top of page

Kapitel 32

 

Doppeldate

 

 

"Sie haben eine lange Zeit in Neuseeland gelebt. Sicherlich gab es da die eine oder andere Frau an ihrer Seite?", fragte die Reporterin, die gerade Liv und Orlando interviewte. Orlando hatte mich gebeten mich hier mit ihm zu treffen, damit wir dann zusammen zum Essen gehen konnten. Ich hatte mich also etwas weiter entfernt hingestellt, so dass zwar Orlando mich sehen konnte, die Kameraleute und die Reporterin aber nicht. Ich sah, wie er förmlich durch sie hindurch auf mich blickte. Er starrte mich richtig an und ich merkte, wie sich die Röte in meinem Gesicht ausbreitete. Schnell brachte ich mich auch aus seiner Sichtweite, denn ich wusste, Orlandos Blick würde auch irgendwann den Blick der Reporterin in meine Richtung lenken, und das war wirklich das letzte, was ich wollte.

 

"Welche Frau würde nicht hinter Orlando her sein", rettete Liv ihn und ich war ihr dankbar. Auch sie hatte in der kurzen Zeit, die sie wegen ihrer Rolle vor Ort gewesen war, bemerkt, was dort zwischen uns wuchs. Sie war eine Frau und im Gegensatz zu mir musste sie diese Tatsache auch nicht vor sich selbst verleugnen. "Aber natürlich war die einzige, auf die er geachtet hat, ich. Wer würde auch Arwen widerstehen können", lachte sie und auch Orlando fing an zu lachen. Als ich wieder in seine Richtung sah, war er wieder auf das Interview fokussiert.

 

"Da hat dich Liv wohl rausgehauen, was?", neckte ich ihn, als das Interview dann beendet war und er endlich zu mir kam. Er lachte und legte einen Arm um meine Schulter um mich dann mit einem sanften Druck in die richtige Richtung zu lenken.

 

"Und hast du Maria gestern Abend noch gesehen?", fragte Orlando als wir dann im Wagen saßen und zum Restaurant gebracht wurden. Ich sah ihn skeptisch an. Fragte er das wirklich? Er blieb einen Moment vollkommen ernst und ich zweifelte schon beinahe an seinem Verstand.

 

"Ich dachte, Sie wäre ein guter Schauspieler, Mr. Bloom", fragte ich provozierend als er seine Mundwinkel nicht mehr stillhalten konnte und sie langsam nach oben wanderten.

 

"Anscheinend nicht, wenn du in der Nähe bist", murmelte er und kam etwas näher. Ich allerdings setzte mich ein bisschen weiter weg. Ich konnte ihm einfach nicht so nahe sein, nicht, wenn ich wusste, dass ich am Abend wieder abreisen musste und ihn dann wieder eine lange Zeit nicht sehen würde. Ich wollte keinem von uns zu viele Schmerzen bereiten, mit denen wir nicht umzugehen wussten. Natürlich konnte ich in der Situation nicht wirklich für Orlando sprechen, es war also reiner Selbstschutz. Vielleicht würden es manche auch Feigheit nennen. Feigheit, sich das einzugestehen, was für alle offensichtlich war. Feigheit, etwas zuzulassen, was einem zwar die schönsten Tage, Monate, vielleicht sogar Jahre, bescheren könnte, aber einen auch im Bruchteil einer Sekunde zerstören könnte.

 

"Aber nur um deine eigentlich vollkommen unnötige Frage zu beantworten: Nein, natürlich habe ich Maria nicht mehr gesehen und es würde mich nicht wundern, wenn ich sie erst im Flieger wieder sehe, falls Elijah sie nicht kidnappt oder so", bemerkte ich trocken und zuckte mit den Schultern. Es war mein voller Ernst. Wer wusste schon, was die beiden im Eifer ihrer Hormone anstellten. Vielleicht würde morgen die große Tageszeitung davon berichten, dass Frodo spurlos verschwunden war. Natürlich würde niemand von Marias Verschwinden berichten, oder sie gar zur Notiz nehmen. Aber Elijah war eine andere Nummer, ihn würden sie bemerken.

 

Orlando und ich sahen uns einen Moment lang an.

 

"Wir sollten wirklich nach den beiden sehen", sagten wir beide dann beinahe gleichzeitig. Elijah kannte ich zwar nicht gut genug um seine Gedanken zu kennen, aber bei Maria konnte ich für nichts garantieren. Orlando, der Elijah eindeutig besser kannte, hatte anscheinend dieselben Bedenken und das war keineswegs gut. Sofort bat er den Fahrer umzudrehen und zu dem Hotel zu fahren, in dem sie alle untergebracht waren.

