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Kapitel 3

 

Wiedersehen

 

 

Einige Wochen vergingen, bis wir wieder etwas von Dominic hörten, und ich musste zugeben, ich hatte sogar zeitweise nicht mehr daran geglaubt, dass er sich noch melden würde. Ich dachte mir, dass er das nur gesagt hatte, um mich und Hirchop loszuwerden, so wie man einen ungeliebten Verehrer, der seine Nummer haben will, nach seiner Nummer fragt und dann sagt, man würde sich bei ihm melden.

 

Doch einen Monat nach unserem Treffen im "SF" tauchte er plötzlich alleine in unserem Restaurant auf. Auch meine Eltern waren sehr erfreut, Dominic wiederzusehen und schenkten ihm ein Abendessen bei uns. Natürlich mache Hirchop seinem Freund eine extra große Portion und da es Donnerstag war und relativ leer konnten sowohl Hirchop als auch ich uns zu Dominic setzten.

 

Ich war gespannt was Dominic arbeitete, dass es ihn hier nach Neuseeland verschlagen hatte. Es war ein großer Zufall, dass wir ihn getroffen hatten und um ehrlich zu sein empfand ich es als einen Wink des Schicksals.

 

"Und was macht ihr hier?" Dominic schien das Essen, das Hirchop für ihn zubereitet hatte, sehr zu genießen, denn entgegen seinen gewöhnlichen Manieren sprach er mit vollem Mund und bezeugte immer und immer wieder wie gut es ihm schmeckte.

 

"Naja, wie du ja merkst, habe ich mich als Koch herausgestellt. Und Teti studiert hier um Lehrerin zu werden."

 

"Lass mich raten... Geschichte?" Ich musste lachen und wurde auch gleichzeitig rot. Anscheinend hatte er mich und meine kindliche Begeisterung für Geschichte nicht vergessen. Doch das war nicht das, was mich rot werden ließ. Es war sein Blick, mit dem er mich praktisch zu durchbohren schien. Er ließ ein Kribbeln in meinem Bauch entstehen.

 

"Ja, genau. Moderne und alte Geschichte. Dazu belege ich noch einen Kurs in Ägyptologie."

 

"Kann ich mir denken, so wie du früher immer auf das Thema abgefahren bist. Und der Kerl, mit dem du da im Club zusammen gestanden hast... War das dein Freund?" Im ersten Moment stockte ich. Wen meinte er? Neben mir stand niemand außer Maria und Will...

 

"Moment... Meinst du Will? Nein! Nein er ist sicherlich nicht mein Freund... Naja schon, aber nicht, wie du das meinst. Er ist in meinem Kurs und ist ganz in Ordnung." Sein Lächeln, als er erfuhr, dass Will nicht mein Freund war, ließ meinen Bauch noch mehr kribbeln und ich merkte, wie mir noch mehr Röte in die Wangen schoss.

 

„Und was ist mit dir? Ist Abby immer noch aktuell?“, fragte Hirchop, der anscheinend nicht merkte, wie Dom und ich uns ansahen. Ich hatte Dom schon immer sehr gemocht und mich immer sehr gut mit ihm verstanden. Abby war ein Mädchen aus Dom und Hirchops Klasse gewesen, mit der Dom ausging, als wir nach London gezogen waren. Ich hatte sie nie sonderlich gemocht und Hirchop hatte mich immer damit aufgezogen, dass ich eifersüchtig auf sie gewesen sei. Nun ja… Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, musste ich ihm auch leider zustimmen. Nur hatte ich mir das damals nie eingestehen wollen. Ich hatte mir, seit wir hier in Neuseeland waren, oft Gedanken darüber gemacht, wie es Dom ging und was er nun machte und dementsprechend umwerfend war es für mich, ihn nun direkt vor mir sitzen zu haben.

 

„Abby?“ Er schien ernsthaft zu überlegen, von wem Hirchop da sprach und es machte mir Hoffnung. Ich verstand nicht warum ich mich verhielt wie ein Teenager, der gerade vor seiner großen Liebe saß, denn das war er definitiv nie gewesen. Aber irgendetwas hatte Dominic an sich, das mich verzauberte. „Ja, Abby, die kleine Blonde, mit der du damals ne Zeit lang ausgegangen bist?“

 

„Ach, Abby!“ Ich muss zugeben, diese Antwort war etwas schwachsinnig, aber sie brachte mich auch zum Lachen. „Abby ist mittlerweile schon verheiratet. Lebt jetzt in Brighton. Hat mich für Billy Tellington sitzen lassen.“ Ich musste zugeben, dass ich das nicht gerade schade fand. Tellington war genau der Typ gewesen, der zu dieser eingebildeten Tussi gepasst hatte. Natürlich tat mir Dom leid, aber er sah nicht gerade aus, als ob er Abby noch hinterher weinen würde.

