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Kapitel 19

 

Angriff

 

 

 

„So, du kleiner Racker, jetzt werden wir mal meine Eltern besuchen.“

 

Der Dreh am Hutt River war schon fast zwei Wochen her und Astrate kümmerte sich immer noch nicht um den kleinen Seth und das obwohl die ganze Geschichte nun schon 2 Monate her war. Der Kleine brauchte wirklich seine Mutter. Ich fand es komisch zu wissen, dass ich wahrscheinlich für ihn mehr seine Mutter war als die Frau, die ihn geboren hatte. Ich verstand nicht, wie man einen so wunderbaren Jungen nicht lieben konnte.

 

Andererseits musste ich mir auch eingestehen, dass ich nicht mehr wollte, dass Astrate ihn annahm. Denn das würde sicherlich bedeuten, dass ich ihn nicht mehr sehen würde. Dafür würde sie dann mit Sicherheit sorgen.

 

„Oh, wen hast du denn da mitgebracht?“, fragte meine Mutter, als ich das Restaurant betreten hatte. Ihre Stimme war alles andere als normal und so hatte ich sie auch nur selten reden hören. Es war ihre Baby-Stimme. Die Stimme, die sie nur benutzte, wenn kleine Babys in ihrer Nähe waren, die sie zum Lächeln bringen wollte. Doch der kleine Seth konnte noch nicht lächeln. Dazu war er noch zu klein. Natürlich man konnte hier und da ein kleines Grinsen in seine Mimik hinein interpretieren, doch es war nichts anderes als ein Zufall und ein bisschen Einbildung.

 

„Das ist Seth, Mom.“

 

„Seth? Hab ich was nicht mitbekommen?“, fragte mein Vater irritiert. Er hatte ja eigentlich nichts von der ganzen Geschichte mitbekommen. Ich musste mich wirklich zusammen reißen, nicht direkt laut loszuprusten und damit den kleinen Mann auf meinen Armen zu erschrecken.

 

„Das ist doch nicht ihr Kind!“, sagte meine Mutter lachend und sah meinen Vater kopfschüttelnd an. Sein Blick war einfach nur für die Götter. Am liebsten hätte ich direkt ein Bild davon gemacht. Was er gerade dachte wollte ich gar nicht wissen, oder doch? Nein, ich wollte es nicht wissen. Dann erklärte ich meiner Mutter, warum ich den Kleinen mitgebracht hatte. Orlando wollte noch heute Abend zusammen mit Astrate zu einem Therapeuten gehen. Er sollte Astrate wieder darauf vorbereiten, mit Seht umzugehen. Ich hatte mich natürlich bereit erklärt auf den Kleinen aufzupassen.

 

„Weiß Orlando eigentlich, was er an dir hat?“, fragte Hirchop mich, als er etwas später in mein Zimmer kam. Ich saß mit Seth, der auf einer Art Stillkissen lag und schlief, auf meinem Bett und las gerade ein Buch. Wie Hirchop da in der Tür stand und mich anblickte, wusste ich sofort, dass dieses Gespräch kein belangloses war. Es war ein Ernstes und diese Frage sollte das Gespräch nur einleiten.

 

„Wie meinst du das?“, fragte ich und legte mein Buch auf meinen Nachttisch. Sofort kam Hirchop weiter in mein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Dann kam er zu mir und setzte sich vorsichtig auf mein Bett, um Seth nicht zu wecken.

 

„Te, du weiß genau, was ich meine.“ Damit hatte er Unrecht. Ich wusste es nicht. Warum sollte Orlando nicht wissen, was ich für ihn tat, er war doch die meiste Zeit dabei. Er sah den meisten Teil des Tages, wie ich hinter der Kamera mit seinem Sohn auf dem Arm saß und ihm oder den anderen Texte zuflüsterte. „Du tust so viel für ihn“, fuhr Hirchop fort „Du hast deinen alten Traum aufgegeben. Seid du ein Kind warst wolltest du nichts lieber als Lehrerin werden. Und jetzt? Jetzt hast du dein Studium geschmissen. Und wozu? Damit du am Set eines Filmes sein kannst. Du versetzt all deine alten Freunde, damit du mit deinen neuen zusammen sein kannst.“

 

Er hielt einen Moment inne, wahrscheinlich um mir Zeit zu geben über das, was er gesagt hatte, nachzudenken und vielleicht etwas zu erwidern, doch ich konnte nichts erwidern. In gewisser Weise hatte er Recht. Lehrerin zu sein war schon immer mein Traum gewesen, doch mit dem Leben ändern sich auch die Träume. Ich wusste nicht mehr, was ich wirklich erreichen wollte, zumindest was meine berufliche Karriere anging.

