top of page

Kapitel 41

 

 

Studienreise

 

 

 

 

 

„Immer noch keine Nachricht des Heeres?“, fragte ich besorgt. Es war nun schon mehrere Tage her, seitdem Ramses und unser ältester Sohn mit ihrer Streitmacht Richtung Osten aufgebrochen waren. Wir hatten gewusst, dass die Erbauung von Per-Ra, so nannte ich unsere Hauptstadt kurz, da ihr eigentlicher Name, Per-Ra-mes-su-meri-Amun-pa-ka-aa-en-pa-Ra-Hor-achti, eindeutig zu lang war, die Hethiter erzürnen würde und sie irgendwann zum Schlag ansetzten würden. Ramses hatte sich jedoch entschieden vor diesem Schlag zu Handeln und war vor 4 Monaten, als er erfahren hatte, dass es an unseren Grenzen zum Reich der Hethiter sehr ruhig geworden war, ausgerückt um einige kleinere Städte der Hethiter zu erobern. Natürlich hatte Muwatalli, der hethitische Herrscher, sich das nicht gefallen lassen und einer unserer Boten an der Grenze hatte gemeldet, dass tausende Hethiter kampfesbereit Richtung Hauptstadt zogen, um sich dort zu formieren.

 

„Nein, Herrin. Dennoch bin ich mir sicher, dass ihnen nichts geschehen wird“, versuchte Nibui mich aufzumuntern. Ich war froh, dass sie damals ausgewählt worden war, denn aus ihr war eine enge Vertraute geworden und keiner wusste so gut über mich Bescheid wie sie.

 

„Der Hohepriester aus Karnak wollte heute bei Euch vorsprechen“, erinnerte sie mich lächelnd.

 

„Ich hoffe, ich werde seinem Bericht lauschen können. Es ist schwer meine Gedanken aus dem Osten hier her zu holen in diesen Tagen.“

 

„Herrin, die Große Königliche Gemahlin Isisnofret möchte Euch sprechen.“ Ich seufzte. Ich mochte Chifu, er war Ramses‘ Freund seit Kindertagen und der Pharao hatte ihn damals zum Sandalenträger gemacht, aber immer wieder war er es, der die unangenehmen Fälle vor mich brachte. Isisnofret wartete nicht einmal, bis ich mein Einverständnis dazu gab sie zu sprechen, sondern sie rauschte einfach in den Thronsaal.

 

„Nefertari! Ich verstehe nicht, was Euer Handeln bezwecken soll. Die Stadt meines Vaters ist vollkommen von den Handelswegen abgeschnitten. Sie erhalten kein Wasser, keine Nahrung, keine Kleidung“, sagte sie vollkommen außer sich. „Wollt Ihr nun, wo viele Vergessen haben, was Euch damals zugestoßen ist, die Bewohner dafür bestrafen? Wollt Ihr sie verhungern lassen, weil ein einzelner Mann Euch Euer Kind nahm?“

 

„Isisnofret, es ist Euch nicht gestatte, so mit mir zu reden. Und nein, ich will niemanden verhungern oder verdursten lassen. Ich weiß um die Probleme Eurer Heimat und seid versichert, dass ich bereits Sorge dafür getragen habe, dass die Karawanen besser beschützt werden. Denn es waren Eure eigenen Leute, die diese wieder einmal überfallen haben.“ Ich merkte wie herablassend meine Stimme war, aber Isisnofret hatte für mich keinen Respekt mehr verdient, denn die Botschaft über die Angriffe auf die Karawanen waren nicht das Einzige, das mich aus Byblos erreicht hatte.

 

„Nibui, Aritmei, wartet doch bitte draußen. Ich werde euch wieder hereinrufen, wenn ich geendet habe“, befahl ich ruhig. Die beiden Angesprochenen waren jedoch alles andere als ruhig. Sie merkten, dass irgendetwas nicht stimmte und besonders Aritmei sträubte sich dagegen meinem Befehl Folge zu leisten.

 

„Mich hat ein Brief aus Byblos erreicht. Mehrere Boten ließen ihr Leben, um mir dies hier zukommen zu lassen“, begann ich und hob das Papyrus hoch, damit Isisnofret es sehen konnte. „Es ist von Eurem alten Freund Baset. Ihr erinnert Euch noch an ihn?“ Ich sah wie Isisnofret zwar äußerlich versuchte unwissend zu sein, an ihren Augen sah ich jedoch die leichte Unruhe in ihr aufsteigen. „Er schrieb diesen Brief aus Angst um seine Familie. Irgendetwas schien ihn wissen zu lassen, dass sie nicht länger leben würden als er selbst, wenn er einer Krankheit erliegen würde. Er bat um ihren Schutz und bot eine Gegenleistung an“, fuhr ich fort und ich sah wie Isisnofret unsicherer wurde.

