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Kapitel 11

 

Der Tod des Thronfolgers

 

 

 

 

„Herrin, wir haben eine Nachricht von unseren Truppen erhalten.“ meine Hand zitterte als ich Tuja gegenüber stand. Das Pergament in meiner Hand konnte so vieles bedeuten. Seit über 40 Tagen waren der Pharao und Ramses nun bereits schon verschwunden, ohne jegliche Nachricht. Bereits nach 4 Tagen ohne Nachricht war meine Ungeduld gestiegen. Ich machte mir Sorgen um meinen Gemahl, um meinen Geliebten. Ich sah Tuja dieselbe Anspannung an, die auch in meinem Körper verweilte, sah dass sie schlechte Nachricht befürchtete.

 

Langsam und zögerlich legte ich den Papyrus in ihre Ausgebreitete Hand. Kurz bevor er jedoch vollkommen ihre Hand erreicht hatte blieb ich an einer rauen Ecke hängen und mein Finger wurde leicht angeritzt, fast so als hätte ich ein raues Messer darüber fahren lassen. Es begann augenblicklich zu Bluten. Eine von Tujas Dienerrinnen schnellte zu mir, riss sich ein Stück ihres inneren Kleides ab und wickelte es um meinen Finger. Als ich meinen Blick wieder von meinem Finger löste sah ich Tuja an. Ihr Blick beunruhigte mich. Hatte sie bereits in den Papyrus gesehen und schreckliche Nachricht gelesen. Sie starrte mich und meinen Finger an.

 

„Blut ist vergossen worden.“ Sagte sie ruhig aber ihre Augen drückten große Sorge aus. Ich spürte wie mein Herz förmlich zu Boden fiel und meine Muskeln sich versteiften. Jetzt sah ich, dass das Siegel des Papyrus noch nicht geöffnet war. Sie sah immer noch auf meinen Finger.

 

„Bitte Herrin, öffnet das Siegel. Mich peinigt die Sorge um meinen Gemahl, euren Sohn.“ Flehte ich sie an. Das brennen in meinem Finger merkte ich bereits gar nicht mehr so sehr sorge ich mich um das Wohl Ramses. Sie nickte stumm, winkte mich zu sich, damit ich neben ihr stand, dann öffnete sie das Pergament.

 

„Wir sind bis weit hinter die syrische Grenze vorgedrungen.

 

Jedoch wurden wir dort bereits von einer Armee erwartet, welche

Stärker war als unsere Kundschafter es zu fürchten gewagt hatten.

 

Der starke Arm des Thronfolgers wurde bei der folgenden Schlacht

durch einen Pfeil verwundet.

 

Die Schlacht wurde gewonnen und die Stadt Byblos erobert. Der

Thronfolger erholt sich in der Residenz des Stadthalters und erbittet die

Anwesenheit seiner Gemahlin.“

 

 

Mehr brauchte ich nicht zu hören. Am liebsten wäre ich sofort aus dem Palast in einen der Ställe gestürmt und auf einem der schnellsten Pferde nach Byblos geritten. Doch ich war nun eine Dame des Hofes und diese unbedachte Eile konnte mein Tod sein.

 

„Nibui,“ die Dienerin die gerade noch meine Hand verbunden hatte stand auf einmal vollkommen gerade und blickte auf die Füße Tujas. „Du wirst unverzüglich in die Stallung eilen und dem Stallmeister ausrichten er möge im Namen der Königin die schnellsten Pferde an den verbleibenden Königlichen Wagen spannen und seinen besten Wagenlenker bereithalten. Die Gemahlin des Regenten wird in kürze Abreisen.“ Endete sie und unverzüglich machte sich die Dienerin schnellen Fußes auf den Weg. Dann legte Tuja ihre Hände auf meine Schultern die sich durch meinen schweren, schnellen Atem stetig auf und ab bewegen. Sie übte leichten Druck auf sie aus sodass sie still waren und ich blickte ihr direkt in die Augen.

