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Kapitel 17

 

Basetis

 

 

 

 

 

In einem roten Glanz bereitete sich Ra darauf vor, von der gierigen Schlange Apophis gefressen zu werden. Eigentlich war es kein besonderes Ereignis, es passierte normalerweise am Ende jeden Tages, damit Ra am nächsten Morgen wiederauferstehen konnte, doch noch nie in meinen vielen Jahren war Ra mir so rot, so hell leuchtend vorgekommen. Es war beinahe als sei sein Antlitz in dem Blut gebadet, das vor mir auf dem hellen Steinboden trocknete.

Wir hatten alles versucht, alles gegeben und doch hatte es nicht gereicht. Es hatte nicht gereicht, um einem Kind das Leben zu schenken. Ich hatte selbst schon viele Geburten erlebt und selbst eines meiner Kinder verloren, bevor ich es in den Armen hatte halten dürfen, aber dies, dies war so schrecklich. Schrecklich, weil dieses Kind bereits Arme, Beine und einen Kopf besaß; schrecklich, weil die Mutter, die es geboren hatte, beinahe selbst noch ein Kind war; und schrecklich, weil ich nicht wusste, ob sie ihrem Kind in die Dunkelheit folgen würde.

Dass sie meine Schwester war hatte ich sofort erkannt, als ich sie richtig gesehen hatte. Alles an ihr ähnelte meiner Mutter, dass eine andere Erklärung einfach undenkbar war. Doch das warf ebenso einige Fragen auf. Als ich das Haus meiner Eltern verlassen hatte war meine kleine Schwester noch ohne Namen gewesen, sie hatte noch nicht den Segen der Götter erhalten. Ich kannte also ihren Namen nicht, ich kannte den Namen meiner eigenen Schwester nicht. Doch was noch viel schlimmer war: Warum trug sie ein Kind unter dem Herzen, ohne Anzeichen für einen Ehemann? Warum gehörte sie zu den Armen und Waisen, denen befohlen wurde, nicht unter unsere Augen zu treten? Wo waren meine Mutter und mein Vater?

„Eure Hoheit?“, hörte ich eine vorsichte Stimme hinter mir.

„Wir sind alleine, Henu. Keine Förmlichkeiten.“ Ich brauchte mich nicht zu ihr umdrehen, um zu erkennen, dass sich die Muskeln im Körper meiner Tochter entspannten. Sie kam näher zu mir und kniete sich neben mich auf den Boden. Sie hatte mittlerweile 10 erfolgreiche Fluten erlebt und war bereits einem Brudersohn ihres Vaters versprochen. Sie war mir im Verhalten bereits so ähnlich, dass es selbst mich manchmal erschrak. Das einzige Problem war, dass sie noch nicht die Weisheit besaß einige Sachen zurückzuhalten, die sie dachte, sie sagte sie einfach frei heraus.

„Wer ist sie? Wird Osiris sie holen?“, fragte sie in leicht gedämpftem Ton. Vorsichtig legte ich meinen Arm um sie. Ich war froh, dass sie hier war, froh, dass ich nicht alleine sein musste nun, da die Priesterinnen verschwunden waren.

„Sie ist meine Schwester.“ Meine Stimme war ebenfalls gedämpft und ich nahm mir das feuchte Stück Leinen, mit dem die Priesterinnen bereits versucht hatten, den ersten Schmutz von der Haut der jungen Frau zu wischen. „Sie war noch klein, als ich den Tempel verlassen habe, namenlos“, erklärte ich meiner Tochter, während ich vorsichtig mit dem Tuch über das Gesicht fuhr. Nach und nach löste sich der Dreck der Straße von ihrer Haut. „Sie war noch so klein, nicht viel jünger als Peje. Ich erinnere mich, wie meine Mutter mir sie bei einem Besuch das erste Mal auf den Arm gelegt hatte.“

Vorsichtig nahm nun auch meine Tochter sich ein Stück feuchtes Tuch und begann ein Bein meiner Schwester von Blut und Schmutz zu befreien. „Sie hat gelächelt und mit einer meiner Haarsträhnen gespielt, und ich habe geschworen, dass ich immer auf sie achten würde.“ Ich hielt einen Moment inne in dem, was ich tat. Ich sah sie tatsächlich noch genau vor mir. Ein dünner schwarzer Flaum bedeckte ihren Kopf und ihre tiefbraunen Augen strahlten mich an, als hätte sie erkannt, wer ich war. Ich erinnerte mich an das Versprechen, das ich ihr damals gegeben hatte, das Versprechen, das ich mit meiner Flucht gebrochen hatte.

