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Kapitel 61

 

 

Sprachlos

 

 

 

 

 

„Okay, Planänderung!“, rief Peter uns eine Woche später alle zusammen. Es war die letzte Woche und wir lagen eigentlich so gut im Zeitplan, dass keiner von den Anwesenden verstand, warum eine Planänderung erforderlich war. „Wir werden die Kampfszene auf den Pelennor-Feldern mit Legolas schon heute früh machen. Dafür werden wir die Szene mit Aragorn und Legolas bei der Krönung heute Mittag noch mal drehen. Das wird dann auch Orlandos letzte Szene sein“, verkündete Peter und ich war nicht die einzige, die darüber verwundert war.

 

„Was ist falsch mit der Szene?“, stellte Richard die Frage, die uns allen auf dem Lippen lag.

 

„Sie ist leider zu unscharf, wie müssen sie wiederholen. Teti, bitte sorg dafür, dass die Kameras richtig ausgerichtet sind. Noch mal können wir diese Szene nicht dazwischen schieben. Ach, und außerdem bekommen die beiden jetzt Text. Die Skripte liegen im Büro, wenn du sie ihnen bringen könntest?“, bat mich Peter und natürlich machte ich mich sofort auf den Weg.

 

Im Büro wurde ich nur von dem grimmigen Blick von Adam begrüßt. Er war definitiv seit unserer Meinungsverschiedenheit nicht mehr gut auf mich zu sprechen. Er grüßte mich auch nicht mehr, wenn wir uns über den Weg liefen.

 

„Ich brauche die neuen Skripts von Viggo und Orlando“, sagte ich kühl und er drückte sie mir schon in die Hand, bevor ich ausgesprochen hatte. Ich mochte seine Art nicht. Mein Gott, unsere Diskussion war bereits eine Woche her. Wie konnte ein Mensch nur so nachtragend sein? Er war doch ein Mann und keine Frau. Ohne ein Danke verließ ich das Büro wieder. Was Adam konnte, das konnte ich schon lange, denn ich war ja immerhin eine Frau.

 

„Hey, Jake!“, rief ich einem der Männer zu, die für die Kameras zuständig waren. Er kam sofort zu mir gerannt. Die meisten wussten mittlerweile, welchen Job ich momentan machte und wussten, dass sie besser reagierten, wenn ich sie rief oder ihnen etwas auftrug. „Ich möchte, dass du die Kameras für Studio B kontrollierst. Keine Flecken auf der Linse, keine technischen Probleme, alles muss hundertprozentig funktionieren“, sagte ich und er nickte nur. Ich wusste, dass ich mich auf Jake verlassen konnte. Er war jung, aber er lebte für diesen Film und das versicherte mir, dass er alles in seiner Macht stehende tun würde, um die Kameras auf Vordermann zu bringen.

 

„Na, wieder im Stress, Te?“, hörte ich auf einmal Dominics Stimme hinter mir und ich drehte mich verwundert um. Sein letzter Take war schon vor einer Woche gewesen und Peter hatte nichts davon erwähnt, dass er doch noch mal kommen musste.

 

„Hey, Dom, was machst du denn hier? Wolltest du nicht erst heute Nachmittag kommen für Orlandos letzte Szene?“, fragte ich ihn verwundert, doch er zuckte nur mit den Schultern und sagte mir, dass ihm im Hotel langweilig gewesen wäre und er hier mit Elijah, Sean und Billy gefrühstückt hatte. Das war allerdings eine Erklärung. Er ging mit mir zusammen zu Viggo, der bereits zusammen mit Orlando im Make-up-Trailer saß und auf die Szene vorbereitet wurde.

 

„Ich bin echt froh, dass Peter die beste Souffleuse von Neuseeland engagiert hat“, kommentierte Viggo, als er langsam sein Skript durchblätterte, und ich wurde unweigerlich rot.

 

„Ich bin keine Souffleuse mehr, lieber Viggo“, erinnerte ich ihn mit einem Grinsen und ich hatte eigentlich geplant, dass er es durch den Spiegel, an dem er saß, sah, aber hier gab es ja gar keinen Spiegel. Zumindest keinen, durch dem man noch etwas hätte sehen können, denn der Spiegel war mit Bildern zugeklebt. Er drehte sich nur zu mir um und sah mich mit seiner Königsperücke an. Natürlich würde ich den beiden helfen, wenn sie einen Texthänger hatten, ich war ja kein Unmensch.

