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Kapitel 7

 

Canyon Swing

 

 

 

Die nächsten Tage und Wochen verzehrte mich dieser Traum und der Gedanke, dass man vielleicht wirklich so lieben konnte wie ich es in diesem Traum empfunden hatte. Ich merkte nicht, wie ich mich immer weiter von Dominic entfernte. Zu Beginn hatte ich ihn noch vermisst wenn er nicht jede Minute bei mir gewesen war. Nun war ich froh, wenn ich einmal einige Stunden für mich alleine hatte. Er brachte mich immer noch zum Lachen und wir redeten immer noch viel miteinander, aber das Kribbeln, das ich noch vor einem halben Jahr gespürt hatte, war vergangen. Ich liebte ihn immer noch, aber das Erlebnis in meinem Traum hatte etwas verändert. Es hatte mich unsicher gemacht.

 

„Ich glaube, du brauchst einmal etwas Urlaub von dem ganzen, Te“, sagte Dominic zu mir, als wir zusammen auf meinem Sofa lagen und einen Film sahen. Es war Star Wars und entgegen der allgemeinen weiblichen Haltung dazu, liebte ich diese Filme. Ich konnte nicht verstehen wie Frauen Star Wars nur ablehnen konnten, weil es nun einmal Science Fiktion war. Sie verpassten wunderbare Spezialeffekte – zumindest für die damaligen Verhältnisse – und auch romantische Szenen. Und vor allem verpassten sie die Ewoks. Diese wunderbaren pelzigen, kleinen Teddybären, die durch ihren Wald liefen und versuchten die Klonkrieger zu besiegen. Schon allein wegen ihnen musste man Star Wars einfach gesehen haben.

 

„Ich habe Pete gefragt, also Peter Jackson, den Regisseur, und er meinte, du könntest gerne mitkommen. Die Frau eines Kollegen ist auch oft mit seiner Tochter am Set. Was hältst du davon?“ Seine Frage war eigentlich unnötig. Wann hatte man schon einmal die Gelegenheit auf ein Filmset zu gehen? Außerdem würde Maria auch dort sein und ich müsste nicht einige Wochen ohne meine beste Freundin aushalten. Das einzige Problem, das auf uns zukommen würde, war, meine Eltern davon zu überzeugen. Was ich nicht wusste, war, dass Dominic bereits mit ihnen gesprochen hatte und auch mit Ben und keiner von ihnen hatte etwas dagegen. Im Gegenteil, meine Eltern waren auch der Meinung, dass mir ein Urlaub einmal ganz gut tun würde und so saß ich am nächsten Tag mit Dominic und Maria im Auto, um zum Flughafen zu fahren.

 

„Te, wenn wir gleich aussteigen und in den Flughafen gehen … hab keine Angst, wenn 2 Verrückte auf mich zugerannt kommen … das sind Elijah und Billy … oder besser gesagt Frodo und Pippin. Du hast die beiden schon einmal kurz kennen gelernt.“ Ich überlegte einen Moment und dann fiel es mir tatsächlich wieder ein. Sie hatten mich mit Dominics Handy versucht anzurufen, um herauszufinden, ob ich seine Freundin war. Und Dominic hatte sich nicht getäuscht. Kaum waren wir in den Flughafen gekommen, schon kamen zwei Männer auf uns zugerannt. Ich stockte leicht, als ich in dem einen der beiden Männer den Jungen sah, der im Film „Flipper“ mitgespielt hatte. Und nicht nur in Flipper. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich „Deep Impact“ im Fernsehen gesehen und auch da spielte er die Hauptrolle. Ich stand also vor einem bekannten Schauspieler. Natürlich war auch der andere ein Schauspieler, aber ihn kannte ich nicht.

 

„Te, dass sind Elijah und Billy. Jungs, das ist Teti“, sagte er und die beiden Männer umarmten mich überschwänglich. Im ersten Moment war ich etwas perplex.

 

„Nenn mich Lij, das reicht“, sagte der Jüngere der beiden. Er musste in meinem Alter sein, wenn nicht sogar ein, zwei Jahre jünger.

 

„Nennt mich einfach Te, so wie Dominic. Aber ich fürchte aus Billy kann man nichts Kürzeres mehr machen“, sagte ich und sah den ältesten der drei Männer an. Er sah zwar auch nicht alt aus, Dominic hatte mir aber gesagt, dass er vor kurzem 31 geworden war.