Ein kalter Schauer überfuhr meinen Körper. Hätte ich damals nicht diese selbstsüchtige Entscheidung getroffen, wahrscheinlich wäre ihr Leben anders verlaufen. Doch das Schlimmste war, dass ich auch danach, nachdem ich geflohen war, kaum mehr an meine Schwester gedacht hatte, an meine Familie.  Anfangs war ich noch wütend auf meine Mutter gewesen, weil sie mich dazu gezwungen hatte zu gehen. Sie hatte mir in meinen Augen keine andere Wahl gelassen, als mich mitten in der Nacht aus dem Haus zu stehlen.

„Wird sie sterben, Mutter?“, fragte meine Tochter nochmals und ich merkte, dass sie mir eine Hand auf den Arm gelegt hatte, um ihrer Frage mehr Nachdruck zu verleihen.

„Diese Frage vermag ich nicht zu beantworten. Ich habe Isis gebeten ihrem Gemahl aufzuhalten, aber selbst ich kann den Göttern nichts befehlen. Wenn es Osiris‘ Wille ist, sie in seine Welt aufzunehmen, dann sei es so.“ Es war schlimm so darüber zu denken und ein Teil von mir hätte die Götter am liebsten angebrüllt, sie sollten meiner Schwester Gnade zeigen, doch ich war immer noch eine Große Königliche Gemahlin, ich musste die Götter ehren.

„Henu, suche Suri und schicke sie zu mir“, bat ich meine Tochter dann, als wir meine Schwester endlich von all dem Blut und Schmutz befreit hatten, der ihr wunderschönes Gesicht und ihren restlichen Körper entstellt hatte. Egal welches Schicksal meine Schwester ereilen würde, sie war die Schwester einer Königin, Nachfahrin einer alten Dynastie, sie sollte nicht in Lumpen gekleidet sein. Vorsichtig und mit Bedacht begann ich damit, die alten Lumpen, die sie um ihren Leib trug, mit einem Messer zu durchtrennen und sie davon zu befreien, während ich auf die Wächterin über die Königliche Garderobe wartete.

Surherrat, oder Suri, wie wir sie bei inoffiziellen Treffen nannten, war eine Schwester Ramses‘, wenn auch nicht direkt. Sie teilten sich einen Vater, doch Tuja war nicht die Mutter dieser Prinzessin. Eine Nebenfrau Sethos‘ war ihre und die Mutter zwei weiterer Geschwister meines Gemahls.  Ich hatte die kleine Suri kennengelernt, da war sie gerade einmal 5 Fluten alt gewesen und hatte gerade gelernt, wie man sich bei Hofe zu verhalten hatte. Vor einem Jahr hatte Ramses sie dann zur Wächterin über die Königliche Garderobe ernannt und seitdem war sie für alles, was wir trugen, verantwortlich. Sie hatte die Aufsicht über alle Schneider und Händler, die mit unserer Kleidung in Berührung kamen. Sie sorgte dafür, dass unsere zeremoniellen Roben immer einzigartig waren und den Ansprüchen der Götter genügten.

„Ihr habt nach mir rufen lassen, Eure Hoheit?“ Ich schüttelte einen kurzen Moment den Kopf. Suri kannte mich nun schon so lange, und ich war eigentlich der Meinung, dass wir Freunde waren, trotz unserer unterschiedlichen Stellungen. Und dennoch schaffte sie es nur selten die höfischen Gewohnheiten, die sie so streng von ihrer Mutter beigebracht bekommen hatte, abzulegen. Die einzigen Gelegenheiten, zu denen sie es schaffte, alles, was sie gelernt hatte abzulegen, war, wenn wir im Palast waren und wir uns sicher sein konnten, dass niemand uns stören würde.

