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Kapitel 21

 

Verhandlung und Urteil

 

 

 

 

 

 

„Bitte erheben Sie sich.“

 

Es war nun 3 Monate her seitdem Astrate mich die Treppe hinunter gestoßen hatte und da sich der Staatsanwalt eingeschaltet hatte, saß ich nun, nachdem ich glücklicherweise Dank eine Kaution nicht in Untersuchungshaft musste, auf der Anklagebank. Orlando hatte ich seit dem kurzen Besuch im Krankenhaus nicht mehr gesehen und von Peter war ich bis zum Ausgang der Verhandlung freigestellt worden.

 

„Heute verhandeln wir in einem Fall der Kindesentführung gegen Miss Teti Kensington“, sagte der Staatsanwalt und ich kam mir wirklich vor wie in einem schlechten Film. Das konnte alles nicht wahr sein. Ich hatte das Gesetz und die Polizei eigentlich immer hoch geschätzt, doch jetzt … sie hatten mich unschuldig angeklagt. Aber angeblich hatte sich noch ein Zeuge gefunden, der Astrates Version bestätigen konnte. Der Nachbar der beiden hatte angeblich alles durch sein Fenster gesehen.

 

Das Schlimme an der Sache war, dass nur ich wusste, dass er in irgendeiner Weise gekauft sein musste. Natürlich hatte auch meine Verteidigerin Zeugen heran gebracht, aber keiner von denen war wirklich dabei gewesen. Dieser angebliche Zeuge war der einzige, der außer mir und Astrate alles gesehen haben sollte.

 

Astrate hatte neben dem Staatsanwalt als Nebenklägerin Platz genommen und sah mich mit einem selbstgefälligen Blick an, der alleine schon für ihre Lügen sprach. Zu meinem großen Glück hatte den Vorsitz über diese Verhandlung eine Frau. Astrates Blick entgleiste für einen Moment als sie das sah, denn sie wusste, einen Mann hätte sie besser um den Finger wickeln können als eine Frau.

 

„Möchten Sie sich zu den Anschuldigungen äußern, Miss Kensington?“, fragte mich die Richterin und ich merkte direkt, dass sie dem Ganzen tatsächlich relativ neutral gegenüber stand. Natürlich wollte ich aussagen und so erklärte ich, natürlich nicht ohne Zwischenrufe von Astrate, meine Sicht der Dinge.

 

„Aber es stimmt doch, dass Sie schon seit einiger Zeit mit dem Verlobten der Nebenklägerin befreundet sind“, fragte der Staatsanwalt und ich nickte. Ich wusste genau, worauf er hinauswollte und ich hatte damit bereits gerechnet. Denn Astrates Eifersucht mir gegenüber war ja schon lange bekannt. Astrate schmückte das dann natürlich noch mit der Erzählung von unserer Kostümparty aus, was laut ihr zeigen sollte, dass ich obsessiv hinter ihrem Verlobten her war. Sie behauptete sogar, dass ich sie bereits mehrere Male in der Öffentlichkeit beschimpft hatte, was natürlich nicht stimmte.

 

„Da haben Sie doch ihre Chance gesehen, als die Nebenklägerin in der misslichen Lage war. Sie hatte gerade eines ihrer Kinder verloren und Sie hatten nichts Besseres zu tun, als sich das andere Kind unter den Nagel zu reißen. Sie hatten gehofft, die Gefühle von Miss Bechalis Verlobtem, für den Sie laut der Nebenklägerin romantische Gefühle hegen, für Sie zu wecken. Sie hofften, dass er sich in Sie verlieben würde, wenn er sieht, was Sie alles für ihn tun, wie Sie sich um seinen Sohn kümmern.“

 

„Nein! So war das nicht!“, schritt ich ein. „Orlando kam mit Seth zu mir, nachdem Astrate den Kleinen abgestoßen hatte. Er war verzweifelt und natürlich hilft man einem Freund, wenn er Hilfe braucht. Muss man da immer einen Hintergedanken haben?“, erwiderte ich und der Staatsanwalt sah mich mit einem Blick, an der mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Natürlich es war sein Job so unbeugsam zu reagieren, immerhin wollte er mich ja zu einem Geständnis drängen. Aber was hatte ich schon zu gestehen?

