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Kapitel 13

 

Neue Aufgabe

 

 

 

 

 

Aufgeregt lief ich durch unsere nur spärlich beleuchtete Küche. Ich war nervös. So nervös als müsste ich gleich selbst vor eine Kamera treten. Es war schon lustig, mein Mann war ein berühmter Schauspieler und auch ich hatte schon den ein oder anderen, eher unfreiwilligen, Gastauftritt gehabt, aber dennoch konnte ich die Nervosität niemals unterdrücken. Wenn sie kam, dann übermannte sie mich jedes Mal und ich konnte nichts dagegen tun, dass mir heiß und kalt zugleich wurde.

Doch diesmal musste ich ja vor keine einzige Kamera treten, im Gegenteil, ich würde nur hinter der Kamera stehen und das für die nächsten 18 Monate. Die Nervosität kam eher daher, dass ich heute das erste Mal ohne meine Kinder das Haus verlassen würde, seitdem die Zwillinge geborgen wurden.

„Wenn Tari weint, nimm sie einfach auf den Arm, schaukeln sie ein bisschen und streichle ihr den Kopf“, wies ich Orlando an, der sich die ganze Szenerie eher belustigt mit einer dampfenden Tasse Kaffee ansah. „Wenn es so gar nicht geht, gib sie Janine, vielleicht braucht sie dann einfach nur eine weichere Stimme, die mit ihr spricht. Ramesi darfst du nicht schaukeln, leg ihn dann einfach in den Kinderwagen und geh eine Runde mit ihm.“

„Ich bin schon länger Vater, Liebling“, sagte Orlando mit einem breiten Grinsen und als ich ihn empört ansehen wollte, musste ich selbst leicht schmunzeln. Er hatte ja Recht. Er hatte es auch schon bei Seth und Maria immer geschafft, dass sie aufhörten zu weinen, und er hatte genauso viel Übung im Umgang mit Kindern wie ich. „Mach dir keine Sorgen. Janine, Seth und ich werden das schon schaffen. Geh du ans Set und hilf Peter so gut du kannst.“ Er küsste mich auf die Schläfe und ich wusste, dass er Recht hatte. Die Kleinen würden in den besten Händen sein, da musste ich mir sicherlich keine Sorgen machen.

Die eigentlichen Sorgen musste ich mir da wohl eher um das machen, was mich erwarten würde, sobald ich in den Stone Street Studios eintreffen würde. Peter war immer für eine Überraschung gut und die waren oft nicht gerade schön, zumindest für niemanden außer ihm. Ich ahnte schon, dass er heute mehr als einmal mit seinem spitzbübischen Grinsen vor uns sitzen und sich die Hände reiben würde, weil er uns in die ein oder andere Bedrängnis gebracht hatte.

Allerdings hätte ich nie mit dem gerechnet, was mich dann tatsächlich erwartete, als ich die Studios erreichte. Ich hatte den Pförtner noch nicht richtig begrüßt, da hörte ich auch schon Peters Stimme durch das Walkie Talkie des Pförtners, wenn ich käme, solle er mich direkt zum Art Department durchschicken. Ich ahnte direkt, dass das nichts Gutes zu bedeuten hatte, denn eigentlich war geplant gewesen, noch zusammen eine Tasse Kaffee in der Kantine zu trinken, bevor die Hektik beginnen würde.

„Hier gibt es keine ruhige Zeit“, rief ich mir seufzend ins Gedächtnis. Das hätte ich eigentlich noch von damals kennen sollen, auch wenn ich damals erst lange nach der Preprep ins Team gekommen war. Ich parkte mein Auto also ziemlich in der Nähe des Art Departments, immerhin sollte ich mich immer noch schonen. Außerdem ahnte ich, dass es besser war, mein Auto ziemlich zentral zu parken, denn ich konnte nicht sagen, wo wir am Ende des Tages auskommen würden. So, wie ich Peter kannte, würde es am anderen Ende der Studios sein.

Auf halbem Weg merkte ich schon, dass die Preprep, die Vorbereitungen vor dem eigentlichen Drehstart, schon in vollem Gange waren, und einige der Leute, die mir entgegenkamen, sahen aus, als hätten sie schon die ganze Nacht durchgearbeitet, und wahrscheinlich war das auch der Fall.

