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Kapitel 59

 

Sauron's Mund

 

 

 

„Der Herr des Schwarzen Landes soll heraustreten!“, rief Viggo gegen den Wind an und es war sehr schwer ihn zu verstehen. Auch die Pferde waren nicht gerade begeistert von dem peitschenden Wind, der sogar schon dafür gesorgt hatte, dass Peters Brille und mein Schal davon geflogen waren. Ureaus, Blanko und Percy schlugen unaufhörlich mit ihren Köpfen und waren mehr als unruhig. Aber Peter wollte nicht aufhören. Seiner Meinung nach war diese Reaktion der Tiere genau das, was er brauchte. Es war besser als diese antrainierte Unruhe, die die Pferde auf Kommando zeigen konnten. Das hier war echt.

 

„Die freien Völker Mittelerdes fordern, dass er sich zeigt!“, rief Orlando und ich sprach tonlos mit. Wir hatten diese Szene im Flugzeug geprobt und ich konnte jeden Text förmlich mitsprechen.

 

„Cut!“, rief Peter und ich sah ihm an, dass ihm das noch nicht wirklich gefallen hatte. „Viggo, bitte versuch mal folgendes: ‚Lasst den Herrn des Schwarzen Landes herauskommen! Er soll seine gerechte Strafe erhalten!‘ Und dann kommt Orlando.“ Ich hoffte inständig, dass Viggo ihn wirklich verstanden hatte, denn bei dem Wind war es wirklich schwierig und ich war froh, wenn wir uns für eine Pause in die Zelte zurückziehen konnten. Aber ich war mir sicher, hätte Viggo Peter nicht verstanden, wäre er zu uns gekommen und hätte noch einmal nachgefragt. Also ließ ich noch einmal das Licht prüfen und sah nach, ob die Perücken nicht durch den Wind vollkommen verwirrt waren, bevor Peter loslegte.

 

Dieser Take gefiel Peter wesentlich besser und wir konnten zu einer kleinen Pause im Zelt verschwinden, während die Pferde in ihre provisorischen Boxen gebracht wurden. Danach folgte dann die geänderte Szene, in der Aragorn nicht gegen Sauron selbst kämpfte, sondern Saurons Mund dem Kopf abschlug. Es gefiel mir wesentlich besser, so nah an Tolkien zu sein, doch das war nicht das Beste an dieser Szene.

 

„Teti, was meinst du? Ist das so richtig?“, fragte mich Peter, nachdem wir gerade wieder etwas andere ausprobiert hatten und winkte mich zu ihm.

 

„Na ja, ich glaube, es wäre besser, wenn er dabei etwas überheblicher klingen würde“, sagte ich und sah Peter zögernd an. Er machte nur eine ausladende Geste, die mir sagen sollte, dass ich Bruce anweisen sollte, Saurons Mund nach meinen Vorstellungen zu spielen. „Ich denke, Saurons Mund wäre von seiner Überlegenheit überzeugt. Er ist sich des Schutzes seines Meisters gewiss, Bruce. Stell dir einfach vor, die 7 vor dir - sorry, Jungs - seien Maden oder irgendwelches anderes lästiges Viehzeug. Versuch ab und zu zu lächeln, aber nicht nett und freundlich, sondern eher gruselig, wenn du weißt, was ich meine.“ Bruce sah mich in seiner bereits vollkommenen Maske an und lächelte mich an. Durch seine Zahnprothese, die Richard extra hatte anfertigen lassen, sah das alleine schon gruselig aus. Als er dann jedoch noch seine Lippen anspannte und diese beinahe gänzlich zu verschwinden schienen, war das Bild perfekt. „Ja, genau so!“

 

Ich merkte gar nicht, wie alle mich verwundert oder lachend ansahen, so vertieft war ich darin, ihm meine Vorstellung der Szene rüberzubringen. Dann begann ich auch noch Orlando und den anderen meine Vorstellung von deren Reaktionen rüber zu bringen und Peter ließ mich einfach reden, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Als ich dann fertig mit reden war, sahen die anderen ihn alle an. Wahrscheinlich warteten sie, dass er etwas sagen wollte.

 

„Ihr habt sie gehört!“, war jedoch alles, was er sagte, und er wies alle an, ihre Posten einzunehmen, während er mich auf seinen Stuhl setzte. Ich sah ihn im ersten Moment perplex an, doch er nickte mir nur zu. Warum machte er das? Hatte ich mich vielleicht zu sehr eingemischt und er wollte mir zeigen, warum er der Regisseur war und nicht ich? Wahrscheinlich und es tat mir furchtbar leid, so anmaßend gewesen zu sein, aber er sah mich nur an und wartete, bis ich endlich „Action!“ rief und alle tatsächlich das taten, was ich zuvor beschrieben hatte.