 

Einen kurzen Moment musste ich an das denken, was Hirchiop zu mir gesagt hatte, und es machte mich für einen kleinen Moment wütend. Ich hatte so viel getan, für einen Freund, und jetzt? So wurde es mir gedankt: mit einer Anklage. Natürlich, Orlando hatte diese Anklage nicht verschuldet, aber er hatte seine Freundin auch nicht davon abgehalten.

 

„Kommen Sie schon! Meinen Sie tatsächlich, wir kennen solche Freundschaften nicht? Sie waren in Mr. Bloom verliebt.“ Ich schüttelte nur den Kopf und ballte die Fäuste unter dem Tisch. Mein Verteidiger hatte mich darauf vorbereitet, dass der Staatsanwalt nicht locker lassen würde, aber ich hatte nicht mit meiner Reaktion gerechnet. Am liebsten wäre ich ihm wegen diesen bescheuerten Fragen an die Gurgel gesprungen. Doch zum Glück sah mein Verteidiger, dass ich angespannt war und redete leise auf mich ein.

 

Dann war Astrate mit ihrer Version der Dinge dran und wieder erzählte sie davon, dass ich den Kleinen aus der Wohnung geholt hatte, in die ich außerdem laut ihr eingebrochen war, und dass ich dann die Treppe heruntergefallen wäre, als sie versucht hatte, mich aufzuhalten. Ich sah auf meinen Vater, der im Publikum saß. Er schüttelte nur immer wieder den Kopf. Sein Blick sagte mir, dass er nicht verstand, was hier passierte. Er konnte nicht glauben, dass seine Tochter wirklich wegen solch schlimmer Dinge angeklagt war.

 

„Miss Bechali, es ist doch durch den Arzt, welchen wir später noch einmal hören werden, schon festgestellt worden, dass Miss Kensington Ihren Sohn unmöglich gehalten haben konnte, während sie gefallen ist“, stieg mein Verteidiger ein, doch Astrate behauptete einfach, dass ich den Arzt auf irgendeine Weise bestochen haben musste, damit er diese Aussage machte. Ich saß einfach nur still neben meinem Verteidiger. Ich konnte das alles nicht glauben.

 

Dann wurden die ersten Zeugen aufgerufen, darunter Astrates Freundinnen aus der Uni, die alle, welch eine Überraschung, aussagten, ich sei schon immer auf Astrate eifersüchtig gewesen. Sie verdrehten die Geschichten aus der Universität so, dass ich Astrate immer wegen Orlando die Hölle heiß gemacht hätte, dass ich sie bedroht hätte. Ich schloss nur resignierend die Augen. Warum musste mir das passieren? Warum war ich der Mittelpunkt einer solchen schlechten Inszenierung? Und das Schlimmste an dem Ganzen war, dass, wenn ich nicht wirklich viel Glück hatte, ich auch noch tatsächlich für etwas verurteilt werden würde, dass ich definitiv nicht getan hatte. Aber zu meinem großen Glück gab es ja nicht nur Astrates Zeugen, sondern auch noch meine.

 

„Na ja … ich kann nicht verhehlen, dass es immer eine gewisse Spannung zwischen den beiden gegeben hat, aber es war nichts Besonderes“, sagte Maria. Sie hatte alles etwas anders darstellen wollen, um mir zu helfen, aber das wollte ich nicht. Es reichte schon, dass ich angeklagt war. Ich wollte nicht, dass meine Glaubhaftigkeit noch durch eine Falschaussage gemindert wurde, die eine Freundin für mich gemacht hatte. Ganz zu schweigen davon, dass es Meineid war und ebenfalls mit einem Prozess geahndet werden würde. Maria hatte auch bis zuletzt darauf bestanden zu sagen, dass Orlando und ich uns nur selten sahen, aber ich wusste, irgendwie würde man herausfinden, dass das nicht stimmte.

