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Kapitel 15

 

Scale Doubles

 

 

 

 

 

Ungeachtet des ziemlich nervenden, blonden Mannes genau hinter mir versuchte ich noch die letzten Anweisungen für den ersten offiziellen Tag meines Jobs mit Carolynne und meiner neuen Assistentin Emma zu besprechen. Selbst wenn ich erst in einigen Wochen für Carolynne würde einspringen müssen, wollte ich doch von Anfang an dabei sein, damit ich alles mitbekam. Nur für den Fall, dass Caro doch unerwartet Unterstützung brauchte. Immerhin war es nicht einfach diesen Job in ihrem Zustand zu machen. 

 

Zu meiner großen Freude - zumindest waren alle anderen der Meinung, ich sollte mich freuen - würde ich nicht, wie ich eigentlich wochenlang gedacht hatte, bei den Vorbereitungen für die einzelnen Szenen dabei sein, sondern würde mich gleich mit einigen anderen kleineren Menschen in einem Raum wiederfinden, in dem wir erst einmal die Grundlagen des Schauspielerns beigebracht bekommen würden.

 

„Und wenn etwas ist, ich drücke Nathan“, ich zeigte kurz nach hinten auf den auf mich wartenden Mann, „gleich mein Walkie in die Hand, Peter hat auch eines, meldet euch. Wenn dich jemand versuchen sollte abzuwimmeln, erschlag ihn“, sagte ich bestimmt und extra laut, damit es auch jeder hörte. Ich war zu allererst die Stellvertretende Erste Regieassistentin und wenn irgendetwas schief laufen sollte, wollte ich dabei sein, um Peter so viel Arbeit wie möglich abzunehmen.

 

„Ich rufe dich, versprochen“, sagte Carolynne mit einem hämischen Grinsen. „Und wenn niemand reagiert, komme ich dich abholen“, fügte Emma dann hinzu. Ich aber sah sie nur geschockt an.

 

„Auf keinen Fall! Egal was passiert, du bleibst immer schön in der Nähe von Peter. Wer weiß auf welche Ideen er sonst kommt.“ Es würde sich schon jemand finden, der mich im Notfall herbringen konnte.

 

„Können wir dann jetzt?“, unterbrach Nathan wieder mein Gespräch, aber ich konnte es ihm nicht übel nehmen. So sehr er mich auch nervte, er hatte Recht, wir mussten los. Ich wusste ja auch wie eng der Zeitplan gezogen wurde und dass wir in Relation zu dem, was wir lernen mussten, nicht viel Zeit hatten. Vor allem er als einer der Schauspielcoaches für die Scalies hatte eine ganze Menge zu tun. Die meisten von uns 14 hatten noch nie vor der Kamera gestanden und hatten bis auf einen Kinobesuch und einigen DVDs in ihren Schränken noch nie etwas mit Filmen am Hut gehabt. Nur Kiran, Brett und ich hatten schon einmal vor der Kamera gestanden, wobei die beiden Männer im Vergleich zu mir schon alte Hasen im Filmgeschäft waren, immerhin waren sie auch schon beim Herr der Ringe Scalies gewesen und wussten, was nun auf sie zukam.

 

Deswegen brauchten sie auch kein Schauspieltraining mehr. Ich hatte die Wahl bekommen und mich dafür entschlossen, denn allzu sicher fühlte ich mich vor der Kamera wirklich nicht. Doch heute würden wir ja noch nicht vor der Kamera stehen, heute würden wir uns gegenseitig kennenlernen und unsere erste Lektion in Sachen Schauspielerei erhalten. Als mein Gespräch mit Caro und Emma also beendet war, ließ ich mich von Nathan in den kleinen Container zwischen der J-Stage und dem Trailerpark bringen, in dem alles für uns Scale Doubles vorbereitet war.

 

Als wir durch die Tür traten, schlug mir schon das heitere Gemurmel von sich begrüßenden Stimmen entgegen. Anscheinend waren die anderen auch noch nicht viel länger hier als ich, also sollte sich Nathan einmal nicht so aufregen. Ich sah ihn mit einem vielsagenden Blick an, er aber antwortete mir nur, dass die anderen noch wegen ihren Kostümen im Art Department gewesen waren und deswegen erst jetzt hier waren.

 

„Hi, du musst Teti sein“, begrüßte mich dann ein etwas älterer Mann. Ich sah ihn verwundert an. Woher wusste er, wer ich war? Dann sah ich aber die Liste in seiner Hand, auf der er schon zahlreiche Namen abgehakt hatte. Wahrscheinlich war das Nick Blake, der andere Schauspielcoach, der uns nun in den nächsten Tagen die Schauspielerei etwas näher bringen würde.