 

"W-Was tun wir, wenn sie schon weg sind?", fragte ich beunruhigt. Ich wollte gar nicht daran denken, dass Maria ohne ein Wort zu sagen weggegangen sein könnte. Würde sie das tatsächlich tun? Würde sie tatsächlich gehen, ohne das mit mir zu besprechen? Bisher hatten wir alle unsere Schritte gemeinsam geplant, wir hatten die Meinung des anderen gebraucht, um uns darüber klar zu sein, was richtig für uns war.

 

Ich stürmte regelrecht in das Hotel als der Wagen endlich davor anhielt. Ich musste es wissen, musste nachsehen, ob die beiden noch da waren. In vollem Schwung prallte ich gegen die Rezeption. Orlando war nicht so schnell wie ich hinterhergekommen und so wollte ich schnell wissen, in welchem Zimmer sich Elijah befand.

 

"Elijah Wood ... Zimmer", keuchte ich, während mich der Hotelier skeptisch beäugte. Bedeckt von dem kalten Stein der Theke rieb ich mir meine Rippen, die durch den Aufprall schmerzten. Wahrscheinlich hielt mich dieser Mann für vollkommen verrückt. Und er sah auch schon zu den Sicherheitsleuten herüber, die sich mir langsam näherten.

 

"Ist schon in Ordnung, Wallace, sie gehört zu mir!", rief Orlando, der immer noch einige Meter weiter entfernt war. Die Sicherheitsleute gingen augenblicklich wieder auf ihre Posten und mit einigen letzten großen Schritten holte Orlando mich ein und nahm mich bei der Hand. Er wollte mich schon von der Theke weg und die Treppe hinauf ziehen, als der Hotelier aufstand.

 

"Er hat das Hotel vor einer Viertelstunde verlassen", rief er uns ruhig entgegen und ich erstarrte. Nein, er musste sich irren. Vielleicht war er nur etwas holen oder war von Peter gerufen worden, vielleicht hatte er selbst gerade ein Interview. Es musste einfach so sein.

 

"Wallace, war eine junge Frau bei ihm?" Der Hotelier überlegte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. Ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen schnappte Orlando wieder meine Hand und ging in Richtung Treppe. "Teti, Maria muss noch hier sein, aber wir können nicht sicher sein, was Elijah holt. Wir sollten zu ihr gehen." Ich nickte und wir gingen zusammen nach oben. Vielleicht reagierte ich auch über, vielleicht waren die beiden ja nur auf ihrem Zimmer gewesen und sie wollten einfach die letzten Stunden der Zweisamkeit genießen.

 

"Orlando, Teti, was macht ihr denn hier?" Ich schreckte förmlich zusammen als ich die Stimme hinter mir hörte. Es war Elijah und nach dem ersten Schreckensmoment drehte ich mich um und sah ihm direkt in die Augen.

 

"Bitte, sag mir nur, dass ihr nicht durchbrennen wolltet", war das einzige, was ich sagen konnte, und Elijah sah erst mich und dann Orlando verwirrt an. Als er merkte, dass wir das tatsächlich ernst meinten, begann er herzhaft zu lachen.

 

"Elijah, ich dachte... OH MEIN GOTT!" Die Tür des Zimmers schloss sich genauso schnell wie sie sich geöffnet hatte und ich konnte nur einen kurzen Blick auf Maria werfen. Sie war nackt gewesen, vollkommen nackt. Keiner von uns sagte ein Wort. Als Maria dann die Tür wieder öffnete, hatte sie ein weißes Bettlaken um sich geschlungen.

 

"Was macht ihr denn hier?", fragte auch sie und die Röte in ihrem Gesicht war noch nicht vollkommen verschwunden.

 

"Die beiden dachten, wir würden durchbrennen", weihte er Maria ein und stellte sich neben sie. Dann sah sie uns genauso ungläubig an wie er es zuvor getan hatte. Ohne auch nur einen Moment zu zögern zog sie mich und Orlando in das Zimmer und schloss die Tür hinter uns.

 

"Ihr beide dachtet also, wir wären abgehauen?" Ich hörte eine Spur des Vorwurfs in ihrer Stimme, als sie sich auf das vollkommen chaotische Bett und wir uns auf das daneben stehende Sofa setzten. Nun war es mir fast peinlich, dass wir tatsächlich daran geglaubt hatten, dass wir den beiden das wirklich zugetraut hatten. Maria war meine beste Freundin und sie würde mich mit Sicherheit nicht einfach so alleine lassen, und sicherlich nicht ohne auch nur ein Wort zu hinterlassen.

 

"Ihr beide habt echt 'nen Knall!", begann sie zu lachen und auch ich begann zu lachen.

