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Kapitel 5

 

Into the Storm

 

 

 

Bianca hatte ihr Büro kaum betreten, da sah sie auch schon das breit grinsende Gesicht ihrer Kollegin Anna. Die sah sie so erwartungsvoll an, dass sie gar keine andere Chance hatte als zu vermuten, dass sie es gewesen war, die Richard ihre Handy-Nummer gegeben hatte.

„Du weißt, dass nur wichtige Kunden diese Nummer haben sollten?“, fuhr Bianca sie leicht an und legte ihr Handy auf ihren Schreibtisch. Der schuldbewusste, aber der dennoch fröhliche Blick von Anna zeigte ihr in diesem Moment nur allzu deutlich, was Bianca schon geahnt hatte. „Was, wenn der Typ ein Stalker wäre? Was, wenn der Chuck herausfindet, dass ich auf meinem Geschäftshandy private Gespräche annehme?“

„Er hat dich angerufen?“, fragte Anna überrascht, schlug aber sofort die Hände über den Mund, als sie merkte, dass ihre Aussage nicht gerade förderlich für Biancas Laune war. Die Brünette sah ihre Kollegin nur genervt an. Warum konnten sich die Leute um sie herum nicht nur ein einziges Mal aus ihrem Privatleben heraushalten? Warum schienen bei einfach allen direkt alle Sicherungen durchzubrennen, wenn sie, Bianca, in irgendeiner Weise Kontakt zu einem Mann hatte?

„Nein, er hat nicht angerufen. Er hat mir geschrieben“, antwortete Bianca dann doch endlich, nachdem Anna innerhalb von einer Stunde noch weitere 4 Mal gefragt hatte. „Warum ist das so wichtig?“

„Ist es nicht. Aber,“ sie hielt einen Moment inne und schien genau zu überlegen, was sie sagen wollte, „seit der Sache mit deinem letzten Freund, da hast du dich… verändert.“ Bianca sah ihre Kollegin fragend an. Sie hatte sich verändert? Wegen ihrer Trennung von Paul? Das war wirklich lächerlich. „Du bist viel leichter aus der Ruhe zu bringen. Wann immer auch nur das Thema Männer angeschnitten wird, blockst du ab, als wären sie eine schlimme Krankheit.“

„Das stimmt doch gar nicht!“, protestierte Bianca, aber sie war auch nur so vehement, weil sie wusste, dass ihre Kollegin zumindest teilweise doch Recht hatte. Sie hatte in letzter Zeit tatsächlich nichts mehr von der Männerwelt wissen wollen. Sie hatte es aber einfach darauf geschoben, dass keiner ihren Anforderungen entsprochen hatte. Entweder waren sie zu langweilig gewesen oder zu sehr auf Action aus. Ein gesundes Mittelmaß hatte sie bei keinem von ihnen gefunden.

„Hey Girls, care to watch a movie with us this evening?“, unterbrach auf einmal Tom, der schwule Kollege der beiden, ihr Gespräch. Der tat er öfters, wenn er im Nebenbüro mitbekam, wie seine beiden Kolleginnen langsam immer lauter diskutierten. Er mochte es einfach nicht, wenn gestritten wurde, und seine beiden „Darlings“, wie er sie meistens nannte, durften das schon einmal gar nicht tun!

„What kind of a movie? You know I can’t stand that whole fluffy-duffy stuff”, meckerte Bianca direkt und Tom hob abwehrend die Hände in die Luft. Er wusste ja, dass sie meistens ziemlich gereizt reagierte, wenn sie sich gerade mit Anna gezankt hatte, aber dass sie jetzt tatsächlich auf ihn loszugehen schien, hatte er nicht erwartet. Das passierte meistens nur bei einem Thema: Männer. Das war auch eine Erklärung dafür, dass sie keinen Schnulzen-Film sehen wollte, aber glücklicherweise hatte Tom immer eine Alternative parat.

„I was thinking we could watch that new Twister movie, that came out last week“, schlug Tom vor und verschwieg dabei, dass sein ursprünglicher Plan gewesen war, die neue Romanze zu sehen, die erst gestern in die Kinos gekommen war. Katastrophenfilme waren da weniger sein Ding. Aber Mike, sein Lebensgefährte, liebte solche Filme. Und „Into the Storm“ war genau die Art Film, von der Mike ihm wieder wochenlang erzählen würde. Wahrscheinlich würde er sogar wieder darüber nachdenken, sein Meteorologie-Studium wieder aufzugreifen. Aber was tat man nicht alles für die lieben Kolleginnen? Besser einen euphorischen Mike zu Hause, als eine unausstehlich schlecht gelaunte Bianca auf der Arbeit.

„Okay, but I really hope that's not one of your sneaky tricks“, warnte Bianca ihn. Er hatte schon oft versucht sie unter Vortäuschung falscher Tatsachen in eine Romanze zu schleppen und es war manchmal wirklich anstrengend gewesen so zu tun, als würde einen das, was da auf der Leinwand passierte, nicht im geringsten interessieren. Sie wollte ja schließlich nicht den Anschein machen, als wäre sie für so etwas empfänglich.

„Well I can't guarantee that there'll be no love scenes at all. Most likely there will at least be one hint to a romance, but I doubt it'll be overwhelming through the rest of the story“, lenkte Tom ein. Er wollte wirklich nicht, dass Bianca am Ende noch sauer auf ihn war. Bianca sah ihn aber nur einen Moment skeptisch an, stimmte dann aber nochmals zu heute Abend mit ins Kino zu gehen.