 

„Es geht ihm gut. Ich spüre es, und du spürst es auch.“ Ich nickte zögerlich. Sie hatte Recht, wenn es eine Lebensbedrohliche Verletzung gewesen wäre, hätte ich den Schmerz sicherlich vernommen. Ihre Hände auf meinen Schultern beruhigten mich und ich schaffte es wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Ich erinnerte mich nun an einen kurzen, stechenden Schmerz, den ich vor wenigen Nächten gespürt hatte. Er war in meinem Arm entstanden, ohne sichtliche Ursache. Es war schmerzhaft gewesen, hatte mich jedoch nicht in die Dunkelheit gerissen wie es mancher Schmerz vermochte. Sicherlich musste dies Ramses Schmerz gewesen sein der durch unsere besondere Verbindung auf mich überging.

 

„Ich sehe du beginnst euer Band zu verstehen.“ Bemerkte Tuja und nahm ihre Hände wieder von meinen Schultern. Ich lächelte sie leicht an und nickte. Ja ich verstand. Sein Schmerz war mein Schmerz, mein Gefühl war sein Gefühl. Solange ich nicht seine Angst oder seine Panik spürte musste ich mir keine beträchtlichen Sorgen machen. Solange ich mich wohl fühlte ging es auch ihm gut.

 

Nachdem Tuja sich wieder gesetzt hatte begab ich mich in meine Gemächer, zog mir eines der leichteten ungeschmückten Reisekleider an. Sie waren extra für längere Reisen angelegt worden und waren weitaus bequemer und leichter als die mit Schmuck versehenen Kleider des Hofes.

 

„Herrin, mir wurde befohlen euch ebenfalls zu begleiten.“ Nibui stand in meiner Tür und sah unsicher zu Boden. Ich musste lächeln. Ich hatte mir bereits gedacht, dass Tuja sich Nibui als meine Kammerdienerin erwählt hatte. Anscheinend war ihre Ausbildung nun beendet.

 

„Sieh mich an Nibui.“ Sagte ich mit sanfter Stimme. Sie war nur wenige Jahre jünger als ich und dennoch kam sie mir vor wie ein kleines Kind, das mir zwar behilflich sein würde, das ich aber auch beschützen musste.

 

„Wie will ich mit dir reden und dich in unserer Gemeinsamen Zeit lehren wenn du mich noch nicht einmal ansiehst?“ fragte ich mit einem Lächeln auf den Lippen.

 

„Lehren Herrin? Ich bin bereits fähig euch zu Dienen.“ Sagte sie und Blickte immer noch auf den Boden. Anscheinend war sie so zu einer unterwürfigen Dienerin erzogen worden, dass sie den Sinn des Lebens vergessen hatte: Lernen.

 

„Das Leben hat viel zu bieten Nibui und wenn du nicht aufblickst wirst du gegen viele Wände laufen.“ Sagte ich und ich konnte sehen wie sie ihr lächeln nicht länger zurück halten konnte. Sanft nahm ich ihr Kinn und drückte es nach oben.

 

„So ist es besser. Und nun, richte einige Sachen zusammen. Verpflegung, Wasser, Kleidung, Schmuck. Wir werden in weniger als einer Stunde abreisen.“ Sagte ich und sofort lief Nibui herum. Ich sah ihr einige Augenblicke zu, sah wie sie in Eile die wichtigsten Sachen zusammen packte. Ich lächelte. Sie war ein gutes Mädchen und ich dankte Tuja bereits jetzt für ihre Wahl.

 

„Reitet so schnell euch der Wind tragen möge und sendet Nachricht wenn ihr in Erfahrung gebracht habt wie es dem Pharao und dem Thronfolger ergeht.“ Sagte Tuja als sie von ihrem Balkon auf uns herab blicke. Sie erhob ihre Hand zum Abschied und der Wagenlenker trieb die Pferde an.