 

"Ich glaube, nachdem ihr hier raus seid, braucht das Zimmer eine Renovierung und neue Möbel", bemerkte Orlando mit einem Zwinkern in Elijahs Richtung. Wieder lief Maria rot an. Ich wusste wie unangenehm ihr die ganze Situation war, doch andererseits war sie es selbst schuld gewesen. Immerhin hätte sie sich einfach melden können.

 

"Na ja ... ich denke, wir werden uns wieder auf den Weg machen. Wir beide wollten noch zusammen etwas Essen gehen." Das war das einzige, was mir noch einfiel. Mein Kopf war von Bildern gefüllt, die ich eigentlich nicht hatte sehen wollen. Wieder einmal verdammte ich meine blühende Fantasie, die sich unweigerlich ausmalte, was die beiden hier wohl alles angestellt hatten, dass es hier überall so aussah. Überall waren Kleider verteilt, eine der Bettdecken lag auf dem Boden mit zwei umgeschmissenen Sektgläsern daneben. Neben der Badewanne im Badezimmer lagen mehrere Reben Trauben und auch der Boden des restlichen Zimmers war mit Obst gedeckt. Wahrscheinlich hätte man einen großen Obstsalat daraus machen können. Aber nein, ich musste an etwas anderes denken.

 

"Hey, wir kommen mit!", schlug Maria vor und bevor Orlando und ich widersprechen konnten, war sie auch schon einige Kleider auf dem Weg aufsammelnd im Badezimmer verschwunden. Eigentlich hatte ich dieses letzte Essen mit Orlando alleine verbringen wollen, aber vielleicht war es so auch besser. Wer wusste schon, was passieren würde, wenn wir alleine waren. Wer wusste schon, dass wir nach dem Essen nicht genauso enden würden wie Maria und Elijah. Wenn aber diese beiden dabei waren, war die Chance einer Eskalation, egal in welche Richtung, geringer.

 

Wir warteten also noch darauf, dass Maria sich angezogen hatte, und dann machten wir uns wieder auf den Weg. Unser Wagen wartete immer noch vor der Tür des Hotels auf uns und der Fahrer war sehr überrascht, als wir uns auf einmal mit 4 Mann hinten auf den Rücksitz quetschten. Um ehrlich zu sein war es mir mehr als unangenehm, denn ich war dichter an Orlando gepresst als es mein Nervenkostüm aushalten konnte. Mir wurde undenkbar warm in diesem Auto und ich war froh, als ich nach einer 5-minütigen Fahrt wieder aussteigen konnte.

 

„Ich hoffe, die haben auch noch einen Tisch für 4 Personen frei. Immerhin hatte ich eigentlich für 2 bestellt“, bemerkte Orlando und sah Maria und Elijah an. Die beiden zwinkerten ihm nur unschuldig zu. Zu unserem großen Glück war genau noch ein Tisch für 4 Personen im privateren Teil des Restaurants frei, an den wir uns setzen konnten, ohne den ganzen Abend von Fans oder Reportern gestört zu werden. Es war schon genug, dass sie uns auf dem Weg in das Restaurant aufgelauert hatten. Wahrscheinlich standen zu Zeiten der Filmfestspiele an jeder Ecke die Paparazzi, um auch ja ein gutes Foto zu bekommen.

 

„Unser erstes Doppeldate, wie wunderbar!“, freute sich Maria und klatschte euphorisch in die Hände. Auch Elijah lächelte und sah uns beide an. Keiner von uns sagte auch nur ein Wort. Wir sahen es keineswegs als Doppeldate an, oder zumindest wollten wir es nicht so sehen.

 

„Wir …“, setzte ich an, doch ich musste nicht zu Ende sprechen.

 

„Das ist kein Date. Ich gehe mir meiner besten Freundin essen, und das auch noch am helllichten Tag“, beendete Orlando den Satz, den ich hatte sagen wollen, und es machte die Sache nicht gerade glaubhafter. Maria und Elijah nickten nur mit hochgezogenen Augenbrauen.

 

„Wie geht es Seth und Bahad?“, fragte Elijah dann um das Thema zu wechseln, als er merkte dass die Stimmung immer unangenehmer wurde und keiner von uns etwas sagte. Er wusste, wie man ein Gespräch wieder entfachte: frag die Leute nach ihren Babies, egal, ob Mensch oder nicht.