„Dies hier ist meine Schwester. Sie hat schweres Unrecht erlitten, und wir wissen nicht, ob sie das Opet-Fest überleben wird.“ Traurig blickte ich auf den nackten Körper meiner Schwester und Suri blickte bestürzt zu Boden. „Ich kann sie so nicht zu den Göttern gehen lassen, Suri.“

„Ich wusste nicht, dass Ihr eine Schwester habt, Eure Hoheit“, sagte sie, begutachtete meine Schwester dann aber etwas genauer. „Sie hat Eure Statur, ihr Gesicht ist etwas anders als das Eure, aber die groben Züge sind deutlich erkennbar“, stellte sie fest, als sie sich genau neben das Gesicht meiner Schwester gekniet hatte. Vorsichtig begutachtete sie jede Stelle ihres Körpers, verglich ihre eignen Arme und Beine mit denen meiner Schwester. „Wie lange liegt sie bereits hier?“

„Mein Wagen hat sie vor zwei Tagen angefahren. Seitdem war sie größtenteils bewusstlos. Vor wenigen Stunden hat sie dann ihr Kind verloren, ein Mädchen.“ Ich sah betreten zu der Stelle, wo die Priesterinnen vor einigen Stunden noch das Kind aus ihrem Leib geholt hatten. Das Blut war durch das Wasser, das ich und Henu gebracht hatten, bereits davongewaschen, aber die Erinnerung würde für ewig in mir sein.

„Falls sie überleben sollte, werde ich eines meiner eigenen Kleider etwas ändern, damit sie etwas tragen kann. Für den Fall, dass sie jedoch in die Unterwelt wandeln muss, werde ich mir ein ausgefalleneres Gewandt überlegen.“  

„Lasst uns hoffen, dass Ihr eines Eurer Kleidungsstücke verliert“, sagte ich, den Blick meiner Schwester zugewandt. Ich spürte Suris Hand auf meiner Schulter, wie sie mir Trost spenden wollte, und ich nahm ihn dankbar an.

Einige Zeit, nachdem Suri das Bett meiner Schwester verlassen hatte, spürte ich hinter mir die Präsenz meines Gemahls. Mein Gemüt wurde etwas leichter, beinahe so als teilten wir uns nun die Sorge und den Schmerz um meine Schwester, und ich stand langsam auf und ging, ohne jedoch den Blick von ihr zu wenden, zu ihm.

„Ihr Name ist Basetis, eine bekannte Dirne in den Tavernen rund um den Tempel“, sagte Ramses und ich senkte den Kopf. Dieser Beruf war keine Schande und dennoch wünschte ich mir für meine Schwester etwas anderes. In einem Harem eines Mannes zu sein, verheiratet und beschützt zu sein, das war es, was ich ihr gewünscht hätte. „Aritmei hat sich umgehört“, beantwortete er meine Frage, bevor ich sie stellen konnte.

„Was ist mit meinen Eltern passiert?“, fragte ich daher und ich merkte, wie meine Augen sich mit Tränen füllten. Niemals hätte einer von ihnen zugelassen, dass ihre Tochter einem solchen Beruf nachging, dessen war ich mir absolut sicher.

„Sie starben vor einigen Jahren. Euer Vater ist nie von einer Reise zurückgekehrt und Eure Mutter starb an einem Schlangenbiss, vor 7 Fluten.“



Schweißgebadet und vollkommen außer Atem schreckte ich auf und bemerkte das penetrante Klingeln meines Weckers. Für einen Moment war ich vollkommen desorientiert und verwirrt. Dann spürte ich, wie sich auf einmal eine warme Hand auf meinen Arm legte. Da wusste ich wieder, wo ich war und was passiert war.

„Ich hatte wieder einen Traum“, flüsterte ich leise und legte mich in den ausgestreckten Arm meines Mannes. Er sah mich nur erwartungsvoll an und wartete darauf, dass ich ihm erzählte, worum es gegangen war. Ich erzählte ihm, was ich geträumt hatte, und merkte selbst, dass ich dabei leicht zitterte. Es war wirklich kein schöner Anblick gewesen, den ich zu Beginn meines Traumes gehabt hatte, und wahrscheinlich würde er mich nun verfolgen.