 

Die Pelennor-Szene lief im Großen und Ganzen gut. Niemand hatte Probleme mit dem Bluescreen und auch Orlando gab wieder einmal sein Bestes und sogar Fran, Peters Frau, war gekommen um bei der Szene dabei zu sein. Doch dann passierte etwas, mit dem keiner gerechnet hatte. Während wir noch mal den vorletzten Take wiederholten und Orlando voller Elan unsichtbare Pfeile in die Stuntmänner rammte, krachte es einmal laut und er stoppte in seiner Bewegung. Natürlich ließ das auch alle anderen innehalten und ich konnte sehen, wie er vollkommen verwirrt und kopfschüttelnd auf uns zu kam.

 

„Mein … mein Bogen ist gerade zerbrochen“, murmelte er ungläubig und starrte immer noch auf seinen Bogen. Er sah wirklich aus wie ein kleines Kind, dessen Lieblingsspielzeug gerade kaputt gegangen war. Und wenn man sich das so überlegte war es wahrscheinlich auch genau das, was er fühlte. Immerhin hatte dieser Bogen ihn über die gesamten 18 Monate, die wir nun mit Hauptdrehzeit und Nachdrehs an diesem Film arbeiteten, begleitet.

 

„Wow“, sagte Peter und sah sich erstaunt Orlandos Bogen an. „Es geht wirklich dem Ende entgegen.“ Ich nickte. Ja, langsam ging es wirklich dem Ende entgegen und wir konnten froh sein, dass der Bogen jetzt kaputt ging, wo wir ihn nicht mehr brauchen würden. Heute Mittag würde Orlando seine letzte Szene drehen und für ihn war das Abenteuer ‚Herr der Ringe‘ endgültig vorbei. Wir würden gemeinsam nach England gehen und wenn er keine Filme drehte, würden wir dort zusammen leben. Und wenn er einen Film drehte, würde er dann wahrscheinlich Seth bei mir lassen und wenn wir konnten, würden wir ihn besuchen.

 

Aber das lag noch in einiger Entfernung. Erst einmal kam Orlandos letzte Szene, die wir nach dem Mittagessen drehten. Bevor die Szene begann versicherte ich mich, trotz meines Vertrauens in Jake nochmals, dass die Kameras auch wirklich einwandfrei liefen. Ich verglich das Set mit dem Set des letzten Krönungsdrehs, damit auch alles ohne größere Probleme hineingeschnitten werden konnte. Als Orlando und Viggo dann als Legolas und Aragorn hereinkamen überprüfte ich auch noch einmal, ob an den Kostümen alles so war wie zuvor.

 

Doch leider fiel mir ein Fehler an Aragorns Krone auf, der noch behoben werden musste, und so mussten wir weitere 2 Stunden warten, bis der Dreh endlich losgehen konnte. Was mich an der ganzen Sache mehr als wunderte war, dass Peter schon, seit er am Set eingetroffen war, wie ein kleiner Schuljunge grinste, und das machte mir Angst. Meistens, wenn er so grinste, dann stimmte etwas nicht, oder er hatte im letzten Moment noch eine Idee, wie etwas besser laufen konnte, und alle mussten sich umorganisieren.

 

„Hey, was steht ihr hier so rum?“, fragte mich plötzlich Elijah hinter mir und ich drehte mich zu ihm um. Neben ihm standen Dom und Billy. Natürlich fragte ich sie, was die drei hier taten, und sie erklärten mir, dass die Szene von Elijah, Sean und Andy noch weiter verschoben wurde und erst gegen Abend gedreht werden sollte und sie daher beschlossen hatten, in der Zeit einfach hier zuzusehen. Das klang war nicht gerade wirklich plausibel, immerhin hätten die drei auch so lange nach Wellington gehen können oder etwas andere machen können, aber bei den drein war sowieso kaum etwas plausibel, also machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber.

 

Ich begann mich erst etwas zu wundern, als Aragorns Krone gebracht wurde und Viggo und Orlando anfingen untereinander zu tuscheln. Irgendwas übersah ich hier, irgendetwas war anders. Wahrscheinlich hatte Peter wieder irgendeinen Schabernack mit mir vor und mich würde im letzen Moment noch jemand einfangen um mich umzuziehen, damit ich auch wieder als Elbe in dieser Szene vorkam. Diesmal würde ich mich jedoch weigern. Ich würde mich diesmal nicht vor die Kamera bringen lassen.

 

„Okay, dann bitte alle auf ihre Position! Und Action!“, rief Peter und ich war wirklich erleichtert, dass er mich in Ruhe lies.

 

„Hannon le. Ich danke dir für deine Unterstützung“, sagte Viggo dem Text entsprechend.