 

„Mittlerweile hört er auch auf Pip“, sagte Dominic und legte seinen Arm um meine Schulter. Dann gingen wir alle zum Check-in-Schalter, wo unser Gepäck entgegen genommen wurde. Ich war aufgeregt und gespannt. Wie war es wohl an so einem Filmset? Und vor allem hatte Dominic mir noch nicht verraten wo es überhaupt hinging. Als ich dann auf dem Bildschirm des Check-In’s Queenstown sah, weiteten sich meine Augen. Queenstown war wunderschön, zumindest erzählten das immer alle. Und Queenstown war das Paradies für Adrenalinjunkies. Nicht, dass ich einer gewesen wäre, aber es war sicherlich spannend einmal mit einem großen Raft die Stromschnellen hinunter zu fahren.

 

Hinter dem Sicherheitsbereich, an welchem ich mal wieder wegen meinen BH-Bügeln aufgehalten wurde, trafen wir dann auf einen weiteren Kollegen von Dom mit seiner Familie. Sean Astin, Christine und Ally waren mir direkt sympathisch und Ally mochte mich auch direkt. Christine schien sich zu freuen, dass sie nun jemanden hatte, mit dem sie sich treffen konnte, wenn ihr Mann einmal an einer unzugänglichen Stelle drehte, an der sie nicht dabei sein konnte. Sie erzählte, dass das letzte Mal eine junge Frau am Set gewesen war und zugesehen hatte. Auch eine Freundin eines Schauspielers und die hatte sie ganz und gar nicht gemocht. Sie kannte ihren Namen nicht, da diese hochnäsige Frau sich ihr nicht vorgestellt hatte. Doch sie hoffte, dass sie nicht auch dort sein würde und um ehrlich zu sein hoffte ich das auch. Ich hatte schon mit Astrates hochnäsiger Art zu kämpfen. Noch so jemanden kennen zu lernen war nicht gerade mein Wunsch.

 

„Wo sind Orlando und Viggo?“, fragte Dom dann. Ich hatte keine Ahnung von wem er sprach, aber ich würde es sicherlich bald herausfinden.

 

„Die beiden sind schon lange in Queenstown, zusammen mit John und Ian.“

 

„Ist seine Flamme auch wieder dabei?“, fragte Elijah etwas genervt.

 

„Ne, zum Glück ist sie dieses Mal zu Hause in Wellington geblieben.“ Ich machte mir keine Gedanken, dass sie auch aus Wellington kam, immerhin war Wellington groß. Und ich kannte gerade mal eine Hand voll von Leuten, die mit mir in dieser Stadt lebten. Im Flugzeug saß ich, zusammen mit Maria, Dom und Lij, in der mittleren Reihe des Fliegers. Ich wunderte mich, dass wir in einem Langstreckenflugzeug Platz genommen hatten, aber Lij klärte mich auf, dass dieses Flugzeug nur eine Zwischenlandung in Queenstown machte, bevor es sich auf den langen Weg nach Europa machte.

 

Europa … ich vermisste es. Meine Kindheit in England war schön gewesen. Meine Großmutter war immer noch dort, aber wegen des Restaurants konnten wir sie nicht besuchen und sie war zu alt um den langen Flug auf sich zu nehmen.

 

„Dom hat erzählt, er kennt dich schon sehr lange“, bemerkte Lij und ich nickte. Ich hatte mir schon gedacht, dass er seinen Freunden von mir erzählt hatte, und sie wussten bereits viel über mich. Sie wussten, dass ich in Ägypten geboren wurde und meine Eltern Ägyptologen gewesen waren. Sie wussten auch, dass ich und meine Familie nun schon seit 3 Jahren in Wellington lebten. Ich war gespannt darauf, was mich in Queenstown erwarten würde und wie solche Filmdrehs von statten gingen. Ich sah ja immer nur die fertigen Ergebnisse. Und ich konnte es immer noch nicht glauben, dass ich tatsächlich neben einem Schauspieler saß, den ich in diversen Filmen bereits gesehen hatte. Bei Dom war es etwas anderes. Ihn kannte ich seit ich ein Kind gewesen war. Er war für mich nie der Schauspieler, sondern immer der beste Freund meines Bruders.