 

Kaum hatte Nick meinen Namen laut ausgesprochen, sah ich auch schon in mindestens ein erstauntes Gesicht. Ich wusste nicht, ob es wegen meinem für Neuseeland ziemlich exotischen Aussehen war, oder ob es daran lag, dass sich schon rumgesprochen hatte, wer ich war. Wahrscheinlich hatten sie alle etwas Angst, was es bedeuten würde, wenn die Stellvertretende Erste Regieassistentin mit ihnen zusammenarbeiten würde.

 

„Hi, ich bin Mark. Nett dich kennenzulernen“, stellte sich nun der Erste bei mir vor. Er schien mir genauso groß zu sein wie ich, warum es mir ziemlich einfach fiel herauszufinden, wen er wohl doubeln würde, immerhin war Thorin der einzige Zwerg, der fast genauso groß war wie Dwalin.

 

Die nächste war eine junge Frau, wahrscheinlich in meinem Alter. Sie umarmte mich direkt und stellte sich als Amy vor, Double für Dori. „Ich bewundere deinen Mut. Nach der Geburt direkt so einen Job zu machen.“

 

„Überlass es Peter, einem eine unglaubliche Aufgabe zu übergeben“, lachte ich nur leicht sarkastisch und auch die Junge Frau musste lachen, auch wenn sie wahrscheinlich nur zur Hälfte verstand, was ich damit meinte. Auch alle anderen stellten sich nach und nach bei mir vor, wobei einige etwas verhaltener waren als andere. Ob das ihre natürliche Art war, oder sie nur so waren, weil sie meinen kleinen „Nebenjob“ hier am Set kannten, konnte ich nicht sagen.

 

„Bist du wirklich die Frau von Orlando Bloom?“, fragte mich dann eine vorsichtige Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und ein junges Mädchen, nicht älter als 17, stand vor mir. Sie sah etwas schüchtern aus. „Einige haben sich gefragt, ob das mit dem Nachnamen nicht eher ein Zufall ist.“

 

„Nein, es ist kein Zufall. Orlando und ich sind verheiratet.“

 

„Kannst du mir ein Autogramm besorgen?“, fragte sie schneller als sie ihren Mund davon abhalten konnte und ich sah, wie ihr Gesicht feuerrot wurde, als sie erschrocken ihre Hände auf den Mund presste. Ich sah sie nur lächelnd an. Wenigstens einer, der sich mehr oder weniger normal verhielt.

 

„Das kannst du auch selbst machen. Er wird mich heute Abend wieder hier abholen“, sagte ich und zwinkerte ihr zu. Dann stellte sie sich dankend als Sophie vor. Sie war tatsächlich erst 16 und gerade aus der Schule raus. Wenn ich sie so ansah musste ich unweigerlich an Martin denken, der kleine 12-jährige Junge, der damals Doms Scalie gewesen war.

 

„Du erinnerst mich sehr an-“

 

„Martin? Ja, er ist mein Bruder“, sagte sie und lächelte schief. Ich war erstaunt. Ich hatte Martins Familie nie wirklich kennengelernt und wusste daher auch nicht, dass er eine kleine Schwester gehabt hatte. Ich unterhielt mich einige Zeit mit ihr über ihren Bruder und Sachen, an die ich mich von damals noch erinnerte, bis Nick und Nathan uns dann die ersten Unterlagen austeilten und wir uns alle auf die Sofas setzten, die für uns bereitstanden.

 

„Ihr werdet keinen Text haben, aber ihr werdet eure Lippen synchron bewegen müssen, was bedeutet, dass ihr den Fluss eines Textes kennen müsst“, erklärte Nick, während wir die kleinen Mappen aufklappten. Die erste Seite war ein Text, die erste Seite des Hobbits, um genau zu sein.

 

„Ich möchte jetzt also, dass jeder von euch einmal den ersten Absatz vorliest“, bat Nick und sah jeden von uns an. Ich sah in einige überraschte Gesichter. Da ich die Erste war, die neben ihm saß, sah er mich erwartend an und ich nahm an, dass das bedeutete, dass ich anfangen sollte. Ich hatte eigentlich kein Problem mit dem Vorlesen, zumindest nicht bei meinen Kindern. Bei einem Haufen Erwachsener sah das allerdings etwas anders aus. Man wusste, jeder hier im Raum beurteilte, wie gut oder schlecht man lesen würde.