 

„Cut!“, schrie ich als wir die Szene dann beendet hatten und Peter kam zu mir um sich das Material direkt anzusehen.

 

„Wow, wirklich nicht schlecht. Du hast Talent, Teti, das muss man dir lassen“, bemerkte er und nickte anerkennend. Ich lächelte. Anscheinend hatte er nur wissen wollen, was ich für eine Idee hatte und wollte sehen, ob ich auch in der Lage war, eine solche Idee umzusetzen.

 

„So, ich würde sagen, so jung kommen wir nicht mehr zusammen. Lasst und noch die Szene mit Aragorns Rede vor der Schlacht abdrehen“, kündigte Peter an. Ich sah Orlando an, dass er am liebsten für ‚Nein‘ gestimmt hätte, er war müde und wollte wahrscheinlich nichts lieber als in sein Bett fallen, aber das war nun einmal sein Job und er war selbst Schuld, dass er im Flugzeug nicht geschlafen hatte. Als er mich mitleidig ansah, zuckte ich nur mit den Schultern und formte mit meinen Lippen ein „Ich hab’s dir gesagt“ und er sah mich nur Augen verdrehend an. Wahrscheinlich fragte er sich gerade, warum ich auch immer Recht behalten musste.

 

Für die Szene mit Aragorns Rede brauchten wir geschlagene 3 Stunden. Nicht, weil Viggo es schlecht machte, sondern weil der Wind wieder angezogen hatte und wir öfters eine Pause machen mussten, weil wieder irgendetwas durch die Gegend flog oder die Perücken der Schauspieler vollkommen durcheinander waren.

 

„Es ist aber nicht nett, die Rede eines Königs einem anderen zu geben“, flüsterte mir Viggo zu, nachdem wir diese Szene endlich im Kasten hatten, und ich musste lachen. Natürlich wusste er genau, wo ich diese Rede her hatte.

 

„Ich dachte mir, sie hat damals funktioniert, dann funktioniert sie auch heute. Außerdem wird das nie jemand herausfinden. Dieser Teil Karnaks existiert nicht mehr“, zwinkerte ich ihm zu und nun war er es, der lachen musste. Ja, es war eindeutig gut, jemanden zu haben, mit dem ich auch darüber reden konnte. Es half mir dabei, mich nicht für total verrückt abzustempeln. Es half mir, diese Träume als etwas Schönes zu sehen und nicht als etwas, um das man sich Sorgen machen musste.

 

Mittlerweile hatte ich sogar damit begonnen, mich mehr mit diesen Träumen auseinander zu setzen. Ich wollte herausfinden, ob es noch mehr Personen gab, die ich vielleicht aus diesem früheren Leben kannte. Vielleicht erklärte es tatsächlich, warum ich mich so schnell und intensiv mit diesen Menschen angefreundet hatte. Doch bis jetzt konnte ich noch nichts wirklich zuweisen. Vielleicht war es ja auch nur die enge Verbindung zu Orlando, Viggo und Maria gewesen, die mich hierher gebracht und hier gehalten hatte. Ich konnte es nicht sagen. Das einzige, was ich sagen konnte, war, dass ich wirklich dankbar dafür war. Natürlich, es waren einige wirklich schlimme Dinge passiert, die ich mehr als gerne rückgängig gemacht hätte, aber ich hatte auch viel Wunderbares erlebt, das ich für den Rest meines Lebens nicht vergessen würde.

 

Als Peter uns dann endlich gehen ließ, fuhren Orlando und ich direkt zu meinen Eltern um Seth bei ihnen abzuholen. Der kleine Mann freute sich tierisch auf uns beide und erzählte euphorisch, wie er jeden Tag mit meiner Mutter und Bahad spazieren gegangen war. Es freute mich, dass die beiden sich so gut verstanden, denn in gewisser Weise war sie ja seine Grandma und ich war mir sicher, meine Mutter dachte auch über Seth als eine Art Enkel.

 

„Ich weiß gar nicht, wie ich euch das jemals danken soll“, sagte Orlando nachdem meine Mutter noch darauf bestanden hatte, dass wir bei ihnen zu Abend aßen. Ich sah Orlando an, dass er tatsächlich mehr als gerührt von der Art war, wie meine Eltern schon immer mit ihm umgegangen waren.

