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Kapitel 12

 

Zu Hause

 

 

 

 

 

„Na, bist du bereit?“, flüsterte Orlando mir ruhig ins Ohr, während er seine Arme von hinten um meine Taille legte. Ich hatte gerade die letzten Sachen in die Tasche gepackt, die Orlando mir nach dem eher plötzlichen Aufbruch an Silvester mitgebracht hatte. Es waren die nötigsten Klamotten darin gewesen, die Dinge, die ich für einen kurzen Aufenthalt im Krankenhaus gebraucht hatte.

 

Ich war überaus froh, dass ich sie nun nicht mehr brauchen würde, vorerst.  Ramesi und Tari ging es mittlerweile so gut wie Kindern, die die volle Zeit ausgetragen worden waren. Sie waren etwas klein und etwas zu leicht, aber das würden sie sicherlich in den nächsten Monaten aufholen. Auch das Problem mit meinem Milcheinschuss hatte sich mittlerweile geregelt und teilweise war es wieder so viel gewesen, dass ich mir wieder wünschte, es würde gar nicht passieren. Alles spannte und es war furchtbar unangenehm. Aber anders herum hätte es mir wahrscheinlich auch nicht gefallen.

 

Ich wollte nicht, dass meine Kinder direkt zu Anfang ihres Lebens irgendwelche künstlich hergestellten Mittel zu sich nehmen mussten. Nicht, weil ich gänzlich dagegen war, dass es so etwas gab, sondern einfach weil ich der Meinung war, dass sie gesünder bleiben würden, wenn sie so lange sie konnten so aufwuchsen wie Milliarden von Babys vor ihnen. Schon bevor ich selbst Kinder hatte, hatte ich gewusst, dass Muttermilch das Beste war, was ein Baby zu sich nehmen konnte, und warum sollte man ihm das nehmen?

 

„Ist zu Hause alles fertig?“, fragte ich ihn und drehte mich zu ihm um, um mir einen kleinen kurzen Kuss zu stehlen. Es war seltsam, wir waren nun schon seit einiger Zeit verheiratet, hatten 4 wundervolle Kinder, doch wenn er mich ansah, spürte ich immer noch das Kribbeln in meinem Bauch. Natürlich es war nicht mehr ganz so stark wie in den ersten Monaten. Das lag aber nicht daran, dass ich ihn weniger liebte, sondern dass ich mich mittlerweile daran gewöhnt hatte, ihm nahe zu sein.

 

„Die Bettchen sind aufgebaut und Janine hat einige Sachen im Supermarkt besorgt“, stimmte Orlando mit einem Lächeln zu. Es war schön zu sehen, dass auch er immer noch so fühlte wie ich, auch wenn ich es sowieso wusste. Dann umarmte er mich nochmal, fester als vorher, und es war immer noch ein ungewohntes Gefühl, dass dieser riesige Bauch uns dabei nun nicht mehr im Wege stand, dass er mich komplett umfassen konnte.

 

Als dann die Hebamme, die mich die letzten Tage betreut hatte, mit dem Entlassungsschreiben kam, schnappte ich direkt die Tasche mit den Sachen der Kinder und Ramesis  Tragesitz. Orlando nahm Tari und meine etwas schwerere Tasche. Ich merkte direkt, wie sowohl meine als auch Orlandos Brust vor Stolz anschwoll, als wir aus dem Fahrstuhl raus und in Richtung Ausgang gingen. Einige der Leute sahen uns sicherlich an, weil sie Orlando erkannt hatten, aber wir nahmen einfach nur an, dass sie von unseren beiden Kleinen so entzückt waren und uns deswegen ansahen.

 

Als wir dann zu Hause um die Ecke kamen, wurde ich beinahe erschlagen. Unser gesamtes Haus war geschmückt worden. Es triefte nur so vor Hinweisen, dass in dieses Haus neue, kleine Bewohner einziehen würden, und damit war nicht der überdimensionale Storch gemeint, der in unserem kleinen Vorgarten stand.

 

„Peter?“, fragte ich nur und sah Orlando an, der anscheinend weniger überrascht war als ich.

 

„Das haben sie arrangiert, während sie bei uns Silvester weiter gefeiert haben“, erklärte Orlando und sein Gesicht sah etwas missmutig aus. Wahrscheinlich hatte er das Haus genauso vorgefunden, als er nach der Geburt der beiden Kleinen hierher zurückgekommen war. Total übermüdet hatte er sich dann mit dem Traum aus rosa und babyblau konfrontiert sehen müssen, von dem ich selbst im hellwachen Zustand ziemlich überwältigt war. Wahrscheinlich konnten selbst die Astronauten auf der ISS sehen, dass hier unten neue Babys angekommen waren.