 

„Ihr werdet immer die Unterstützung des Düsterwaldes haben, alter Freund“, erwiderte Orlando und um ehrlich zu sein wunderte es mich, dass er den Text wusste. „Aber hier ist eine, die auf Euch Wartet, König Elessar.“

 

„Cut!“, rief Peter dazwischen, „Orlando, kannst du das etwas geheimnisvoller sagen? Vielleicht wartest du einen Moment zwischen dem ‚wartet‘ und der Anrede“, schlug Peter vor und Orlando nickte. So hatte Peter immer wieder Kleinigkeiten, die noch geändert werden sollten und irgendwann begann Orlando alles durcheinander zu bringen.

 

„... alter Freund. Aber …“ Orlando stockte einen Moment und sah mich an. Er wusste anscheinend nach den ganzen Änderungen, die Peter noch während dem Dreh vorgenommen hatte, nicht mehr, wie sein Text war.

 

„Ich denke …“, versuchte ich ihm auf die Sprünge zu helfen.

 

„Aber ich denke, es gibt hier …“ Wieder stockte er und atmete dann tief durch und sah Viggo an. Der nickte nur unterstützend und ich wartete schon darauf, dass Peter wieder „Cut“ rief, aber es kam nichts. Als ich ihn fragend ansah bemerkte ich, dass nicht nur Billy, Dom und Elijah hinter mir standen, sondern noch viel mehr Leute, nebenbei auch der Kameramann für die „Behind the Scene“-Videos. Und dann merkte ich, wie Orlando plötzlich meine Hand nahm und mich doch tatsächlich vor die Kamera zog. Es war so unverhofft passiert, dass ich gar nicht erst geschafft hatte mich dagegen zu wehren. Aber was sollte das? Ich meine, ich war alles andere als in einem Mittelerde-Kostüm, egal, ob für eine Elbe oder einen Menschen aus Gondor oder Rohan.

 

Nun, da ich vor der Kamera stand, konnte ich sehen, wie viele Leute tatsächlich in diesem Studio standen. Ich hatte mich schon gewundert, warum Peter dieses große Studio für diese Szene reserviert hatte. Natürlich, hinter Orlando und Viggo hatten auch einige Statisten stehen müssen, um das Ganze etwas realer wirken zu lassen, aber auch hinter der Kamera standen sehr viele Leute herum und sie schienen alle auf etwas zu warten.

 

Meine Verwirrung wurde noch größer, als sich Orlando dann auf einmal vor mich hinkniete. Natürlich, normalerweise wusste man, was das bedeutete, doch ich war vollkommen durcheinander, nicht mehr in der Lage, klare Gedanken zu fassen, daher starrte ich ihn nur vollkommen verwundert an. Erst, als er plötzlich etwas unter seinem Kostüm heraus kramte, begann es in meinem Kopf zu dämmern, aber das konnte er unmöglich wirklich machen. Wahrscheinlich bildete ich mir das alles nur ein, ich interpretierte wieder einmal zu viel in diese Situation hinein, wie immer.

 

„Teti, ich liebe dich“, sagte er und nahm mir das Skript aus der Hand, von dem ich ihm eben noch die Zeilen vorgelesen hatte. „Ich liebe dich, sehr sogar.“ Dann zeigte er mir auf einmal den Ring, den er aus seinem Kostüm geholt hatte. Es war Nenya, nur dass in der Mitte, dort, wo alle Blütenblätter zusammenfanden, ein kleiner weißer Stein eingearbeitet war. Erst jetzt merkte ich, was Orlando da tatsächlich vorhatte. Ich hatte nicht zu viel in die Situation hinein interpretiert. Vollkommen überwältigt stand ich da, legte meine freie Hand auf meinen Mund und starrte Orlando einfach an.

 

„Ich habe Richard extra gebeten, diesen Ring anzufertigen. Er hat ihn persönlich gemacht und seit ich den mit mir rumtrage warte ich schon darauf, ihn dir zu geben.“ Ich musste mich wirklich zusammen reißen. Eigentlich war ich nie diejenige gewesen, die schnell heiraten wollte. Um ehrlich zu sein hatte ich immer gedacht, ich würde erst mit Mitte 30 überhaupt den richtigen Mann dafür finden. Aber nun, da Orlando so vor mir saß, diese ganzen Leute um mich herum, Leute, die mir so viel bedeuteten, das raubte mir einfach den Atem. „Du weißt, du bedeutest alles für mich und das praktisch seit dem ersten Moment, in dem ich dich das erste Mal gesehen habe. Ich weiß, wir hatten unsere Probleme mit dieser Situation, aber wenn wir ehrlich zu einander sind, dann haben wir uns damals schon geliebt und waren immer mehr als nur beste Freunde.“ Orlando blickte mir in die Augen und ich sah, wie nervös er eigentlich war.