„Da ist sie ja!“, hörte ich eine Stimme rufen, die ich schon Ewigkeiten nicht mehr gehört hatte. Ich musste einen kurzen Moment überlegen, während ich nach dem Mann suchte, zu dem die Stimme gehörte.

Als ich das dazugehörige Gesicht sah, wusste ich direkt, wer mich da wild winkend und mit einem Grinsen begrüßte. „Terry! Hey, wie geht es dir?“, rief ich ihm entgegen, während er langsam in einen Trab verfiel, um zu mir aufzuschließen.

„Mir geht es gut. Ich habe gehört, Glückwünsche sind angebracht.“ Sobald er neben mir war, umarmte er mich begeistert und sah an mir herunter. „Deine Figur hast du aber kaum eingebüßt. Das ist gut, damit können wir arbeiten“, sagte Terry und ich sah den Bewegungschoreographen entgeistert an. Was meinte er damit? Bevor ich ihn jedoch fragen konnte kam uns Peter auch schon entgegen.

„Da ist ja unsere Mama“, begrüßte er mich mit ausgebreiteten Armen und seine überschwängliche Freude machte mich der ganzen Situation gegenüber noch misstrauischer. Natürlich, Peter war immer ein freundlicher und fröhlicher Mensch, aber so, wie er mich hier begrüßte, das war selbst für ihn nicht normal. Irgendetwas ging hier vor sich. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren schlang er seinen Arm um meine Schulter und bugsierte mich ins Art Department. Ich wusste wirklich nicht, was ich hier sollte. Die Kostüme waren, zumindest soweit ich wusste, schon alle vorbereitet und die Schauspieler würden morgen zu ihrer ersten Anprobe ins Studio kommen. Es gab hier also nichts, das ich hätte machen müssen.

„Ja, das müsste passen“, hörte ich dann eine dritte Stimme, doch die war mir gänzliche unbekannt, auch wenn ich meinte das Gesicht dazu schon einmal gesehen zu haben. Anscheinend merkte der ziemlich extrovertierte Mann direkt, dass ich ihn nicht ganz einordnen konnte, denn er streckte mir die Hand hin und stellte sich als Bob vor. Er sei bei den Herr der Ringe-Filmen für die Extras zuständig gewesen. Wahrscheinlich kannte ich ihn daher. Sicherlich hatte er auch dafür gesorgt, dass ich in den beiden Szenen, in denen ich aufgetaucht war, richtig gestanden hatte.

„Peter… ich will nicht schon wieder einen Gastauftritt haben“, lenkte ich ein und sah meinen Freund und Chef dabei abschätzend an. Der grinste nur noch breiter und versicherte mir, dass es hier nicht um einen Gastauftritt ging.

„Ich bin nicht mehr für die Extras zuständig, meine Liebe“, erklärte mir Bob dann stolz und irgendwie hatte ich mir das schon fast gedacht, immerhin hätte es für ihn als Koordinator für die Extras keinen besonderen Grund gegeben, sich genau hier mit uns zu treffen, vor allem nicht in Begleitung von Terry. „Ich werde gucken, dass wir die Sachen an dich angepasst bekommen“, sagte er und meine tellergroßen Augen verrieten allen Anwesenden direkt, dass ich ziemlich perplex war. So perplex, dass mir die Worte fehlten. So perplex, dass ich mich einfach von Peter sanft weiterschieben ließ und erst wieder realisierte, was mit mir passierte, als plötzlich mehrere Mitarbeiter des Art Department um mich herumwuselten, um mir irgendwelche Stoffpolster an den Körper zu schnüren.

„Was zum Teufel macht ihr da mit mir?“, fragte ich daher etwas entrüstet und schob erst einmal die ziemlich penetranten Leute vom Art Department weg. Auf einmal fühlte ich mich wieder wie der Wal, der ich vor 2 Wochen noch gewesen war. Überall dehnten diese Stoffpolster meine Figur aus, als hätte ich plötzlich mehr als 20 Kilo zugenommen. Und schwer waren diese Dinger auch noch dazu. „Was soll das werden, Pete?“, fragte ich den leise kichernden Mann vor mir, der diese ganze Sache anscheinend unheimlich komisch fand. Er konnte wirklich froh sein, dass ich nicht mehr unter meinen Schwangerschaftshormonen litt, sonst wäre diese ganze Sache wahrscheinlich schon ganz anders ausgegangen.

