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Kapitel 54

 

Erster Morgen

 

 

„Ich glaube nicht, dass Ihr hier sein solltet, Pharao“, sagte ich mit einem fröhlichen Grinsen. Es war schon spät und ich hatte bereits geschlafen als ich merkte, dass mein Laken sich bewegt hatte.

 

„Wer will es mir verbieten, meine Gemahlin zu sehen?“, fragte er und er hatte Recht. Wer sollte dem Pharao schon etwas verbieten? „Wir hatten seit der Schlacht von Kadesch keine ruhige Minute mehr und ich wollte dich sehen“, sagte er und zeigte mir durch diese persönliche Anrede, dass wir nun nicht mehr Pharao und Große Königliche Gemahlin waren, sondern einfach nur noch Mann und Frau.

 

„Ich freue mich, dass du immer noch dieses Verlangen hast“, sagte ich und drehte mich zu ihm um.

 

„So viel Schreckliches auch passiere mag, das wird nie vergehen“, sagte er und küsste mich. Mich durchflutete immer noch dasselbe Gefühl wie beim ersten Mal, das sich unsere Lippen berührten, daran hatten die Jahre und die Kinder, die wir bereits gezeugt hatten, nichts geändert.

 

„Unser Sohn, Meriatum, hat sich für die Priesterschaft entschieden“, begann ich ihm von den Geschehnissen des Tages zu erzählen. Er war größtenteils damit beschäftigt gewesen, den Friedensvertrag mit den Hethitern auszuarbeiten und hatte nur wenig von dem mitbekommen, was im Palast geschehen war. „Und der Thronfolger hat seinen neuen Namen angenommen.“ Ramses sah mich einen Moment an.

 

„Welchen hat er gewählt?“

 

„Zu Ehren seiner Mutter den, der dem von ihr gegebenen Namen ähnelt: Sethherchepeschef“, antwortete ich stolz. Bereits als mein Sohn seine Kindheitslocke verloren hatte, hatten wir ihm einen neuen Namen geben müssen. Ramses hatte mir die Ehre zuteilwerden lassen und ich hatte mich für Amunherchepeschef entschieden. Er wich kaum von seinem Geburtsnamen ab und ich konnte ihn immer noch Amunher rufen, ohne ihn als kindlich darzustellen. Jetzt, da er von den Göttern gesegnet wurde, würde ich ihn Seth rufen.

 

„Ein starker Name. Er wird ein starker und gütiger Pharao werden. Wenn er das richtige Alter erreicht hat, werde ich mein Amt niederlegen und ihm den Weg bereiten.“ Er küsste mich und ich wusste, dass er genauso erfüllt von dem Gedanken war, dass unser Sohn ihm folgen würde, wie ich.

 

Er würde den Weg seines Vaters verfolgen und ihn weise erweitern.

 

 

„Guten Morgen, Schönheit“, flüsterte Orlando am Morgen und ich erschrak einen Moment, als ich seine starken Arme um meine Taille spüren konnte. Als ich jedoch eine kleine Checkliste in meinen Kopf abging wusste ich, dass ich immer noch meine Unterwäsche und mein T-Shirt trug und dass in der Nacht nichts passiert war. Wir hatten noch stundenlang geredet, hatte uns gegenseitig klar gemacht, dass wir einander wirklich liebten, und das schon seit mehr als einem Jahr. Ebenso hatten wir den Status unserer Beziehung evaluiert. Wir waren nun keine besten Freunde mehr, wir waren ein Paar. Wir hatten so lange geredet, dass uns beiden am Ende die Augen zugefallen waren. Irgendwann hatte Orlando mich dann geweckt und mich dazu überredet, nicht mehr mit dem Auto nach Hause zu fahren, sondern einfach hier zu bleiben.

 

Es war ein komisches Gefühl gewesen, doch wir waren beide viel zu müde gewesen, um uns etwas daraus zu machen, dass wir im selben Bett schliefen. Das einzige, was wir gemacht hatten, war, dass ich meinen Kopf auf Orlandos Brust gelegt hatte und wir so eingeschlafen waren.