 

Unsere Reise dauerte mehrere Tage und führte und auch durch einige dürren Gegenden. Ich hatte immer in der Nähe des Nils gelebt und auch wenn ich um die Probleme der äußeren Provinzen wusste, so wurden sie mir durch diese Reise erst richtig bewusst. Ich sah nun wo die Schwäche dieses Landes hauste, wo die Menschen regelrecht jeden Tag für ihr Überleben kämpfen mussten während die Menschen in Memphis oder den anderen großen Städten so gut wie nie Hunger litten. In den Nächten machten wir an gesicherten Orten Rast und während Nibui und der Wagenlenker abwechselnd wach blieben schlief ich den Schlaf der gerechten.

 

Doch meine Träume waren verwirrend und beängstigend. Besonders am letzten Tag bevor wir in Byblos ankommen würden, jagte mich ein besonders fürchterlicher Traum. Unter mir floss ein Fluss aus Blut, fremde schreie übertönten meinen eigenen so sehr, dass ich nicht zu hören war, doch niemand außer mir war bei mir. Niemand der hätte schreien können. Es Schreie der Trauer und schreie der Wut, des Kampfes und mein eigener Schrei war von Trauer erfüllt.

 

„Der Thronfolger ist von uns gegangen.“ Hörte ich eine jammernde Stimme und ich schreckte auf. Erschreckt, durch meine plötzliche Bewegung hatte der Wagenlenker, dessen Name Aritmei war, sein Messer gezogen, bereit mich mit seinem Leben zu schützen. Er beruhigte sich erst als er sich vergewissert hatte, dass im Umkreis von mehreren Metern niemand in unserer Nähe war.

 

„Was ist geschehen Herrin?“ fragte Nibui besorgt.

 

„Ich sah Blut und man sagte mir der Thronfolger sei gestorben.“ Wiederholte ich starr und monoton. Ich verstand es nicht. Ich spürte keinen Schmerz, nichts das darauf hinweisen könnte, dass Ramses etwas Schlimmes widerfahren war und dennoch spürte ich, dass dieser Traum kein einfacher Traum gewesen war. Es war eine Voraussicht gewesen, von den Göttern hervorgerufen. Doch ich hatte auch das Gefühl etwas falsch zu verstehen. Nibui legte entsetzt ihre Hände auf ihren Mund um einen entsetzten Schrei zu unterdrücken. Aritmei hingegen zögerte keine Sekunde und hatte bereits begonnen alle Gegenstände auf den Wagen zu laden.

 

„Wenn wir nun starten, werden wir Byblos vor der Mittagssonne erreichen. Sagte er und reichte mir seine Hand um mir aufzuhelfen. Ich nickte. Ich musste wissen was es mit diesem Traum auf sich hatte, musste sicher gehen, dass nichts passiert war. Musste sicher gehen, dass Ramses noch lebte.

 

Aritmei trieb die Pferde bis zur vollkommenen Erschöpfung. Sie rannten als wären die Götter Persönlich hinter ihnen her, doch auch Pferde konnten nicht den ganzen Tag ohne Rast rennen und bald mussten wir anhalten um ihnen einen Moment der Ruhe und Wasser zu bieten. Wir alle waren mit einer inneren Unruhe ausgefüllt die es uns verwehrte Still zu stehen oder selbst zu rasten. Wir warteten nur darauf, dass sich die Atmung der Pferde beruhigte und wir weiter ziehen konnten. Wir waren so beschäftigt mit unserer Unruhe, dass wir nicht bemerkten, wie sich aus dem Osten, hinter dem Schutz einiger Felsen, ein kleiner Bewaffneter Trupp von Dieben anschlich.

 

Wir bemerkten sie erst als es bereits zu spät war. Mit Kampfesgebrüll sprangen sie auf uns herab und kreisten uns mit gezogenen Messern ein. Ich merkte wie mein Puls stieg, merkte wie eine bisher noch unbekannte Kraft meine Muskeln füllte und mich erzürnen lies. Wie konnten diese Diebe es wagen uns zu überfallen? Welches Recht hatten sie uns auf unserer Reise aufzuhalten, so kurz vor dem Ziel?

 

„Es würde euch besser ergehen, wenn ihr laufen würdet und alles andere zurück lasst.“ Hisste einer der Männer die Stoff vor ihre Gesichter gespannt hatten. Wir konnten nur ihre vor hass funkelnden Augen sehen und sie liesen auch in mit hass aufsteigen den ich noch nie zuvor gespürt hatte.