„Na ja… du hast die richtige Größe und Statur und uns ist gestern kurzfristig ein Scalie abgesprungen“, sagte Peter und ich konnte ihm ansehen, dass er sich zusammenreißen musste, nicht direkt in schallendes Gelächter auszubrechen als ich merkte, wie meine Gesichtszüge immer und immer mehr entglitten. Das konnte wirklich nicht sein Ernst sein. Das musste ein schlimmer Scherz sein.

„Mal angenommen ich würde auch nur im Geringsten zustimmen, wer macht dann bitte meinen Job?“, fragte ich und klang dabei wahrscheinlich etwas angespannter als ich wollte. Zumindest entnahm ich das den Blicken einer jungen blonden Frau, die gerade aus einem der Zimmer herausgeschlichen kam. Sie sah mich direkt entsetzt an, beinahe so als wäre sie persönlich Schuld daran, dass ich ziemlich genervt war. Und dann drehte sie einfach auf dem Absatz um und verschwand wieder in ihrem Büro.

„Stör dich nicht daran, Joe ist immer so“, stellte Bob kurz fest, als er bemerkte, was mich gerade verwirrt hatte, aber ich wollte das sicher nicht auf mir sitzen lassen. Ich wollte nicht, dass diese Frau meinte, sie hätte in irgendeiner Weise Schuld an dem, was ich gerade fühlte, immerhin war sie noch nicht einmal dabei gewesen. Ich entschloss mich nach dieser Diskussion kurz zu ihr rüber zu gehen und mit ihr zu sprechen, aber erst würde ich hier einiges zu klären haben.

„Na ja, Caro hat vorgeschlagen, dass sie bis kurz vor der Entbindung weitermacht, und für die Zeit, die sie weg ist, habe ich schon einen Assistenten für dich abberufen. Emma Cross, du müsstest sie noch von den Dreharbeiten vor 10 Jahren kennen. Sie übernimmt gerne deine Aufgaben, wenn du gerade einmal als Scalie benötigt wirst, und vor allem könnte sie damit so neue Erfahrungen sammeln, um bald selbst einmal die Erste Regieassistentin zu sein“, erklärte Peter und für seine letzte Ausführung hätte ich ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst. Er wusste, wie solche Sätze auf mich wirkten. Er wusste, dass ich niemandem eine Chance nehmen konnte, mehr zu erreichen.

Ja, ich kannte Emma noch von damals. Ganz zu Beginn war sie dazu abgestellt worden, uns zu informieren, wenn am Flughafen ein Flieger startete, da diese direkt über die Studios flogen und damit die Dreharbeiten behinderten. Bei den Pick-Ups für den letzten Teil der Trilogie war sie dann schon etwas höher gerutscht. Sie war so engagiert und freundlich gewesen, dass ich ihr diese Chance sicher nicht nehmen wollte.

„Das ist Erpressung“, sagte ich und senkte meine Arme wieder, sodass weiter an mir gearbeitet werden konnte.

Peter zuckte nur mit seinen Schultern und sah mich mit einem breiten Grinsen an. „Wenn’s funktioniert.“ Dann schlug er mir leicht freundschaftlich auf die Schultern und verabschiedete sich, wir würden uns später noch sehen. Dann ließ ich die Tortur über mich ergehen und spielte in meinem Kopf alle möglichen Szenarien durch, die mich jetzt die nächsten 18 Monate wohl erwarten würden. Für die Stunts gab es noch ein Stuntdouble, das wusste ich. Aber trotzdem würde es sicherlich nicht einfach werden, und ich wusste nicht, ob Peter sich die Sache, mich zu nehmen, wirklich gut überlegt hatte, immerhin hatte ich vor gerade einmal 2 Wochen Zwillinge zur Welt gebracht. Und auch wenn in den nächsten 8 Wochen noch nicht allzu viel passieren würde, man würde auf mich Rücksicht nehmen müssen.

Als ich dann endlich mit Stoffpolstern bedeckt war, die Bob nur „Fat Suit“ nannte, und das war es auch, schickte er mich direkt in das Büro, in das die kleine blonde Frau verschwunden war. Als sich die Tür öffnete, sah sie mich wie ein Reh an, das ein Auto auf sich zurasen sah, und sie wurde direkt kreidebleich.