 

„Ähm … wenn ich das sagen darf, Lij … Deep Impact hat mir sehr gefallen“, sagte ich und er lächelte mich an. Wahrscheinlich konnte er nicht verstehen, warum ich das nur so zögerlich sagte.

 

„Danke, es hat auch großen Spaß gemacht. Morgan Freeman ist ein wirklich einzigartiger Mann. Aber glaub mir, du wirst in den nächsten Wochen auch viele einzigartige Männer kennenlernen und auch Frauen.“

 

„Aber lass dich nicht von ihnen veräppeln … das machen sie viel zu gerne“, bemerkte Maria und Lij lächelte sie an. Die Funken, die zwischen den beiden hin und herflogen, waren nicht zu übersehen und ich schwor mir Maria in einer ruhigen und gemeinsamen Minute darauf anzusprechen.

 

Der Flug dauerte nicht lange und kaum waren wir gestartet landeten wir auch schon wieder. Am Flughafen wartete bereits ein Mitarbeiter auf uns und fuhr uns in einem Van zu unseren Apartments. Es war ein schönes kleines Apartment mitten in Queenstown und ich freute mich auf die 2 Wochen, die ich hier verbringen würde. Doms Tage würden sehr, sehr früh beginnen und so würde ich mit ihm zusammen aufstehen. Wir frühstückten zusammen eine Kleinigkeit und er fuhr zusammen mit Sean, Billy und Lij zum Set. Meistens legte ich mich danach noch einige Stündchen ins Bett bis ich mit Christine und Ally etwas unternehmen würde.

 

Aber an manchen Tagen legte ich mich auch einfach in den Gemeinschaftsgarten der Apartments und lies mich von der Sonne bräunen. Eines Tages, als ich gerade so im Garten lag, rief mich Dom dann auf meinem Handy an. Er und die Jungs würden noch etwas essen gehen und er fragte mich, ob ich mit Christine und Ally nachkommen wolle. Natürlich wollte ich und so machte ich mich mit Christine und Ally auf den Weg in die Stadt. Christine freute sich darauf, war sie doch schon mehr als einmal mit allen zusammen essen gewesen, ich jedoch war nervös. Dieses Mal würden nicht nur Sean, Lij, Billy und Dom da sein, nein. Dieses Mal würden auch einige andere Schauspieler dabei sein, und einige von ihnen kannte ich aus bekannten Filmen.

 

Ich erstarrte fast als ich mit Christine und Ally in das Restaurant kam, denn ich lief direkt in Ian McKellen. Ich kannte ihn aus manchen Theaterstücken, die wir mit der Schule in England gesehen hatten.„Vorsicht, meine Liebe.“ Und direkt brachte mich diese Stimme in eines der Theaterstücke zurück. Macbeth um genau zu sein. Das war eines der Stücke, die wir gesehen hatten und in denen Ian McKellen mitgewirkt hatte. Seine Stimme hatte mich damals genauso gefangen wie die Patrick Stewarts, der ebenso häufig in Werken von Shakespeare mitwirkte, den die meisten aber nur als Captain Jean-Luc Picard vom Raumschiff Enterprise kannten.

 

„Entschuldigen sie, Sir“, sagte ich, denn ich wusste, dass er zum Ritter geschlagen wurde und da war „Sir“ nun einmal angemessen.

 

„Es ist nichts passiert“, sagte er lächelnd und nahm meine Hand für einen leichten Handkuss. Ja, er war ein Ritter und ein Mann der alten Schule.

 

„Ah, da ist sie ja!“ Doms Stimmte ließ mich herumfahren. Er kam lächelnd zu mir und hinter ihm winkten mir Billy und Lij fröhlich zu. Doch mein Blick blieb auf einem anderen Mann hängen. Er saß direkt neben Lij und auch er schien mich anzustarren. Als unsere Blicke sich jedoch trafen, sahen wir beide schnell in die entgegengesetzten Richtungen. Ich hatte ihn schon einmal gesehen, da war ich mir sicher, und nicht nur einmal.