 

„Da habe ich dich wohl doch noch ins Bett bekommen, was?“, fragte er grinsend und ich drückte ihm mein Kissen ins Gesicht. War ja klar, dass dieser Mann direkt wieder so etwas dachte. Um ihn etwas zu provozieren, schmiss ich die Bettdecke zur Seite und stand auf. Er schaffte es noch meinen Arm zu greifen und mich wieder auf das Bett zu ziehen.

 

„Es ist unhöflich aus meinem Bett aufzustehen, ohne mir vorher die Möglichkeit zu geben, dir Guten Morgen zu sagen.“

 

„Du hast mir schon Guten Morgen gesagt“, sagte ich mich verschränkten Armen wieder auf dem Bett liegend. Er beugte sich über mich und als dabei seine Decke von seinen Schultern glitt, sah ich, dass sein Oberkörper nackt war.

 

„Aber nicht so, wie ich es gewollt habe“, warf er ein und wollte sich gerade tiefer zu mir beugen. Ich merkte wie mir wieder heiß wurde, aber Seth war hier im Raum und auch, wenn er noch schlief, sollte er so etwas besser nicht mitbekommen. Also stieß ich Orlando mit meiner Hand von mir weg. Nicht böse oder energisch, sondern eher spielerisch.

 

„Tja, was kann ich dafür, wenn du deine Chance verpasst?“, fragte ich unschuldig und stand, auch wenn ich es eigentlich nicht wollte, langsam und verführerisch aus dem Bett auf. Diesmal bekam Orlando mich jedoch nicht zu fassen und ich musste lachen. Dann wachte Seth langsam auf und ich setzte mich auf die Kante seines Bettes. Der Traum, den ich diese Nacht gehabt hatte, er hatte mich keineswegs gewundert. Unterbewusst hatte ich schon immer gewusst, dass ich in irgendeiner Weise Seths Mutter gewesen war, bereits am ersten Tag, an dem Orlando mit dem kleinen Neugeborenen zu mir gekommen war.

 

„Ich werde uns das Frühstück kommen lassen.“ Mit diesen Worten stand auch Orlando auf und er schien gar nicht daran zu denken, sich etwas anzuziehen, während er mit dem Zimmerservice telefonierte. Er stand da im Schlafzimmer, nur mit seinen sehr engen Boxershorts, die eigentlich mehr zeigten als dass sie etwas verbargen. Natürlich schaffte ich es nicht, meinen Blick von ihm abzuwenden und ich wusste, dass das auch genau das gewesen war, was er hatte bezwecken wollen.

 

„Mistkerl!“, formte ich mit meinen Lippen als er mich mit seinem provokanten Lächeln ansah und seinen Finger scherzhaft tadelnd schüttelte. Wäre Seth nicht schon wach gewesen, hätte ich es sicherlich auch laut gesagt, aber ich wollte nicht, dass der Kleine zu früh irgendwelche Schimpfworte kannte. Das würde schon früh genug kommen. „Na komm, Seth, wir beide gehen uns jetzt anziehen und die Zähne putzen.“ Und was Orlando konnte, das konnte ich schon lange. Als ich Seth aufdeckte, beugte ich mich extra etwas weiter nach vorne, damit sich die Muskeln meines Hinterns anspannten und Orlando einen freien Blick auf meinen Schlüpfer unter dem T-Shirt haben konnte. Als ich ein leichtes Raunen aus seiner Richtung hörte, lächelte ich. Anscheinend hatte ich das Richtige getan.

 

„Na warte!“, rief er mir hinterher als ich mit Seth im Badezimmer verschwand. Ich war dankbar für die Möglichkeit, mein Gesicht mit kaltem Wasser zu befeuchten. Irgendwie hatte ich mir das alles ganz anders vorgestellt. Ich hatte nicht gedacht, dass wir direkt wie ein normales Paar sein würden. Ich hatte Peinlichkeiten und Tollpatschigkeiten erwartet, die in so einer Situation sicherlich normal gewesen wären, aber die schienen wir übersprungen zu haben.