 

„Nichts, das er Euch anbieten könnte, würde seine Familie retten können“, erwiderte sie im Versuch, ruhig zu bleiben.

 

„Die Information, die er mir gab, war sehr aufschlussreich und ich werde sie dem Pharao übergeben. Sie wird ihn interessieren. Er berichtete mir, dass Euer werter Vater ihn und seinen Männer befohlen hatte, uns zu überfallen, mich am besten zu töten.“ Ich stand auf uns kreiste um Isisnofret. „Ich weiß, Euer Vater ist vor einem Jahr verstorben und ich bin mir sicher, wenn er reden könnte um seine armselige Haut zu retten, würde er mir verraten, dass er zusammen mit Euch plante mich umzubringen, damit Ihr an meiner statt herrschen könnt. Ihr habt es zu verantworten, dass der erste Sohn des Pharaos nicht das Licht der Welt erblicken konnte.“ Nun veränderte sich Isisnofrets Ausdruck. Sie lächelte hinterhältig.

 

„Ihr habt keine Beweise für Eure Vermutung. Ihr wisst nur mit Sicherheit, dass mein Vater etwas damit zu tun hat, doch er kann nicht mehr Gerichtet werden. Aber ich versichere Euch, wenn ich nicht in guter Hoffnung wäre, Eure Majestät, ich würde bei einer solchen Gelegenheit, mit Euch alleine zu sein, nicht zögern das Werk meines Vater zu vollenden um meinen rechtmäßigen Platz an der Spitze Ägyptens einzunehmen.“ Sie sah mich provozierend an und ich sah an dem hasserfüllten Funkeln in ihren Augen, dass sie diese Drohung mehr als ernst meinte.

 

„Herrin, die Truppen wurden gesichtet! Sie sind auf dem Weg nach Per-Ra, aber ihre Zahl ist sehr gering.“ Chifu blieb augenblicklich wieder stehen, als er die angespannte Situation zwischen mir und Isisnofret bemerkte. Er traute sich nicht weiter zu reden, doch Isisnofret, die endlich die Drohung ausgesprochen hatte, von der ich wusste, dass sie schon lange in ihr geschlummert hatte, stürmte zornig aus dem Raum. Natürlich wies ich Aritmei unverzüglich an seine Männer um meine Gemächer und die meiner Kinder zu postieren, denn Isisnofrets Drohung konnte nicht missachtet werden.

 

„Bereitet alles für die Rückkehr der Truppen vor. Ich befinde mich in meinem Gemach“, sagte ich und zog zusammen mit Nibui und Aritmei ab.

 

„Solltet ihr Isisnofrets Warnung nicht zu Anklage bringen, Herrin?“, fragte Nibui mehr als besorgt. Ich schüttelte den Kopf. Was würde es schon bringen? Niemand außer mir konnte bezeugen, was sie gesagt hatte. Es stand also ihr Wort gegen das Meine und wenn es Ramses vielleicht gereicht hätte, so sicherlich nicht den Richtern und wir konnten uns nicht einfach über sie stellen. Ich würde selbst dafür Sorge tragen müssen, dass Isisnofret keine Möglichkeit haben würde ihren Plan durchzuführen. Auch wenn das bedeutete, niemals mehr alleine und unbeaufsichtigt zu sein.

 

Langsam und vorsichtig strich ich mir mit einem meiner Kämme durch das Haar. Ich musste mich beruhigen und das war der beste Weg. Ich nahm mir meine Salbenschatulle aus Elfenbein und nahm mir etwas der öligen Salbe, um sie auf meinem trockenes Gesicht zu verteilen. Ich betrachtete die Schatulle und lächelte. Es war das erste Geschenk, das Ramses mir vor so langer Zeit gemacht hatte. Es war noch auf dem Boot gewesen, das mich von Karnak nach Memphis gebracht hatte. Später hatte man meine Kartusche eingraviert, um meinen Status zu festigen. Die Kartusche hatte damals fehl am Platze gewirkt. Man hatte sehen können, dass sie erst nachträglich angefertigt wurde. Aber nun, nach einigen Jahren, hatte sie sich angepasst und sah nicht mehr so fremd aus. Aber vielleicht lag das auch daran, dass ich mich endlich vollkommen in meiner Rolle wohl fühlte. Ich war die Große Königliche Gemahlin und ich wollte nichts anderes mehr.