 

Und obwohl diese Dekoration etwas zu viel des Guten war, ließ sie mein Herz ganz warm werden, denn es zeigte wieder einmal, dass ich hier zu Hause war, dass genau hier meine Familie war, und damit meinte ich nicht nur die, die ich selbst gegründet oder in die ich hineingeboren war, sondern ich meinte auch die, die nicht in irgendeiner Weise mit mir verwandt waren, die, die ich zu meiner zweiten Familie gemacht hatte, weil sie mir so sehr am Herzen lagen. Es war schön zu wissen, dass sie anscheinend genauso fühlten und anscheinend würde sich diese Familie nun um noch einige Mitglieder erweitern.

 

Peter hatte ein Talent dafür furchtbar engagierte Leute ins Boot zu holen, die auch wunderbar in die komplette Gruppendynamik des Teams passten. Bisher hatte er nur einmal im Nachhinein einen Fehler, was seine Besetzungen anging, einsehen müssen und das war noch nicht mal sein Verschulden gewesen. Außerdem war ich mehr als glücklich darüber, denn sonst hätten wir niemals Viggo kennengelernt.

 

Das geschmückte Haus war jedoch nicht das einzige gewesen, was für uns vorbereitet worden war. Sobald Orlando die Türe zum Haus aufgemacht hatte und ich Ramesi abgestellt hatte, sprangen auf einmal aus allen Ecken Leute heraus, die mich anscheinend überraschen wollten. Im ersten Moment war ich von der Idee weniger begeistert, war ich doch einfach nur froh zu Hause zu sein, aber andererseits war es auch schön zu sehen, dass ich anscheinend so viele Freunde hatte.

 

Was mich jedoch sprachlos machte waren die beiden Gesichter, die ich nun direkt vor mir entdeckte. Doch bevor ich meine Eltern gebührend begrüßen konnte, merkte ich, wie etwas vollkommen aufgeregt an meinem Bein versuchte hochzuspringen.

 

„Bahad!“, rief ich überwältigt aus. Ich hatte weder mit ihm noch mit meinen Eltern gerechnet. Eigentlich sollte er noch mindestens 2 Wochen in England bleiben, wegen der Untersuchungen, die für eine Quarantäne unumgänglich waren, aber anscheinend war irgendetwas geändert worden. Vorsichtig kniete ich mich hin und strich dem kleinen Kerl, der sich vor Freude mich wiederzusehen förmlich überschlug, über das Fell. Es war etwas borstiger als ich es in Erinnerung hatte, aber immerhin war Bahad auch schon 11 Jahre alt.

 

Ich erinnerte mich noch genau an den Tag, an dem Orlando ihn mir geschenkt hatte, damit ich nicht so alleine sein würde, wenn er und die anderen Neuseeland verließen. Bahad war damals noch so klein gewesen, aber auch mit 11 Jahren war er nicht minder energiegeladen.

 

„Ist ja gut, Junge“, beruhigte ich ihn, als er dann auf einmal auch noch fröhlich anfing zu bellen und zu japsen. Es war wirklich herzerweichend, wie sehr mein Hund mich anscheinend die letzten Monate vermisst hatte, und ich hatte ihn auch vermisst.

 

„Meine Güte, die beiden sind wundervoll, Liebling“, begrüßte mich dann meine Mutter und nahm mich in den Arm. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, aber sie strahlte über das ganze Gesicht, als sie meinem kleinen Sohn über das Händchen strich und er ihren Finger griff. Auch mein Vater, der sich gerade mit Orlando unterhielt, war begeistert von seinen beiden Enkeln, und ich war wirklich froh, meine Eltern hier zu sehen. Seit dem wir nach L.A. gezogen waren sahen wir sie nur noch selten und ich konnte nur mit ihnen telefonieren.

 

Außerdem war es gut meine Mutter in den ersten Tagen hier zu haben. Natürlich, ich wusste schon, wie man mit Babys umging, immerhin waren die beiden ja nicht meine ersten Kinder, aber  es war etwas anderes, ein einzelnes Kind zu haben oder zwei auf einmal.