 

„Hast du Daddy lieb?“, fragte mich Seth, während er versuchte, sich selbst die Zähne zu putzen. Er hatte darauf bestanden, dass er das schon alleine könne. Er war auch nicht besser als sein Vater, er wollte mir genauso imponieren. Aber ich konnte diesem kleinen Jungen mit dem vollkommen Zahnpasta verschmierten Gesicht nicht böse sein.

 

„Ja, ich habe deinen Daddy sehr lieb“, antwortete ich ihm und kniete mich vor ihn, um mit dem Kleinen auf einer Augenhöhe zu sein. „Und dich hab ich auch ganz doll lieb, mein Schatz.“ Und schneller als es vielleicht sogar sein Vater gekonnt hätte, gab er mir einen Kuss. Nun war auch mein Gesicht mit Zahnpasta verschmiert.

 

„Ich hab dich auch ganz doll lieb, Tete!“, rief er und hüpfte auf und ab.

 

„Da hab ich wohl noch einen Konkurrenten bekommen, was?“, hörte ich dann Orlandos Stimme hinter uns in der Tür.

 

„Gegen Seth hast du verloren“, bemerkte ich trocken und zwinkerte dem kleinen Jungen zu, der mit einem breiten Grinsen vor mir stand. Orlando konnte ja mein Lächeln nicht sehen, da ich ihm den Rücken zugedreht hatte.

 

„Es ist die Kinderzahnpasta, gib es zu.“ Als er in das Blickfeld des Spiegels trat, sah ich, dass er sich zumindest schon einmal eine Jeans angezogen hatte, sein Oberkörper war aber immer noch mehr als frei.

 

„Gegen Lino, den Dino kommt nun einmal nichts an“, sagte ich schulterzuckend und nahm mir einen Waschlappen, um Seth und mir das Gesicht sauber zu wischen. Als ich mich wieder zum Wachbecken drehte, um den Waschlappen sauber zu waschen und Seth lachend aus dem Zimmer lief, kam Orlando näher und umarmte mich von hinten. Als ich uns so im Spiegel sah, war ich beeindruckt. Ich wusste, keiner von uns beiden sah sonderlich hässlich aus, aber zusammen … es war einfach perfekt. Durch seine lange Zeit im sonnigen Kalifornien hatte sein Körper eine Bräunung erreicht, die meiner natürlichen nahe kam.

 

„Du bist wunderhübsch“, flüsterte er mir ins Ohr und der Hauch seines Atems ließ mich erschaudern und ich merkte, wie die kleinen Härchen in meinem Nacken sich aufstellten. Dann strich er meine Haare auf die andere Seite meiner Schulter und begann meinen Nacken und den Hals zu küssen. Meine Knie waren kurz davor nachzugeben, als er auf einmal aufhörte und mich grinsend im Spiegel betrachtete. Er musste für einen Moment gesehen haben, wie ich mich in seinen Küssen hatte fallen lassen und es gefiel ihm eindeutig.

 

„Du bist echt ein mieser …“ Ich konnte meinen Satz nicht zu Ende führen, da Seth auf einmal wieder in der Tür stand, aber ich schwor mir, das würde Orlando zurückbekommen. Ich wusste noch nicht genau wie, aber bei der richtigen Gelegenheit würde ich ihn wahnsinnig machen.

 

Seth war ins Badezimmer gekommen um uns Bescheid zu sagen, dass sich ‚Onkel Viggo‘ über das Frühstück hermachte, das Orlando für uns bestellt hatte. Ich sah Orlando erschrocken an. Was machte Viggo bitte in unserem Zimmer? Wir standen hier im Badezimmer, er oben herum, ich untern herum fast nackt. Was sollte Viggo bloß von uns denken? Orlando schnappte sich das Hemd, was über der Badewanne hing und zog es schnell an und ging nach draußen, während er noch die Knöpfe zu machte. Ich wartete hingegen, bis er gegangen war und die Tür des Schlafzimmers geschlossen hatte, bis ich mich auf die Suche nach meiner Hose machte. Sie lag direkt an der Seite des Bettes, auf der ich geschlafen hatte. Anscheinend hatte ich es nicht mehr bis ins Badezimmer geschafft wie Orlando.