 

„Mach unsere Teti glücklich, das reicht uns als Dank“, sagte mein Vater und schlug Orlando leicht auf die Schulter. Ich sah meinen Vater lächelnd an. Ich war froh, dass er Orlando mochte. Ich hatte gedacht, Dom sei eine Ausnahme gewesen, hatte er sich doch geweigert, mit meinem allerersten Freund in London je ein Wort zu wechseln. Wahrscheinlich hatte er von Anfang an gewusst, dass dieser Kerl nicht gut für mich gewesen war. Bei Dom und Orlando war es vielleicht die Tatsache, dass er die beiden schon gekannt hatte, bevor sie meine Partner wurden. Vielleicht lag es aber daran, dass er gemerkt hatte, dass diese beiden Männer mich wirklich liebten.

 

„Das werde ich, Sir“, sagte Orlando und klang dabei irgendwie wie ein Teenager, der gerade das erste Mal auf den Vater seiner ersten Freundin traf. Ich musste unweigerlich anfangen zu lachen und Orlando und mein Vater sahen mich verwirrt an.

 

„Dad, wir sind doch keine Teenager mehr. Ich bin eine erwachsene Frau.“

 

„Für mich wirst du immer meine kleine Prinzessin bleiben“, antwortete mein Vater jedoch und küsste mich gegen die Schläfe. Wahrscheinlich hatte er Recht. Für ihn würde ich immer das kleine Mädchen bleiben, das, wie er immer so gern erzählte, nach seiner Nase gegriffen hatte, als er mich das erste Mal gehalten hatte. Aber früher hatte ich das nie verstanden. Mittlerweile wusste ich genau, was er meinte. Seth würde wahrscheinlich für mich auch immer der kleine Junge sein, den ich kurz nach seiner Geburt in den Armen gehalten hatte, weil seine Mutter ihn nicht hatte haben wollen.

 

„Und du wirst immer mein Daddy sein“, sagte ich dann und er sah mich lächelnd an. Ich hatte ihm noch nie zuvor zu verstehen gegeben, dass ich ihn verstand und dass ich seine Ansicht teilte, und es machte ihn überglücklich, das von mir zu hören. Er drückte mich fest an sich und küsste mich auf die Wange. Ja, ich würde immer sein kleines, großes Mädchen bleiben.

 

„Ich hab auch Daddy!“, rief Seth dann plötzlich aus seinem Kinderstuhl und streckte seine Arme nach Orlando aus, der ihn natürlich aus dem Stuhl holte und auf seinen Schoß nahm. Dann sah der kleine Wonneproppen mich an und gab mir einen kurzen Kuss. „Und ich hab ‚Nicht-Mommy‘!“

 

„Aber klar hast du das und das ist etwas ganz besonderes. Nicht jeder hat eine ‚Nicht-Mommy‘“, kommentierte Orlando die überschwänglichen Worte seines Sohnes und sah mir tief in die Augen. Wir waren einfach eine Familie und ich war mir sicher, dass sich daran auch niemals mehr etwas ändern würde.

 

„Ich denke, wir sollten jetzt aber gehen. Seth hier muss langsam ins Bettchen. Morgen früh ist die Nacht zu Ende“, versuchte ich uns dann von meinen Eltern loszueisen. Wenn wir hier waren, war es wirklich immer schwer, einen guten Zeitpunkt zum Gehen zu finden. Seit ich wirklich mit Orlando zusammen war, wohnte ich eigentlich mehr in seiner Hotel-Suite als in meinem eigenen Zimmer bei meinen Eltern und das war natürlich schwer für sie. Aber sie würden sich daran gewöhnen müssen. Bald lebte ich in London und sie würden nach Manchester ziehen, während Hirchop mit Eileen hier in Wellington bleiben würde.

 

Den Weg zum Hotel legten wir wegen Bahad zu Fuß zurück. Er musste noch sein Geschäft machen. Seth würde dadurch müde werden und außerdem war es nicht allzu weit vom Restaurant meiner Eltern bis zum Duxton Hotel.

 

„Ich bin wirklich froh, wenn wir wieder zu Hause sind“, stöhnte Orlando als wir bereits den halben Weg hinter uns hatten und ich musste lachen. Dieser sonst so körperlich fitte Mann schien wirklich einmal am Ende seiner Kräfte zu sein. Natürlich ließ ich es mir da nicht entgehen, ihn etwas damit aufzuziehen, vor allem weil ich mich noch relativ fit fühlte. Es war gut, dass es einmal anders herum war.