 

 

„Was meinen Sie, wie alt dieses Artefakt ist?“, fragte mein Professor und riss mich damit aus meinen Gedanken. Ich starrte immer noch auf die kleine Elfenbeinschatulle. Die Einkerbungen waren kaum noch zu lesen.

 

„Beinahe 3.300 Jahre würde ich annehmen“, antwortete ich als ich merkte, dass niemand meiner mitgereisten Kommilitonen antworten wollte oder konnte. Mein Professor hob nur erstaunt die Augenbrauen.

 

„Das, das stimmt genau, meine Liebe. Tests haben ergeben, dass diese Schatulle irgendwann zwischen 1280 und 1270 vor Christus entstanden ist und womöglich einem Mitglied des Königshauses unter Sethos I. oder Ramses II. gehört haben musste. Die Hieroglyphen sind nur noch schwer zu erkennen, aber die Umrandung der Kartusche deutet eindeutig auf das Königshaus hin. Hier sind leicht die Linien des Wortes nfr zu erkennen, jedoch kann ich leider nicht sagen, welche Seite der Kartusche dies ist. Diese Schatulle könnte also zu Nefertari oder Isisnofret gezählt werden“, erklärte der Professor weiter, aber ich wusste, diese Schatulle war meine gewesen, Nefertaris.

 

Es waren nun 2 Monate vergangen, seitdem ich aus England zurück gekehrt war, und ich hatte bemerkt, dass diese 3 Wochen mir tatsächlich geholfen hatten, die ganze Sache, die zuvor passiert war, zu verdrängen. Ich dachte nicht mehr daran und mit etwas Überredungskunst von meinen Freunden und Marias Bereiterklärung mich zu begleiten, hatte ich mich entschieden, zusammen mit meinem Forschungsleiter und Professor nach Ägypten zu fliegen um dort an einer kleineren Ausgrabung teilzunehmen.

 

Unser erster Ausflug ging jedoch nach Kairo ins Ägyptische Museum, und zwar direkt nach unserer Ankunft. Ich hatte mich sehr gefreut, endlich in das Land meiner Vorfahren zu kommen. Doch ebenso bemannte mich eine innere Unruhe als ich gelandet war. Irgendetwas stimmte nicht, aber ich vermochte nicht zu sagen was es war.

 

„Kaum zu glauben, dass das hier alles schon so alt ist“, murmelte Maria begeistert als sie staunend durch die einzelnen Gänge des Museums ging.

 

„Sind hier nicht auch die ganzen Mumien?“, fragte sie gespannt und der Professor sah sie kühl an. Er hatte zugestimmt, sie bei unseren Ausflügen mitzunehmen. Ich war seine beste Studentin und er hätte alles getan um mich mitzunehmen, auch wenn er es eigentlich nicht gewollt hatte. Marias für ihn unqualifizierten Bemerkungen war einer der Kompromisse, die er hatte eingehen müssen um mich dabei zu haben.

 

„Das kommt später Maria“, flüsterte ich ihr leise zu. Ich musste schmunzeln. Sie hatte mir wenigstens zugehört im Flugzeug und hatte doch nicht nur daran gedacht, dass sie in wenigen Wochen einen zweiwöchigen Urlaub mit Elijah haben würde. Ich wusste, dass dieser Urlaub ihre Zukunft verändern würde, denn im Gegensatz zu ihr wusste ich, was Elijah vorhatte.

 

„Habt ihr euch jetzt entschieden, wo es hingehen soll?“, fragte ich gespielt neugierig. Natürlich wusste ich schon, wo es hinging. Immerhin würde ich dabei sein.

 

„Ja, Elijah meinte die Malediven. Er wollte zwei entspannende und einsame Wochen mit mir verbringen.“ Ihre Augen leuchteten und ich wusste, sie freute sich sehr auf ihren Tripp. Was sie jedoch nicht wusste war, dass sie, wenn alles klappte und sie Ja sagte, von diesem Tripp als Mrs. Wood nach Hause zurückkehren würde. Elijah hatte sogar schon alles arrangiert um seinen dauerhaften Wohnsitz von Santa Monica nach Wellington zu verlegen. Er wusste wie wichtig Maria ihre Heimat war und für ihn war Neuseeland eine zweite Heimat geworden.