 

„Komm Te, ich stell dir die andere vor!“, sagte Dominic enthusiastisch, ohne etwas bemerkt zu haben. Ian sah ihn nur kopfschüttelnd, aber lächelnd an. Anscheinend war er Dominics Impulsivität schon gewohnt. Dann zog er mich vor den großen Tisch, an dem bereits 15 Personen saßen. Und von denen kannte ich nur Lij, Sean und Billy.

 

„Also … fangen wir mal bei der Gemeinschaft an … die drei Verbrecher kennst du ja schon. Das ist Viggo Mortensen mit seinem Sohn Henry, Sean Bean, John Rhys-Davies und Ian hast du ja auch schon kennen gelernt. Der komische Elb da neben Elijah ist Orlando Bloom, noch ein Grünschnabel“, sagte Dom.

 

„Pass bloß auf, wen du hier einen Grünschnabel nennst, Hobbit!“, entgegnete der Mann, den ich eben noch so unverschämt angestarrt hatte. Sein Name war also Orlando. Irgendetwas an seinem Namen irritierte mich, aber ich konnte es nicht ausmachen. Doch bevor meine Gedanken weiter abschweifen konnten, fuhr Dom mit seiner Erklärung fort.

 

„Die vier wunderbaren Damen sind Liv Tyler, Cate Blanchett, Miranda Otto und Fran Walsh mit ihrem Mann Peter Jackson, unserem Regisseur. Und die beiden Männer am Ende des Tisches sind Bernhard Hill und Karl Urban.“ Okay, eines war sicher: ich würde lange brauchen, bis ich mir die ganzen Namen würde merken können. So viel Input in solch kurzer Zeit konnte von meinem Gehirn nicht verarbeitet werden, vor allem wenn dieses immer noch an einem Namen hing: Orlando Bloom. Als wir uns dann alle gesetzt hatten, verfielen wir alle in rege Unterhaltungen. Während Maria und ich uns darüber unterhielten, was wohl die anderen nun im SF machten, ertönte die Stimme von dem Mann, den Dom mir als John vorgestellt hatte, über uns.

 

„Ich denke, ich werde das Essen für den heutigen Abend bestellen“, sagte er und da wir uns gerade alle unterhielten, bestellte er frei drauf los.

 

„Du siehst aber nicht wie eine normale Engländerin aus, wenn ich das so sagen darf“, bemerkte Bernhard, der sich mittlerweile gegenüber von mir gesetzt hatte.

 

„Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich nur eine halbe Engländerin bin. Meine Mutter ist Ägypterin“, sagte ich und ich sah wie Orlandos Kopf in meine Richtung schoss.

 

„Das ist ja interessant. Orlando, kommt deine Freundin nicht auch aus Ägypten?“, fragte Liv neugierig. Und ich war ebenfalls gespannt, denn es gab nicht viele Ägypter in Wellington, nur eine Hand voll.

 

„Ähm ja, aber ihre Eltern sind beide aus Ägypten“, sagte er, während er mich immer noch erstaunt ansah. Dann kam auch schon das Essen und lenkte unsere ungläubigen Blicke auf sich. John hatte so viel bestellt, dass es wahrscheinlich für die gesamte Film-Crew gereicht hätte. Ich war froh, dass ich nicht die einzige war, die vor lauter Verwunderung mit offenem Mund am Tisch saß. Niemand von uns hatte mit dieser Menge an Essen gerechnet und es wurde auch nur die Hälfte der Sachen gegessen.

 

„Hey, da manche von uns ja morgen einen freien Tag haben, was haltet ihr davon, einen kleinen Ausflug zu machen?“, fragte Lij. Viele der Älteren schüttelten nur mit dem Kopf. Anscheinend hatten sie kein Interesse an den Ausflügen, oder hatten bereits etwas Besseres vor. Sean würde seinen Tag mit Chrinstine und Ally verbringen und Viggo hatte geplant mit seinem Sohn Henry und Sean Bean etwas zu unternehmen. Cate und Liv würden am nächsten Tag wieder nach Hause fliegen, da sie im Moment nicht mehr gebraucht wurden, und Miranda würde ebenfalls den Tag mit ihrer Familie verbringen. So blieben nur noch Dom, Lij, Billy, Maria und Orlando übrig und da Dom und Billy am nächsten Morgen noch für einige Drehs mit den Uruk-Hai gebraucht wurden mussten auch sie absagen.