 

„Und jetzt passt du auch noch auf ein Kind auf, das nicht deines ist. Natürlich, es ist tragisch, was passiert ist und der Kleine und auch seine Eltern tun mir unendlich leid. Aber du bist nicht dafür verantwortlich, was passiert ist, Te. Es ist Sache der Eltern, sich um den Kleinen zu kümmern. Und auch wenn Orlando wegen dem Film viel um die Ohren hat, er ist sein Vater und Astrate ist seine Mutter, nicht du.“

 

Zu meiner großen Verwunderung zog sich bei diesen Worten irgendetwas in mir zusammen. Ja, Seth war nicht mein Sohn, zumindest nicht in dem Sinne, dass ich ihn geboren hatte. Aber ich hatte mich die letzten 2 Monate deutlich mehr um den Kleinen gekümmert, als seine Mutter, und das nur, weil sie ihn nicht wollte.

 

„Ich will dir keinen Vorwurf machen, Te. Ich kenne niemanden sonst, der so selbstlos wäre“, sagte er dann. Anscheinend hatte er an meinem Gesichtsausdruck erkannt, dass der Unmut in mir aufstieg. „Ich glaube nur nicht, dass du selbst den Grund kennst, warum du das alles machst. Ich glaube, das ist der eine Punkt, in dem ich dich vielleicht besser kenne, als viele anderen. Du bist meine Schwester und ich habe dich zwar nur selten so gesehen. Glaube mir, es würde mir besser gefallen, wenn es nicht gerade ein verlobter Mann wäre, aber du liebst Orlando.“

 

Mehrere Minuten saß ich nur da und starrte Hirchop an. Warum sagte er so etwas? Ich liebte Orlando, ja, aber doch nur wie einen guten Freund. Ich tat das alles nur um einen Freund zu helfen, nicht um bei ihm vielleicht Gefühle für mich auszulösen. So etwas hatte ich sicherlich nicht nötig und würde ich auch nie tun. Hielt mich mein eigener Bruder für so eine Person?

 

„Sag mal, spinnst du!“ Ich war zwar leise, aber ich zischte die Worte mit einer solchen Wut heraus, dass es Hirchop trotzdem zusammen zucken ließ, als hätte ich ihn gerade mit der ganzen Kraft meiner Lungen angeschrien. „Was denkst du von mir?“

 

„Halt mal den Ball flach“, sagte er und sein Blick war etwas wütend. „Ich wollte dir nicht klar machen, dass ich dir für eine Schlampe halte, sondern dass du dir vielleicht über deine Gefühle klar werden solltest.“ Ja, er war wütend und ich konnte es verstehen. Natürlich hielt er mich für keine Schlampe, er war mein Bruder.

 

„Ich will nur nicht, dass du am Ende verletzt wirst“, sagte er und verließ dann mein Zimmer. Gedankenverloren blieb ich sitzen und streichelte die Hand des kleinen Seth, der immer noch friedlich schlief. Natürlich tat ich nichts von dem, was ich tat, um Orlandos Gefühle zu gewinnen. Aber tat ich es wirklich nur, um einem Freund zu helfen oder dem Mann, den ich liebte? Ich konnte es nicht sagen.

 

Ohne Zweifel war Orlando der beste Freund, den ich je hatte. Wir hatten so viele Gemeinsamkeiten das es schon fast unheimlich war. Ich hatte mich bisher noch mit keinem auf Anhieb so gut verstanden wie mit Orlando und bei niemandem außer ihm war ich der Überzeugung, dass ich genau wusste was er dachte und fühlte. Er war mein Seelenverwandter … MIST! Ich liebte ihn tatsächlich. Ich liebte meinen besten Freund. Es war schon auf eine sarkastische Weise komisch: „Die Hochzeit meines besten Freundes“ würde es wahrscheinlich bald geben, aber ohne das Happy End für mich … Und sicherlich würde Astrate irgendwann ihren Sohn annehmen und dann würde ich vollkommen aus Orlandos Leben verdrängt werden. Das war auch das Ende, das Hirchop vermutlich befürchtete.