 

„Ich bitte Mr. Bloom in den Sitzungssaal“, sagte die Vorsitzende in ein Mikrophon und die Tür öffnete sich. In ihr stand Orlando, in seinem Arm war Seth. Er gab den Kleinen an Maria, nachdem Astrate nicht einen Miene verzogen hatte, als Orlando ihr den Kleinen geben wollte. Zu meinem Glück hatte sie nicht daran gedacht, was das bei der Richterin auslösen würde, denn diese sah erstaunt zu Orlando und Astrate. Mit Sicherheit wunderte sie sich darüber, dass die ach so führsorgliche Mutter ihr Kind nicht haben wollte. Für mich allerdings war das normal.

 

„Sie waren gerade bei einem Dreh, als Sie von den Vorkommnissen erfuhren, richtig?“, fragte der Staatsanwalt und Orlando nickte. Er wirkte seltsam reserviert und sah nur auf die Richterin oder die beiden Anwälte. Mich und Astrate vermied er anzusehen.

 

„Ja, ich wusste schon, dass etwas passiert sein musste als ich auf mein Handy sah. Es war gerade kurz nach 12, normalerweise wissen alle, dass ich zu dieser Uhrzeit nur in Notfällen erreichbar bin. Als ich dann abnahm, war meine Verlobte am Telefon, vollkommen aufgelöst. Mit zitternder Stimme berichtete sie mir, was passiert war und ich konnte es nicht glauben. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Teti so etwas wirklich getan haben sollte.“ Ein Schmerz durchfuhr meine Brust. Glaubte er Astrate? War er wirklich der Ansicht, ich hatte das getan, weswegen ich hier saß. War er enttäuscht von mir und sah mich deswegen nicht mehr an?

 

„Mr. Bloom, es ist doch deutlich ersichtlich, dass Miss Kensington Gefühle für sie hegt. Meinen Sie nicht, sie wollte so versuchen, Sie für sich zu gewinnen?“, fragte der Staatsanwalt und Orlando sah mich an. Endlich sah er mich an und ich sah ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. Es war das Lächeln, das er hatte, wenn er sich an etwas erinnerte, und im Moment erinnerte er sich wahrscheinlich an irgendetwas Schönes, das wir gemeinsam erlebt hatten. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Astrate mit der offenen Handfläche auf mich zeigte, so als wäre der Blick zwischen uns Beweis genug für meine Gefühle für Orlando

 

„Nein, wir sind Freunde und wir sind uns sicherlich sehr wichtig, aber nie würde Teti so etwas tun. Wenn Sie sie kennen würden, dann würden Sie das wissen“, erwiderte Orlando. Das konnte Astrate natürlich nicht auf sich sitzen lassen und sie stand so schnell auf, dass wahrscheinlich niemand ihre einzelnen Bewegungen wahrnahm.

 

„Willst du damit sagen, ich, deine VERLOBTE, lüge?“ Ihre Stimme zitterte beinahe vor Wut und Orlando sah zu ihr und schüttelte den Kopf. Ich konnte nicht sehen, was er tat oder wie er sie ansah, doch ich sah den Blick derjenigen, die es konnten, und sie waren verwundert.

 

„Nein, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass du lügst. Die Wahrheit wird irgendwo zwischen euren beiden Geschichten liegen. Aber ich kann und will nicht sagen, welche richtig ist, denn ich war nicht dabei. Mir geht es hier hauptsächlich um meinen Sohn und ich bin froh, dass ihm nichts passiert ist.“ Nun blickte er wieder nach vorne und man konnte ihm ansehen, dass ihm die ganze Situation unangenehm war. Er fühlte sich eindeutig nicht wohl in seiner Rolle und er wäre sicherlich am liebsten einfach aus dem Gebäude gerannt.