 

„Aber du kommst doch mit, Teti, oder?“, fragte Lij und ich konnte nicht anders als ihm zuzustimmen. Vor allem gab es mir die Möglichkeit ihn und Maria zusammen zu beobachten, denn was immer Maria auch versuchte mir weiß zu machen, irgendetwas lief da zwischen den beiden und ich wollte es genau wissen. Den Rest des Abends verbrachte ich damit, Billy und Lij von Ägypten zu erzählen. Immer und immer wieder befragten sie mich darüber und was ich alles über die Geschichte wusste, da ich diese ja immerhin studierte. Orlando, der am Tischende saß, hörte gespannt zu, auch wenn er nichts sagte und vorgab jemand anderem zuzuhören, doch irgendwie wusste ich genau, dass seine Aufmerksamkeit auf mir lag. Auch ich kam nicht umher ihn immer wieder anzusehen und es machte mir ein schlechtes Gewissen. Ich war mit Dom zusammen und doch sah ich immer wieder einen seiner Kollegen an. Es war nicht derselbe Blick, mit dem man Leute normalerweise ansah. Es war ein Blick mit, dem man Leute ansah die einem vertraut waren, die man schon Jahre kannte. Ich hatte Orlando aber gerade erst kennengelernt, doch dann traf mich er Schlag.

 

„Studiert deine Freundin nicht auch Ägyptologie in Wellington?“ Orlandos Nicken auf Livs Frage ließ mich erstarren. Es gab nur diesen einen Ägyptologiekurs an der Uni und er war nicht gerade so voll, dass man die Teilnehmer nicht kennen würde. Außerdem, gab es nur 2 Teilnehmerinnen mit Ägyptischen Wurzeln. Mich und … Astrate. Nein, das konnte nicht wahr sein, es durfte nicht wahr sein! Ich sah Orlando also tatsächlich nicht zum ersten Mal. Nein, jetzt war ich mir sicher. Er war der Mann gewesen, den ich zusammen mit Astrate gesehen hatte, als ich mit Hirchop in dem Café gesessen hatte. Jetzt war mir einiges klar. Jetzt wusste ich, warum Astrate mit ihm zusammen war. Sie erhoffte sich sicherlich Vorteile, wenn sie mit ihm zusammen war.

 

Er würde bald ein Star sein und sie würde an seiner Seite über die roten Teppiche flanieren und von der ganzen Welt gesehen werden. Moment … war das bei mir nicht auch der Fall als Dominics Freundin? Nein! Ich war anders. Ich war nicht mit Dominic zusammen, weil er ein Star werden würde. Ich kannte Dominic schon, da war er noch ein normaler Teenager in Manchester und damals hatte ich ihn schon gemocht. Bei uns war es eindeutig etwas anderes, und außerdem wollte ich am liebsten nicht mit auf den roten Teppich. Ich würde mir diesen Film lieber alleine zu Hause ansehen, doch das würde mir wohl nicht vergönnt werden. Weder Dom noch Maria würden das zulassen, dessen war ich mir sicher. 

 

„Ihr Name ist Astrate, nicht wahr?“, fragte ich, nur um mich zu versichern. Was mich wunderte war Orlandos Blick. Er sah keineswegs aus als würde er über seine Freundin befragt werden, sondern über eine Affäre, etwas, das er am liebsten vor mit geheim halten wollte.

 

„Ja, du kennst sie?“

 

„Na ja, Wellington ist zwar groß, aber es gibt nur einen Ägyptologiekurs an der Uni und darin auch nur 2 Mädchen mit ägyptischen Wurzeln. Und da ich es ja offensichtlich nicht bin ...“ Bevor ich etwas dagegen tun konnte fügte mein Kopf ein ‚Leider‘ hinzu, das ich keineswegs denken wollte. Und Orlando sah so aus als habe er ein schlimmes Verbrechen begangen, doch er schien seine Reaktion selbst nicht zu verstehen, denn er schüttelte unmerklich seinen Kopf und ging auf die Toilette. Dom sah mich schulterzuckend an, doch ich sah etwas, das ich noch nie in seinen Augen gesehen hatte, wenn er mich ansah: Verwirrung. Anscheinend war ihm der Blickwechsel zwischen mir und Orlando nicht entgangen und er konnte ihn sicherlich genauso wenig verstehen wie einer von uns. Aber was ich noch weniger verstehen konnte, war, dass ich mir einbildete, genau zu spüren was Orlando in diesem Moment spürte, seine eigene Verwirrung, ein schlechtes Gewissen, von dem er nicht wusste, warum er es hatte, und dieselbe Vertrautheit mir gegenüber, die auch ich für ihn empfand.