 

„Seth geht es wunderbar. Er entwickelt sich wirklich gut und ich kann es kaum glauben, dass er bald schon 1 Jahr alt wird. Es ist schwer ihn immer im Auge zu haben, damit er nicht den Tisch oder irgendetwas anderen vollkommen abräumt, und ich bin froh, dass meine Mutter und meine Schwerster Sonia da sind um mir zu helfen. Alleine würde ich das sicherlich nicht ohne Weiteres schaffen. Vor allem nicht, wenn ich wieder ein Filmangebot bekommen würde“, erklärte er stolz. Er liebte seinen Sohn über alles, das konnte ich ihm genau ansehen, und es machte mich wirklich glücklich. Orlando war ein guter Vater für Seth. Egal, was alles passiert war. Egal, was seine Mutter ihm angetan hatte und Seth, da war ich mir sicher, würde ein vorzeigbarer und anständiger junger Mann werden, der vielleicht irgendwann in die Fußstapfen seines Vaters treten würde.

 

„Bahad geht es auch gut. Ich habe gestern noch eine E-Mail von Hirchop bekommen, dass er in der Hundeschule wieder beim Gehorsamkeitstraining der Beste war. Natürlich, wenn er mit mir unterwegs ist, ist er noch besser als mit anderen, aber Hirchop kann gut mit ihm umgehen.“ Ich vermisste meinen Hund sehr. Er war in den letzten Wochen und Monaten ein treuer und guter Begleiter geworden, den ich nie wieder missen wollte. Ich war Orlando immer noch unendlich dankbar für dieses Geschenk.

 

„Und du hast ein neues Studium begonnen?“, fragte Elijah dann und im ersten Moment fragte ich mich, woher er das wohl wusste. Doch Maria musste es ihm erzählt haben, in einem Moment, in dem sie nicht … anderweitig beschäftigt gewesen waren.

 

„Ja, ich habe mich für die Ägyptologie entschieden. Ich konnte den Kurs, den ich während des ersten Studiums gemacht hatte, anrechnen lassen und so muss ich nur bis Sommer 2003 studieren. Ich denke mal, dass danach einige Ausgrabungen folgen werden. Wer weiß, vielleicht entdecke ich ja was richtig Cooles, ne unbekannte Mumie oder so“, scherzte ich und auch die anderen lachten leicht. Das war tatsächlich mehr als unwahrscheinlich, immerhin waren die großen Entdeckungen bereits vor vielen Jahren gemacht worden. Wer sollte schon jemals das Grab von Tutanchamun übertreffen?

 

„Wir fahren euch jetzt zum Flughafen“, erklärte Orlando, nachdem wir das Essen beendet hatten und wir uns gerade ein Taxi zum Flughafen nehmen wollten. Natürlich nahmen wir dieses Angebot gerne an, denn es gab uns noch einige Minuten, die wir mit den beiden verbringen konnten.

 

„Drück Seth von mir, und gib ihm das hier“, bat ich Orlando und überreichte ihm einen kleinen „Kuschelkiwi“. Er sollte Seth immer an das Land erinnern, in dem er geboren worden war und damit auch an mich. Ich hatte ihn bereits im Souvenirladen am Flughafen gekauft und hatte nur auf den richtigen Moment gewartet, Orlando dieses Geschenk für Seth zu geben. Orlandos Lächeln wurde breiter. Er verstand die Geste und umarmte mich. Es fühlte sich gleichzeitig gut und schlecht an. Gut, weil ich mich genau hier, in seinen Armen, richtiger fühlte als irgendwo anders. Und schlecht, weil das einfach nicht sein durfte. Es machte die ganze Sache zwischen uns komplizierter als sie sowieso schon war, und das konnte ich gerade jetzt nicht gebrauchen.

 

„Ich werde dich vermissen, Teti“, sagte Orlando als wir dann durch die Sicherheitsschleuse mussten und er und Elijah nicht mitkommen konnten. Ich ging schon einmal vor, während Maria sich noch leidenschaftlich von Elijah verabschiedete. Immerhin würden sie sich nun wieder einige Zeit nicht sehen können, aber ich war mir sicher, dass sie diesmal nicht wieder ihre Beziehung beendet hatten. Sie würden diese Fernbeziehung versuchen, immerhin hatte sie inoffiziell bereits funktioniert. Beide waren einander treu geblieben, obwohl es für Elijah sicherlich einige Möglichkeiten gegeben hatte, dies nicht zu sein.

 

„Wir sollten wieder öfter feiern gehen, mit den anderen, meine ich“, sagte ich als wir bereits einige Stunden in der Luft waren. Ich sah mir gerade irgendeinen belanglosen Film an, aber dort ging gerade eine große Gruppe in eine Disco und feierte ausgiebig, ohne triftigen Grund. So etwas mussten wir auch wieder tun. Seitdem die ganze Der Herr der Ringe-Sache wirklich angefangen hatte, waren wir kaum noch mit Rian, Ben, Hirchop und Will aus gewesen und um ehrlich zu sein vermisste ich es. Die Abende im SF waren immer so … befreiend gewesen und ich vermisste dieses Gefühl.

 

bottom of page