA-Chefs begeistert. Während der Dreharbeiten zum Herrn der Ringe hatte ich zwar kaum etwas mit ihr zu tun gehabt, aber in den letzten Jahren hatten sie und Richard Taylor uns immer wieder besucht, wenn sie wegen Aufträgen einmal in L.A. gewesen waren, und wir hatten uns angefreundet. Auch sie sah erstaunt auf meinen voluminösen Bauch, aber sie lachte nur, immerhin hatte sie selbst auch schon Zwillinge hinter sich gebracht. Sie wusste also genau, wie sich das anfühlte.

 

„Hast du schon gefrühstückt?“, fragte ich, während ich schon einen zusätzlichen Teller aus einem der Kartons holte, die noch nicht ausgeräumt waren.

 

„Um ehrlich zu sein, nein, aber das kennst du ja. Richard und ich waren schon ziemlich früh im Büro“, gab sie zu.

 

„Es hätte mich gewundert, eine andere Antwort von dir zu bekommen“, sagte ich mit einem warmen Lächeln und reichte ihr eine heiße Tasse Kaffee, die sie dankend annahm. „Wie geht es euren beiden Rabauken?“, fragte ich dann weiter, als Tania sich auf einen unserer Hocker an die Theke setzte.

 

„Soweit ganz gut. Seit sie in der Schule sind, werden sie zu Hause etwas ruhiger. Wie geht es Seth? Habt ihr schon eine Schule für ihn gefunden?“ Ich erzählte ihr, dass wir ihn für die Schule angemeldet hatten, dass wir es aber für besser hielten, ihn auf eine Intermediate zu schicken. Die meisten Colleges waren ziemlich katholisch und reine Jungenschulen. Aber auch, wenn das für die meisten Kinder in Neuseeland normal war, war Seth weder besonders christlich erzogen, noch nur mit Jungs aufgewachsen. Daher waren wir der Meinung, dass die Intermediate an der Evans Bay die beste Lösung für ihn war. Tanias Söhne waren beide auf dem St. Patricks, auf dem auch Hirchop nach unserem Umzug hier nach Neuseeland gewesen war. Und ich war damals auf eine reine Mädchenschule geschickt worden.

 

Als dann Seth und Janine auch zum Frühstück kamen, letztere zwar in ihren bequemeren Sachen, aber eindeutig etwas peinlich berührt, weil wir Besuch hatten, fingen wir dann mit dem Frühstück an und auch Tania ließ es sich schmecken. Wahrscheinlich war sie froh, dass sie einmal für kurze Zeit den Trubel am Set vergessen und einfach in Ruhe frühstücken konnte, immerhin liefen die Vorbereitungen für die Hauptdrehzeit nun schon seit einigen Monaten.

 

„Eigentlich bin ich nur gekommen, um euch einzuladen“, sagte sie später, als sie ihre erste Portion Rührei aufgegessen hatte. „Peter, Richard, Fran und ich wollen ein Weihnachtsessen machen.“

 

Orlando und ich mussten gar nicht lange überlegen oder miteinander sprechen, bevor wir zusagten. Ein Weihnachtsessen bei Peter und Fran hatte es seit Jahren nicht mehr gegeben und das letzte war wundervoll gewesen. Die meisten der alten Gruppe waren dagewesen und hatten Spaß zusammen gehabt. Nur würden sie dieses Mal wahrscheinlich nicht da sein. Dafür war ich mir sicher, dass Peter einige der neuen Crew einladen würde, alleine schon, damit sein Haus nicht so leer war.

 

Dann musste sich Tania aber doch zum Gehen zwingen, immerhin wartete in den Studios noch Arbeit auf sie. Ich packte ihr noch schnell ein bisschen des Frühstücks in eine Tüte, mit der Bitte, ihren Mann daran zu erinnern, dass er nicht nur von seiner Arbeit leben konnte, und brachte sie zur Türe, während die anderen weiter aßen.

 

„Euer Au-pair kann natürlich auch mitkommen.“

 

„Ich werde es ihr anbieten, aber sie ist noch sehr… überfordert mit der Situation“, versuchte ich die Gefühlslage der jungen Frau an unserem Esszimmertisch zu erklären.

 

„Warum? Das kann ich gar nicht verstehen. Ist doch ganz normal, dass einer der attraktivsten Hollywood-Schauspieler dein Gastvater ist“, scherzte Tania und wir mussten beiden lachen. Sie hatte das Problem auf den Punkt gebracht. „Aber vielleicht würde es ihr guttun zu merken, dass wir alle ganz normale Menschen sind. Früher oder später wird sie wahrscheinlich auch einmal am Set sein“, schlussfolgerte Tania mit einem Zwinkern, als sie schon auf dem Weg zu ihrem Auto war. Ich stimmte ihr nur winkend zu und ging dann wieder nach drinnen.

 

Wieder im Esszimmer angekommen sah ich nur, wie Seth und Orlando lauthals lachten, während Janine, rot wie eine Tomate, auf ihrem Stuhl saß und anscheinend keinen Bissen mehr herunter bekam.

 

„War das tatsächlich die Frau von Richard Taylor?“, fragte sie mich dann mit großen Augen. Als ich nur nickte und Orlando und Seth nur lauter kicherten, sank Janines Kopf auf ihren Frühstücksteller, auf dem glücklicherweise nur noch eine kleine Cocktailtomate und ein trockenes Stück Schwarzbrot lagen. „Und ich sitze hier in einer Jogginghose“, seufzte sie und ich hörte ihr deutlich an, dass sie peinlich berührt war.

 

„Und stell dir vor, jetzt sitzt du neben mir und hast Krümel im Haar“, gluckste Orlando. Janines Kopf schnellte wieder hoch und sie sah ihn einen Moment vollkommen geschockt an. Ich musste mich eindeutig zusammenreißen, nicht ebenfalls laut loszulachen, vor allem, als sie meinem Mann dann erst einen leichten Stoß in die Rippen verpasste und dann bemerkte, dass sie anscheinend gerade etwas getan hatte, was für sie vollkommen unpassend war.

 

„Oh mein Gott, es tut mir furchtbar leid“, stammelte sie nur mit vor dem Mund gehaltener Hand, während Seth sich mittlerweile sprichwörtlich vor Lachen auf dem Boden hin und her rollte. Dann sah sie mich entsetzt an. „Habe ich wirklich gerade Orlando Bloom in die Rippen gestoßen?“, frage sie mich unnötigerweise beschämt.

 

„Ja, das hast du“,  antwortete jedoch mein Mann und tat so, als würde es ihm fürchterlich wehtun.

 

„Er ist eben ein Weichei“, bemerkte ich nur, als sie sich vollkommen beschämt und aufgeregt entschuldigen wollte. Dann konnte auch ich mich nicht mehr halten. Ihr Gesicht sah einfach zu göttlich aus, um nicht darüber zu lachen, und anscheinend ließ auch sie es bemerken, dass die Situation weniger ernst war, als es ihr Kopf ihr glauben machen wollte, und sie lachte auf einmal frei mit uns.

 

 

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