 

Am nächsten Morgen, ich hatte mich, nachdem Dom aufgestanden war, noch einmal hingelegt, wurde ich durch das Klingeln unserer Türe geweckt. Es war Maria, die mich für unsere am Vorabend geplante Rafting Tour abholen wollte.

 

„Also, Maria … ich möchte eine ehrliche Antwort unter zwei Freundinnen, es ist niemand sonst hier … was läuft da zwischen Lij und dir?“ Maria blieb starr stehen und sah mich mit großen Augen an.

 

„Ni … na ja … ich habe mich gut mit ihm angefreundet … ich klebe ihm ja schließlich auch jeden Tag seine Füße und Ohren an.“ Ihre Wangen wurden rot wie eine Tomate und ich wusste, was ich wissen wollte.

 

„Und du hast dich in ihn verknallt.“ Dann kicherte Maria und nickte. Ich hatte sie geknackt. Jetzt blieb nur noch die Frage, ob es Lij genauso ging, immerhin war Maria ja 2 Jahre älter als er. Ich schwor mir selbst, dieser Frage so diskret wie möglich auf den Grund zu gehen und zur Not auch die Hilfe von Dom und Billy in Anspruch zu nehmen.

 

„Was war das gestern eigentlich? Du und Orlando? Ihr habt euch angesehen wie zwei Blinde die endlich sehen können.“ Ich sah Maria erstaunt an. Ihr war das aufgefallen? Wenn es ihr schon aufgefallen war, wem dann noch? Und dann war es auch nicht ungewöhnlich, dass Dominic verwirrt gewesen war.

 

„Na ja was soll ich sagen … ich weiß es selbst nicht. Ich hatte nicht gedacht, dass es so offensichtlich gewesen ist.“

 

„War es auch nicht, aber ich kenne dich lange genug, Teti.“ Beschämt sah ich zu Boden. Ja, sie kannte mich lange, aber auch Dom kannte mich gut und lange und es tat mir leid, dass er diesen unbewussten und doch anscheinend sehr aussagekräftigen Blick gesehen hatte.

 

„Mach dir keine Gedanken, Teti, jeder sieht mal jemand anderem hinterher und hat seine Fantasien. Dom bestimmt auch.“ Wenn ich doch nur Fantasien gehabt hätte, aber es war anders, doch ich konnte es Maria nicht erklären. Konnte nicht richtig ausdrücken, was gestern passiert war. Ich wusste es mir selbst ja nicht einmal richtig zu erklären.

 

Als ich dann fertig war gingen wir beide zusammen nach unten, wo auch schon Lij und Orlando warteten. Wir begrüßten uns alle mit einem guten Morgen, doch den Rest der Fahrt waren zumindest Orlando und ich ziemlich still. Als wir an dem Platz ankamen, an dem normalerweise die Rafting Touren begannen, war dort nur der Verweis, dass die Tour wegen eines Defektes am Boot an diesem Tag nicht stattfinden würden und die gebuchten Touren entweder nachgeholt oder durch etwas andere getauscht werden konnten. Da die Jungs nicht genau wussten, wann sie das nächste Mal frei haben würden, entschieden sie sich für einen Tausch und wir machen uns auf den Weg zu dem etwas weiter entfernten Hauptsitz des Veranstalters. Er hatte viele Angebote, doch die meisten davon sagten uns nicht zu.