 

„Damit hast du aber immer noch nicht meine Frage beantwortet. Hast du mittlerweile jemanden?“ Dom schüttelte nur den Kopf und sah mich dabei eindringlich an.

 

„Nein, aber ich jemanden getroffen. Ich würde sie gerne noch näher kennen lernen.“ Als er immer noch mich eindringlich ansah spürte ich, wie mein Herz davonzugaloppieren schien. Irgendetwas hatte er mit mir angestellt.

 

„Ist sie hübsch? Wie alt ist sie? Kennst du sie schon länger?“ Hirchop überschlug sich mit seinen Fragen, ohne auch nur etwas von der Spannung zwischen mir und Dom mitzubekommen. Er schien einfach froh zu sein, seinen Besten Freund aus Kindertagen wieder hier zu haben und er hatte anscheinend vergessen, dass sie keine Kinder mehr waren.

 

„Ich werde dir bei Gelegenheit alles über sie erzählen, Hir. Aber bis jetzt kann ich dir sagen, dass sie eine wunderschöne Frau ist.“ Der Blick zwischen uns wurde immer intensiver und auf meinen Armen hatte sich bereits eine Gänsehaut gebildet. Ich verstand mich selbst nicht mehr. In den letzten Jahren hatte ich es geschafft, eine eigentlich solide Mauer um mein Herz zu errichten. Nachdem mich mein letzter Freund mit einer älteren Studentin betrogen hatte als wir noch in London gelebt hatten, hatte ich mich entschlossen nur 2 Männer in mein Herz zu lassen: meinen Vater und Hirchop.

 

Den Namen meines Exfreundes wollte ich nicht mal mehr aussprechen, so hatte er mich verletzt. Ich nannte ihn immer nur „meinen Ex“. Er hatte sogar mir die Schuld an dem ganzen Dilemma gegeben, weil ich mich zu sehr auf die Schule und die Arbeit im Restaurant konzentriert hatte. Doch er hatte mich nie richtig verstanden. Nachdem er mir dann auch noch offenbart hatte, dass er nur mit mir zusammen gewesen war um seinen Freunden etwas zu beweisen, war mein Herz dann vollkommen zerbrochen und es hatte eine lange Zeit gebraucht bis es wieder verheilt war. Natürlich hatte ich dann Mauern aus Regeln und Ansichten darum erbaut, die mich vor solch einem Unheil bewahren sollten.

 

Mich wunderte einfach, dass Dom es schaffte, diese Mauern mit einem Mal, mit einem einzigen Blick, einem einzigen Wort, zum Einsturz zu bringen.

 

So in meinen Gedanken versunken bemerkte ich gar nicht wie meine Mutter nach mir rief. Erst als Hirchop mich anstieß bemerkte ich, dass es mittlerweile etwas voller geworden war und noch andere Gäste bedient werden mussten.

 

„Seid ihr jeden Freitag im San Francisco Bath House?“, war Doms letzte Frage, bevor er unser Restaurant verließ. Ich konnte nicht antworten und tat so als hätte ich ihn nicht gehört. Hirchop aber antwortete ihm mit einem einfachen Nicken.

 

„Was war denn gerade los mit dir, Teti? Du bist doch sonst nicht so“, fragte meine Mutter erstaunt, als ich nervös die Getränke auf mein Tablett stellte. Ich wusste es selbst nicht. Ich zweifelte an mir. Meine Mauer war anscheinend doch nicht stark genug um mich zu schützen. Sie war zu schwach gewesen. Wie sonst hatte Dominic sie mit Leichtigkeit einreißen können? Auch den Gästen blieb meine Nervosität nicht verborgen. Einige neue Gäste versuchten mir Mut für meinen ersten Tag zuzusprechen, und dass jeder bei seinem ersten Tag nervös war. Eine unserer Stammgäste allerdings, sie war eine bereits etwas ältere Lady, nahm mich sanft am Arm, als ich ihr ihren Gin hinstellte.

 

„Vertraue auf dein Herz, Kindchen. Ich habe euch eben gesehen und auch deine Zweifel, als er gegangen ist. Es ist nicht gut zu hadern.“ Ich lächelte sie sanft an. Natürlich konnte sie nicht wissen, was in mit vorging. Aber meine Eltern hatten mir Anstand beigebracht und so dankte ich ihr nur für ihren guten Rat.

