top of page

Kapitel 4

 

Happy Birthday

 

 

 

Vollkommen nervös lief ich neben Hirchop und Maria her. Immer wieder zupfte ich an meinem Oberteil, dass mir nun, da es ernst wurde, doch etwas zu tief ausgeschnitten war. Ich wollte gar nicht wissen, wie viele Typen mir diesen Abend in den Ausschnitt gaffen würden. Aber meine immer fortwährende Frage war: Würde Dominic tatsächlich kommen? Es war genau in diesem Moment, dass ich das erste Mal daran dachte, dass, wenn er tatsächlich da sein würde, das wahrscheinlich so etwas wie unser erstes Date war.

 

 

Ich hörte Maria nur halbherzig zu als sie uns berichtete, dass sie eine Anfrage der hier ansässigen Filmstudios Weta Digital bekommen hatte um für sie als Visagistin zu arbeiten und dass sie angenommen hatte. Klar, ich freute mich für sie und umarmte sie auch, aber meine Hauptgedanken blieben bei Dominic. Würden wir frei reden können? Wollte er, dass Hirchop immer dabei stand wenn er mit mir reden wollte? Würde Hirchop etwas dagegen haben, wenn ich mit Dominic flirtete? Würde er irgendwann den großen Bruder raushängen lassen?

 

Ich hoffe inständig, dass es keine Zwischenfälle gab, denn je mehr ich über Dominic und meine Gefühle für ihn nachdachte, desto stärker wurden sie auch. Das Kribbeln in meinem Bauch verursachte, dass ich immer tollpatschiger wurde und jede Stolperfalle, die es gab, mitnahm. Es war ein Wunder, dass ich nicht genau vor dem Eingang vom SF genau in eine Pfütze fiel. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie der Abend dann zu Ende gegangen wäre. Rian, Ben und Will warteten bereits an unserem Stammtisch auf uns und hatten auch schon einige Getränke bestellt. Es war noch relativ leer und so konnte man die Anwesenden gut überblicken, aber Dominic war nicht da.

 

Auch nach zwei Stunden, als die Band dann zu spielen begann, war Dominic noch nicht aufgetaucht und ich begann schon an mir zu zweifeln. Vielleicht hatte ich ja irgendetwas falsch verstanden. Maria merkte natürlich sofort, dass ich niedergeschlagen war und wollte mich ablenken. Sie zog mich in die Menge um zu tanzen. Natürlich tanzte ich nicht gerade enthusiastisch wie sie, aber ich bewegte mich zumindest im Takt. Und nach ein paar Minuten sah ich wie Maria mit großen Augen einen Punkt hinter mir anstarrte.

 

Ich wollte mich gerade umdrehen, als ich von zwei Händen von hinten festgehalten wurde. Kurz darauf wurden mir meine Augen zugehalten und ich hörte nur Maria’s „Ich geh dann mal besser.“ Als mir die Hände mein Augenlicht wiedergaben und nur noch leicht auf meine Schulter lagen drehte ich mich um. Ich hatte es schon erwartet, deswegen schlug mein Herz auch mehr als doppelt so schnell wie sonst. Nur wenige Zentimeter von mir entfernt stand Dominic. Und kaum hatten sich meine Augen wieder richtig an das gedämpfte Licht gewöhnt musste ich lachen. Durch meine Highheels war ich plötzlich wenige Zentimeter größer als er, obwohl ich eigentlich kleiner. Auch Dominic musste lachen und das Kribbeln in meinem Bauch wurde etwas besser.

 

„Ich dachte schon du bist gar nicht hier“, sagte er. Durch die laute Musik kam er sehr nahe, um direkt in mein Ohr sprechen zu können. Ich roch sein Parfüm und ich musste sagen, ich hätte es für den Rest meines Lebens riechen können. Es war herb und doch nicht zu herb und passte irgendwie perfekt zu ihm.

 

„Wie Hirchop schon sagte, wir sind jeden Freitag hier.“

 

„Und was machst du sonst so? Ich meine, du bist ja sicherlich nicht nur in der Uni, oder?“

 

„Nein. Ich helfe im Restaurant aus. Ich bin eigentlich immer da, außer halt freitags.“ Das Kribbeln in meinem Bauch wurde wieder stärker als er mich anlächelte. Wie er mich so ansah, war ich mir sicher, dass ich ihn die nächste Zeit öfter hier oder im Restaurant sehen würde.

