top of page

Kapitel 14

 

Von Riesen und Zwergen

 

 

 

 

 

Ich stand mit verschränkten Armen vor dem Herd unserer ziemlich geräumigen Küche und tippte meine Fußspitze immer wieder auf den Boden in Erwartung, dass meine beiden Männer endlich ihren Lachanfall in den Griff bekamen. Es hatte genau vor 5 Minuten begonnen, als ich ihnen, nach unendlichen, nervigen Fragen, endlich erzählt hatte, wie mein erster Tag zurück am Set gewesen war.

Orlando und Seth kugelten sich beinahe auf dem Boden vor Lachen und es machte mich schon etwas  missmutig, da sie sozusagen mich auslachten. Immer wieder zeigte einer der beiden lachend auf mich oder verwies darauf, dass ich ja wirklich nicht die Größte war, und brach dann wieder auf dem Sofa oder einem der Barhocker zusammen.

„Was ist denn hier los?“, fragte dann auch Janine, als sie mit Maria auf dem Arm die Treppe herunter kam. Die Kleine hatte gerade ihren Mittagsschlaf beendet und ich war froh, dass man oben nicht so viel von dem Lärm hier unten mitbekommen hatte, denn auch meine beiden Kleinsten schliefen im Moment friedlich, und das sollte auch noch einige Zeit so bleiben.

Weder Seth noch Orlando schafften es wirklich zusammenhängende Sätze zusammenzubringen, daher fühlte ich mich dazu genötigt, auch unserer jungen Au-pair, die eigentlich nur 10 Jahre jünger war als ich, die Geschichte zu erzählen.

„Das ist aber gemein“, kommentierte die junge Deutsche dann das Verhalten meiner beiden Männer, doch die lachten nur noch mehr, als sie die Geschichte erneut hörten.

„Die beiden finden das anscheinend urkomisch.“ Orlando nickte daraufhin nur und seine Gesichtsfarbe hatte schon ein gefährliches Rot angenommen. Es wunderte mich, dass er überhaupt noch atmete.

„Das sehe ich. Aber so klein bist du doch gar nicht“, sagte Janine und klang dabei so überzeugend, wie es von einer 1,75 m großen Frau rüber kommen konnte, wenn man selbst gerade einmal knappe 1,65 m groß war. Anscheinend merkte sie das selbst auch und schmunzelte leicht, und meine Männer brachte es nur noch mehr zum Lachen.  Was sie jedoch nicht wussten war, dass ich gerade an der Grenze gewesen war. Dwalin sollte der größte Zwerg sein und daher war es genau richtig, dass ich exakt einen Zentimeter größer war als Mark Atkin mit seinen 1,64 m, der Thorin doubeln würde.

„Jetzt kommt der Brüller!“, leitete Seth die nächste Erklärung ein und da musste selbst ich leicht glucksen, während ich versuchte Janine ruhig zu erklären, was meine Männer noch zusätzlich zum Lachen brachte.

„Peter wollte unbedingt, dass Dwalin größer ist als alle anderen Zwerge, weil er ja der starke Kämpfer sein soll. Es hat sich nur leider herausgestellt, dass Graham, der den Dwalin spielt, genau einen Zentimeter kleiner ist als Richard, der Thorin spielt.“ Noch schien Janine nicht zu begreifen, was die beiden Männer nun schon wieder in schallendes Gelächter verfallen ließ, aber ich war mir sicher, es würde nicht mehr lange dauern, bis sie einstimmen würde. „Mark und ich sind also aufeinander angepasst, Graham und Richard aber nicht. Jetzt muss jemand von WETA eine dickere Sole in Grahams Schuhe einbauen, damit er 2 Zentimeter größer wird als Richard.“

Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen fing auch Janine an zu lachen und ich musste mir nach dem zweiten Erzählen eingestehen, dass das wirklich ziemlich komisch war. Nicht ich war zu klein, sondern Graham McTavish mit seinen 1,88 m war sogar beinahe zu groß. Als ich dann auch endlich anfing zu lachen, schrie Seth mir nur entgegen, dass ich ziemlich lange gebraucht hatte, bis ich verstanden hatte, was tatsächlich so komisch an der ganzen Sache war.

„Du bist der Riese und er ist der Zwerg!“, prustete Seth heraus und die kleine Maria amüsierte sich ebenfalls. Als ich jetzt alle so herzlich lachen sah, erinnerte ich mich plötzlich wieder an den Traum, den ich in der Nacht gehabt hatte.