 

Sollte ich Orlando von meinen Gefühlen berichten? Sollte ich ihm sagen, was ich jetzt gerade über mich selbst herausgefunden hatte? Wie würde er reagieren? Würde es ihm unangenehm sein, sodass er den Kontakt direkt abbrechen würde? Das konnte ich nicht riskieren. Ich wollte ihn nicht als Freund verlieren. Ich konnte es ihm also nicht sagen, zumindest noch nicht.

 

Die nächsten Tage versuchte ich für mich selbst einen Weg zu finden, mit meinen Gefühlen umzugehen. Denn jetzt, wo mich jemand direkt mit der Nase darauf gestoßen hatte, war es so, als wären sie endlich aus einen Gefängnis befreit worden und wollten nun ihre Stimme kundtun. Ich entschied mich also, und so etwas tat ich normalerweise nie, mich krank zu melden, obwohl ich nicht krank war. Ich musste erst mit mir selbst wieder ins Reine kommen. Ich entschied mich, mir einen ganzen Tag nur für mich zu nehmen. Nur ich ganz alleine. Zu meinem großen Glück waren die Dreharbeiten die nächsten 2 Wochen in Hamilton. So würde mich auch niemand hier in Wellington sehen. Das Erste, was ich tat, war ein ausgiebiger Besuch bei einer Massage. Ich machte so etwas nicht oft, aber meistens bekam ich dabei meinen Kopf frei. Und das konnte ich jetzt mehr als alles andere gebrauchen.

 

Doch leider wurde aus diesem Vorhaben nichts. Ich ließ mich zwar massieren und es war auch entspannend, aber mein Kopf spielte immer noch unzählige Szenarien durch. Außerdem beschlich mich ein schlechtes Gewissen. Ich hatte Orlando versprochen, für ihn und Seth da zu sein. Und nun? Orlando hatte Seth sicherlich nicht mitnehmen können und somit hatte er nur die Möglichkeit gehabt, den Kleinen bei Astrate zu lassen. Konnte sie sich um ihn kümmern?

 

Die Antwort darauf bekam ich relativ schnell. Ich war gerade wieder auf dem Weg nach Hause, da sah ich Astrate auf der anderen Straßenseite, wie sie gerade in ein Modegeschäft ging. Und sie hatte keinen Kinderwagen dabei. Wo war Seth?

 

Die anfängliche Aufregung legte sich aber schnell wieder als ich mir dann dachte, dass sie ihn vielleicht ihrer Mutter gegeben hatte, um mal eben schnell in die Stadt zu gehen. Daran war doch nichts Verwerfliches, oder? Ich ging also wieder nach Hause, aber ein komisches, unterbewusstes Gefühl der Sorge konnte ich nicht unterdrücken. Irgendetwas sagte mir, dass etwas nicht stimmte.

 

Leider täuschte ich mich in der Hinsicht nur selten. Bereits am nächsten Tag fragte mich meine Mutter, ob der kleine Seth auch in Hamilton war, da sie seine Mutter alleine in der Stadt gesehen hatte und das mehrmals innerhalb von 3 Stunden. Natürlich fragte ich sie genau, wen sie gesehen hatte, bevor ich voreilige Schlüsse zog, aber ihre Beschreibung ließ keine Zweifel offen. Es musste tatsächlich Astrate gewesen sein. Ich musste dem also nachgehen.

 

„Hi Maria, hier ist Teti.“ Sicherlich war es keine gute Idee, bei einer seiner Kolleginnen anzurufen, wenn man eigentlich krank war, aber Maria war auch meine beste Freundin, da konnte man eine Ausnahme machen.