„Joe, das hier ist das neue Scaledouble für Dwalin. Und gleichzeitig unsere erste Regieassistentin, sei nett zu ihr“, sagte Bob und ich wusste nicht, ob das Letzte, was er gesagt hatte, wirklich förderlich für die Nerven der jungen Frau war. Ich sah, wie ihre Hände anfingen zu zittern und sich langsam kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten. Wahrscheinlich wäre sie am liebsten einfach nur weggelaufen.

Während ich auf dem Podest stand und darauf wartete, dass wir mit dem Anpassen des Kostüms begannen, sah ich mich in ihrem kleinen Büro um und kam nicht umhin das Bild zu sehen, was genau vor dem Schreibtisch hing. „Hast du das entworfen?“, fragte ich erstaunt und wäre am liebsten ganz nah an das Kleid gegangen, einfach um jedes Detail aufnehmen zu können. Die Blondine, die sogar noch ein Stückchen kleiner war als ich, nickte mir nur stumm und vollkommen verunsichert zu.

„Das ist wirklich gut. Machst du auch die Kostüme für die anderen Elben?“ Wieder nur ein Nicken, während sie angestrengt versuchte mich mit ihren Nadeln und ihren zitternden Händen nicht aufzuspießen. „Dann machst du sicherlich auch das Kostüm für Legolas, oder?“, versuchte ich ein letztes Mal das Gespräch mit ihr aufzunehmen, doch anscheinend war es ein hoffnungsloser Fall. Also blieb ich einfach nur still stehen und guckte ziemlich blöd in der Gegend herum, während die ziemlich verängstigte Frau das Kostüm an mich anpasste. Ich hoffte wirklich, dass dies das letzte Mal sein würde, dass ich hier her musste, oder dass dann zumindest jemand anderes nach mir sehen würde, denn wenn ich eines nicht mochte, dann war es diese unangenehme Stille. Dementsprechend war ich auch froh, dass nach einer Stunde vollkommenem Schweigen, die mir dadurch wie eine Ewigkeit vorgekommen war, endlich alles an mich angepasst war und ich endlich wieder unter Menschen treten konnte, die redeten.

„Hi Teti!“, begrüßte mich dann auch Richard, als ich aus dem Art Department kam und ihn beinahe umlief. Wie immer sah der Chef von WETA Workshop ziemlich gehetzt aus und ich hätte mich wahrscheinlich eher gewundert, wenn er einmal ruhig ausgesehen hätte. Er umarmte mich kurz und dann erklärte er mir, dass er sich jetzt gleich mit uns allen und den Schauspielern treffen würde, damit sie ihre Kostüme und das Make-up zum ersten Mal begutachten konnten.

„Da bin ich ja mal gespannt. Ich kenne ja Dwalins Kostüm schon“, erklärte ich und Richard nickte mir lächelnd zu. Anscheinend wusste er auch schon von der Bredouille, in die Peter mich gebracht hatte. „Aber mal ehrlich … die kleine Blonde. Sie ist verdammt gut, aber ein oder zwei Probleme mit Menschen scheint sie zu haben.“ Ich mochte es nicht so über andere zu reden, aber ich war der Meinung, Richard sollte wissen, was ich darüber dachte. Immerhin war ich sicherlich nicht die einzige und wahrscheinlich war meine Wortwahl noch die harmloseste.

„Ich weiß“, seufzte der große Neuseeländer beinahe resignierend. „Aber wir brauchen sie, und für ihren Job muss sie nicht zwingend soziale Kompetenzen haben“, sagte Richard und zuckte mit den Schultern. Ja, anscheinend kannte er die Eigenart seiner Mitarbeiterin nur zu gut, aber wenn sie gut war, hatte er Recht, dann kam es nur gering auf ihren Umgang mit anderen Menschen an. Genies waren selten dafür bekannt eine sonderlich gute soziale Kompetenz zu haben.

„Vielleicht solltet ihr ihr jemanden zur Seite stellen, der sie etwas aus ihrem Schneckenhaus herausholt“, schlug ich vor und Richard nickte nur überlegend, während wir gemeinsam zu unserem nächsten Termin gingen.

 

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