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Kapitel 55

 

Wie sag ich's meiner Familie?

 

 

Nervös ging ich vor unserem Restaurant auf und ab, Bahad saß still und auf mich blickend neben mir, als verstünde er gar nicht, was mit mir los war. Ich wusste ja selbst nicht, warum ich so nervös war, eigentlich gab es hierfür keinen Grund. Was nachher passieren würde, war für alle vorhersehbar gewesen, zumindest redete ich mir das ein um mich zu beruhigen, aber es klappte nicht.

 

„Müsste ich nicht eigentlich nervös sein?“, hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich erschrak einen Moment, denn ich hatte noch nicht mit ihm gerechnet. Eigentlich hatte ich erst in einer Viertelstunde mit ihm gerechnet. Als ich mich zu ihm umdrehte sah ich, dass er alleine war.

 

„Wo ist Seth?“, fragte ich. Orlando sah mich lächelnd an. „Christine ist vorhin angekommen und Seth ließ sich nicht dazu bewegen wegzugehen. Als ich gehen wollte, hat Christine dann angeboten, ich könnte Seth bei ihnen lassen und sie würde ihn morgen mit zum Set bringen.“ Ich merkte erst, dass mein Mund offen stand, als Orlando ihn vorsichtig wieder zuklappte als er näher kam.

 

„Wir haben den ganzen Abend für uns. Wie wäre es, wenn wir das tun, was die anderen von uns erwarten?“, hauchte er in mein Ohr und auch wenn es hier draußen kalt war, merkte ich, wie meine Körpertemperatur unweigerlich anstieg. Ich wusste genau, wovon er redete und er wusste, dass er mich damit verrückt machen konnte. Es war nun schon drei Tage her gewesen, dass Orlando mitten in der Nacht in Wellington auf dem Flughafen gelandet war und es war noch nichts passiert. Natürlich lag es größtenteils daran, dass in seiner Suite auch immer ein kleiner, fast 3-jähriger Junge war.

 

Er hatte jedoch keine Gelegenheit versäumt mir durch eine Berührung oder durch etwas, das er mir ins Ohr flüsterte, weiche Knie zu machen. Leider wusste er genau, welche Wirkung er auf Frauen hatte und wie er dies zu seinem Zweck einsetzen musste. Die letzten Nächte hatte ich, das musste ich gestehen, immer und immer wieder nur von der einen Sache geträumt und daran war er schuld.

 

„Wir werden sehen, Mister Bloom“, flüsterte ich zurück und küsste ihn leidenschaftlich, während ich mit einer Hand in seine Haare griff und mit der anderen Hand über seine Brust fuhr. Natürlich hatte es wegen der Jacke nicht den vollen Effekt, aber ich konnte sehen, dass er wusste, worauf ich hinaus wollte. Alleine dieses Wissen machte ihn verrückt und er hatte noch nicht die Teti gesehen, die Männer um ihren Finger wickeln konnte. Natürlich, diese Teti war auch mit schlechten Erinnerungen in meinem Kopf verknüpft, aber ich hatte das hinter mir gelassen, da war ich mir sicher.

 

„Sollen wir dann?“, fragte ich unsicher und Orlando nickte. Bahad lief als erster ins Restaurant und kündigte uns sozusagen an. Ich wusste, dass drin bereits meine Eltern, Hirchop und Eileen darauf warteten, dass ich ihnen endlich sagte, was los war. Nervös schnappte ich mir Orlandos Hand und wir verschränkten unsere Hände ineinander.

 

„Mom, Dad, Hir, Eileen.“ Es war komisch, so vor ihnen zu stehen. Sie alle sahen mich fragend an. Natürlich, für sie war Orlando kein Unbekannter und sie fragten sich wahrscheinlich, wann ich ihnen endlich sagte, was los war. „Das ist Orlando, mein Freund.“ Verwirrt und verlegen winkte Orlando einmal meinen Eltern zu und sie sahen mich an. Während es bei Eileen und meiner Mutter langsam zu dämmern schien, sahen Hirchop und mein Vater uns immer noch verwirrt an.

 

„Wir wissen, dass Orlando dein Freund ist, schon seit Jahren“, bemerkte mein Vater, dann sah er meine Mutter an, die auf einmal aufsprang und Orlando auf die Wange küsste.