 

Als dann auch die letzten Gäste gegangen waren, war ich froh, dass ich mich nach dem Aufräumen in mein Zimmer begeben konnte. Ich wusste genau, dass meine Mutter mich am liebsten ausgequetscht hätte über das, was in mir vorging, aber mir war einfach nicht danach. Ich liebte meine Mutter, das war keine Frage, aber manchmal hatte sie es an sich mich bis auf die Knochen zu reizen. Solchen Situationen ging ich dann lieber aus dem Weg, indem ich mich einfach in mein Zimmer zurückzog. Dort hatte ich schon immer meine Ruhe gehabt. Ich schnappte mir mein Telefon und tat das, was wahrscheinlich jede Frau in meiner Situation getan hätte: ich rief meine beste Freundin an.

 

Es war schon spät, aber Maria war nie böse, wenn ich sie nach der Arbeit noch anrief. Im Gegenteil, durch die kurze Zeit vom Nummer wählen bis zu Marias ‚Hi, Te‘ vermutete ich, dass Maria sogar immer auf meinen Anruf wartete und dass das Telefon direkt neben ihr lag. Maria war die einzige, die alles über mich wusste, die genau wusste was, ich über wen dachte, auch über sie. Vor ihr hatte ich keine Geheimnisse, kein einziges. Sie wusste auch, was damals mit meinem Ex vorgefallen war und sie war die einzige, die meine Mauer genau kannte, denn sie war als Freundin hinter diese Mauer getreten, jedoch ohne sie zu zerstören. Sie hörte mir aufmerksam zu, hörte sich jeden noch so kleinen Gedanken an, der in meinem Kopf herumspukte, und erst, als ich aufgehört hatte wie ein Wasserfall zu reden, holte sie tief Luft.

 

„Hör mal, Te, du kennst ihn seit du klein bist. Meinst du nicht er ist durch deine Mauer gekommen, weil du ihn kanntest – und mochtest, möchte ich anmerkten – bevor du deine Mauer errichtet hast? Ich meine nachdem zu urteilen, was du mir so erzählst, warst du damals schon verknallt in ihn, nur dass du das selbst nicht bemerkt hast. Er war also schon in deinem Herzen, als dein Ex es dir gebrochen hat. Du hast ihn sozusagen mit deinem Herzen hinter dieser Mauer eingeschlossen.“ Sie hatte mit ihrer Aussage einen Punkt getroffen, das musste man ihr lassen. Wieder merkte ich wie wichtig Maria für mich war. Mit niemandem sonst konnte ich so offen reden, und niemand sonst konnte mir das sagen, was Maria mir sagte. Nicht einmal Hirchop und meine Eltern, oder zumindest dachte ich das.

 

„Wann lerne ich ihn denn mal kennen?“, fragte Maria provokativ, als sie merkte, dass ich ihr nicht mehr antwortete.

 

„Ich fürchte schneller als mir lieb ist“, antwortete ich darauf und das war die Wahrheit. Ich wollte Dominic nicht so schnell wiedersehen. Ich hatte Angst verletzt zu werden und ich war mir sicher, dass das er Fall sein würde wenn ich ihn wiedersah. Dann gähnte Maria genüsslich in den Höhrer und wir entschieden, uns besser am Freitag zu unterhalten wenn wir uns wieder im SF treffen würden.

 

Auch ich war unbeschreiblich müde und entschied mich, mich in mein Bett zu legen und zu versuchen, zumindest einige Stunden Schlaf zu bekommen, bevor ich am nächsten Morgen wieder früh mit meiner Mutter und Hirchop auf den Markt ging. Doch leider war mir ein ruhiger Schlaf nicht vergönnt. Erst einmal brauchte ich noch ungefähr eine halbe Stunde bis ich überhaupt einschlief und dann wachte ich fast jede Viertelstunde ohne Grund wieder auf. Ich träumte nicht, aber bei jedem Mal, das ich versuchte wieder einzuschlafen, musste ich an das Gespräch mit Dominic und Maria denken.

 

Vielleicht hatte sie Recht und Dominic war wirklich all die Jahre in meinem Herzen eingeschlossen gewesen. Kein Wunder, dass er dann nun, da er wieder da war, meine Mauern zum Einsturz brachte. Aber dennoch musste ich eine gewisse Vorsicht walten lassen. Wer wusste schon was in den letzten 6 Jahren aus ihm geworden war? Aber eines war klar: ein Teil von mir wollte genau das herausfinden, und noch mehr.