 

„Dann nehmen Sie bitte hinten Platz und ich bitte Mr. Olson in den Gerichtssaal.“ Mr. Olson war der angebliche Zeuge, der die Szenerie als einziger noch gesehen haben sollte. Er war ca. 35 Jahre alt und sah aus wie ein Schrank. Seine Arme waren dicker als meine Oberschenkel und er war sicherlich noch ein Stück größer als Tall Paul. Jeder frei sichtbare Teil seiner Haut war tätowiert, selbst sein kahl rasierter Schädel. Dieser Mann konnte nichts Gutes heißen.

 

„Mr. Olson, erzählen Sie uns doch bitte, was Sie gesehen haben“, sagte die Richterin und sah den vor Selbstbewusstsein strotzenden Mann an. Er nickte nur und blieb stumm. Erst als die Richterin abermals nachfragte, begann er mit seiner Erzählung.

 

„Also, ich wohne erst seit ein paar Tagen in der Bude nebenan und bin auch nicht wirklich interessiert daran, mit meinen Nachbarn gut Freund zu sein“, sagte er etwas lauter als gewöhnlich. Ich verdrehte meine Augen … Wer hätte das gedacht? Ein so großer, starker Mann war schwerhörig. Wahrscheinlich legten auch seine Nachbarn nicht viel Wert darauf, ihn kennen zu lernen. Im Gegenteil, sie waren sicherlich froh, wenn sie ihn wieder loswerden konnten.

 

„Nun ja. Ich wollte gerade auf meinem Sofa ein bisschen chillen, hatte mir schon Musik angemacht, als ich die beiden Weiber habe streiten hören. Natürlich konnte ich da keine Minute auf meinem Sofa liegen bleiben. Big O. stört man nicht so einfach, wissen sie.“ Die Richterin sah ihn skeptisch an und ich schüttelte nur meinen Kopf. Es gab wirklich Menschen, die sollten besser ihren Mund geschlossen halten, bevor nur Scheiße herauskommt … das hatte meine Großmutter immer gesagt und sie hatte Recht damit.

 

„Na ja, und dann war da noch das Geschrei von dem Bengel, grausam erzähle ich ihnen. Ich bin natürlich sofort aufgestanden, um da draußen so richtig Ordnung zu machen.“ Er kratze sich kurz am Kinn, als müsste er überlegen, was er weiter sagen wollte, doch mein Verteidiger stieg ein.

 

„Und als Sie dann die beiden Frauen gesehen haben, die in Ihren Augen sicherlich minderwertig sind … da haben Sie meine Mandantin die Treppe heruntergestoßen und die Nebenklägerin dazu gedrängt eine Falschaussage zu machen, damit ihrem Kind nichts passiert.“ Eines musste man meinem Verteidiger lassen: er verstand sich darauf, anderen die Sache in die Schuhe zu schieben. Es klang sogar äußerst plausibel, was er sagte, wenn man selbst nicht dabei gewesen war.

 

„Ey, passen Sie mal auf!“, sagte der Zeuge drohend und war schon halb aufgestanden, aber die Richterin ging energisch dazwischen und holte einige Beamte etwas näher an die Tische.

 

„Ich habe gar nichts gemacht. Ich bin noch nicht einmal rausgegangen, ja? Ich lasse mir hier bestimmt nichts anhängen. Einmal ein Knasti, immer ein Knasti! Das ist es doch, was ihr Schwarzröcke alle denkt!“

 

„Das Einzige, was ich denke, ist, dass Sie sachlich bleiben sollten und wieder etwas herunterfahren sollten, Mr. Olson“, zischte die Richterin nun noch energischer. „Was haben Sie gemacht, als Sie die beiden Frauen und das Baby gehört haben?“

 

„Ich hab durch das Seitenfenster gesehen und da hab ich die beiden Zicken –„

 

„Geht das auch ohne Beleidigung oder muss ich erst ein Ordnungsgeld gegen sie verhängen?“

 

„Da hab ich die beiden FRAUEN im Nachbargarten gesehen. Die“, er zeigte auf mich, „da hatte das Kind auf dem Arm und war auf dem Weg Richtung Treppe. Und die andere hat versucht, sie am Arm zu packen. Dann hat sie“, wieder zeigte er auf mich, „das Gleichgewicht verloren und ist die Treppe runtergeflogen. Geschieht ihr recht, so wie die gezetert hat.“ Ich sah den Typen nur ungläubig an.