 

„Oh, sieh mal! Die größte Schaukel der Welt.“ Maria stand gerade vor einem Poster, das einen neuen Adrenalinkick vorstellte. Anscheinend war es eine Mischung aus Schaukel und Bungiesprung, denn laut Beschreibung fiel man erst etliche Meter in die Tiefe, bevor das Seil sich soweit spannte, dass man daran schaukeln konnte. Zu meinem Nachteil waren die anderen drei anscheinend Adrenalinjunkies und wollten unbedingt diese Schaukel ausprobieren. Mir sackte das Herz in die Hose. Zu meinem großen Leid war dies jedoch das einzige, was der Mehrheit gefiel, und ich wollte nicht diejenige sein, die den anderen den Spaß verdarb. Vielleicht gab es ja auch eine „kleine“ Schaukel für Kinder, denn meine Höhenangst war zwar nicht sehr ausgeprägt, doch ich war mich sicher, wenn ich an einem Abgrund stand, den ich gleich herunter fallen würde, ob mit Seil oder nicht, würde ich Panik bekommen.

 

Bereits auf der Fahrt dorthin merkte ich wie mein Puls immer mehr stieg und sich die schlimmsten Gedanken in meinem Kopf breit machten. Ich stellte mir vor wie das Seil riss, wie sie mich nicht mehr hoch holen konnten und wie ich mit ansehen musste, wie Maria oder einer der anderen abstürzte. Als wir dann an der Stelle ankamen, war es um mich geschehen. Ich stand vor einer Schlucht. In gebührendem Abstand zum Abgrund sah ich hinunter. Unten befand sich ein Fluss, der Shotover River, wie ich auf der Fahrt erfahren hatte. Und auf einem Schild stand, wie weit ich gerade in die Tiefe blickte: 109 Meter. Dann sah ich sie Plattform, die über den Abgrund hinaus ging, und von der bereits einige heruntersprangen. Mein Puls schlug noch höher. Da sollte ich runterspringen? Alleine? Niemals! Keine zehn Pferde würden mich auf diese Plattform bringen!

 

„Komm schon, Te!“, rief Lij mir zu, der bereits mit Maria in Richtung Plattform ging. Orlando stand immer noch am Wagen und ich spürte seinen besorgten Blick auf mir. Ich schüttelte den Kopf.

 

„Nie im Leben!“, entgegnete ich und Lij und Maria kam auf mich zugerannt.

 

„Na komm schon, Teti, so schlimm ist es nicht. Du bist doch gesichert, was soll da schon passieren?“ Eine ganze Menge! Zumindest versuchte mein Kopf mir das klar zu machen. Dann packte Maria meine Hand und zog mich mit sich. Ich versuchte mich zu wehren, doch meine Knie waren so weich. Ich war froh, dass sie mir nicht unter dem Körper wegknickten, wobei das wahrscheinlich ein Weg war um dem Ganzen zu entgehen. Dann merkte ich, wie sich auch Orlando näherte.

 

„Wenn sie nicht will, zwing sie doch nicht, Maria“, sagte er mit einer ruhigen Stimme.

 

„Ich würde ja gerne, aber ich habe Höhenangst und …“

 

„ … und dein Kopf spielt dir Streiche. Ich kenne das. Vor wenigen Jahren bin ich gerade einmal mit dem Leben davongekommen, als ich von einem Dach gefallen bin. Angst ist wichtig, aber Angst sollte dein Leben nicht einnehmen.“ Seine Stimme war dabei so ruhig, dass sie mich in einen Bann zog und die Worte, die er sprach, zeugten von purer Ehrlichkeit.

 

„Wenn du willst springen wir zusammen. Wir überwinden zusammen deine Angst“, sagte er und hielt mir seine Hand hin. Ich wusste, wenn ich sie ergreifen würde, dann würde ich wenige Minuten später von dem Podest in die Tiefe springen. Ich würde aber nicht alleine springen. Ich war mir sicher, auch Orlando musste Angst haben dort hinunter zu springen, aber er würde es tun, um die Angst zu überwinden, um sich selbst zu beweisen, dass sie zwar da war, ihn aber nicht kontrollierte. Auch ich wollte nicht, dass mich Angst kontrollierte, dass sie mich von Taten abhielt oder dazu verleitete. Sie war da, und das war gut, denn sie ließ einen eine Tat abwägen. Aber wenn man sich entschieden hatte, durfte sie einen nicht zum Zweifeln bringen.