 

Einige Tage später musste Orlando schon wieder für 2 Tage abreisen. Natürlich war ich nicht glücklich darüber, dass ich ihn dieses Mal nicht begleiten konnte, aber ich wusste, Peter brauchte mich wirklich am Set. Und außerdem war ich ja auch neugierig und wollte wissen, was am Set alles passierte. Als ich mit Orlando auf der Weltpremiere von „Fluch der Karibik“ gewesen war, hatten sie zum Beispiel das erste Mal versucht, Andys Motion Capture-Szenen, durch die Gollum am PC animiert werden konnte, während des Drehs mit Elijah und Sean aufzunehmen, und es hatte tatsächlich geklappt. Wie gerne hätte ich das mitbekommen, aber da Peter sich nun eher dem anderen Handlungsstrang widmete, während Unit 2 die Szenen mit Elijah und Sean übernahm, würde ich nichts mehr davon mitbekommen.

 

Dafür wiederholte Peter noch einmal die Szene zwischen Aragorn und Arwen und ich war so glücklich Liv noch einmal als Arwen zu sehen und zu sehen, wie sie endlich die Szene bekam, die sie haben wollte: Eine richtige, etwas romantisch Wiedersehensszene.

 

„Ich habe gehört, Orlando und du, ihr habt es endlich geschafft“, bemerkte sie während der Mittagspause, in der ich mit Seth etwas aß.

 

„Daddy und ‚Nicht-Mommy‘ haben sich lieb!“, rief der Kleine dazwischen und wir mussten unheimlich lachen. Es war wunderbar, mit welcher Leichtigkeit der kleine Seth mit dieser ganzen Situation umging und wie er immer wieder darauf bestand, dass ich seine ‚Nicht-Mommy‘ war. Es erinnerte mich etwas an den kleinen Dinosaurier in einer Kinderserie, der seinem Vater immerzu mit einer Pfanne auf den Kopf haute und ‚Nicht die Mama!‘ rief. Ich war mir sicher, Seth sollte diese Serie besser nicht sehen, sonst würde dieser Frechdachs noch auf dumme Gedanken kommen.

 

„Ich freue mich wirklich für euch. Es wurde ja auch langsam mal Zeit. Ich meine, wie lange geht das jetzt schon? 3 Jahre? Wahrscheinlich noch länger. Meine Güte, ihr könntet schon verheiratet sein und gemeinsame Kinder haben, wenn ihr nicht so engstirnig gewesen wärt“, sagte Liv und sie meinte es mehr als ernst. Das Schlimme an der Sache war, dass sie möglicherweise Recht hatte. Wahrscheinlich hätten wir uns beide viel ersparen können, wenn wir nicht alles verdrängt hätte, wenn wir direkt auf unsere Gefühle eingegangen wären. Wahrscheinlich würde es niemand außer mir und Orlando verstehen, warum wir so lange gebraucht hatten.

 

„Schon komisch, das ist jetzt wirklich das Ende. Nach diesem Tag werde ich nie wieder Arwen sein“, sagte Liv dann als wir unsere Teller wegstellten und wieder Richtung Studio gingen, und sie hatte Recht. Diese Nachdrehs waren tatsächlich der Anfang vom Ende und wahrscheinlich würde jeden weiteren Tag irgendjemand seinen allerletzten Tag haben. Die nächsten verbleibenden zwei Wochen würden ein einziger Abschied sein und ich wusste, es würde nicht leicht werden.

 

„Ich danke euch von ganzem Herzen, dass ich mit euch allen arbeiten durfte, dass ich ein Teil dieser wunderbaren Familie werden durfte“, sagte Liv beinahe zu Tränen gerührt, als sie von Peter eines von Arwens Kleidern zum Abschied geschenkt bekam. „Es war wirklich eine einmalige Reise und ich bin froh, dabei gewesen zu sein. Dankeschön“, wiederholte sie sich und umarmte Peter. Auch mir stiegen die Tränen in die Augen. Liv war nicht wirklich oft am Set gewesen, aber wenn sie dagewesen war, war es eine schöne Abwechslung gewesen, auch einmal mit einer Frau zu arbeiten.

 

„Grüß Orli von mir. Es ist schade, dass er nicht hier ist“, bat sie mich als sie mich umarmte. Ich wusste, Orlando war ihr auf freundschaftliche Weise sehr ans Herz gewachsen und Orlando ging es nicht anders.

 

„Wir werden uns spätestens auf der Premiere wiedersehen“, sagte ich nur und Liv nickte zustimmend. Es würde sicherlich nicht das letzte Mal sein, das wir uns sehen würden, egal, ob wir noch einmal zusammen arbeiten würden oder nicht.

 

 

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