 

Das konnte nicht wahr sein. Er konnte nicht das gesehen haben, was er sagte, denn den Kleinen hatte ich sicherlich nicht auf dem Arm, dessen war ich mir sicher. Der Kleine war im Haus gewesen, dessen Tür ich sicherlich nicht geöffnet hatte. Ob der Mann wirklich hinter dem Fenster gestanden hatte konnte ich natürlich nicht sagen, denn wie sollte man das schon sehen können?

 

„Ich habe eine Frage an Sie, Mr. Olson, und ich möchte Sie an ihre Wahrheitspflicht erinnern“, sagte mein Verteidiger drohend. „Wie konnten Sie aus ihrem Wohnzimmer hören, was vor Ihrer Türe vor sich ging? Verzeihen Sie mir diese Indiskretion, aber ich habe den Verdacht, dass Ihre Ohren nicht die Besten sind. Außerdem befindet sich Ihr Wohnzimmer auf der anderen Seite des Hauses.“

 

„Mein Gott, das Fenster war offen und ich habe sie so hören können. FRAUEN haben ja nicht gerade ein leises Organ, wenn sie streiten“, antwortete er und mein Verteidiger hatte erst einmal keine Fragen mehr.

 

Als nächstes rief man den Arzt in den Sitzungssaal, der mich behandelt hatte, und befragte ihn. Ich war froh, dass er zu meinen Gunsten aussagte und der Richterin schilderte, dass ich meinen Verletzungen nach zu urteilen die Treppe hinunter gestoßen worden sein musste. Ebenso versicherte er dem Gericht, dass ich Seth nicht auf dem Arm gehabt haben konnte, da der Kleine sonst wahrscheinlich tot wäre. Die Verletzungen, die die Polizei am Tattag bei ihm gefunden hatten, waren bereits mehrere Stunden, manche von ihnen sogar Tage alt. Ebenso berichtete er von dem Zwischenfall vor einigen Wochen, bei dem der kleine Seth mit einem gebrochenen Arm ins Krankenhaus eingeliefert worden war.

 

„Es sollte also in Erwägung gezogen werden, dass der Vorfall nicht so war, wie ihn Miss Bechali schildert“, endete der Arzt und Orlando sah Astrate geschockt an. Das hatte er nicht erwartet, das sah ich ihm an.

 

„Du darfst diesem Quacksalber nicht glauben, Orlando! Sie hat ihn gekauft!“

 

„Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, Miss Bechali“, rief mein Verteidiger dazwischen und Astrates Blick war mehr als furchtbar. Es war fast derselbe Blick, mit dem sie mich angesehen hatte, bevor ich die Treppe herunter gefallen war.

 

"Ich würde sagen, wir sollten aufpassen, wen wir hier beschuldigen, mein werter Kollege. Ihre Mandantin hatte ein eindeutiges Motiv, den Jungen zu entführen. Welchen Nutzen sollten Mr. Olson oder Miss Bechali von der Sache haben?" Der Staatsanwalt war wirklich hart und er schien nicht eine Sekunde an meiner Schuld zu zweifeln. Für ihn war die Sache wahrscheinlich von Anfang an klar gewesen.