 

Ich legte also meine Hand in seine, ich vertraute ihm. Das Gefühl, als er meine Hand mit seiner Umschloss, war mir seltsamerweise vertraut und auch ihn schien es zu verwirren, denn für einen kurzen Moment sahen wir uns verwundert an. Dann gingen wir in Richtung der Plattform und ich merkte, wie mein Herz wieder schneller Schlug. Mein ganzer Körper kribbelte und war kurz davor wegzulaufen. Ich musste mich bewegen, musste die Energie, die sich ansammelte, irgendwie loswerden. Als direkt vor uns Elijah und Maria zusammen in den Abgrund sprangen, ließ ich einen kurzen, erschreckten Schrei los. Ich hatte gedacht man beginnt umgehend zu schaukeln, doch bei den beiden sah ich, dass man erst einmal einige Meter in die Tiefe fiel, wie bei einem Bungiesprung. Mein Puls ging noch höher und ich merkte gar nicht, wie ich Orlandos Hand immer und immer mehr drückte. Panik stieg in mir hoch. Ich blickte mich um. Uns wurden gerade die Geschirre umgebunden. Es gab kein Zurück mehr. Ich merkte, wie ich zu zittern begann.

 

Mein Herz schlug mittlerweile schon bis zu meinem Hals und es kam mir vor, als würde es jeden Moment meinen Körper verlassen. Dann mussten wir an das Ende der Plattform gehen. Ich sah hinunter und es schnürte mir die Kehle zu. Ich sah zwar wie Elijah und Maria heil an einer anderen Stelle wieder hochgezogen wurden, doch wer versicherte mir, dass Orlando und ich dasselbe Glück haben würden? Ich schnappte nach Luft, doch bevor ich noch etwas sagen konnte drückte Orlando meine Hand, sah mir tief in die Augen und dann … ich schrie wie am Spieß. Der Boden unter meinen Füßen war weg, man hatte uns von der Plattform gestoßen. Nun war es amtlich: mein Herz würde jeden Moment meinen Körper verlassen ich bekam durch den Gegenwind keine Luft mehr und ich merkte, wie ich die Orientierung verlor. Als ich sah, wie der Fluss immer näher kam, schloss ich krampfhaft die Augen und krallte mich regelrecht in Orlandos Hand fest, der beim Absprung seinen Arm um mich gelegt hatte. Auch Orlando schrie, wahrscheinlich konnte man sich dem nicht entziehen, aber bei ihm sah es nicht aus wie ein angsterfüllter Schrei wie bei mir, sondern er schien Spaß zu haben. Jetzt, als ich mich auf ihn konzentrierte, sah ich, dass wir nicht mehr zu fallen schienen, nun Schaukelten wir und mein Angstschrei verwandelte sich in ein lautes Lachen.

 

„Na siehst du, ist doch gar nicht so schlimm!“, sagte Orlando als wir immer wieder hin und her schaukelte. Es war beeindruckend. Unter uns lag der Fluss und wir schaukelten darüber hinweg. Ich merkte zwar noch wie mein ganzer Körper zitterte, aber das Schlimmste war eindeutig überstanden. Der Fall hatte nur wenige Sekunden gedauert, aber es war eine Erfahrung, die ich nicht noch einmal machen wollte.

 

Nach einigen weiteren Sekunden wurden auch Orlando und ich wieder hinauf gezogen und ich war vollkommen außer Atem, fast so als wäre ich gerade in das Ziel eines Marathons gelaufen. Mein ganzer Körper zitterte und als ich von dem Sicherheitsgeschirr entfernt wurde, musste Orlando mich festhalten, damit meine Knie nicht ihren Dienst versagten.

 

„Das war der absolute Hammer!“, meinte Maria, als sie auf mich zugerannt kam. Anscheinend hatte dieser Sprung auf sie nicht dieselbe Wirkung gehabt wie auf mich. Anscheinend war sie für so viel Adrenalin eher geschaffen als ich.

 

„Na ja … das Ende war gut … aber der Fall … ich dachte, ich sterbe!“, bemerkte ich und alle mussten lachen. Als wir zurück zum Auto gingen, legte Lij seinen Arm um meine Schulter.

 

„Na siehst du. Ich glaube jetzt hast du deine Höhenangst wenigstens überwunden“, sagte er und wir mussten wieder anfangen zu lachen. Bevor wir einstiegen, warf ich Orlando noch einen dankenden Blick zu und ich wusste, dass er verstand.

 

 

 

 

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