 

„Komisch, ich wollte euch soeben dasselbe raten.“ Bemerkte ich trocken und war selbst erschrocken über meine Worte. Ich war eine Frau, kein Krieger. Aber auch als Frau war ich nicht dumm und wusste, wenn wir nicht kämpfen würden, würden wir sterben und das war ein Schicksal, das ich nicht akzeptieren konnte.

 

Auch Aritmei hatte dies erkannt und innerhalb von einem Augenschlag hatte er sowohl mir als auch Nibui zwei Messer zugeschmissen und der Kampf begann. Die Diebe meinten anscheinend, dass wir Frauen keine große Gefahr waren und konzentrierten sich erst auf Aritmei. Als Nubier war er stark und groß und schon alleine durch seine äußerst dunkle Haut schien er eine große Bedrohung.

 

Uns versuchte man zu zweit im Zaum zu halten, doch sie hatten nicht damit gerechnet, dass meine Mutter mir vor meiner Zeit als Priesterin beigebracht hatte mich selbst zu verteidigen. Ich wusste wie ich mit einem Messer und Angreifern umzugehen hatte. Die beiden Diebe konnte ich durch den Überraschungseffekt schnell ausschalten, doch danach waren die anderen gewarnt und konzentrierten sich nicht mehr nur auf Aritmei.„Unterschätzt niemals eine Frau!“ blaffte ich ihnen entgegen. Ich war wütend. Ramses konnte soweit ich durch meinen Traum wusste im Sterben liegen oder bereits tot sein und wir mussten uns hier, nur wenige Stunden von Byblos entfernt mit Dieben aufhalten.

 

„Unterschätze du nicht den Willen verhungernder!“ entgegnete der schmächtigste von ihnen. Ich sah ihn nur aus dem Augenwinkel wie er mit erhobenem Messer in meine Richtung rannte. Es war zu spät um auszuweichen, zu spät um irgendetwas zu tun. Ich erwartete schon den Schmerz des Messers in meinem Rücken zu spüren doch dann wurde ich umgerissen und hörte ein kreischen. Es war Nibui. Sie hatte mich zu meinem Schutz umgestoßen und meinen Platz eingenommen. Doch dann stand der Mann der Nibui soeben niedergestochen hatte vor mir.

 

„Ihr müsst euch keine Sorgen um euer Essen machen in eurem schönen Palast!“ sagte er und dann spürte ich seine Sandalen. Bevor Aritmei reagieren konnte und ihn niederstreckte traf er mein Gesicht, meine Brust und meinen Unterleib. Ich schrie vor Schmerz auf, betete zu allen Göttern sie mögen mich erlösen, doch sie hörten nicht. Selbst als der Mann tot neben mit auf dem Boden lag wollte der Schmerz nicht enden.

 

„Herrin, könnt ihr aufstehen?“ fragte Aritmei. Es war still. Anscheinend hatten wir es tatsächlich geschafft die Diebe in die Flucht zu schlagen. Ich versuchte mich aufzurichten, doch es klappte nicht. Sobald ich mich auch nur einen Funken bewegte durchzog ein fürchterlicher Schmerz meinen Körper. So etwas hatte ich noch nie gespürt. Als Aritmei versuchte mich hochzunehmen entfuhr mir ein markerschütternder Schrei und dann glitt ich in die Welt der Dunkelheit.

 

„Nefertari. Liebste!“ meine Augen waren noch geschlossen, doch eine Stimme hallte in meinem Kopf wieder. Jedoch erkannte ich sie nicht. Alles war wie von einem Schleier bedeckt, ein Schleier der Schmerzen der nicht aufzuhören schien.

 

„Ihr dürft sie nicht bewegen Herr. Sie hat schlimme Verletzungen davon getragen.“ Hörte ich eine weitere Stimme. Anscheinend war Hilfe gekommen. Dann spürte ich wie etwas Kühles meine Stirn berührte. Es war angenehm wie diese kälte meinen heißen Körper etwas abkühlte. Ich musste in der prallen Sonne liegen.

