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Kapitel 5

 

Abreise

 

 

 

Dominic und ich standen immer noch draußen vor der Tür. Mein Herz klopfte wie wild und meine Gedanken waren selbst für mich nicht mehr klar nachzuvollziehen. Ich hatte komplett die Kontrolle über mich selbst verloren.

 

 

„Happy Birthday, Teti“, flüsterte er mir nochmals zu und die Art, wie er es sagte, so dahingehaucht, ließ meinen Bauch noch mehr kribbeln. Ich fühlte mich wie ein Teenager, der gerade das aller erste Mal jemanden geküsst hatte.

 

„Ich denke, wir-wir sollten wieder reingehen… Ich meine… Wir…“ Ich war nicht im Stande noch richtige und vor allem sinnvolle Sätze zusammenzubringen. Dom lächelte mich an und legte seinen Arm um meine Schulter.

 

„Ich denke, du hast Recht, mein Engel.“ Und schon wieder… Merkte er eigentlich, wie sehr er mich aus dem Konzept brachte? Mein Engel? War ich das? War ich sein Engel? Wir hatten uns geküsst und zumindest ich tat so etwas nicht aus irgendeiner Laune heraus. Und Dominic war auch nicht gerade der Macho-Typ. Also ja, ich war nun sein Engel, oder alles, was er sonst noch in mir sah. Ich brauchte noch einen Moment, bis ich wieder bereit war ins Restaurant zu gehen, Hand in Hand mit Dominic.

 

Keinem entging es, doch sie kannten mich gut genug um mich nicht mit Fragen zu löchern. Vor allem Hirchop hielt sich zurück. Wir lachten und scherzten einfach weiter, als sei gar nicht passiert. Der einzige Unterschied zu vor ein paar Minuten war nur, dass Dominic nun neben mir saß und meine Hand unter dem Tisch hielt. Ab und zu drückte er sie kurz etwas fester, nur damit ich ihn ansah und wir uns anlächeln konnten. Ich fühlte mir irgendwie leicht, fast als würde ich schweben. Als es spät wurde und alle bis auf Hirchop, Maria und Dominic schon gegangen waren, erzählte Dominic auch Hirchop von seinem neuen Job und auch er staunte nicht schlecht.

 

Wieder wurde ich rot. Vor dem Kuss hatte ich mir noch Gedanken darüber gemacht, dass ich einen zukünftigen Kinostar schon lange kannte und sogar mit ihm geflirtet hatte… Und jetzt? Jetzt stand er hier neben mir, hielt meine Hand und lächelte mich liebevoll an.

 

Die nächsten Tage verbrachte ich wie im Rausch. Ich ging zur Uni und machte auch meine Arbeit im Restaurant, doch Dominic aß jeden Tag im Restaurant und wartete auf mich. Wir gingen ins Kino und meine Mutter und Ben ermöglichten es mir, dass ich nicht mehr jeden Tag arbeiten musste. Ich konnte einen Teil meiner unifreien Zeit mit Dominic verbringen. Ich war so glücklich wie schon lange nicht mehr und ich konnte mir auch nicht vorstellen wie das jemals aufhören würde. Doch nach 2 Monaten Zweisamkeit kam Dominic eines abends zu mir.

 

„Te, ich…“ Er war zögerlich und ich spürte, dass er das, was kommen würde, nicht gerne sagte. Etwas in mir ließ mich zweifeln. Ließ mich daran zweifeln, dass er mich liebte, aber das durfte ich ihm nicht zeigen.„Wir müssen für den Dreh auf die andere Insel… Für 2 Monate“, sagte er und mein Herz rutschte in die Hose. Für 2 Monate? Ich konnte schlecht mitkommen, immerhin musste ich zur Uni. Uns würde nur das Telefon bleiben, um uns nicht für 2 Monate komplett aus den Augen zu verlieren. Aber ich wusste auch, dass das nun einmal sein Job war. Er war schon öfters weggewesen. Doch dass er weg war, war nicht das einzige Problem. Maria, meine beste Freundin, arbeitete als Visagistin für denselben Film und auch sie musste mit.

 

Ich würde also weder meinen Freund, noch meine beste Freundin in den nächsten 2 Monaten sehen können, und welche Frau würde das schon aushalten? Aber was hatte ich für eine Wahl? Mitgehen konnte ich nicht und ich konnte auch keinen der beiden dazu bringen hier zu bleiben. Ich musste also diese zwei Monate ausharren.

 

Die ersten Tage war es unheimlich schwer und ich vermisste beide sehr. Doch je länger sie weg waren, desto besser konnte ich damit umgehen. Sowohl Dominic als auch Maria riefen mich mindestens einmal am Tag an, um mich auf dem Laufenden zu halten und Maria wollte ja auch wissen, was bei uns so los war. Ich erzählte ihr von meinen langweiligen Kursen in der Uni und von der eintönigen Arbeit im Restaurant. Bei ihr musste ich mich nicht zurückhalten, das wusste ich.