 

„In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit. Nicht in einem schmutzigen, nassen Loch, in das die Enden von irgendwelchen Würmern herabbaumelten und das nach Schlamm und Moder roch. Auch nicht etwa in einer trockenen Kieshöhle, die so kahl war, dass man sich nicht einmal niedersetzten oder gemütlich frühstücken konnte. Es war eine Hobbithöhle, und das bedeutete Behaglichkeit.“

 

Dann folgten auch alle anderen meinem Beispiel und es fiel direkt auf, dass jeder seinen ganz eigenen Stil hatte. Callie, eine Frau mittleren Alters mit hochtoupierten blonden Haaren, schien den Text quasi zu singen, während Leroy, ein etwas gesetzterer Mann, geradezu ein Hörspiel daraus machte und so viel Elan in alles hineinlegte, dass es schon übertrieben war.

 

„Wie ihr seht hat jeder seinen ganz eigenen Stil beim Vorlesen. Was aber enorm wichtig ist, ist, dass ihr die richtigen Betonungen anwenden könnt“, erklärte Nick weiter und ich sah in einigen Gesichtern einen ungläubigen Blick, als wären sie der Meinung, diese Erklärung wäre ja wohl vollkommen überflüssig. Vor allem Hamish, der später Bifur doubeln würde, sah Nick ziemlich belustig an, dabei war besonders er es gewesen, der genau diese Betonungen nicht immer richtig hinbekommen hatte.

 

„Wenn ein Satz mit einem Punkt beendet wird, senkt sich die Stimme. Bei einem Fragezeichen steigt sie leicht an und bei einer deutlichen Aussage wird der ganze Satz besonders betont. Ein Komma im Satz sollte mit einer kleinen, aber nicht zu langen Pause angezeigt werden“, mischte sich nun auch Nathan in die Diskussion ein.

 

„Es ist kein Problem, wenn ihr einmal einen Fehler macht, aber es sollte nicht allzu oft vorkommen.“

 

Dann baten die beiden uns den Abschnitt noch einmal zu lesen, diesmal aber die nötigen Betonungen etwas zu überspitzen. Es war ziemlich komisch zu lesen und um ehrlich zu sein war das genau die Art, wie Leroy und Callie lasen. Jetzt, wo sie jedoch meinten, alles noch mehr betonen zu müssen, hörte es sich bei den beiden grausam an und Nick bat sie etwas weniger zu geben.

 

„Leroy, du musst hier kein Alleinunterhalter sein. Lies den Text einfach vor, mach daraus kein Ein-Mann-Hörspiel“, warf Nathan dann dankenswerterweise nach dem ersten Satz bereits ein. Es dauerte eine geschlagene Viertelstunde, bis Leroy einigermaßen normal vorlas und wir nicht alle immer wieder erschraken, wenn er von neuem begann.

 

Als wir dann endlich Pause hatten und in die Kantine gingen, um uns etwas zu Essen zu holen, klingelten mit förmlich die Ohren und immer wieder hallte der gerade vorgelesene Absatz in meinem Kopf wider. Wahrscheinlich würde ich ihn für den Rest meines Lebens auswendig kennen.

 

Die Kantine war dafür, dass wir uns kurz vor dem Beginn der richtigen Preprep befanden, doch noch ziemlich leer, aber wahrscheinlich lag das eher daran, dass einfach so viel zu tun war, dass viele die normale Pausenzeit nicht einhalten konnten, oder sich einfach nur etwas hier geholt hatten und dann an ihrem Arbeitsplatz aßen. Ich hatte vorhin durch die Fenster unseres Containers einige mit Tablets herumlaufen sehen, auf denen sich das Essen stapelte.

 

„Ziemlich hektisch hier“, bemerkte Hamish, der mir genau gegenüber saß und das Treiben hier in der Kantine beobachtete. Viele schienen wirklich einfach nur das Essen in sich hinein zuschaufeln, um dann so schnell wie möglich wieder an die Arbeit gehen zu können.

 

„Das nennst du hektisch?“, bemerkte ich, während ich mir eine Gabel Kartoffelpüree in den Mund schob. „Warte ab, bis Peter keinen Ablaufplan mehr hat.“ Sophie neben mir kicherte leicht aufgrund meiner Bemerkung. Anscheinend hatte ihr Bruder ihr schon einiges davon erzählt, wie es an Peters Set zuging. Ich ging einmal schwer davon aus, dass bis zum Drehstart alles genau geplant war. Doch danach gab es sicher nur noch vage Vorstellungen, wann was passierte. Ob es dann tatsächlich auch so sein würde, das wusste niemand.