 

„Geht’s dir wieder besser, Te?“, fragte sie und ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich hasste es, sie anzulügen, aber es musste in diesem Falle sein. Also erzählte ich ihr, dass ich immer noch nicht ganz fit war, aber sicherlich bei den Dreharbeiten am Mount Olympus wieder dabei sein würde. Dann fragte ich sie in einer beiläufigen Unterhaltung, ob Orlando denn überhaupt richtig arbeiten konnte, wenn er niemanden hatte, der auf Seth aufpasste. Und Maria war mehr als erstaunt, dass ich nicht wusste, dass Orlando Seth wegen meiner Krankheit bei Astrate gelassen hatte. Nun war ich mehr als besorgt, ließ mir aber bei Maria nichts anmerken. Sie sollte nicht denken, dass ich Astrate nicht für fähig hielt, auf ihren Sohn aufzupassen. Naja … eigentlich dachte ich das ja schon in gewisser Weise. Aber ich wollte nicht, dass Maria so von mir dachte. Die ganze folgende Nacht konnte ich nicht vernünftig schlafen, nur weil ich mir Sorgen machte, wie es Seth wohl ging. Am nächsten Morgen stand ich dann direkt auf und machte mich fertig, um in die Stadt zu gehen. Wenn Astrate ohne Seth wieder in der Stadt war, würde ich sie zu Hause besuchen, egal, was das für mich bedeutete.

 

Und tatsächlich. Astrate erschien bereits um 9 Uhr morgens und ging diesmal ins Fitnessstudio. Ich entschloss mich, auf sie zu warten um zu sehen, ob sie danach wieder nach Hause ging, und setzte mich in ein Café, von dem aus ich direkt auf den Ausgang des Studios sehen konnte. Doch als sie nach geschlagenen 2 ½ Stunden wieder heraus kam, machte sie noch nicht einmal Anstalten, nach Hause zu gehen. Sie schlenderte in aller Seelenruhe von einem Laden in den nächsten, kaufte sich massenhaft Kleider und Schmuck. Immer wieder blickte sie auf ihre Uhr, so als ob sie auf jemanden wartete. Ich hatte schon gehofft, dass sie vielleicht mit irgendjemandem eine Uhrzeit ausgemacht hatte, wann Seth wieder abgeholt werden sollte. Das war jedoch nicht der Fall. Der wahre Grund, warum sie immer wieder auf ihre Uhr blickte, war weitaus schockierender.

 

Um genau halb eins, ja, da war sie immer noch in der Stadt, ging sie in Richtung Café, wo sie sich mit einem Mann traf. Und dieser Mann war sicherlich kein Verwandter. Einem Verwandten steckte man nicht voller Freude die Zunge in den Hals. Und es war auch nicht Orlando, da war ich mir mehr als sicher. Dieser Mann sah eher aus, als sei er arabischer Herkunft und er sah nicht gerade nach wenig Geld aus. Im Gegenteil, seine goldenen Ketten waren so dick, dass sie mich wahrscheinlich am Boden festgenagelt hätten.

 

Was war hier nur los? In welchem Film befand ich mich hier? Astrate schien Orlando zu betrügen, wenn er nicht hier war, und das mit jemandem, der eindeutig reicher war als Orlando. Hatte ich nicht eigentlich immer gedacht, Astrate zieht aus allem seinen Vorteil und will immer nur das Bessere haben? Aber wenn sie doch diesen Araber hatte, was war dann an Orlando noch interessant für sie? Und vor allem, was war mit Seth?

 

Ich war froh, dass Orlando mir vor einigen Wochen seine Adresse gegeben hatte, für alle Fälle. Dies war einer der Fälle, denn in mir breitete sich ein ungutes Gefühl aus. Irgendetwas sagte mir, dass etwas nicht stimmte. Also entschloss ich mich, den nächsten Bus zu nehmen und raus nach Seatoun zu fahren. Seatoun war der östlichste Bezirk auf der kleinen Halbinsel hinter dem Flughafen. Aber er war auch mit einer der Ruhigsten und Angesehensten. Er lag direkt an der Küste und sobald man den Kerosingeruch des Flughafens hinter sich gelassen hatte, konnte man die gesunde, salzige Meeresluft atmen. Ich liebte diesen Geruch, denn dafür, dass wir selbst relativ nah am Meer wohnten, roch man in der Innenstadt von Wellington eher wenig davon.

 

Es dauerte geschlagene 44 Minuten bis ich endlich per Bus und zu Fuß auf der Marine Parade, der Küstenstraße auf der Orlando lebte, angekommen war. Hier war die Luft noch besser als sie bereits an der Bushaltestelle etwas weiter im Inneren von Seatoun gewesen war. Und auch der Wind war hier etwas rauer, aber das machte mir nichts. Ich war immerhin in England aufgewachsen und da war das Wetter hier, geschätzte 27°C, aber windig, einfach traumhaft.

 

Ich sah noch mal auf meinen Zettel, um mich zu vergewissern, dass ich nicht falsch war.