 

Bei Dominic allerdings sagte ich nichts darüber, dass ich mich nicht wohlfühlte. Ich wollte nicht, dass er ein schlechtes Gewissen bekam und vielleicht deswegen von seiner Arbeit abgelenkt wurde. Ich war mir sicher, dass er gut war und war gespannt darauf, ihn dann irgendwann auf der großen Kinoleinwand zu sehen. Mittlerweile hatte auch die Presse herausgefunden, was hier in Neuseeland für ein Film gedreht wurde und die Medien und das Internet drehten vollkommen durch. Überall las und hörte man nur noch etwas von den Dreharbeiten.

 

Ich jedoch schaltete immer weg, wenn etwas darüber im Fernsehen lief. Ich wusste, wenn ich Dom sehen würde, würde ich ihn nur noch mehr vermissen und so war es besser, wenn ich auf so etwas verzichtete. Eine Woche vor seiner Rückkehr klingelte dann mein Telefon zu einer eigentlich ungewöhnlichen Zeit. Normalerweise riefen Maria und Dom mich immer nach meiner Arbeit oder vor der Uni an, doch dieses Mal rief Dom mich mitten während der Arbeit an. Als ich ans Telefon ging war ich erst verwundert, dass sich niemand meldete, dann kicherte irgendjemand im Hintergrund.

 

„Hey, wer ist denn da?“, fragte eine eindeutig männliche Stimme.

 

„Das wollte ich gerade auch fragen“, erwiderte ich.

 

„Bist du Doms Freundin?“, fragte mich eine andere, immer noch kichernde Männerstimme.

 

„Mein Gott, wer ist denn da?“, fragte ich wieder. Dann hörte ich im Hintergrund Dominic fluchen und da er immer lauter wurde, ahnte ich, dass er gleich ans Telefon gehen würde.

 

 

„Billy! Lij! Müsst ihr immer an mein Handy gehen? Verdammt! Te? Te, bist du dran?“, fragte er und ich war mehr als verwirrt. Anscheinend hatten zwei Männer ihm sein Handy weggenommen und einfach versucht mich anzurufen.

 

„Was ist los, Dom?“, fragte ich ihn. „Ach, die beiden Hobbit-Idioten hier…“, das Wort Hobbit-Idioten sagte er eher zu ihnen als zu mir, denn man hörte, dass er sich dabei vom Hörer weggedreht hatte, „… ziehen mich damit auf, dass ich eine Freundin habe und wählen alle möglichen Nummern auf meinem Handy an, um herauszufinden wer es ist“, sagte er. Ich war verwirrt. Warum wollte Dom nicht darüber sprechen? War es ihm peinlich eine Freundin zu haben? Wollte er nicht zu ihr stehen? War er noch nicht bereit über sie mit anderen zu sprechen? Ich wusste es nicht, aber irgendwie beunruhigte mich das. Dom musste das in meiner Stimme gehört haben und er flüsterte leise hinein.

 

„Mach dir keine Sorgen, ich liebe dich. Ich muss wieder los, ich ruf dich später noch mal an.“ Und dann legte er wieder auf. Als ich Maria am Abend am Telefon davon erzählte, berichtete sie mir, dass Dominic nur selten über uns sprach und schon gar nicht meinen Namen erwähnte. Doch als ich ihr meine Bedenken darüber zum Ausdruck brachte, konnte sie mich wieder beruhigen.

 

„Das macht er doch nur damit nichts an die Presse kommt. Du hättest keine ruhige Minute mehr, so wie die Medien im Moment hinter allem und jedem, der auch nur in entferntester Weise mit der Produktion zu tun hat, hinterher sind.“ Ich war befriedigt. Das war sicherlich der Grund, warum Dominic nichts sagte. Er wollte mein normales Leben nicht beeinträchtigen, wollte, dass ich nicht wie so manche andere Liebschaft von Prominenten gejagt wurde. Wer wusste schon, was sie in den Klatschblättern über mich schreiben würden?

 

Ich war froh als Dominic in der darauffolgenden Woche wieder nach Wellington kam. Ich hatte mir das Auto meiner Eltern ausgeliehen, damit ich Maria und Dominic vom Flughafen abholen konnte. Ich hatte beide sehr vermisst und hoffte einfach, dass es ihnen auch so ging. Als die beiden dann durch die Türen der Gepäckannahme kamen, lief Maria direkt zu mir und umarmte mich, während Dominic einfach nur stehen blieb und seine Arme öffnete. Ohne lange nachzudenken verstand ich, was er wollte, und lief auf ihn zu. Geübt fing er mich auf und wirbelte mich herum.

 

Ich war glücklich, dass er wieder zu Hause war und ich war mir sicher, dass er sich auch freute. Auf der Rückfahrt erzählten mir die beiden dann einiges von den Dreharbeiten und ihren Kollegen. Maria kannte alle Haupt- und Nebendarsteller, da sie sich in den letzten Monaten zur Leiterin der Visagisten hochgearbeitet hatte. Und mit voller Begeisterung erzählte sie mir wie freundlich sie alle waren. Mir viel besonders ein Name auf, den sie sehr oft erwähnte, aber er war relativ ungewöhnlich, daher konnte ich ihn mir nicht genau merken und wir einigen uns darauf ihn einfach Frodo zu nennen.