 

In den nächsten Tagen konnte ich mich nicht davon abbringen immer und immer wieder an Dominic denken zu müssen. Ich dachte daran wie er und Hirchop mich ab und zu geärgert hatten, wie sie jedoch auch immer wieder zu mir kamen und mich in das ein oder andere Spiel mit eingeschlossen hatten. Selbst Astrate störte mich nicht mehr so sehr in unserem Kurs wie noch die Tage davor. Natürlich war sie mir immer noch unsympathisch und keiner von uns beiden ließ sich auch nur im Traum einfallen mit dem anderen zu reden, aber sie interessierte mich einfach gar nicht.

 

Am Freitagvormittag war es sogar so schlimm, dass ich gar nicht mitbekam wie mir der Dozent eine Frage über die Krönung Hatschepsuts stellte. Erst als Will mich anstieß und mir die Frage zuflüsterte kam ich wieder zu Verstand und konnte antworten. Natürlich war Will mein Verhalten ebenfalls aufgefallen und er fragte mich am Ende der Vorlesung, was mit mir los sei. Doch ich ignorierte die Frage einfach und fragte ihn stattdessen, ob er Lust habe wieder mit uns ins SF zu kommen. Am Eingang der Uni wartete Maria unverhofft auf mich.

 

„Wir beide gehen jetzt erst einmal Shoppen“, sagte sie und zog mich auch schon hinter sich her. Sie wusste, Überrumpelung war das einzige, was bei mir half, wenn es um Shopping ging. Ich war alles andere als eine Shopping Queen, denn wenn es nach mir ging reichten die etlichen Versandhäuser voll und ganz aus. Ich hasste es, mich stundenlang in irgendwelchen Läden aufzuhalten nur um etwas anzuprobieren, was ich dann doch nicht kaufen würde. Maria war da etwas anders.

 

„Also, nach allem, was du mir am Sonntag erzählt hast, wird er heute Abend sicherlich ins SF kommen und da solltest du was Besonderes anziehen.“

 

„Aber ich habe doch etwas zum Anziehen, Maria.“ Doch das war genau ihr Punkt. Sie hatte, was die Kleidung anging, einen vollkommen anderen Geschmack als ich und wollte mich immer und immer wieder „bekehren“. Auch dieses Mal wollte sie mir viel zu weit ausgeschnittene Tops und viel zu kurze Röcke andrehen. Doch wir kannten unsere Streitpunkte bereits und ein entnervter Blick meinerseits reichte schon, damit sie auf den Boden der Tatsachen zurück fand. Zum Schluss konnten wir uns auf eine schwarze Jeans, gold-beige Highheels und ein gold-beiges, mit 3 waagerechten Paillettestreifen versehenes, etwas weiter ausgeschnittenes Top einigen.

 

Am Ende unserer insgesamt dreistündigen Shoppingtour bestand Maria dann zu Hause darauf, mich noch frisieren und schminken zu müssen. Sie war von Beruf Visagistin und hatte sogar schon für einige Stars gearbeitet. Und eines musste man ihr lassen: wenn man aus ihren fähigen Händen kam, sah man auch aus wie ein Star. Ich musste umgehend daran denken, was wohl Dominic denken würde, wenn er tatsächlich am Abend im SF sein würde und ein kalter, aber nicht unangenehmer Schauer überlief mich und ich bekam direkt wieder eine leichte Gänsehaut.

 

„Keine Angst, du wirst umwerfend aussehen!“, bemerkte Maria, während ich mich entspannen sollte. Sie war die einzige, der ich meine Haare und mein Gesicht ohne Zögern anvertraute, denn bei ihr wusste ich, dass sie ihre Arbeit gut machte. Während ich also einfach meine Augen schloss und Maria ihren Job machen ließ, trugen mich meine Gedanken wieder davon und ich merkte nicht wie die Zeit verging.

 

„Teti, du siehst umwerfend aus.“ Hirchop stand, bereit zum Gehen, an der Tür unseres Restaurants. Sein Mund stand weit offen und seine Augen waren weit aufgerissen. „Hast du ein Date?“, fragte er und grinste mich hämisch an.

 

„Nein, habe ich nicht. Maria… Ich habe eine Wette verloren und Maria versprochen, dass ich mich schick mache…“ Natürlich war das gelogen, doch ich konnte ihm ja schlecht sagen, dass ich mich wegen Dom so angezogen hatte und Maria verriet mich nicht.

 

„Na dann mal los…“, sagte Hirchop und hielt uns die Tür auf.

 

 

 

 

 

 

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