 

"Ich würde sagen, das heben Sie beide sich für Ihre Schlussplädoyers auf. Ich werde mich dann zur Urteilsfindung zurückziehen", verkündete die Richterin, nachdem keiner der Anwälte mehr Fragen an Mr. Olson hatte. Es sah wirklich nicht gut für mich aus. Die Aussage von Mr. Olsons würde mein Schicksal entscheiden. Ich würde in wenigen Minuten als Entführerin ins Gefängnis gehen, unschuldig. Anscheinend war das Gesetz doch nicht so sicher und gut wie ich immer gedacht hatte. Wahrscheinlich gab es viele Menschen wie mich, die unschuldig angeklagt und dann auch noch verurteilt wurden.

 

"Bitte erheben Sie sich für die Verkündung des Urteils", teilte der Gerichtsdiener mit und alle standen auf ein unsichtbares Zeichen hin auf. Ich war sogar einen Moment von dem einmaligen Geräusch, das ertönte, weil alle sich gleichzeitig bewegten, abgelenkt. Aber dann, als die Richterin wieder in den Saal kam, war ich voll konzentriert.

 

"Miss Kensington, ich befinde Sie aufgrund eindeutiger Beweise für unschuldig", sagte die Richterin lächelnd. Ich sah nur verwirrt meinen Verteidiger an. Hatte ich das gerade richtig verstanden? Hatte sich mich wirklich gerade aufgrund der Beweise freigesprochen? Aber ich war nicht die Einzige, die vollkommen überrascht war. Auch der Staatsanwalt und die Anwesenden waren mehr als überrascht.

 

"Um diese Entscheidung zu erklären, bitte ich einen zusätzlichen Zeugen in den Zeugenstand. Officer Emmett Rainburg." Mit diesen Worten stand ein Mann auf, der mir bereits im Publikum aufgefallen war. Er hatte einen Block und einen Stift dabei gehabt und hatte, seit Mr. Olson aufgetaucht war, nur darin herumgekritzelt.

 

"Mr. Rainburg, bitte erzählen Sie uns das, was Sie mir in unserem kurzen Gespräch berichtet haben."

 

"Ich bin Junior Officer Emmett Rainburg vom Drogendezernat", begann er und beim Wort Drogendezernat schoss Mr. Olsons Kopf herum. Anscheinend fand er das nicht gerade lustig. "Mein Auftrag, zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt, war es, Mr. Olson zu überwachen, da wir einen zuverlässigen Tipp bekommen hatten, dass er ein wichtiges Mitglied in der hiesigen Drogenmafia ist."

 

"Und was hat das mit diesem Fall zu tun?", beschleunigte die Vorsitzende die Erzählung.

 

"Zum fraglichen Zeitpunkt kann Mr. Olson nicht das gesehen haben, das er zu sehen vorgibt. Wie bereits gesagt ist es mein Auftrag, ihn zu überwachen und das tat ich auch an diesem Tag. Und wir erreichten erst am späten Abend wieder sein Haus an der Marine Parade, viele Stunden nachdem der Vorfall zwischen der Angeklagten und der Nebenklägerin passierte."

 

"Und Sie waren unaufhörlich in seiner Nähe?" Natürlich musste das der Staatsanwalt fragen, denn er war sicherlich immer noch davon überzeugt, dass ich schuldig war. Dann holte der neue Zeuge einen Umschlag aus der Tasche. Er war voll mit Polaroidbildern und zwar von Mr. Olson, wie er gerade mit einem Mann sprach und heimlich etwas austauschte. Unter dem Bild stand jeweils die Uhrzeit und das Datum, wann das Bild geschossen wurde und es war eindeutig, dass Mr. Olson nicht da gewesen sein konnte.

 

"Warum haben Sie sich erst jetzt gemeldet?", fragte der Staatsanwalt erbost.

 

"Es wäre sicherlich auch in Ihrem Sinne gewesen, wenn wir endlich die Drogenmafia hätten hochgehen lassen können. Ich wollte mich nicht zu erkennen geben, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Daher habe ich bis zum letzten Moment gewartet. Es ist wohl noch zu sagen, dass ich ohne die Zustimmung meiner Vorgesetzten handle. Ich habe immer an die Gerechtigkeit geglaubt und ich möchte nicht mit ansehen, wie eine unschuldige Frau verurteilt wird."