 

Als wir alleine waren, deutete Dominic an, dass Maria und Frodo jeden Morgen auf das Gröbste miteinander flirteten und die anderen Hobbits es schon kaum mehr aushalten konnten. Er erklärte mir auch, wieso seine beiden Kollegen mich angerufen hatten. Anscheinend spielten sie sich immer wieder gegenseitig Streiche und das war einer davon gewesen.

 

Mein Leben lief wieder in geregelten Bahnen und ich war froh darüber. In der Uni lief auch wieder alles glatt, doch Astrate nervte immer und immer mehr. Zu fast allen Behauptungen des Dozenten hatte sie etwas hinzuzufügen und es war nicht selten schnippisch oder abwertend. Besonders bei unserem momentanen Thema, Nofretete und ihre Nachkommen, war sie sehr... Nennen wir es mal aggressiv.

 

Immer wieder betonte sie, wie einfältig und schrecklich dieser Teil der 18. Dynastie war und dass man am besten alles davon hätte zerstören sollen. Es machte mich wütend, dass sie tatsächlich über so etwas nachdachte, immerhin steckte dahinter auch eine Geschichte und die durfte nicht vergessen werden. Außerdem war der Aton-Kult der erste Ansatz des Monotheismus gewesen, der heute in den meisten Ländern herrschte. Ich fand zwar auch, dass sie mit ihrer Entschlossenheit zu weit gegangen waren, aber immerhin hatten sie aus Überzeugung gehandelt.

 

Doch Astrate fiel mir nicht nur in puncto Ägypten negativ auf. Fast jeden Tag kam sie mit einem anderen Typen um die Ecke und alle folgten einem Schema: sie alle brachten Astrate irgendeinen Vorteil.

 

Einige Wochen, nachdem Dominic wieder in Wellington angekommen war und wir die verloren gegangene Zeit aufgeholt hatten, holte Hirchop mich freitags von der Uni ab. Er wollte einen Nachmittag nur mit mir verbringen. Früher hatten wir so etwas öfter gemacht, doch seit ich Dominic wiedergetroffen hatte war diese "Tradition" zum Stillstand gekommen. Ich hatte es ehrlich gesagt gar nicht so richtig bemerkt, denn ich was ja nie alleine wie Hirchop. Als er mich darauf angesprochen hatte, hatte ich mir Vorwürfe gemacht, mich gescholten, einfach so meinen großen Bruder zu vergessen. Doch er zeigte vollkommenes Verständnis und um ehrlich zu sein machte das mein schlechtes Gewissen nur noch schlimmer.

 

Es war mir zwar schwer gefallen Dominic zu sagen, dass ich diesen Nachmittag keine Zeit für ihn hatte, aber ich wusste, dass ich meine Familie und damit meinen Bruder nicht vernachlässigen durfte. Wir setzten uns in unser Lieblingscafé und erzählten uns alles, was wir in der letzten Zeit erlebt hatten. Weder Hirchop noch ich hatten tatsächlich viel erlebt, aber anscheinend hatten wir unterbewusst unsere Gespräche so vermisst, dass wir nun fast 4 Stunden zusammensaßen und redeten. Natürlich berichtete ich ihm auch von Astrate und so, als hätte dieser weibliche Teufel gehört, dass ich von ihr redete, tauchte sie auch auf der anderen Straßenseite auf. Doch sie war nicht das, was meinen Blick auf sich zog, sondern es war ihre Begleitung.

 

Ich konnte ihn nicht richtig erkennen, und dennoch hatte ich das Gefühl ihn irgendwoher kennen zu müssen, gut kennen zu müssen, und er tat mir leid. Ich war mir sicher, dass er ein ganz netter Typ war und er von ihr eigentlich nur ausgenutzt wurde. Ich sah ihn an und hatte tiefes und ehrliches Mitgefühl für ihn und machte mir schon fast Sorgen um ihn. Doch genauso wusste ich, dass ich ihn nach diesem Moment nicht wiedersehen würde. Und um ehrlich zu sein fand ich den Gedanken alles andere als gut. Es gefiel mich nicht, zu wissen, dass er in Astrates Netz hing wie eine Fliege in einem Spinnennetz. Ich wollte ihn warnen, doch was sollte ich tun? Er kannte mich nicht und würde mich sicherlich für eine Verrückte halten, wenn ich einfach auf ihn zuging und ihm sagte, was ich über Astrate dachte.

 

Glücklicherweise lenkte dann Hirchop meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem er beim Aufstehen beinahe den Tisch umkippte. Er hatte bereits bezahlt. Es war mittlerweile schon 4 Uhr und das Restaurant würde bald aufmachen und wir dort arbeiten. Doch während der Arbeit und auch danach war ich vollkommen abgelenkt. Ich musste immerzu an den armen Mann denken, den ich mit Astrate zusammen gesehen hatte. Ich konnte mir nicht erklären, warum er mit so vertraut vorkam, warum es mir nicht egal war, dass er sich auf Astrate eingelassen hatte. Ich hatte ihn ja noch nicht mehr richtig gesehen.

 

 

 

 

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