 

„Du wirst für deinen Einsatz reich belohnt werden Wagenlenker.“ Die Stimme klang erhaben und dennoch erfüllte sie mich trotz meiner starken Schmerzen mit einem Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Dieses Gefühl hatte ich nur bei einem. Ramses! Es musste Ramses sein! Aber natürlich, wer sollte mich auch sonst Liebste nennen?

 

Ich versuchte krampfhaft meine Augen zu öffnen, doch es kostete mich eine große Anstrengung bis ich dies auch tatsächlich vermochte.

 

„Sie erwacht!“ Nur langsam schärfte sich mein Blick wieder und immer wenn eine neue Welle des Schmerzes mich durchfuhr wurde mein Blick wieder verklärter. Aber eines konnte ich erkennen und das waren Ramses Augen. Sie sahen mich besorgt an und ließen die meinen nicht los. Nun spürte ich wie er meine Hand hielt und sie sanft zu streicheln schien.

 

„Ihr dürft euch nicht bewegen Herrin.“ Hörte ich wieder die andere Stimme und konnte sie nun einem älteren Mann zuschreiben. Ich kannte ihn nicht, aber seine Stimme klang vertrauenswürdig. Wie kam er darauf, dass ich mich bewegen wollte? Konnte er sich nicht vorstellen, dass die Schmerzen mich davon abhielten? Konnte er sich keinen lähmenden Schmerz vorstellen, einen den man nur in voller Unbeweglichkeit ertragen konnte? Doch dann merkte ich warum er das gesagt hatte. Wieder durchfuhr mich ein Schmerz und er hätte mich beinahe reflexartig zum Aufstehen gezwungen. Ich schrie auf.

 

„Was tut ihr da?“ fragte Ramses erschrocken und wütend. Anscheinend schmerzte es ihn genauso wie mich, doch aus einem anderen Grund.

 

„Es tut mir Leid Herr, aber wenn ich das nicht tue wird sie sterben.“ Sagte der Mann und ich merkte wie etwas dickes in meinen Unterleib eindrang. Ich schrie wieder auf und ich merkte wie auch Ramses zusammen zuckte. Ich konnte nicht anders und mein Oberkörper erhob sich einige Zentimeter vom Bode. Der Schmerz wurde größer und er drohte mich beinahe wieder in die Tiefe zu ziehen, doch das wollte ich nicht zulassen.

 

„Herr, ihr müsst sie an den Schultern nach unten drücken!“ flehte der Mann, er musste ein Heiler sein, aber was war mit mir geschehen? Was war passiert dass mir solche Schmerzen bereiten konnte? Dann spürte ich ein reisen in meinem Unterleib und wieder schrie ich auf, doch dann war der Druck und der dicke Gegenstand verschwunden.

 

„Es tut mir leid Herrin, aber es gab keine andere Möglichkeit.“ Sagte er. Ich verstand nicht, aber als ich in Ramses Augen Blickte sah ich, dass etwas nicht stimmte. Irgendetwas musste er sehen das die tiefen seiner Seele erschütterte denn das war was ich erblicken konnte.

 

Der Schmerz in meinem Unterkörper war nicht verschwunden, aber ein Teil davon war besser geworden. Ich spürte, dass sich mein Unterleib nicht mehr verspannte sondern sich etwas lockerte. Doch ich war so erschöpft dass mich die Dunkelheit wieder umfing. Wieder hatte ich diesen Traum der mir verhieß, dass der Thronfolger gestorben sei, doch ich hatte Ramses gesehen. Er saß wahrscheinlich genau in diesem Moment besorgt neben mir und hielt immer noch meine Hand.