 

 


„Eure Hoheit, es ist an der Zeit“, unterbrach die ernste Stimme Chifus unser helles Gelächter. Es war selten genug, dass wir Zeit hatten, gemeinsam über einen Scherz zu lachen, doch so erfreut wie in diesem Augenblick waren wir schon Ewigkeiten nicht mehr gewesen. Aber leider waren unsere Pflichten mannigfaltig und keine von ihnen durfte missachtet werden, immerhin zollten wir mit allem, was wir taten, den Göttern Respekt.

„Ich werde die Kinder holen“, informierte ich den Pharao und er sah mich verwirrt an. Seit Nibui hatte ich darauf verzichtet, wirklich eine Erste Kammerdienerin zu ernennen. Keine der Dienerinnen hier und erst recht keine der Damen bei Hofe schienen mir für diese Aufgabe geeignet zu sein. Niemandem vertraute ich so sehr wie ich Nibui vertraut hatte.

„Nefertari, du solltest wirklich jemanden ernennen“, bat mich der Pharao, während er mich am Unterarm festhielt. Ich wusste, dass er Recht hatte, aber der Schmerz über ihren Verlust saß noch zu tief.

„Ich werde darüber nachdenken.“ Ramses wusste genauso gut wie ich, dass es noch sehr lange dauern würde, bis ich tatsächlich darüber nachdachte, aber er ließ es dabei bewenden und ließ mich zu den Gemächern unserer Kinder gehen, um unsere Söhne und Töchter für die Zeremonie abzuholen.

Ich erinnerte mich noch an das erste Opet-Fest, das ich als Priesterin in Karnak erlebt hatte. Es war gleichzeitig auch mein Letztes als Priesterin gewesen. Damals war ich noch jung gewesen und niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ich es einmal sein würde, die diese Zeremonie zusammen mit dem Pharao führen würde. Denn diese Zeremonie würde das Fest einleiten und ich freute mich schon darauf, in den Tempel einzumarschieren.

Als wir ankamen, schienen die Menschen vor dem Tempel uns schon mit Freuden zu erwarten, denn sie schwenkten mit verschiedensten Stoffen und Pflanzenblättern. Ich genoss die Atmosphäre hier sehr und war ganz in den Moment versunken. Der kleine Tumult direkt vor uns fiel mir daher erst auf, als es auch schon zu spät war. Eine junge Frau, beinahe noch ein Mädchen, wurde direkt vor meinen Wagen gestoßen und fast von den Pferden zertrampelt. Ich hob umgehend meine Hand und die gesamte Kolonne, auch Ramses im Wagen neben mir, hielt augenblicklich an.

Während Aritmei mir von meinem Wagen half, beobachtete ich die am Boden liegende Frau und war erstaunt, dass sie keinen Ton von sich gab. Keinen Schrei des Entsetzens oder des Schmerzes, sie lag einfach nur zusammengekauert auf dem Boden. Mit einer weiteren Handbewegung folgten mir zwei unserer Wachen.

„Habt Ihr Schmerzen?“, fragte ich, doch ich bekam keine Antwort. Deswegen befahl ich einem der Wachen die Frau aufzuheben und mit auf meinen Wagen zu nehmen. Erst als sie sicher in den Armen des jungen Wachmannes lag sah ich, dass die ein Kind unter ihrem Herzen trug.

„Wir müssen sie in den Tempel bringen“, sagte ich an Aritmei gewandt. Er sah den Pharao einen Moment an, wusste er doch, dass diese zeremonielle Einfahrt in den Tempel für das Volk sehr wichtig war. Aber Ramses schien zu verstehen, was in mir vorging, und nickte meinem Leibwächter und Wagenlenker nur zu. Kaum hatte ich meinen Wagen wieder sicher betreten, donnerten auch schon die Zügel auf die Kruppen der Pferde und sie sprangen augenblicklich in den Galopp.

Im Tempel angekommen musste ich mich beeilen. Durch die Zeit, die ich hier verbracht hatte, kannte ich mich in Karnak wunderbar aus und wusste, wo die Königin für die Vorbereitungen auf das Fest untergebracht wurde. Ich ging direkt dorthin, gefolgt von dem Wachmann, der immer noch die Verletzte trug.

„Legt sie hier auf dieses Lager“, befahl ich dem zögernden Mann. Es war unverkennbar das Lager, das für die Königin bestimmt war, aber es blieb keine Zeit für Bedenken. Wenn ich die Mutter und das Kind retten wollte, mussten wir schnell handeln. „Nun lasst nach zwei Priesterinnen schicken. Sagt ihnen, die Königin verlang sie.“ Und schon war er verschwunden.