 

Dann musste ich mich jedoch den Gästen in unserem Wohnzimmer stellen und es waren nicht wenige. Immer wieder wurde ich gefragt, wie es mir ging, ob die Geburt gut verlaufen war und um ehrlich zu sein, schon nach kurzer Zeit nervte die Frage mich und ich war froh, als ich endlich jeden einmal begrüßt hatte und diese Fragerei ein Ende hatte. Natürlich waren Ramesi und Tari die beiden Hauptpersonen dieser Feier und es gab nicht einen einzigen, der nicht feststellte, dass es sich für die beiden Wonneproppen gelohnt hatte solche Eltern zu haben.

 

„Wir konnten uns leider nicht vorgestellt werden“, unterbrach plötzlich ein Junge Mann das Gespräch zwischen mir und Peter. „Kíli, zu Euren Diensten, Mylady“, sagte er und verbeugte sich, während Peter sich leicht vor Lachen schüttelte. Auch ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

 

„Das ist also der Zwerg, der meinem Mann seine Freundin abspenstig macht?“, fragte ich leicht süffisant. Dann brach ich in einen Lachanfall aus, denn der Blick, mit dem mich der junge Mann ansah, war unbezahlbar. „Kíli verliebt sich doch in Tauriel, oder, Peter?“, fragte ich den kleinen Mann, der sich neben mir beinahe auf den Boden schmiss vor Lachen. Er konnte nur nicken und ich sah, wie sich die Züge meines Gegenübers entspannten.

 

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Reaktion als Beleidigung auffassen sollte“, sagte ich immer noch lachend und dann lachte auch der etwas beschämte Ire, soviel hatte ich aus seinem Akzent herausgehört. Von seinem Aussehen her konnte er nicht viel jünger sein als ich und ich war mir sicher, dass wir uns wunderbar verstehen würden. Ich wusste, neben ihm war noch ein weiterer jüngerer Schauspieler für die Zwerge verpflichtet worden, und zwar für Fíli, Kílis Bruder und nach Thorin der Anwärter auf den Thron der Zwerge vom Erebor.

 

„Aidan Turner“, stellte er sich dann vor, nachdem wir alle unser Lachen endlich wieder im Griff hatten

 

„Teti“, antwortete ich ihm darauf und war erstaunt als er mir, ganz der irische Gentlemen, einen Kuss auf die Hand hauchte.

 

 „Es ist mir eine Ehre Euch kennenzulernen, Euer Hoheit.“

 

Ich zuckte einen Moment zusammen. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Aidan mich ziemlich verwirrt und ich fragte mich, ob er auch etwas gemerkt hatte, doch wahrscheinlich nicht. Ich nickte nur etwas zögerlich und entschuldigte mich dann.

 

Ich setzte mich einen Moment hin, überwältigt von dem, was gerade passiert war, in der Hoffnung, ich würde mich wieder etwas sammeln können. Doch offenbar hatte ich mich zu früh gefreut.

 

 „Ich glaube nicht, dass diese Entscheidung klug war. Er ist zu jung“, sagte der Pharao nachdenklich, als der neue Wächter den Thronsaal verlassen hatte.

 

„Er ist jung, aber ich bin mir sicher, er wird seine Aufgabe gewissenhaft ausführen“, antwortete ich und berührte sanft die Hand meines Gemahls mit meiner. Ich wusste, es beruhigte ihn, meine Haut an seiner zu spüren, und Beruhigung war das, was er jetzt brauchte. Seit der Schlacht von Kadesh war er ein anderer geworden, vorsichtiger, misstrauischer. Manchmal war es nur mein Zureden, das ihn davon abhielt, hinter jeder Mauer einen neuen Feind zu sehen. Die Kriegsträume rissen ihn des Nachts so sehr aus dem Schlaf, dass er mittlerweile kaum noch eine Nacht vollständig in seinen Gemächern nächtigte, sondern immer zu mir kam. Nur in meinem Bett fand er die Ruhe, die er brauchte.

 

„Alles in Ordnung?“, riss mich Aidan, der mir anscheinend gefolgt war, aus meinen Gedanken, und ich war wieder in unserem Haus in Neuseeland.

 

„Ja… ja, alles klar“, sagte ich etwas verwirrt und stand auf. Hoffentlich würde der Ire mein Verhalten damit entschuldigen, dass ich vor wenigen Tagen erst Mutter geworden war.