„Und du bist dir sicher, dass Janine Basetis ist?“, fragte Orlando mich etwas skeptisch. Er kannte meine Träume, aber bis auf wenige Ausnahmen hatte er bisher selbst noch nie selbst welche gehabt. Er hatte noch nie bemerkt, dass eine Person aus seinen Träumen in einer Person hier in der Realität wiedergeboren war. Ich hingegen hatte das Gefühl bei fast jedem Zweiten irgendeine Verbindung zu spüren.

„Ich hatte schon so ein seltsames Gefühl, als ich sie damals am Flughafen abgeholt habe, so wie bei dir und Viggo damals, als würde ich sie schon Ewigkeiten kennen“, erklärte ich und spielte nachdenklich mit einer seiner etwas längeren Haarsträhnen. „Und dass diese Träume gerade jetzt wiederkommen… Ich kann mir nicht erklären, woran das liegen könnte“, gab ich zu und auch Orlando konnte nur mit den Schultern zucken. Ich war froh, dass er selbst auch schon einmal einen Traum von damals gehabt hatte, dass er zumindest erahnen konnte, was immer wieder in meinem Kopf vorging. Jeder andere Mann hätte mich wahrscheinlich für verrückt gehalten und mich in eine Psychiatrie eingewiesen.

Dann begann mein Wecker schon wieder zu klingeln und ich wusste, es war nun wirklich Zeit aufzustehen, auch wenn ich mich ziemlich gerädert fühlte. Nach diesen erstaunlich realen Träumen fühlte ich mich meistens, als hätte ich die ganze Nacht nicht geschlafen, egal wie viele Stunden ich tatsächlich im Bett gelegen hatte.

„Was liegt heute an?“, fragte Orlando mich, während ich mich im Bad fertig machte. Um ehrlich zu sein packte mich der Schlafneid, wenn ich ihn so vollkommen entspannt mit dem Armen hinter dem Kopf verschränkt im Bett liegen sah. Er konnte, zumindest solange Ramesi und Tari noch ruhig waren, noch ein paar Stunden schlafen, wenn er wollte.

„Peter ist gestern aus Matamata zurückgekommen und soweit ich weiß ist Martin Freeman gestern Abend angekommen. Erst einmal haben wir zwei Übungseinheiten Reiten, dann treffen wir uns im Container für einige Sprechübungen.“ Manche von den Scale Doubles bekamen es immer noch nicht hin ihre Lippen synchron mit der Tonspur zu bewegen. „Und dann sollen wir bei der ersten Scriptlesung dabei sein. Die meisten der Scalies treffen dann heute das erste Mal auf die Schauspieler“, erklärte ich ihm, bevor ich ihm einen schnellen Kuss auf den Mund drückte und das Schlafzimmer verließ.

Das Frühstück würde ich am Set zusammen mit einigen der Scalies einnehmen, bevor sie sich daran begaben unsere Ponys fertigzumachen. Ich selbst durfte zwar noch nicht reiten, immerhin hatte ich vor gerade einmal  3 Wochen entbunden und mein Beckenboden war noch nicht in der Verfassung  diese Belastung auszuhalten. Aber da ich als Kind in England öfters geritten war und man so etwas genauso wenig verlernte wie Fahrradfahren, waren wir uns sicher, dass ein oder zwei Stunden kurz vor beginn der Dreharbeiten reichen würden, damit ich wieder einigermaßen passabel auf einem Pferd aussah. Während die anderen also ritten, würde ich bei einer privaten Trainerin einen Rückbildungskurs erhalten, der sich gewaschen hatte. Er sollte mich darauf vorbereiten, in kürzester Zeit wieder fit für alles zu sein, mit dem Peter, und auch meine Familie, mich konfrontieren würden.