 

„Dein Sohn hat mich freundlicherweise reingelassen“, hörte ich Viggo sagen und ich konnte mir die Szenerie bildlich vorstellen. Orlando, der immer noch sein Hemd zuknöpfte, und Viggo, der wahrscheinlich an dem kleinen Tisch saß, auf dem für 3 Personen gedeckt war, wie er mit hochgezogenen Augenbrauen etwas vom Frühstück naschte.

 

„Es ist nicht so wie du denkst, okay?“, versuchte Orlando uns zu verteidigen als auch ich, unschuldig winkend, aus dem Schlafzimmer kam. Viggos Blick war unbezahlbar. Hatte Orlando wahrscheinlich damit gerechnet, dass Viggo ausrasten würde oder ähnliches, grinste unser Freund über das ganze Gesicht und schlug Orlando fröhlich auf den Rücken.

 

„Ich freue mich für euch.“

 

„Danke, Viggo, aber wir haben wirklich nicht …“, ich sah kurz auf Seth, „ … du weißt schon. Wir haben nur geredet und sind dann eingeschlafen“, versuchte ich zu erklären, aber Viggo wollte mir anscheinend nicht glauben. Wer hätte auch schon glauben sollen, dass zwei attraktive Menschen, die nun beinahe 3 Jahre aufeinander gewartet hatten, die Finger von einander lassen konnten, wenn sie endlich zusammen sein konnten? Selbst für mich klang das mehr als komisch und ich war involviert. Stimmte etwas mit uns nicht?

 

„Aber warum bist du hier?“, fragte Orlando dann, denn das war immer noch ungeklärt.

 

„Ich bin die Vorhut. Die anderen sagten, ich soll rausfinden, ob ihr schon wach seid“, bemerkte Viggo schulterzuckend und in diesem Moment öffnete sich auch schon die Tür und auf einmal standen 4 weitere Männer im Zimmer. Sie alle sahen uns wissend an und wir wussten, es brachte nichts, ihnen zu erzählen, es wäre nichts passiert, selbst wenn das die Wahrheit war. Bevor wir überhaupt begriffen hatten, was hier vor sich ging, kam auch schon eine Dame vom Zimmerservice, die noch einmal neues Frühstück brachte und auftischte.

 

Dann klingelte mein Handy. Es war meine Mutter. Wahrscheinlich hatte sie sich schreckliche Sorgen gemacht, als sie heute Morgen gesehen hatte, dass ich nicht in meinem Zimmer war.

 

„Mom? Es ist alles gut. Gibst du mit Hirchop bitte?“, wimmelte ich sie ab. Ich wollte ihr nicht direkt erzählen, wo ich war, also würde ich es Hirchop erzählen. „Hir? Ich bin‘s, Teti. Wenn Mom dich fragt, du wusstest, dass ich nicht nach Hause komme, in Ordnung? Bitte, tu’s für mich. Ich bin im Duxton. Ja, die Jungs sind auch hier. Danke, du bist der Beste!“ Dann legte ich wieder auf. Meine Mutter würde erst einmal beruhigt sein und ich würde noch etwas Zeit haben um darüber nachzudenken, was ich ihnen sagte.

 

„Dann darf ich euch wohl als erster gratulieren“, sagte Viggo.

 

„Gratulieren?“, fragte Billy skeptisch. „Dafür, dass sie endlich ihre Dummheit überwunden haben?“ Er hatte einen Punkt. Wahrscheinlich hatten sie alle schon seit Jahren auf diesen Moment gewartet und einigen war das, was zwischen uns gewesen war, sicherlich auch das ein oder andere Mal auf die Nerven gefallen. Wer konnte es ihnen auch übel nehmen?

 

„Ihr gehört einfach zusammen“, bemerkte Dom und stand auf um zu Orlando zu gehen. Es war sicherlich für uns alle drei ein komischer Moment. „Mann, gegen dich hätte ich nie `ne Chance gehabt“, sagte er dann und umarmte Orlando freundschaftlich. Ich musste lachen. Ich war froh, dass Dom es nun so leicht sehen konnte, denn das hieß, er würde damit klar kommen.

 

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