 

„Nicht ein Freund, George. Der Freund!“, berichtigte ihn meine Mutter als sie sich von uns beiden gelöst hatte. Nun hatten es auch mein Vater und Hirchop verstanden. Eileen sah mich immer noch mit ihren verwunderten Bambi-Augen an.

 

„Und dir hab ich erzählt, dass ich Orlando Bloom heiß finde … man, ist das peinlich“, murmelte sie, musste dann jedoch sofort anfangen zu lachen. Ich nickte nur grinsend und mein Gesicht wurde immer und immer röter. Jetzt war es raus und wenn es meine Eltern wussten, war es mehr als offiziell.

 

Während dem Essen bemerkten wir jedoch, wie offiziell das Ganze bereits geworden war. Meine Eltern hatten die Angewohnheit, ständig einen kleinen Fernseher laufen zu haben und auf einmal sah man ein zu Beginn unscharfes Video, auf dem man noch nicht viel erkennen konnte, darunter war aber schon der Titel zu sehen: „Sexy Elb vergeben?“

 

Ich atmete tief aus. Eigentlich hätten wir damit rechnen müssen, dass irgendjemand am Flughafen sein Video an einen Sender verkaufte. Dann wurde das Bild schärfer und man konnte eindeutig sehen, dass die beiden Personen, die sich da leidenschaftlich küssten und dann unverständliche Worte austauschten, Orlando und ich waren. Natürlich hatte der Sender weiter recherchiert und herausgefunden, dass ich schon seit Jahren immer wieder an der Seite der Herr der Ringe-Stars zu sehen gewesen war. Sie spekulierten sogar, ob ich Seths unbekannte Mutter war, immerhin passte es zu seinem orientalischen Touch.

 

Da ging also mein unbekanntes Leben dahin und wahrscheinlich wollten mich gerade tausende, nein Millionen von Mädchen und Frauen umbringen. Ich hatte wahrscheinlich ihre Träume zerstört, diesen Mann zu bekommen, und ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie diese Träume alle aussahen.

 

„Du bist eine Herzensbrecherin, Teti“, murmelte Hirchop gespielt verwerflich. Ich nickte nur gedankenverloren. Als der Reporter dann sogar die beiden Szenen aus dem Herrn der Ringe zeigte, in dem ich zu sehen gewesen war, war ich sprachlos. Wie hatten sie das bitte herausgefunden und was würden sie noch alles herausfinden?

 

„Das war zu erwarten …“, kommentierte mein Vater die Situation und er hatte Recht. Ich wäre naiv zu denken, dass man mich in Ruhe lassen würde, wenn ich mit Orlando zusammen war. Welchen Star gab es denn bitteschön, dessen Partner nicht wie ein Schwein ausgeschlachtet wurden, damit die Öffentlichkeit auch ja alles über die Beziehung wusste. Und natürlich war auch abzusehen, dass auf einmal das Telefon meiner Eltern anfing zu klingeln. Wahrscheinlich hatten gerade einige ihrer Freunde das gesehen, was wir sahen, und wollte sich nun vergewissern, ob das wirklich ich war, die da mit dem Hollywoodstar knutschte.

 

„Ich denke, wir gehen dann mal besser“, bemerkte ich, während mein Vater nun schon den dritten Anrufer abwimmelte. Meine Mutter nickte nur und lächelte uns an. Wahrscheinlich war sie nur überglücklich, dass ich nach allem, was geschehen war, fröhlich aussah.

 

Nach allem, was passiert war. Unweigerlich musste ich daran denken, was Paul mir angetan hatte. Ich hatte lange nicht mehr daran gedacht, weil ich mich nicht mehr damit konfrontiert sah. Aber jetzt, wo Orlando und ich gerade wieder zum Hotel fuhren und ich vielleicht das erste Mal seitdem wieder Sex haben würde, kam es wieder hoch. Was, wenn ich auf einmal blockieren würde? Würde Orlando es falsch aufnehmen?

 

„Es muss nicht sein, wenn du noch nicht bereit bist“, flüsterte er leise, nachdem er mich küssend auf sein Bett gelegt hatte. Anscheinend sah er in meinen Augen, was los war, denn je mehr ich daran dachte, desto unruhiger wurde ich.