Da ich noch nicht mit dem Fahrrad fahren durfte, auch hierfür war mein Beckenboden noch nicht wieder vollkommen funktionstüchtig, nahm ich unseren kleinen Wagen, den wir benutzten, wenn wir nicht mit der ganzen Familie unterwegs waren.

Es war noch ziemlich früh, da waren die Straßen immer relativ frei, aber als ich durch die Schranke der Stone Street Studios gefahren war, stand ich regelrecht im Stau. Es kam mir beinahe so vor als wären heute alle zum selben Zeitpunkt hier eingetroffen und suchten nun verzweifelt einen Parkplatz. Und selbst mein Glück, einen reservierten Parkplatz zu haben, brachte mir nicht allzu viel, denn der war trotzdem noch sehr weit entfernt. Er befand sich direkt neben dem Produktionsgebäude am anderen Ende der Studios. Der Grund für den Stau, wie sich nach einigen Minuten herausstellte, waren die Trailer der einzelnen Schauspieler und Abteilungen. Aus irgendeinem Grund schienen neue Trailer dazuzukommen und man musste sie gerade jetzt umstellen.

Ich nahm mir fest vor mir denjenigen, der für diese Organisation verantwortlich war, vorzuknöpfen, denn immerhin wurden sicherlich einige der hier nun Wartenden dringend an irgendwelchen Stellen gebraucht und fehlten nun, weil hier sinnlos umgeparkt wurde.

„Habt ihr heute Morgen auch so lange in der verdammten Schlange gestanden?“, fragte Haymitch uns alle, als 3 Stunden später alle langsam in die Turnhalle kamen, wo ich schon seit ungefähr 2 Stunden mit Jenny, meiner Personal-Trainerin, die Peter extra für meine Rückbildungsgymnastik engagiert hatte, trainiert hatte. Jetzt würden wir alle zusammen das erste Mal unsere Schwerter schwingen und ich konnte wirklich nicht versprechen, dass das bei irgendeinem gut aussehen würde.

Vor allem aber wahrscheinlich bei mir nicht, denn Jenny hatte mir vorher noch die äußerst schwere Aufgabe gegeben, bei jedem Ausatmen darauf zu achten, dass mein Beckenboden auch angespannt war. Ich fand diese Übung schon so ziemlich schwer, jetzt dabei auch noch mit einem Schwert in der Hand umzugehen, kam beinahe einem Todesurteil gleich.

„Okay, sind wir alle da?“, fragte eine etwas gequetschte Stimme in einiger Entfernung. Ich wusste direkt, dass es sich um Kiran handelte. Er war nicht nur das Scale Double für Bilbo, sondern er war auch  gleichzeitig derjenige, der uns etwas über den Schwertkampf zeigen würde, während in der Nebenhalle wahrscheinlich die Schauspieler vom Schwertmeister selbst trainiert wurden.

„Nein, Gabrielle, also Ori, fehlt noch“, bemerkte Sophie, die gerade durch die Tür gerannt kam. „Sie ist gerade erst mit ihrer Reitstunde fertig geworden. Sie kommt gleich nach.“ Sophie schien hierher gerannt zu sein, denn sie war etwas außer Atem. Aber, und das fiel mir direkt auf, Reiten schien ihr Spaß zu machen, denn sie strahlte bis über beide Ohren.

Einige Augenblicke nach Sophie öffnete sich die Tür dann wieder und eine kleine Gestalt quetschte sich durch den Türspalt. Als sie die Tür wieder geschlossen hatte und immer noch mit dem Rücken zu uns stand, schien sie einmal tief durchzuatmen und, zumindest so gut ich das von hinten betrachten konnte, wischte sich irgendetwas aus dem Gesicht.

Eigentlich konnte man sich hier nicht immer sicher sein, aber ich nahm an, dass die langen blonden Haare zu einer Frau gehörten, und auch wenn sie ziemlich klein zu sein schien, gehörte sie eindeutig nicht zu uns. Gabrielle hatte halblange, braune Haare. Als sie sich umdrehte, sah ich meine Vermutung bestätigt. Das war definitiv nicht Gabrielle. Gabrielle war zwar auch noch nicht alt, aber älter als die junge, blonde Frau, die uns nun beinahe ängstlich ansah, war sie auf jeden Fall.