 

Als ich aufwachte spürte ich wieder ein kühlendes Stück Stoff auf meiner Stirn. Doch der Grund für mein Erwachen war ein anderer. Ich war aufgenommen worden. Anscheinend war ich nun transportfähig. Mein Kopf war an die Schulter meines Gemahls gelehnt, doch als ich meine Augen öffnete durchfuhr mich ein Schock den ich nicht erklären, nicht erfassen konnte. Dort wo ich gelegen haben musste war der Sand der Wüste in großem Umfeld rot gefärbt. Die Leichen der Diebe waren weggeschafft worden oder lagen weit entfernt es konnte also nicht deren Blut gewesen sein. Es musste das meine gewesen sein. Dann spürte ich wie in meinem Schoß eine Osiris Kanope stand und leichte Tränen meine heiße Haut erreichten. Doch ich konnte nichts sagen. Verstand nicht was mit mir passiert war. Ich schlief wieder ein.

 

„Nefertari? Du musst erwachen.“ Es war Ramses stimme. Sie war sanft und besorgt. Als ich tatsächlich wieder in die Welt der Wachen glitt spürte ich, dass ich nicht länger getragen wurde. Ich lag auf einem weichen, seidigen Untergrund. Waren wir wieder in Memphis? Hatte ich so lange geschlafen, dass ich die 10 Tägige fahrt nicht mitbekommen hatte? Und was war mit Nibui passiert?

 

„Nibui?“ fragte ich schwach als ich meine Augen geöffnet hatte. Dann erschien sie auf einmal vor mir. Sie lebte. Ihre Schulter war von einem Verband umgeben. Anscheinend hatte der Dieb nicht so tödlich erwischt wie er es sich vielleicht gewünscht hatte. Ich war froh, erleichtert und versuchte sie schwach anzulächeln, doch es funktionierte nicht.

 

„Bitte lass uns alleine.“ Sagte Ramses und streichelte mir über meine Haare. Nibui nickte und verließ den Raum.

 

„Es tut mir so unendlich leid. Ich kann nur erahnen wie es dir nun ergehen muss. Wenn du irgendetwas brauchst. Denke nur daran und ich werde danach schicken lassen.“ Ramses machte mir Sorgen. Was war geschehen das er so besorgt war? Was war geschehen, dass solch tiefe Trauer in seinen Augen lag?

 

„Hätte ich gewusst, dass du in guter Hoffnung warst, hätte ich nicht nach dir Geschickt.“ Sagte er und es war als fuhr ein Donner durch meinen Körper der mein Mark und Bein erschütterte. In guter Hoffnung? Aber er sprach die Wahrheit ich spürte tief in mir. Aber er hatte auch den entscheidenden Punkt getroffen. Ich *war* in guter Hoffnung. Ich spürte nichts mehr in mir. Wahrscheinlich hatte ich meinen Zustand durch die Sorge um Ramses nicht bemerkt, aber es hatte Anzeichen dafür gegeben. Die Übelkeit die ich meiner Sorge um Ramses zugeschrieben hatte, die Ausbleibende Blutung, das alles waren Anzeichen gewesen, die ich falsch gedeutet hatte.

 

Ich hatte es zu verantworten. Hätte ich die Zeichen richtig gedeutet, dann wäre ich sicherlich nicht nach Byblos gereist. Ich wäre zu Hause geblieben und hätte Ramses die Freudige Nachricht durch einen Boten überbringen lassen. Aber ich hatte alles falsch gemacht. Ich hatte ein Kind verloren. Der Thronfolger war gestorben. Nun begriff ich den Sinn meines Traumes. Er hatte ich vorgewarnt, doch ich hatte ihn falsch verstanden. Nicht Ramses war gemeint, sondern sein erstgeborener Sohn der in mir herangewachsen war. Ich war keine gute Mutter gewesen die ihn beschützt hatte. Ich war es nicht würdig Mutter zu sein, war es nicht würdig später über das Schicksal des Landes zu entscheiden.

 

Die Trauer übermannte mich, nahm mich ein und verschluckte mich wie die tiefe See einen Stein verschluckte. Nichts um mich herum nahm ich noch war. Es gab nur noch die Trauer und mich. Langsam merkte ich wie ich weiter hinuntersank und immer, immer tiefer glitt.