 

„Wo arbeitest du denn?“, fragte ich dann und sein Geschichtsausdruck wurde etwas nachdenklicher. Er lächelte immer noch, aber ich konnte erkennen, dass er überlegte, was er sagen sollte.

 

„Mal hier, mal da. Meistens aber hier oder in Hamilton. Ich muss immer viel hin und her reisen, aber der Job macht mir sehr viel Spaß. Magst du diese Art von Musik?“ Er versuchte eindeutig vom Thema abzulenken, aber ich war zu aufgeregt um nachzuhaken. Ich nickte nur.

 

„Weißt du noch damals, bevor ihr gegangen seid, da hast du mir ein Bild von dir und Hirchop gegeben.“ Ich nickte lächelnd. Dann beobachtete ich verwirrt wie er etwas aus seiner Hose holte. Es war sein Geldbeutel und er holte ein säuberlich gefaltetes, dickes Stück Papier heraus. Als er es langsam öffnete staunte ich nicht schlecht.

 

Es war das Bild, das ich ihm geschenkt hatte, nur das Hirchop nicht mit darauf war, nur ich. Es war zerfranst, was darauf schließen ließ, dass er es wirklich immer bei sich trug. Ich war froh, dass das Licht im Club gedämpft war, denn ich merkte wie mir sofort die Röte in die Wangen schoss. Er hatte die ganzen Jahre ein Bild von mir immer dabei gehabt?

 

„ Ich muss sagen, du hast dich sehr zu deinem Vorteil entwickelt, Teti. Du bist anscheinend längst nicht mehr das kleine, verrückte Mädchen, das du mal warst.“

 

„Ach, da wäre ich mir nicht so sicher… klein vielleicht nicht… aber verrückt… frag mal Hirchop.“

 

„Vielleicht später“, sagte er und wir entschlossen uns etwas zu der Musik zu tanzen. Als ich nur noch auf die Musik achtete, fühlte ich mich frei. Mein Körper bewegte sich zu dem Rhythmus, als hätte ich nie etwas anderes getan als zu tanzen. Die Welt um mich herum verschwamm und ich nahm nur noch mich selbst wahr, meine Bewegungen, meinen Herzschlag. Erst als die Band eine Pause machte kam ich wieder einigermaßen zu mir. Ich sah wie Dominic mich mit einem breiten, schelmischen Grinsen ansah. Anscheinend hatte ihm gefallen was er gesehen hatte und er schien in seinen ganz eigenen Gedanken verloren zu sein. Was er dachte, wollte ich lieber nicht wissen, denn schon bei der Überlegung, was er denken könnte, wurde mir mehr als heiß.

 

„Weißt du, Teti, ich bin froh, dass ich euch hier getroffen habe. Vor allem, dass ich dich hier getroffen habe“, sagte er und sein Blick zeigte mir die Aufrichtigkeit seiner Worte.

 

„Ich bin auch froh, dass wir uns wiedergetroffen haben, Dom.“ Wir beide strahlten uns gegenseitig an. Als die Tanzfläche langsam wieder leerer wurde entschlossen wir uns, zu den anderen zu gehen. Stolz stellte Hirchop Dominic den andere vor und nur Rian und Maria bemerkten mein strahlendes Lächeln und mein rotes Gesicht als Dom seinen Arm auf meine Schulter legte. Den Rest des Abends verbrachten wir mit Small Talk und alkoholischen Getränken, doch ich hatte mir vorgenommen nicht zu viel zu trinken wenn Dom da war. Ich wollte immerhin nicht die Kontrolle verlieren. Dafür war es eindeutig noch zu früh.

 

Die folgenden Freitage verliefen ähnlich. Dom war immer mit von der Partie und lachte und scherzte mit uns und wir beide kamen uns immer näher. Immer öfter fing auch Rian an nachzubohren, doch Maria wurde immer stiller. Ich merkte, dass mit ihr irgendetwas nicht stimmte und irgendwie hatte ich sogar das Gefühl, dass das erste Mal, seit wir uns kannten, ein Geheimnis zwischen uns stand. Was es war wusste ich allerdings nicht und immer wenn ich es ansprach wich Maria mir aus.