 

151 Marine Parade

Seatoun

Wellington 6022

 

Stand darauf geschrieben. Je näher ich der Hausnummer kam, desto stärker geriet ich ins Staunen. Wenn Orlando tatsächlich hier wohnte, dann musste er jeden Morgen den besten Morgen seines Lebens haben, zumindest wegen dem Ausblick. Es war atemberaubend. Das Meer und in weiter Entfernung die Berge, die die große Bucht, an der Wellington sich befand, einschlossen. Und dann kam ich an seinem Haus an. Es war riesig, zumindest für meine Verhältnisse. Ich kannte nur die Wohnungen über unseren Restaurants und die waren nicht sonderlich groß. Gerade so, dass meine Eltern, Hirchop und ich uns nicht auf den Füßen herumstanden.

 

Es war drei-stöckig und es sah so aus als würde beinahe jedes Zimmer seine eigene Terrasse haben. Orlando hatte mir gesagt, wo er den Schlüssel für mich versteckt hatte: direkt neben dem Holztor zwischen den Sträuchern in einer kleinen Kiste. Ich überlegte einen Moment. Es war doch sicherlich kein Einbruch, wenn der Hausbesitzer mir sagte, wo der Schlüssel war, oder? Aber um ehrlich zu sein dachte ich nur sehr kurz darüber nach, weil mir Seth wichtiger war. Ich musste wissen, ob Astrate ihn nicht vielleicht doch zu Hause gelassen hatte.

 

Ich schloss also das Tor auf und ging in den kleinen Garten des Hauses. Eine kleine Treppe führte ein Stockwerk nach oben, wo dann die Eingangstür war. Wieder zögerte ich einen kleinen Moment. Sollte ich das wirklich tun? Sollte ich jetzt wirklich einfach in Orlandos Haus gehen, ohne dass jemand Bescheid wusste, ohne dass ich ihn gefragt hatte?

 

Ich schloss also das Tor auf und ging in den kleinen Garten des Hauses. Eine kleine Treppe führte ein Stockwerk nach oben, wo dann die Eingangstür war. Wieder zögerte ich einen kleinen Moment. Sollte ich das wirklich tun? Sollte ich jetzt wirklich einfach in Orlandos Haus gehen, ohne dass jemand Bescheid wusste, ohne dass ich ihn gefragt hatte?

 

„Na, gefunden was du gesucht hast?“ Ich schreckte hoch.

 

„Ich habe nichts gesucht. Ich wollte nur sehen, ob es Seth und dir gut geht“, sagte ich dann, wobei ich das „dir“ dazu dichtete. Natürlich war es mir eigentlich egal, wie es ihr ging.

 

„Wen willst du damit überzeugen, meine Liebe? Mich? Sicherlich nicht. Ich weiß genau, was du hier tust.“ Ihr Ton war alles andere als freundlich und um ehrlich zu sein gefiel er mir ganz und gar nicht. Irgendetwas an ihrem Ton ließ alle Alarmglocken in mir aufschreien.

 

„Na ja, wenn es euch gut geht, werde ich wohl mal wieder gehen. Du willst dich sicherlich noch etwas ausruhen, bevor du deinen Sohn wieder abholst“, sagte ich und wollte an ihr vorbei, doch sie versperrte mir den Weg.

 

„Oh nein, meine Liebe, so nicht. Du denkst wohl, du könntest hier einfach rumschnüffeln und dann abhauen?“ Ihre Augen funkelten und ich wollte nichts lieber als hier verschwinden, denn das würde kein gutes Ende nehmen. Dann hörte ich auf einmal ein Schreien hinter der Tür. Es war Seth! Er war tatsächlich im Haus. Ganz alleine!

 

„Sag mal, hast du den Verstand verloren?“ Bevor ich noch ein weiteres Wort sagen konnte hatte Astrate mich gepackt, aus der Ecke gerissen, in der ich eben noch gestanden hatte, und stieß mich mit aller Kraft in Richtung Treppe. Ich merkte, wie bei den ersten Stufen eine Rippe brach und mehrere Stellen meines Körpers sicherlich geprellt wurden. Doch meinen Aufprall am Fuß der Treppe merkte ich nicht mehr, da mein Kopf auf einer Kante aufschlug und ich das Bewusstsein verlor.

 

 

 

 

 

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