 

„Und hier kommen wir nun zu den beeindruckendsten und wohl bekanntesten Fundstücken dieses Museums: den Mumien der Könige“, kündigte der Professor an und ich war wieder vollkommen aufmerksam. Auch hier im Raum der königlichen Mumien war, wie im Rest des Museums, alles nach Epochen sortiert und ich konnte es kaum erwarten, bis wir die Mumie sehen würden, die ich mehr als alles andere hier sehen wollte.

 

„Er ist ein alter Mann“, flüsterte ich als ich bereits 5 Minuten gebannt auf die Mumie gestarrt hatte, die ich unbedingt hatte sehen wollen. Wie bereits im Britischen Museum jagten mir Schauer über den Rücken, doch diesmal nicht nur das. Ich merkte wie Tränen sich langsam in meinen Augen sammelten und ich war froh, dass meine Kommilitonen bereits weiter gegangen waren. Doch eigentlich waren sie mir egal. In diesem Moment war mir alles egal. Es existierten nur ich und diese Mumie vor mir. Sie sah vollkommen anders aus als der Mann, den ich mit Ramses assoziierte, und damit meinte ich nicht Orlando. Es lag an dem Alter. Er war immerhin über 80 Jahre alt geworden, ein Alter, das nur wenige in dieser Zeit erreicht hatten. Die 3000 Jahre, die er nun schon tot war, taten den Rest, aber es war unverkennbar Ramses. Die Knochenstruktur änderte sich nicht.

 

„Ramesi …“, murmelte ich und schloss meine Augen.

 

 

„Wir werden uns wieder sehen, wie die Götter es prophezeiten“, sagte er und Tränen standen in seinen Augen. Wir beide wussten, es würde nur noch wenige Sekunden dauern, bis ich ewiglich meine Augen schloss, zumindest in diesem Körper. Aber er hatte Recht, die Hoffnung bestand, dass die Götter uns wirklich in einem anderen Leben wieder zusammen führen würden.

 

„Ich werde im Jenseits auf dich warten“, flüsterte ich schwach und dann merkte ich wie der letzte Hauch des Lebens meinem Körper entwich und alles schwarz wurde.

 

 

„Und nun wartest du auf mich“, flüsterte ich, küsste meine Hand und legte sie auf den gläsernen Sarg, in dem die Mumie lag. Ich musste mich zusammenreißen, nicht sichtbar zu weinen. Maria musste meine Reaktion bemerkt haben, denn sie legte ihren Arm um meine Schultern und schob mich behutsam wieder zu den anderen. Ich war froh, dass ich sie mitgenommen hatte.

 

„Morgen werden wir uns ins Tal der Königinnen begeben und ich werde Sie den einzelnen Ausgrabungsleitern zuteilen“, verkündete der Professor am Abend, als wir uns alle zum Abendessen im Restaurant unseres Hotels eingefunden hatten.

 

„Auf der Premiere, du und Orlando … Ihr habt den ganzen Film über Händchen gehalten“, bemerkte Maria, als wir beide dann endlich schlafen gehen wollten. Um ehrlich zu sein hatte ich mich schon gewundert, dass sie mich nicht längst darauf angesprochen hatte.

 

„Ja, das haben wir, aber es war nichts.“

 

„Teti, du kannst hier verarschen wen du willst, aber nicht mich. Ich kenne dich viel zu lange und ich weiß, was Orlando den Jungs erzählt. Ihr beide, wenn ihr zusammen seid, verhaltet ihr euch wie ein schon lange verheiratetes Paar. Wenn ihr euch nah seid, gibt es eine regelrechte Routine. Es ist so, als würdet ihr zu einer Einheit verschmelzen, nur keiner von euch beiden will es wirklich einsehen.“

 

„Wir sind nicht zusammen, Maria. Wirklich nicht. Aber ich sehe ein, was du meinst und du hast recht. Vor dem Film hat er mir gesagt, er würde auf mich warten und ich wusste genau, was er damit meinte“, sagte ich und Maria wollte mich gerade unterbrechen als ich einfach fortfuhr. „Es wird noch einige Zeit dauern, bis ich bereit bin. Und vielleicht dauert es noch sehr lange, ich kann es dir nicht sagen.“

 

„Warte aber nicht zu lange. Auch wenn er es gesagt hat, er wird nicht für immer warten“, gab Maria zu bedenken und ich wusste, sie hatte Recht. Ich würde ihn nicht immer warten lassen können, vor allem weil ich wusste, wie sehr ihn das quälte.

 

bottom of page