 

„Teti war schon beim Herr der Ringe dabei“, erwähnte Sophie dann und nun wussten es auch die, die es bisher noch nicht gewusst hatten. Natürlich prasselte direkt eine Unmenge an Fragen auf mich ein. Die meisten von ihnen meinten natürlich direkt, ich wäre damals auch ein Scale Double gewesen, und fragte mich sofort, wie das Ganze ablaufen würde.

 

„Sie war kein Scale Double“, erlöste mich Brendan, Carolynnes Neffe, von den vielen Fragen, wobei er eher etwas genervt zu sein schien als mir wirklich helfen zu wollen. Erst jetzt fiel mir auf, dass er mich nicht begrüßt hatte, dass ich nur wusste, wer er war, weil Nick seinen Namen in den letzten Stunden öfter gesagt hatte.

 

„Er hat Recht“, sagte ich, einen Moment von der Situation verwirrt. „Angefangen habe ich als Skriptbote und Souffleuse, und das auch nicht direkt von Anfang an. Ich bin erst später dazugekommen. Bei den Pick-Ups zum letzten Teil war ich dann Peters Erste Regieassistentin, als Damon geboren wurde.

 

„Dann kennst du die ganzen Schauspieler von damals?“, fragte Amy interessiert und ich nickte mit einem Lächeln. „Die meisten von ihnen gehören für mich zur Familie, auch wenn ich sie leider nur sehr selten sehen kann. Sean Astin war in L.A. jahrelang unser Nachbar“, erklärte ich und die Augen der Anwesenden wurden nur noch größer.

 

„Du kommst eigentlich gar nicht aus Neuseeland. Ich meine, du bist also für den Film hergezogen?“

 

„Nein, ich komme nicht aus Neuseeland. Geboren wurde ich in England, aber ich habe einige Jahre hier gelebt, bevor ich erst wieder nach England und dann nach L.A. gezogen bin“, erklärte ich und es war mir beinahe etwas unangenehm, die Aufmerksamkeit meiner Kollegen, denn das waren sie nun alle, auf mir zu spüren.

 

„Sie ist mit Orlando Bloom verheiratet“, schmiss Sophie wieder breit grinsend ein und Amy und Callie sahen mich direkt mit großen Augen an. Ja, mein Mann war eindeutig bekannt.

 

„Ist er auch hier? In Neuseeland?“, fragte Amy ohne auch nur einen Moment nachzudenken. Sie war ungefähr in meinem Alter, also war sie zu Zeiten, wo der Der Herr der Ringe in die Kinos gekommen war, in dem Alter gewesen, in dem eigentlich alle Mädchen in Orlando verliebt gewesen waren. Wahrscheinlich eines der Mädchen, denen ich vor vielen Jahren das Herz gebrochen hatte, als herauskam, dass Orlando und ich ein Paar waren. Als ich ihr sagte, dass Orlando natürlich auch hier in Neuseeland war, ließ ich dabei allerdings aus, dass er gerade mit unserem Au-pair zusammen auf unsere 4 Kinder aufpasste. Wahrscheinlich konnten sie sich denken, dass Orlando der Vater der Zwillinge war, und ich wollte bei meinen weiblichen Kollegen nicht noch mehr Salz in die Wunde streuen.

 

Zurück im Container nahmen die beiden Schauspielcoaches zu unser aller Freude Abstand von dem, was wir vor der Pause gelernt hatten, und begaben sich nun zusammen mit uns an eine echte Szene. Anscheinend hatten sie sich eine Szene zwischen den Zwergen ausgedacht. Wir sollten einfach in diese Rollen schlüpfen. Um ehrlich zu sein fühlte ich mich leicht ins kalte Wasser geworfen, auch wenn das sicherlich keine schwere Aufgabe war.

 

Ich nahm einfach an, dass nun alle wussten, dass ich beim Herrn der Ringe schon dabei gewesen war, denn alle erwarteten, dass ich besonders gut war. Sie beobachteten mich genau und das war eigentlich das Letzte, was ich wollte. Ich war wirklich keine Schauspielerin, deswegen blieb ich eigentlich lieber hinter der Kamera. Leider hatte Peter diesen Plan ohne wirklichen Widerstand meinerseits durchkreuzt.

 

„Nathan? Wir brauchen Teti in Block 4“, rettete mich dann auf einmal Peters Stimme, die aus dem Walkie Talkie kam, vor dem drohenden Fiasko. Einerseits war ich dankbar dafür, auf der anderen Seite konnte es nichts Gutes heißen, wenn Peter mich persönlich zu sich rief. Für einen kurzen Moment spielte mein Kopf mir einen schlimmen Streich und ich sah eine kranke Caro und eine vollkommen überforderte Emma vor mir, aber das war es sicherlich nicht.