„Da bist du ja endlich!“, sagte Kiran sich aus der Gruppe lösend, bevor irgendjemand von uns auch nur irgendetwas sagen konnte. Ich war mir sicher, irgendwo hatte ich sie schon einmal gesehen, aber wirklich sicher war ich mir nicht. Normalerweise konnte ich mir Gesichter gut merken, aber anscheinend war mir diese junge Frau nicht sonderlich aufgefallen. Sie war wirklich hübsch, lange blonde Haare, eine schmale Nase. Wenn sie nicht so unheimlich schüchtern und verängstigt gewirkt hätte, und mindestens 20 cm größer gewesen wäre, ich hätte sie vielleicht für ein Model gehalten. Jemanden, den Liz vielleicht ausgesucht hatte, um einen Elben im Hintergrund zu spielen. Aber selbst dann gab es keinen Grund für sie hier zu sein. Die Statisten würden erst gebraucht werden, wenn der Hauptdreh wirklich anfing, und Castings waren heute auch nicht angesetzt.

Als Kiran, nichts ahnend, dass das nicht Gabrielle war, ihr dann aber einen Stock hinhielt und sie ihn ansah als würde er sie gleich umbringen wollen, fiel es mir jedoch schlagartig wieder ein. Ich wusste nun wieder, wo ich dieses verängstigte Gesicht schon einmal gesehen hatte, im Art Department. Das war eine von Richards Leuten, eine von den drei Designern, wenn ich mich recht erinnerte. Sie hatte das Dwalin-Kostüm an mich angepasst und dabei gezittert und kaum ein Wort mit mir geredet, so sehr ich das auch versucht hatte. Und auch jetzt schien es beinahe so, als konnte sie dieses Missverständnis einfach nicht selbst auflösen.

„Du musst dich einfach nur verteidigen. Das kann doch nicht so schwer sein!“ Kiran hatte gerade mit ihrem Training anfangen wollen, aber sie hatte ihn nur immer noch total verängstigt und unsicher angesehen. Wir anderen standen nur vollkommen verwirrt um das ganze Schauspiel herum, nicht in der Lage zu begreifen, warum diese junge Frau nicht einfach ihren Mund aufmachte und Kiran sagte, dass sie hier vollkommen fehl am Platz war. In meinem Kopf breitete sich vor allem die Frage aus, warum diese Junge Frau so restlos verängstigt und unsicher war. Schon damals im Art Department hatte ich das nicht verstanden, aber jetzt verstand ich das noch weniger.

Doch bevor noch mehr passieren konnte öffnete sich die Tür zur Halle nochmals und Peter stand darin. Mich ließ jedoch das Gefühl nicht los, dass Peter, auch wenn er seine Designerin rettete, Spaß an dem Gedanken hatte, was Kiran wohl mit ihr nun veranstaltet hätte. „Sie arbeitet als Designerin bei Richard. Sie ist kein Scaly“, informierte er den immer noch ziemlich verdutzt wirkenden Kiran leicht glucksend und zwinkerte mir dabei zu. Die blonde Designerin konnte gar nicht mehr auf die Frage antworten, warum sie denn nichts gesagt hatte - nicht dass ich annahm, dass sie hätte Antworten können -, da hatte Peter sie auch schon durch die Tür nach draußen geschoben.

„Sie ist etwas… schüchtern“, sagte Peter dann als der blonde Schopf schneller verschwunden war als wir gucken konnten. „Etwas schüchtern“ war wohl eine Untertreibung. Sie schien kaum lebensfähig zu sein, so wie sie sich gerade gegeben hatte. Sie musste wirklich ein maßloses Talent haben, dass selbst Peter ihre ziemlich seltsame Art so unterstützte.

„Sie hätte wirklich etwas sagen können“, wetterte Kiran noch einige Zeit weiter, während er einen nach dem anderen von uns zu sich holte, um auszutesten, wie viel wir schon intuitiv konnten. Was bei uns Frauen natürlich bedeutend weniger war als bei den Männern unter uns.

 

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