 

Misstrauisch wurde ich erst, als Maria für zwei Wochen nach Hamilton musste, genau zur selben Zeit in der auch Dominic nicht da sein würde. Verheimlichte mir meine beste Freundin etwas? Verstand ich Dominics Andeutungen vielleicht falsch und er hatte die ganze Zeit Maria gemeint? Als das das zweite mal passierte entschied ich mich Maria zur Rede zu stellen.

 

„Warum warst du weg?“, fragte ich sie als ich den Abend nach ihrer Rückkehr zu ihr in die Wohnung kam.

 

„Ich war arbeiten, das habe ich dir doch gesagt“, antwortete sie etwas gereizt. Ich verstand sie einfach nicht mehr. Was war bloß mit ihr los?

 

„Irgendwas verheimlichst du mir!“

 

„Nein, tue ich nicht.“

 

„Und warum bist du dann immer zur gleichen Zeit weg wie Dominic?“, fragte ich und meine Stimme wurde etwas zu spitz.

 

„Ach, daher dreht der Wind! Du bist eifersüchtig. Denkst, ist hätte was mit ihm, was?“ Auch sie wurde nun schnippisch, was unserer Unterhaltung nicht gerade förderlich war.

 

„Woher soll ich das wissen!“

 

„Du müsstest mich besser kennen!“

 

„Anscheinend nicht mehr!“ Gerade, als mir dieses Satz heraus gerutscht war, bereute ich ihn auch schon wieder. Natürlich kannte ich Maria und natürlich wusste ich, dass sie nie auch nur einen Gedanken an Dominic verschwenden würde, zumindest nicht in dieser Weise. Enttäuscht blickte sie auf den Boden. Jetzt war eine Entschuldigung mehr als angebracht.

 

„Es… es tut mir leid… natürlich kenne ich dich. Ich hatte nur das Gefühl, dass sowohl Dominic als auch du mir was verheimlicht. Und was würdest du sagen wenn ich mit deinem Schwarm immer zur gleichen Zeit zum gleichen Ort verschwinden würde?“

 

„Ich wäre auch nicht begeistert“, sagte sie und damit war meine Entschuldigung angenommen. Ich war froh, dass sich dieser kleine Streit so einfach gelöst hatte.

 

Am nächsten Abend hatte ich alle meine Freunde zum Essen in unserem Restaurant eingeladen, denn es war mein Geburtstag. Ben hatte sogar seinen kleinen Bruder gebeten bei uns zu kellnern und Dad hatte sich angeboten zu Kochen, nur damit ich meinen Geburtstag feiern konnte. Auch Dominic war eingeladen und er hatte versprochen zu kommen. Es war nun schon 3 Monate her, seitdem wir uns im SF wiedergetroffen hatten und seitdem hatte es zwischen und immer und immer mehr gefunkt und ich war mir sicher es würde nicht mehr lange dauern und wir würden uns küssen. Wir hatten bereits gegessen und unterhielten uns angeregt, als ich merkte wie Dominic und Maria etwas weiter weg saßen und ihre Köpfe zusammengesteckt hatten.

 

„Wir müssen es ihr sagen, Dom. Ich kann es nicht mehr vor ihr geheim halten. Sie ist meine beste Freundin, verdammt!“ Sie flüsterten und dachten sicherlich ich würde sie nicht hören, doch ich hörte sie und mein Herz rutschte augenblicklich in die Hose. Also war da doch etwas. Ich sah, wie Dominic ihr zunickte und beide aufstanden.

 

„Können wir kurz mit dir reden, Te?“, fragte Maria und ich spürte, wie meine Beine zitterten. Jetzt würde ich herausfinden, dass ich mir die letzten paar Monate nur etwas vorgemacht hatte, dass ich mich vor den beiden zum Affen gemacht hatte. Ich ging mit den beiden nach draußen. Die frische Luft tat mir gut, regte meinen so Kreislauf an, dass meine Knie nicht tatsächlich noch nachgeben würden.