 

„Nein, ist schon in Ordnung“, versicherte ich ihm und er küsste mich weiter. Ich wollte es unbedingt schaffen, wollte nicht, dass dieses Schwein nach so langer Zeit immer noch Macht über mich hatte, dass er vielleicht das kaputt machte, was Orlando und ich hatten. Welcher Mann würde schon lange auf Sex verzichten können? Als Orlando dann jedoch langsam anfing mir meine Bluse aufzuknöpfen, sprang wieder das Bild in meinen Kopf. Das Bild von Paul, wie er mir mein Oberteil aufriss. Ich stieß Orlando weg und im selben Moment war ich wieder im Hier und Jetzt. Sofort schämte ich mich für, das was ich getan hatte, und ich lief ins Badezimmer und schloss mich dort ein.

 

Die Tränen rannen meine Wangen hinunter und ich hörte nur verschwommen, wie Orlando an die Tür klopfte und mich bat ihn reinzulassen. Ich reagierte nicht auf ihn und nach einer langen Zeit, die er immer wieder versuchte mit mir zu sprechen, war er auf einmal still.

 

Erst am nächsten Morgen schaffte ich es, aus dem Badezimmer zu kommen. Als ich die Tür wieder aufschloss und öffnete, sah ich Orlando an der Wand gelehnt schlafen. Er hatte sich nicht in sein Bett gelegt, sondern hatte direkt vor der Tür gesessen und auf mich aufgepasst. Wahrscheinlich hatte er das tun müssen, um selbst das Gefühl zu haben, mir wenigstens etwas zu helfen. Als ich versuchte, vorsichtig über ihn zu steigen, merkte ich, wie er langsam aufwachte. Sofort blieb ich stehen und sah ihn an. Als er wach genug war um wirklich zu erkennen, dass ich es war, die vor ihm stand, sprang er förmlich auf und bombardierte mich mit Fragen. Er fragte nicht wieso, das wusste er. Er fragte nur, ob es mir gut ging, ob alles soweit in Ordnung war.

 

„Es tut mir so furchtbar leid. Ich … ich könnte verstehen, wenn …“

 

„Denk erst gar nicht daran, Teti“, sagte er mit verschränkten Armen. Er wusste genau, was ich hatte sagen wollen und ich wusste ja selbst, dass es eigentlich Unsinn war. „Du gehst jetzt erst mal duschen, während ich uns ein Frühstück bestelle.“ Er packte mich an meinen Schultern und drehte mich sofort wieder in Richtung Badezimmer.

 

Aber ich wollte nicht zurück ins Badezimmer, ich wollte mich wirklich bei ihm entschuldigen. Also drehte ich mich wieder um, hielt dabei aber seine Hände auf meinen Schultern fest, er sollte mich nicht loslassen. Ich sah ihm tief in die Augen und stellte mich ein klein bisschen auf die Zehenspitzen um ihn zu küssen. Er küsste mich ebenfalls und ich merkte, wie sich in mir wieder diese Hitze ausbreitete. Die hatte ich am Abend nicht gespürt. Wahrscheinlich, weil ich zu viel nachgedacht hatte. Wieder küsste ich ihn, diesmal jedoch leidenschaftlicher als vorher, und unsere Zungen begannen sich förmlich zu duellieren. Sie kreisten umeinander und stießen aneinander immer und immer wieder. Ich merkte, wie mein ganzer Körper sich in voller Erwartung anspannte als er vorsichtig mit der Hand unter meine Bluse ging und über meinen Rücken strich. Dann tat ich es ihm gleich und ließ meine Hand unter das Hemd gleiten, das er immer noch trug. Ich ließ dabei die ganze Zeit meine Augen geöffnet. Ich wollte mir selbst beweisen, dass es Orlando war, der mich berührte, und nicht Paul. Diesmal war Orlando langsamer und öffnete die Bluse nur langsam und nichts geschah. Ich stieß ihn nicht weg, auch wenn er kurz innehielt um sich zu versichern, dass alles in Ordnung war. Dann löste er sich auf einmal von mir und sah mich an.

 

„Wir müssen gleich los“, flüsterte er und sah mich mit einem Blick an, der mir sagte, dass er eigentlich am liebsten nichts gesagt hätte. Ich nickte nur. Er hatte Recht, immerhin wollten wir ja nicht zu spät sein, vor allem weil Christine ja Seth bei sich hatte.