 

Wahrscheinlich fürchtete er, ich würde gleich heulend davon laufen und vom Heulen war ich zumindest nicht mehr weit entfernt. „Im letzten Monat, wo wir es dann endlich ausleben konnten, habe ich gemerkt, was für ein Team wir eigentlich schon immer waren. Du bist für Seth eine Mutter, bist es immer gewesen, und ich möchte, dass es für den Rest unseres Lebens so bleibt. Ich weiß, dass manche es vielleicht für sehr früh halten, aber ich würde sagen, wir haben schon viel zu lange gewartet. Deshalb frage ich dich, ob du …“ Er holte noch einmal tief Luft und ich konnte immer noch nicht wirklich glauben, was hier passierte. Ich musste leicht lachen als Orlando dann vor lauter Aufregung den Ring fallen ließ und die Worte, die er sagen wollte, im ersten Moment nicht herausbekam. „Deshalb frage ich dich, ob du mich heiraten und zukünftig Mrs. Teti Bloom sein willst.“ Er sah mich fragen an und meine Kehle war auf einmal so unheimlich trocken. Eine Träne kullerte aus meinem Auge heraus und ich starrte ihn nur ungläubig an. Er grinste mich an, wahrscheinlich kannte er mich gut genug, um meine Antwort zu kennen.

 

„Die korrekte Antwort wäre Ja!“, brüllte auf einmal Elijah und alle Anwesenden lachten kurz. Auch ich musste lachen und brachte durch meine trockene Kehle nur ein heiseres „Natürlich“ heraus, während Orlando bereits meine linke Hand nahm und mir den Ring an den Finger steckte. Erst, als er mich dann küsste, nahm ich erst richtig wahr, was hier gerade passiert war. Er hatte mir tatsächlich einen Antrag gemacht und das erst einen Monat, nachdem wir uns das erste Mal geküsst hatten. Und ich hatte auch noch Ja gesagt! Wir waren verlobt! Wir waren erst einen Monat wirklich zusammen und schon verlobt. Was, wenn ich das meinen Eltern erzählen würde? Sie würden mit Sicherheit ausrasten. Ich hörte schon, wie sie mir rieten, die Verlobung wieder aufzulösen, wie sie mir im Ohr lagen, dass es noch viel zu früh sei. Aber wenn es so war, warum fühlte es sich dann so verdammt richtig an?

 

Nein, meine Eltern würden mit Sicherheit nichts dagegen sagen. Jeder, der uns beide kannte, wusste, was wir durchgemacht hatten, wie lange wir schon ein eingespieltes Team waren und viele von ihnen hatten bereits vor 3 Jahren darauf gewettet, dass wir ein Paar waren, obwohl wir es damals wirklich noch nicht gewesen waren. Orlando und ich, wir kannten uns besser als jeden anderen, und daran würden auch weitere Monate und Jahre nichts ändern. Es war zwar eine frühe, aber die richtige Entscheidung gewesen.

 

„Ihr alle seid wirklich einmalig und ich danke euch, dass ihr mir das hier möglich gemacht habt. Ihr wisst, wie viel ihr mir bedeutet und wie viel ihr ihr bedeutet, und euch in diesem Moment alle bei uns zu haben, ist einfach wunderbar. Diese letzten 4 Jahre würde ich gegen nichts in der Welt eintauschen wollen und ich werde Neuseeland immer als eine zweite Heimat und euch als eine zweite Familie betrachten. Ich danke euch von ganzem Herzen.“ Dann umarmte er mich wieder und ich sah ihm an, dass er selbst nicht wirklich glauben konnte, was gerade passiert war. Wahrscheinlich hatte er niemals damit gerechnet, dass ich wirklich auch Ja sagen würde.

 

„Und Cut! Danke, überprüft das Material!“, rief Peter und alle lachten, während er als Erster zu uns kam um uns zu gratulieren. Und als Peter mich gerade umarmte und mich zu der Menge der Gondorianer schwenkte, traute ich meinen Augen nicht. Dort standen verkleidet meine Eltern, Hirchop und Eileen. Sie waren alle dabei gewesen. Und dann dämmerte es mir. Orlando hatte das tatsächlich alles langer Hand geplant und meine Familie, beide Familien, hatten davon gewusst! Meine Mutter und Eileen hatten Tränen in den Augen als sie mich umarmten und auch mein Vater konnte seine Freude nicht wirklich unterdrücken.

 

„Du kleiner Mistkerl!“, zischte ich Orlando lachend an und küsste ihn noch mal. Er war wirklich unglaublich. Er lächelte mich nur unschuldig mit den Schultern zuckend an und umarmte mich noch einmal.

 

 

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