Während ich auf die Priesterinnen wartete, nahm ich das weiße Stück Leinen, das auf einer aus Holz gefertigten Truhe lag, und befeuchtete es etwas mit dem Wasser, das daneben für mich bereitet worden war. Das Gesicht der werdenden Mutter war vollkommen verdreckt und ihre Lippen fast vollständig ausgetrocknet. Wahrscheinlich war sie eine der ärmeren Frauen aus dem Dorf, aus dem auch ich einst gekommen war. Die Frau eines Farmers, die hierhergekommen war, um den Segen für eine bessere Ernte zu erbitten.

Als ich ihr Gesicht vom Schmutz der Straße und der sicherlich harten Arbeit befreit hatte, musste ich jedoch innehalten. Diese junge Frau war gerade einmal 13 Fluten alt, noch ein Kind, das wahrscheinlich gerade erst zur Frau erblüht war. Doch was mein Herz zum Schmerzen brachte war ihr Gesicht. Es war als blickte ich in das jüngere Gesicht meiner Mutter.

„Lasst nach dem Hohepriester und dem Pharao schicken. Sofort!“, rief ich nach draußen zu Aritmei. Ich wusste, er hörte genau, was ich sagte, hatte nie auch nur einen Moment nicht darauf geachtet, was hier drin vor sich ging. Während er also eine weitere Wache fortschickte, kam er selbst zu mir hinein.

„Sie ist noch ein Kind“, sagte ich mehr zu mir selbst als zu meinem alten Freund und treuen Beschützer.

„Das ist sie in der Tat, Eure Hoheit.“

„Sie trägt kein Zeichen eines Ehemannes und dennoch erwartet sie ein Kind.“ Meine Stimme zitterte mittlerweile genauso wie die Hände, mit denen ich nun versuchte, ihre Wunden vom Schmutz zu befreien. Die Ersten, die dann den Raum betraten, waren zwei Priesterinnen, eine jüngere, die wahrscheinlich gerade erst geweiht worden war, und eine ältere, die selbst ich noch aus meiner Zeit hier kannte.

„Sie wacht nicht auf, doch ihr Atem und ihr Herz sind stark“, erklärte ich und trat einen Schritt zurück, sodass die ältere Priesterin sie untersuchen konnte. Die Jüngere hatte bereits jede Menge Salben und saubere Leinenstreifen bei sich. Anscheinend war der junge Wächter so geistesgegenwärtig gewesen, den beiden zu sagen, warum sie gerufen wurden. Dann öffnete die Priesterin eine kleine Phiole und auch, wenn ich aus dieser Entfernung nichts riechen konnte, wusste ich dennoch, dass die junge Frau wahrscheinlich davon aufwachen würde.

Dass sie das auch tat merkte ich direkt an dem sich beschleunigenden Atem. Sicherlich dachte sie, sie würde noch fallen, oder spürte zumindest noch das kochende Blut in ihren Adern.

„Beruhige dich, mein Kind“, bat die Priesterin ruhig, als ihre Patientin aufgeregt an ihren Bauch fasste. „Alles wird gut werden. Die Königin persönlich hat dich hergebracht.“

Trotz der Angst und dem vehementen Kopfschütteln der Verletzten ging ich einen Schritt näher an das Lager, auf das sie gebettet war, und kniete mich vorsichtig nieder. Direkt blickte sie starr in eine andere Richtung. Als ich versuchte ihren Kopf sanft in meine Richtung zu drehen, spannten sich ihre Muskeln zur Gegenwehr an.

„Ich darf Euch nicht ins Antlitz sehen“, sagte die verletzte Frau beinahe verzweifelt.

„Wer hat diesen Befehl ausgesprochen?“, fragte ich.

Anstelle von ihr antwortete die Priesterin für sie. Anscheinend war es ein Befehl des Stadthalters gewesen. Kein Waise, der auf der Straße lebte, durfte der königlichen Familie unter die Augen treten, damit wir diesen verarmten Abschaum, was Leute wie diese Frau in seinen Augen wohl waren, nicht ertragen mussten. Meiner Meinung nach wollte er eher nicht, dass wir erfuhren, dass er die Güter, die wir als Unterstützung an die Bevölkerung hier schickten, nur in seinen Kellern landeten, als in den Lagern der Stadt.

„Welcher Befehl wurde ausgesprochen?“, hörte ich die tiefe, bestimmende Stimme des Pharaos dann neben mir und die Priesterinnen gingen mit gesengtem Kopf einen Schritt von ihrer Patientin weg.