 

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Orlando mich als wir uns wieder angezogen hatten und ich nickte lächelnd. Ich war froh. Nach dem Vorfall in der Nacht hatte ich schon befürchtet, alles würde wieder zurück kommen, aber es war nur einmal gekommen. Wahrscheinlich, weil mich schon lange kein Mann mehr so angefasst hatte.

 

Als wir am Set ankamen und zu den Trailern kamen, liefen dort schon Seth und Ally herum und jagten einander, während Sean und Christine sie beobachteten. Sean hatte schon seine Füße und nahm gerade sein Frühstück zu sich.

 

„Und, war der kleine Rabauke brav?“, fragte ich Christine und sie nickte lächelnd.

 

„Eine Mutter kann ihre Gedanken nie von ihrem Kind lassen, was?“ Ich musste lachen. In gewisser Weise hatte sie ja Recht und ich würde mich jetzt wohl öfter als seine Mutter betiteln lassen und eigentlich war ich das ja auch schon immer gewesen.„Tete! Daddy!“, schrie Seth fröhlich als er uns bemerkte und kam auf uns zu gerannt und ließ sich von uns beiden begrüßen. Dann kam auch schon Peter und begrüßte sein „glückliches Paar“ am Set. Aber natürlich war er nicht nur zum Spaß gekommen, sondern er wollte Orlando einweisen. Die Nachdrehs würden laut ihm insgesamt 2 Monate beanspruchen, in denen Orlando wahrscheinlich jeden Tag gebraucht werden würde. Natürlich war das nichts Schlechtes, immerhin bedeutete das, dass Orlando immer hier in Neuseeland sein würde über diese 2 Monate.

 

„Außer natürlich am 27. und 28.“, bemerkte Peter und Orlando sah ihn mit einem Blick an, der jedem von uns klar machte, dass er das nicht hätte sagen sollen. Meine Hände in die Hüfte stemmend sah ich ihn an. Er war mir auf jeden Fall eine Erklärung schuldig.

 

„Eigentlich … wollte ich dich überraschen“, sagte Orlando und Peter begann unweigerlich zu glucksen wie ein kleiner Junge, „aber da mein Lieblingsregisseur ja unbedingt davon reden musste … Wir sind zur Weltpremiere von ‚Fluch der Karibik’ eingeladen“, erklärte er und ich sah ihn skeptisch an.

 

„‘Wir‘ oder ‚du‘?“, fragte ich und Sean und Christine mussten sich ein Lachen verkneifen.

 

„Ich und eine Begleitung, also ‚wir‘. Nur zur England-Premiere darf ich dich nicht mitnehmen.“ Er warf Peter einen gespielt bösen Blick zu. „Peter sagte, er braucht dich hier, mich könnte er auch einen oder zwei Tage entbehren.“ Peter nickte nur, um seinen Standpunkt zu unterstreichen.

 

„Carolynn bekommt in wenigen Wochen ihr Kind und ist deswegen ausgefallen … Und ich dachte, du könntest vielleicht …“ Ich sah Peter erstaunt an. Fragte er mich da gerade tatsächlich das, was ich dachte? Fragte er mich, MICH, ob ich die Regieassistenz machen würde? Ich hatte doch keine Ahnung davon, überhaupt keine. Ich war Archäologin, das hatte ich gelernt.

 

„Aber ...“, versuchte ich, doch ich wusste, bei Peter gab es kein „aber“, man konnte diesem Mann einfach keine Bitte abschlagen. Ich stimmte also zu und Orlando umarmte mich fröhlich. Ich musste zugeben, es war ein Aufstieg. Vom gelegentlichen Skriptboten zur Festanstellung und über die Souffleuse zur Regieassistentin. Wer konnte das schon von sich behaupten? Aber das zeigte mir, wie viel Vertrauen Peter in mich setzte. Außerdem hatte ich Carolynn ein Jahr dabei zugesehen, ich würde das schon hinbekommen.

 

„Okay, dann sollte ich mir mal ein Walkie Talkie im Büro holen, denke ich.“ Und schon war ich auf dem Weg dorthin. Einige der Leute dort fingen mich ab und erzählten mir, dass sie schon immer gewusst hatten, dass Orlando und ich zusammen gehörten und dass sie sich für mich freuten. Einige beäugten mich jedoch auch argwöhnisch und ich nahm an, dass sie gehofft hatten, entweder Orlando für sich zu gewinnen oder zumindest Carols Job zu bekommen.

 

 

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