 

„Wie wäre es, wenn du das hier mit deinem Mann übst“, bemerkte Nathan noch, bevor ich aus dem Raum verschwunden war, und drückte mir das Skript in die Hand, das die anderen nun alle gemeinsam durchgehen würden.

 

So schnell ich konnte rannte ich von unserem Container in Richtung Block 4, der neben der A-Stage lag. Die ersten Trailer für die Schauspieler wurden schon gebracht und hergerichtet und langsam sah tatsächlich alles hier wieder aus wie damals.

 

Vollkommen aus der Puste, denn die Schwangerschaft und die Geburt hatten mich doch ganz schön geschlaucht, kam ich dann in Block 4 an, in der sich die Produktion befand. Am Eingang wurde ich dann direkt von Emma abgefangen, die mich ziemlich besorgt ansah. Ich wollte ihr schon sagen, dass ich ihr doch aufgetragen hatte bei Peter zu bleiben, sollte irgendetwas mit Caro sein. Glücklicherweise war das jedoch nicht der Fall. Die saß nämlich mit Peter, Philippa und Liz, der Leiterin der Castingabteilung, zusammen. Irgendetwas musste also schief gelaufen sein.

 

„Was ist hier los?“, fragte ich langsam. Keiner der Anwesenden sah wirklich glücklich aus. Bevor jemand antwortete, baten sie mich erst mich hinzusetzen, immerhin war meine Schnappatmung kaum zu überhören, und es sah nicht gerade aus, als wären die Neuigkeiten, die sie hatten, gut.

 

„Wir wollten dich vor der Geburt nicht unnötig stressen, deswegen haben wir dir nichts gesagt“, fing Liz mit einem ziemlich zerknirschten Gesicht an. Das würde eindeutig kein angenehmes Gespräch werden. Erst jetzt fielen mir ihre Augen auf. Hatte sie geweint?

 

„Martin Freeman musste leider absagen.“ Ich sah Philippa ungläubig an. Das konnte nicht stimmen. Martin Freeman? Der sollte doch Bilbo spielen. Philippa und Fran hatten sich vollkommen auf diesen Mann eingeschossen. „Er hätte die Rolle sehr gerne gemacht, aber sein Vertrag bei Sherlock lässt es nicht zu. Er hat sich für mehrere Staffeln verpflichtet.“

 

Ich merkte direkt, wie auch mein Gesicht jegliche Spannung verlor. Das konnte nicht wirklich wahr sein. Aber die Gesichter um mich herum sahen zu unglücklich aus, um tatsächlich einen Scherz machen zu können.

 

„Ich habe überall nach einem Ersatz gesucht, aber es passt einfach keiner so gut wie Mr. Freeman“, sagte Liz und ich meinte ein Zittern in ihrer Stimme zu hören, beinahe so, als ob sie mit ihrer Fassung kämpfte. Sicherlich war das alles nicht einfach für sie, immerhin ruhte im Moment das Schicksal der ganzen Produktion auf ihren Schultern. Ohne einen Bilbo konnten wir den Film nicht drehen.

 

„Wir hatten schon einige Vorsprechen, aber niemand hat uns so gefallen wie Martin“, erklärte nun auch Peter und mir fiel auf, wie schlecht er auf einmal aussah. Es war nur noch ein knapper Monat, bis der Dreh starten sollte, und am nächsten Montag sollte das Bootcamp für die Schauspieler beginnen. Das alles schien auf einmal in Gefahr zu geraten.

 

„Und wie kann ich euch helfen?“, fragte ich dann etwas unsicher. Ich wusste wirklich nicht, was gerade ich in dieser Situation machen sollte, was ich tun konnte, was auch nur einem von ihnen helfen würde.

 

„Wir haben alle Auditions aufgenommen und die Profile hier. Sieh dir das bitte einmal zu Hause an. Vielleicht muss sich jemand einmal damit befassen, der Martin Freeman noch nicht als Bilbo im Kopf hat“, bat Caro mich und ich nickte nur verhalten. „Am besten fährst du gleich nach Hause und fängst an, es sind ziemlich viele“, fügte sie noch hinzu und ohne weiter darüber zu sprechen nahm ich die Kiste vor mir in die Hand und ging in Richtung Ausgang. Es war nicht nötig, noch weiter über alles zu reden. Wenn ich unparteiisch sein sollte, dann musste ich das auch bleiben und direkt gehen, ohne dass mir jemand nun sagen würde, was gut an Mr. Freeman war und was nicht. Aber die Stimme in meinem Kopf sagte mir, dass dies eine aussichtslose Situation war und auch ich keine Lösung finden würde.

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