„Der Stadthalter schien es für notwendig zu halten, Euch das Elend mancher Ägypter zu verschweigen. Er gab ihnen den Befehl, uns unter allen Umständen zu meiden“, erklärte Aritmei, da er sah, dass ich nicht in der Lage war etwas zu sagen. Ich kniete immer noch neben der jungen Frau und als ich meinen Gemahl ansah, schien auch er das zu sehen, was ich bereits gesehen hatte.

„Und wer wagt es, der Schwester meiner Gemahlin ein Elend zuzufügen?“




„Teti?“ Als ich die Augen wieder öffnete stand ich in der Küche, direkt hinter dem Kühlschrank, sodass weder Seth noch Janine mich sehen konnten. Anscheinend hatte Orlando mich hergebracht, als ich kurz weggetreten war.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er nun etwas besorgt. Ich erzählte ihm also von dem Traum, den ich gehabt hatte, beschrieb ihm die junge Frau, die ich in meinem Traum gesehen hatte. Sie hatte lange, pechschwarze Haare gehabt, war etwas kleiner gewesen als ich und ihre Haut war angenehm gebräunt. Sie war durch und durch eine Ägypterin gewesen und dennoch, so viel Erfahrung hatte ich mittlerweile mit diesen Träumen, war ich mir sicher, dass es Janine gewesen sein musste.

Dies war nur noch ein weiterer Beweis, dass Neuseeland diese Erinnerungen an unser altes Leben auslöste, oder irgendetwas, was sich hier befand, was auch immer es war. Und es schien immer wieder Personen von damals anzuziehen, sie auf beinahe magische Art und Weise hier aufeinander treffen zu lassen. „Das kann kein Zufall mehr sein“, sagte Orlando nachdenklich und ich konnte ihm da nur zustimmen. Außerdem glaubte ich schon lange nicht mehr an Zufälle. Eigentlich schon seitdem ich Orlando kennengelernt hatte.

„Alles in Ordnung, Mom?“, fragte Seth, der vorsichtig um die Ecke blickte. Anscheinend machte er sich immer noch Sorgen um mich. „Ich wollte dich nicht auslachen, wirklich nicht“, entschuldigte er sich direkt unsicher, aber ich lächelte ihn nur breit an.

„Keine Angst, alles in Ordnung. Außerdem hast du doch gar nicht mich ausgelacht. Du hast Graham ausgelacht“, bemerkte ich und auch Seth’ besorgte Miene wandelte sich in ein Lächeln um. Dann stellte ich mich wieder hinter den Herd, um endlich weiter zu kochen. Immerhin knurrte mein Magen schon, seitdem ich vom Set zurückgekommen war. Und da ich noch Stillte, war es besser nicht lange zu hungern.

Dann berichtete ich weiter von dem, was heute am Set so alles passiert war, denn schließlich war ich nicht nur dorthin gefahren, um von Peter überrascht zu werden, sondern auch um dabei zu sein, wenn die Schauspieler, von denen ich mittlerweile schon einige kannte, das erste Mal ans Set kamen. Als Peter jedem von ihnen ihr Kostüm und ihr Aussehen als Zwerg vorgestellt hatte, war der ganze Raum in Jubel und Gelächter ausgebrochen und ich hatte in den Gesichtern eindeutige Erleichterung gesehen.

Im Hobbit waren die Zwerge ursprünglich Zwerge, wie sie auch in Märchen dargestellt wurden, klein, alt und mit dicken Bärten und Bäuchen. Aber anscheinend wollte Peter das Image der Zwerge etwas aufpolieren und hatte ihre Linie, so wie sie ja schon durch Gimli in den Herr der Ringe-Filmen dargestellt wurde, fortgesetzt und perfektioniert. Peters Zwerge würden nicht alt sein, sie würden respektable Krieger und Gelehrte sein. Sie würden auch nicht diese weißen Rauschebärte haben und darüber war ich persönlich sehr erfreut. Ich hatte diese märchenhafte Darstellungen von kleinen Männern nie gemocht und Peter anscheinend auch nicht.

Doch am meisten hatte mir der Teil des Tages gefallen, an dem die Schauspieler das erste Mal eines der Sets betreten hatten. Es war das Erste gewesen, in dem sie arbeiten würden, nämlich Beutelsend, und ich verband damit einige schöne Erinnerungen. Sofort, als ich durch die runde Tür getreten war, hatte ich wieder die Szene im Kopf, in der Frodo am Ende des Films in das Rote Buch schrieb und Sam zu ihm kam. Ich erinnerte mich daran, wie Peter nicht hatte mit dem Dreh aufhören wollen, weil es die allerletzte Szene während den Pick-ups gewesen war. Damals hatte Peter ja noch gedacht, es sei eine einmalige Sache gewesen, dass er so einen Dreh nie wieder erleben würde. Mittlerweile wusste er es besser.