 

 

Meine Augen öffneten sich und ich merkte wie sie von einer dicken Salzkruste bedeckt wurden. Ich hatte mal wieder alles nur geträumt und ich war froh darum. Und auch wenn es alles nur ein Traum gewesen war, es liefen immer noch salzige Tränen über meine Wangen und leise Schluchzer entfuhren mir. Ich blickte mich um. Niemand war dort. Ich lag alleine in meinem Bett, der Mond schien mir durch das Fenster direkt ins Gesicht. Warum hatte ich nur diese Träume? Träume die so real waren, dass ich sie beinahe nicht von der Realität unterscheiden konnte? Und sagte man nicht, dass man während einem Traum keinen Schmerz spüren konnte? Warum konnte ich es? Warum konnte ich mich noch jetzt, im Wachen zustand an diesen schrecklichen Schmerz erinnern?

 

Ich traute mich nicht mehr einzuschlafen, aus Angst wieder in diesen Traum hinabzugleiten, doch davor Schützen konnte ich mich nicht, denn die Müdigkeit übermannte mich wieder.

 

 

„Ich bin froh, dass ihr wieder wohl auf seid.“ Ich stand in einem großen mit Mosaiken geschmückten Raum. Vor mir knieten ein alter Mann und seine Tochter. Hinter ihnen konnte ich einen angeketteten und misshandelten Mann sehen. Ich kannte ihn. Seine Augen würde ich nicht mehr vergessen. Wegen ihm hatte ich mein Kind verloren. Wegen ihm war der Platz unter meinem Herzen nun leer. Natürlich war ich erstaunt ihn zu sehen, dachte ich doch Aritmei hatte ihn getötet, doch anscheinend hatte er ihn nur verletzt. Ich war froh, dass er nun in Ketten vor mir stand. So konnte er seine Gerechte Strafe für das bekommen das er getan hatte. Sein Blick zeigte keine Reue. Ich erinnerte mich an die Worte die er mir gesagt hatte bevor er mit dem Messer auf mich zu gerannt war.

 

„Unterschätze niemals den Willen der hungernden.“ Flüsterte ich leise. Und ein Schauer überlief mich.

 

„Wo wohnst du? Wo lebt deine Familie?“ fragte ich ihn und trat an ihn heran. Er sah mich verachtend an.

 

„Damit ihr sie töten lasst? Ich werde es euch niemals verraten!“ sagte er und Blickte mir provozierend in die Augen, doch ich brach den Blickkontakt nicht, blieb stark auch wenn es mich innerlich zerriss diesem Mann in die Augen zu sehen. Auch wenn die Angst und der Schmerz des Überfalls wieder in mir aufstieg.

 

„Bestraft ihn. 50 Peitschenhiebe werden ihm ein Ende setzten.“ Sagte Ramses doch bevor irgendjemand etwas tun konnte hob ich die Hand. Ich spürte Ramses verwunderten Blick auf mir liegen. Er fragte sich wahrscheinlich warum ich die Strafe hinauszögerte.

 

„Du sagtest ich solle sagen was ich brauche und du lässt danach schicken?“ fragte ich ihn und drehte mich zu ihm um. Er stand auf und trat zu mir. Seine Augen verrieten mir alles was ich wissen musste und sein nicken bestätigte es auch für die anderen Anwesenden.

 

„30 Peitschenhiebe, und findet heraus wo seine Familie lebt,“ Der Mann wollte unterbrechen, für das Leben seiner Lieben flehen, doch ich ließ ihn nicht reden, war es doch nicht deren Leben nachdem es mir trachtete. „Und bringt dorthin genügend Nahrung und Wasser für den Rest des Jahres. Lasst alle wissen, dass der große Ramses gnädig mit ihnen war, obwohl einer der Ihren seine Frau schwer verletzt und sein Kind getötet hat.“ Alle blickten mich entgeistert an. Damit hatte wohl niemand gerechnet, doch ich wusste was ich tat. Dieses Dorf würde Ramses für immer ergeben sein und der Mann von den Bewohner gemieden werden. Doch niemand schien meine Befehle auszuführen. Sie sahen alle nur Stumm Ramses an.