 

"Woher wollen Sie wissen, dass die Angeklagte unschuldig ist? Sie waren immerhin nicht dabei." Langsam regte mich der Staatsanwalt auf. Ich war freigesprochen worden. Warum versuchte er immer noch meine Schuld zu beweisen?

 

"Ich weiß es, weil ich vor wenigen Tagen die Nebenklägerin ebenfalls mit Mr. Olson gesehen haben. Die beiden scheinen sich zu kennen und anscheinend hat Sie ein gutes Druckmittel gegen den Zeugen Olson", erklärte der Ermittler und zog zur Unterstützung seiner Aussage noch mehr Fotos aus dem Umschlag. Auf diesen war eindeutig Astrate zu sehen, wie sie dem Zeugen drohte.

 

"Mr. Olson ... ich glaube es wäre besser, wenn Sie nun Ihre Aussage berichtigen. Ich glaube, Sie haben bereits genug Schwierigkeiten." Da hatte mein Verteidiger eindeutig recht. Wenn Mr. Olson wirklich ein Mitglied dieser Drogenmafia war, die in Wellington ihr Unwesen trieb, dann hatte er größere Sorgen als eine Verurteilung wegen einer Falschaussage unter Eid.

 

"Ja ... die Alte hat mich dazu gezwungen. Sie hat mich gesehen, wie ich ihrem kleinen Araber-Freund eine kleine Menge Dope vertickt habe. Hat mich angeschrien wie ne Furie. Hat irgendwas von `nem Ölscheich gebrüllt und dann hat sie mir gedroht, mich an die Polizei zu verpfeifen. "

 

Und dann riss Astrates wunderbare Welt auseinander und sie rastete aus. Sie beschimpfte den Ermittler, Mr. Olson, den Arzt und gab zu, Seth geschlagen zu haben. Immerhin habe er ihre Tochter bereits im Mutterleib getötet. Er hatte es laut ihr nicht anders verdient als gehasst zu werden, denn er war in ihren Augen Abschaum. Und Orlando schmiss sie direkt den Verlobungsring entgegen. Er habe sie ja sicherlich schon mit mir betrogen und mit dieser Sache wollte sie sichergehen, dass er die Hände von mir lässt. Es war also in Wirklichkeit nicht meine Eifersucht gewesen, sondern ihre.

 

Ich war eindeutig erstaunt über ihren Ausbruch, aber er half, dass auch der Letzte sich sicher war, dass ich die Wahrheit gesagt hatte und nicht sie. Als ich Orlando ansah, der sich mittlerweile zur Sicherheit den kleinen Seth , der mittlerweile fürchterliche weinte, geschnappt hatte, sah ich ihm den Schock förmlich an. Er konnte wohl das Ganzen nicht glauben. Wollte nicht glauben, dass er sich in einem Menschen so sehr getäuscht hatte. Er würde sicherlich noch lange daran zu knabbern haben, aber ich würde für ihn da sein, ihm helfen, wie eine Freundin, ein Kumpel.

 

Doch als ich an das Wort "Freundin" dachte, zog sich mein Magen zusammen. Ich erinnerte mich wieder, warum ich eigentlich vor dieser ganzen Sache zu Hause geblieben war anstatt zur Arbeit zu gehen, obwohl Orlando und die anderen in Hamilton gedreht hatten. Ich hatte mir durch Hirchop eingestehen müssen, dass ich tatsächlich Gefühle für Orlando hegte. Deswegen hatte ich mich zurückgezogen. Aber was hatte es mir gebracht? Nichts. Also würde ich auf andere Weise mit meinen Gefühlen zu Recht kommen müssen.