 

„W-was gibt es denn?“, fragte ich und versuchte mein Bestes, vollkommen unwissend zu tun.

 

„Wir beide müssen dir etwas sagen…“ Maria nahm meine Hand und streichelte mit dem Daumen beruhigend darüber. Doch es war für mich alles andere als beruhigend. Ich hörte das Zögern in ihrer Stimme und zog meine Hand weg.

 

„Es geht darum… warum wir immer öfter weg sind… auch zusammen…“, setzte sie fort und ich spürte meine Knie wieder. Es würde nicht mehr lange dauern, da würden sie zusammenklappen oder mir würde der Boden unter den Füßen weggerissen werden.

 

„Es hat etwas mit unserer Arbeit zu tun, Teti“, sagte Dominic und ich sah ihr verwirrt und stirnrunzelnd an.

 

„Bist du etwa auch Visagist?“, fragte ich verwundert und etwas spitz. Dominic lächelte leicht verlegen und sah Maria hilfesuchend an, aber sie schüttelte nur mit dem Kopf.

 

"Nein, natürlich nicht... "

 

"Dom ist einer meiner Kunden", half Maria dann doch. Ich sah die beiden verwirrt an. Warum sollte Dominic zu einem Visagisten gehen?

 

"Ja... aber es ist nicht so wie du denkst. Ich... du weißt doch, dass ich schon früher immer Schauspieler werden wollte." Ja daran konnte ich mich. Aber ich verstand immer noch nicht was das hiermit zu tun hatte.

 

"Nun ja... der Grund, warum ich hierher kam, ist mein Job... ich wurde als Schauspieler für einen Film engagiert." Jetzt war ich baff. Dominic war hier nach Neuseeland gekommen wegen einem Film. Hatte er nicht gesagt, er würde 18 Monate arbeiten?

 

"Was für ein Film?", fragte ich jetzt langsam ungeduldig. Maria und Dominic sahen sich ein letztes Mal an, dann schluckte Dominik und sah mir tief in die Augen.

 

"Wir dürfen eigentlich nicht darüber reden... noch nicht... aber naja... Der Herr der Ringe." Und jetzt war ich sprachlos. Ich hatte die Bücher gelesen und war fasziniert von der Geschichte und der Welt, in der es spielte, gewesen. Ich liebte die Moral und die Werte, die diese Bücher übermittelten.

 

"U-und wen spielst du?", fragte ich etwas eingeschüchtert.

 

"Merry", sagte er und lächelte mich an. Mein Mund klappte noch weiter auf. Ich hatte mit irgendeiner kleinen Rolle gerechnet, die vielleicht einmal kurz vorkam, aber Merry? Meriadoc Brandybock, einer der vier Hobbits? Das war einfach umwerfend.

 

"Und was denkst du?", fragte er und lächelte mich fast unsicher an.

 

"Was- was ich denke?" Ja, das wusste ich gerade selbst nicht. In meinem Kopf drehten sich gerade mehrere Sachen. Ich dachte daran, dass ich gerade mit einem zukünftigen Kinostar redete und auch noch mit ihm geflirtet hatte.

 

"Ich- ich weiß nicht was ich sagen soll... ich..." Es war zwar so ein Klischee, aber genau in diesem Moment nahm Dominic mein Gesicht in seine Hände und ehe ich mich versah, spürte ich auch schon seine Lippen auf meinen. Es passierte so schnell, dass ich überhaupt nicht darauf vorbereitet war und wir mussten uns schnell wieder voneinander trennen, denn ich musste Luft holen.

 

Doch genau in dem Moment, in dem wir uns trennten, fehlte mir etwas, das ist gerade noch gehabt hatte. Die Schmetterlinge in meinem Bauch verhinderten jedes weitere klare Denken. Auch Dom schien etwas zu fehlen und er zog mich wieder an sich. Ich nahm nur entfernt wahr, wie Maria mit einem "Ich geh dann mal wieder rein" nach drinnen verschwand.

 

"Happy Birthday", flüsterste Dominic mir zwischen zwei Küssen zu. Und ja, das war es ein wirklicher glücklicher Geburtstag.

 

 

 

 

bottom of page