 

„Ihr habt die Regentin gehört.“ Sagte er und nun bewegten sich alle. Ich jedoch sah nun ihn entgeistert an. Ich war keine Regentin. Ich war nur seine Gemahlin. Jetzt erst merkte ich, dass ich soeben einen Befehl gegeben hatte, ich. Es stand mir nicht zu, nicht solange mein Gemahl ebenfalls zugegen war. Ich senkte sofort meinen Blick. Ich hatte einen Fehler begangen.

 

„Du hast weise und vorausschauend Entschieden. Ich hätte dies nicht tun können.“ Sagte er und trat ganz nah hinter mich. Ich konnte seine stählerne Brust an meinem Rücken spüren und seinen Atem der meine Nackenhaare dazu brachte sich aufzustellen. Als er dann seine starken Hände auf meine Schultern legte konnte ich mich nicht mehr halten. Tränen, die Tränen die ich seit einigen Tagen versuchte zurück zu halten brachen wieder hervor. Ich drehte mich zu ihm um und vergrub mein Gesicht augenblicklich in seiner Brust. Er legte die Arme um mich und legte seinen Kopf auf den meinen. Ich spürte wie es auch ihn schmerzte zu wissen, dass wir unser erstes Kind verloren hatten. Es war eine leere die ins und beiden entstanden war. Eine leere die ich nicht auszufüllen, aber manchmal zu verstecken wusste. Auch Ramses musste sie verstecken. Er durfte als Zukünftiger Pharao keine Schwäche zeigen.

 

„Es tut mir sehr leid, was euch wiederfahren ist. Da dieser Mann aus einem mit unterstellten Dorf kam, lasst mich einen Teil meiner Schuld ausgleichen.“ Ich hatte ganz vergessen, dass der alte Mann mit seiner Tochter immer noch im Raum war, hatte sie nicht bemerkt. „Ich werde euch meine Tochter, als Zeichen unserer Anteilnahme und Freundschaft zur Frau geben.“ Endete er und sie stand auf ein Zeichen hin auf. Sie Blickte nicht auf den Boden, sondern sah Ramses direkt in die Augen. Auch ich konnte ihre Augen sehen und konnte darin erkennen, dass sie nicht überrascht über das Angebot ihres Vaters war.

 

Ramses sah mich für einen Augenblick an. Ich nickte. Wer wusste schon, ob ich jemals wieder Kinder bekommen konnte. Und außerdem war es normal, dass ein Mann mehrere Frauen hatte, vor allem ein Phar

 

„Mein Name …“ setzte sie an, doch Ramses unterbrach sie.

 

„Dein Syrischer Name ist nicht von Bedeutung,“ sagte Ramses und der alte Mann, offensichtlich der Herr von Byblos sah ihn entgeistert an. „Von nun an bist du Isisnofret, die Schöne Isis.“ Sie verneigte sich einmal tief. „Wir werden morgen nach Memphis abreisen, bereitet alles dafür vor.“ Sagte Ramses noch, dann befahl er allen, auch Isisnofret den Raum zu verlassen. Er wollte mit mir alleine sein und ich wusste wieso. Um die Ehe mit Isisnofret zu besiegeln musste er mit ihr schlafen und das konnte bedeuten, dass sie bald ein Kind erwarten würde. Ramses jedoch wollte mir die Schmach jedoch nicht antun. Er wollte, dass ich die erste war die ihm ein Kind gebar.

 

 

„Teti Aufwachen! Du bist spät dran!“ Ich schreckte auf. Es war meine Mutter. Sie stand in meinem Zimmer. Erschrocken blickte ich auf die Uhr es war 10:00! Ich hatte unseren Einkauf im Großmarkt verschlafen. Wie war das nur passiert? Hatte ich so tief und fest geschlafen, dass ich meinen Wecker nicht gehört hatte? Ich sprang förmlich aus dem Bett, denn immerhin würde meine Vorlesung um 11:00 Uhr beginnen und heute war Dom nicht da um mich in die Uni zu fahren.

 

 

 

 

 

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