„Alle waren begeistert. Aidan, also Kíli, hat sich aufgeführt wie ein verrückter Fan und musste alles anfassen. John Callen, Oin, wäre am liebsten direkt eingezogen und Richard hat rein gar nichts gesagt, ist nur still durch die Gänge gegangen.“ Dann erzählte ich ihnen noch, wie Peter allen Zwergen die Hausaufgabe gegeben hatte, sich eine Hintergrundgeschichte füreinander auszudenken, und ich war mir sicher, dass manche von ihnen auf die verrücktesten Ideen kommen würden.

Orlando, Seth und Janine hörten mir alle gespannt zu, doch besonders Janine sah beinahe wie in Trance aus und ich konnte sie verstehen. Sie hatte sich gerade daran gewöhnt, dass Orlando Bloom ihr Gastvater war, dass sie wirklich einen waschechten Hollywood-Schauspieler kennenlernen durfte, wie es wahrscheinlich wenige durften. Und dann war sie auch noch in diese Welt der Filme geworfen worden, wo sie auf einmal aus erster Hand erfuhr, was alles bei so einem Dreh passierte.

„Und…“, leitete ich ein und versuchte ziemlich vorsichtig zu sein, „man hat mich gefragt, ob ich jemanden wüsste, der auf mindestens 2 Kinder am Set aufpassen könnte. Es wurde von einer Art On-Set-Kindergarten geredet.“ Ich sah direkt, wie Janines Augen immer größer wurden. Ich wusste allerdings nicht genau, ob vor Freude oder vor Angst. Sicherlich war es ein schöner Gedanke, an einem Set zu arbeiten, aber dort auf mehr oder weniger wildgewordene Kinder aufpassen zu müssen war sicherlich eine andere Hausnummer als sich um 2 Säuglinge und ein Kleinkind zu kümmern.

„B-brauche ich dafür nicht irgendeine Ausbildung?“, fragte Janine stotternd.

Ich lachte kurz aufgrund ihrer Sprachlosigkeit, aber auch, weil die Frage, die sie stellte, so typisch war für das, was ich von Deutschland wusste. Für alles brauchte man bestimmte Lizenzen, Qualifikationen oder anders. Sicherlich war das nicht immer von Nachteil, aber manchmal musste man sich einfach weniger Gedanken machen. „Nein, keine Ausbildung, nur Spaß an Kindern. Und du musst wissen, wie du sie gegebenenfalls in Schach halten kannst.“

„Wie viele Kinder wären es denn genau?“ Ich sah Janine an, dass sie den Job machen wollte, wenn wir es erlauben würden, aber ich sah keinen Grund, das nicht zu tun. Sie würde dadurch unsere Kinder nicht vernachlässigen und ich hätte meine Kinder immer ziemlich nah bei mir.

„Also vorerst wären es unsere drei, Grahams Tochter und Stephen Hunters Kleine, aber der sagte, seine Frau würde bestimmt helfen, wenn so ein Kindergarten etabliert werden würde. Wahrscheinlich würden auch einige der Crew ab und an das Angebot annehmen, immerhin haben wir hier sehr viele Paare, die den ganzen Tag hier arbeiten“, erklärte ich und merkte dann erst, wie groß diese ganze Sache werden könnte.

„Klar, ich würde das gerne machen. Und wenn ich etwas Hilfe dabei habe, dann könnten wir auch eine Art Tagesbetreuung für die etwas Älteren machen, bei den Hausaufgaben helfen und so weiter. Sie könnten hier bei uns essen und dann, falls möglich, mit den Eltern abends nach Hause gehen“, schlug Janine vor und sowohl Orlando als auch ich sahen sie verblüfft an. Sie schien richtig begeistert von dieser Idee zu sein. „Ich wollte Lehramt studieren, wenn ich wieder zu Hause bin“, erklärte Janine und ich musste lachen. Ich erinnerte mich noch genau daran, dass ich auch einmal diesen Wunsch gehabt hatte, dass ich sogar schon in diesem Studium gewesen war, bevor ich Orlando kennengelernt hatte. Aber leider hatte ich dann feststellen müssen, dass dieser Berufsweg doch nichts für mich war.

„Dann ist das ja ein guter Probelauf für dich“, sagte ich mit einem breiten Grinsen, doch es übertraf nicht das Grinsen von Janine, die nun auf einmal mehr war als nur ein Au-pair.

bottom of page