 

„Montag müssen wir alle noch einmal zum Mount Olympus … und ich könnte einen Babysitter und eine Souffleuse gebrauchen.“ Ich war gerade mit meiner Mutter und Maria aus dem Gerichtssaal gekommen, als Orlando mich hinter der Tür abfing. Er war noch sichtlich angeschlagen von der ganzen Sache, aber mir gegenüber war er sonst wieder der Alte. Nichts an ihm war mir gegenüber mehr reserviert und er umarmte mich und ich versuchte ihm mit der Umarmung klar zu machen, wie leid mir das alles tat. Ich wollte nicht, dass er so litt und das tat er. Wenn er es auch nicht nach außen trug, ich wusste, dass er litt.

 

„Ich denke, das lässt sich einrichten Mr. Bloom“, erwiderte ich lächelnd. „Ich danke dir“, sagte ich und er löste sich verwirrt von mir. „Na, dass du neutral geblieben bist. Dass du auf uns beide sauer warst.“ Sein Blick wurde noch verwirrter. Wahrscheinlich hatte er damit gerechnet, dass ich ihm nicht verzeihen würde, dass er nicht zu mir gehalten hatte. „Du bist wirklich einzigartig, Teti“, Sagte er und küsste mich leicht auf die Wange. Und genau diesen Moment, ich hatte gar nicht gesehen wie alle meine Freunde vor dem Gericht auf mich gewartet hatten, hatte Viggo auf ein Foto gebannt.

 

„Das kommt mit an meinen Spiegel!“, rief er uns entgegen und um ehrlich zu sein war ich gespannt darauf, das Bild in wenigen Tagen tatsächlich am Spiegel hängen zu sehen.

 

„Ich denke, das sollten wir alle mit einem Essen in unserem Restaurant feiern“, sagte meine Mutter und damit waren alle Anwesenden eindeutig eingeladen ein kostenloses Essen bei uns einzunehmen. Nur Orlando fuhr zusammen mit Viggo zu sich nach Hause, um Astrates Sachen vor die Tür zu stellen. Außerdem wollte er sicherlich alleine sein, um alles zu verarbeiten. Aber Viggo wollte ihn nicht Auto fahren lassen und so fuhr er ihn.

 

„Ich wusste schon immer, was für eine Schlampe das ist!“, ließ Will verlauten, nachdem er einige Gläser von dem Schnaps meiner Mutter getrunken hatte. Es war etwas Ähnliches wie Ouzo, nur etwas stärker und er hatte einen leichten Dattelgeschmack. Aber vor allem wurde er warm getrunken. Ich liebte diesen Schnaps und auch ich hatte schon eine beträchtliche Menge davon getrunken, auch wenn ich mich nicht so fühlte.

 

„Sag mal, stimmt es denn?“ Dom war in einem unbeobachteten Moment zu mir gekommen.

 

„Was?“ Natürlich wusste ich wovon, er redete, aber ich wollte durch diese Gegenfrage etwas Zeit gewinnen, um mir in meinem nun doch etwas benebelten Kopf eine Antwort einfallen zu lassen.

 

„Liebst du Orlando?“

 

„Ich weiß es nicht“, sagte ich und sah Dom in die Augen. „Ich weiß es wirklich nicht, Dom. Ich wusste es noch nie. Aber glaube mir, ich habe dich geliebt, ehrlich geliebt. Aber es hat einfach nicht funktioniert.“ Er nickte. Ich war froh, dass es genau das gewesen war, das er hatte hören wollen. Wahrscheinlich hatte er sich die ganze Zeit Gedanken gemacht, mit jemandem zusammen gewesen zu sein, der ihn gar nicht geliebt hatte. Aber das war nie der Fall gewesen. Ich hatte ihn sehr geliebt, aber auf eine andere Weise. Auf eine Weise, die sich irgendwann auf eine freundschaftliche Liebe umgestellt hatte.

 

„Wie läuft es mit Laura?“, fragte ich ihn dann und ich sah, wie seine Augen strahlten. Dann erzählte er voller Begeisterung von ihr und ich war glücklich. Ich freute mich, dass er die Sache zwischen uns so gut weggesteckt hatte und dass wir nun wieder so offen miteinander reden konnten.

 

 

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