 

Ich ging direkt zu Orlando und Viggo, die sich im Moment draußen im Garten um den Grill kümmerten. Ich wusste, das, was eben passiert, war konnte ich nur mit den beiden wirklich teilen. Alle anderen würden mir sicherlich nicht glauben, würden es nicht verstehen oder mich für verrückt halten.

 

„Was meinst du damit, es ist wieder passiert?“, fragte Orlando ruhig, aber dennoch etwas besorgt, weil ich doch etwas aufgelöst war. Schon seit Jahren hatte ich kaum noch von Ägypten geträumt, geschweige denn im wachen Zustand eine solche Rückblende gehabt wie gerade eben. Und diese hier war so klar gewesen wie nur selten zuvor eine.

 

„Aidan… er hat meine Hand geküsst, und für den Bruchteil einer Sekunde stand ich wieder im Thronsaal“, erklärte ich und Orlando und Viggo sahen mich erstaunt an. Anscheinend hatte keiner der beiden etwas in der Art erlebt, als sie Aidan kennengelernt hatten, aber sicherlich hatten sie auch keinen Handkuss von ihm bekommen. „Ich war wieder Nefertari“, bestand ich auf das, was ich erlebt hatte, und ich konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken. Schon lange hatte ich überlegt, ob vielleicht doch alles nur Einbildung gewesen war, dass ich mir etwas eingebildet hatte, weil ich damals etwas gebraucht hatte, das mich mit Orlando verband. Aber anscheinend war das nicht so gewesen und irgendetwas an Aidan hatte es nun wieder ausgelöst.

 

Fragend sah ich Viggo an, irgendwie hatte ich immer erwartet, dass er wusste, wenn jemand dieselbe Vergangenheit mit uns geteilt hatte, aber anscheinend wusste er es dieses Mal nicht. Auf der anderen Seite, sowohl Orlando als Viggo kannten Aidan wohl erst seit 3 Tagen, da war er nämlich hier angekommen. Wie konnten sie in der kurzen Zeit schon Schlüsse ziehen, vor allem, weil sie Aidan nur ein einziges Mal kurz kennengelernt hatten.

 

„Er war ein junger Wächter, jemand, der uns irgendwann sehr nahgestanden haben muss“, sagte ich dann und sprach das Gefühl aus, das sich mittlerweile in mir ausgebreitet hatte. Es war nichts, das ich wirklich greifen konnte, eher eine Ahnung, ein leichtes Ziehen in meinem Bauch, von dem ich sicher war, dass dort meine Intuition saß.

 

„Ich denke, das werden wir noch früh genug herausfinden. Aber erst einmal sollten wir uns nicht so viel daraus machen“, sagte Viggo und ich wusste, er hatte Recht. Es brachte nichts, sich nun darüber den Kopf zu zerbrechen. Wenn wir noch nicht wissen sollten, wer er einmal gewesen war, dann war es so, und irgendwann würde dieser Zeitpunkt sicherlich kommen. Immerhin hatte ich auch bei Orlando lange Zeit nicht gewusst, dass er einmal Ramses der Große gewesen war.

 

Ich erinnerte mich noch genau an die ewigen Träume, die mich verfolgt hatten, seitdem Orlando in Wellington angekommen war, selbst als ich ihn noch nicht gekannt hatte. Ich hatte mich für verrückt gehalten als ich bemerkte, dass die Träume mir nur Wahrheiten zeigten, als ich herausgefunden hatte, dass Viggo vor Tausenden von Jahren einmal mein Leibwächter gewesen war und dass ich, oder zumindest meine Seele, einmal die Königin von Ober- und Unterägypten gewesen war.

 

„Wir haben Zeit, noch die nächsten 18 Monate“, sagte Orlando und lächelte mich leicht an. Anscheinend mochte er den Gedanken, dass unsere Vergangenheit uns einholte, die Aussicht, vielleicht wieder einmal an das erinnert zu werden, was uns außer unseren Kindern und unserer Liebe miteinander verband. Er hatte Recht, Peter hatte uns von Anfang an gesagt, dass die Dreharbeiten für den Hobbit wahrscheinlich genauso lange dauern würde wie die der Herr der Ringe-Trilogie. Und in diesen 18 Monaten würden wir schon herausfinden, was es mit Aidan auf sich hatte. Und wer wusste schon, ob wir nicht noch mehr bekannte Seelen kennenlernen würden, denn anscheinend schienen wir und dieses Land solche Begegnungen anzuziehen.

 

 

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