Als die Arbeit dann erledigt war und der Feierabend rief, machten sich die drei Kollegen daher auf den Weg zum Leicester Square, wo sich das Kino befand, in dem Mike arbeitete. Nur wenige der Kollegen wussten, dass Mike tatsächlich der Eventmanager des „dark fortress“, wie er das Kino immer nannte, war und sogar mit manchen Schauspielern und Regisseuren per Du war.

Der Leicester Square war um diese Uhrzeit, kurz nach Feierabend und kurz vor dem Beginn etlicher Musicals und Filmvorstellungen, der Hauptumschlagsplatz für Touristen und Einheimische zugleich. Es war kaum vorstellbar, was wahrscheinlich unter der Oberfläche in den vielen Gängen der Londoner U-Bahn vor sich ging. Wahrscheinlich traten sich die Leute da, wie eigentlich jeden Tag, gegenseitig auf die Füße und die Anwohner und Pendler beschwerten sich wieder über die ganzen Touristen.

Sie war selbst schon einmal Opfer einer solchen Beschwerde geworden, und das obwohl sie sicherlich schon seit einigen Jahren nicht mehr als Tourist galt. Sie zählte sich mittlerweile zu den Einheimischen. Auch wenn sie nicht in London geboren worden war, fühlte sie sich hier mehr zu Hause als in dem kleinen Dorf mitten in Deutschland, in dem sie in aufgewachsen war. Das einzige, was sie mit ihrer alten Heimat noch verband, war Jenny.

Mit diesem Namen erinnerte sich sie plötzlich auch wieder an das Handy, das mittlerweile seit dem Morgen unbeachtet in ihrer Hosentasche gesteckt hatte. Anscheinend hatte Richard nach ihrer Nachricht, dass sie nun arbeiten gehen würde, nicht mehr geantwortet. Wahrscheinlich war er doch noch eingeschlafen und holte nun das nach, was er wahrscheinlich im Flugzeug und zu Beginn der Nacht verpasst hatte. Immerhin musste es in L.A. mittlerweile auch fast Mittag sein und laut dem kleinen Streifen am oberen Rand der WhatsApp war zu lesen, dass er seit 11:30 nicht mehr online gewesen war. Wahrscheinlich hatte er noch einige Zeit mit anderen Leuten geschrieben, bis er dann schließlich eingeschlafen war.

Aber warum dachte sie darüber überhaupt nach? Warum machte sie sich Gedanken darüber, ob dieser Mann gerade in L.A. in seinem weichen Hotelbett lag – Trug er zum Schlafen wohl einen Pyjama, Shorts oder vielleicht gar nichts?-, oder ob er aus einem anderen Grund nicht mehr schrieb?

„Awake again?“ , schrieb sie dann doch, einfach, weil sie sehen wollte, ob er ihr vielleicht gar nicht mehr antworten würde. Doch zu ihrer Überraschung hatte sie die App noch nicht wieder geschlossen, als sie auf dem Balken oben schon lesen konnte, dass er gerade in diesem Moment online war. Wahrscheinlich las er gerade ihre Nachricht, und tatsächlich, die beiden Häkchen neben der Nachricht wurden blau und kurz danach sprang die Information oben von „online“ auf „typing…“ um.

„That remains to be seen“ , war seine Antwort und sie schickte ihm nur ein Fragezeichen mit einem leicht lächelnden Smiley. Sie hatte bis jetzt nur ein einziges Mal einen Jetlag gehabt und das war auf einer Geschäftsreise nach Japan vor 2 Jahren gewesen, aber sie wusste, wie schlimm das manchmal sein konnte, und um ehrlich zu sein tat er ihr sogar beinahe leid. Wahrscheinlich ging es ihm öfter so und er musste es einfach überspielen. „So you’re done with working?“

„Yeah, finished two hours ago. Then went to dinner with two of my colleagues and now we’re going to watch a movie“ , erklärte Bianca und fragte sich einmal mehr, warum sie eigentlich kein Problem damit hatte, diesem doch fremden Mann so viel von sich zu erzählen. Wahrscheinlich lag es an der im Grunde immer noch gewahrten Anonymität, über ein Smartphone kommunizieren zu können. Man saß sich nicht direkt gegenüber und so war es einfacher über Sachen zu sprechen, über die man mit einem Fremden in der U-Bahn nicht einfach sprach.

„A movie I know?“ Diese Frage schien für Bianca überflüssig zu sein. Wahrscheinlich, zumindest dachte sie das von Schauspielern, kannte er beinahe jeden Film, der in die Kinos kam, wenigstens dem Namen nach. Besonders, wenn der Film aus Hollywood kam.

„Probably. It’s called ‚Into the Storm‘, I think. Somekind of a twister movie, as far as I’m told.” Mehr wusste sie tatsächlich nicht davon. Aber mehr musste sie auch nicht wissen, bevor sie ihn sich ansah. Sie war nicht wie Anna, die vor jedem Film am liebsten schon alle Fakten und lustige Dinge darüber wusste, damit sie während der Vorstellung ihr Wissen preisgeben konnte. Schon lange bestand Bianca darauf, im Kino mindestens eine Person zwischen sich und Anna sitzen zu, denn sie mochte es absolut nicht, während eines Films andauernd gestört zu werden.

Nachdem sie auf dem oberen Balken ihrer App sah, dass Richard sich anscheinend nicht entscheiden konnte, was er schreiben sollte, da die Anzeige immer wieder von „typing…“ zu „online“ sprang, kam dann von ihm nur, dass er ihr viel Spaß bei dem Film wünschte und dass er ihn gar nicht mal so schlecht fand. Und dass er später sehr gerne ihre Meinung dazu hören würde.

„I’ll tell you my opinion, when it’s over”, antwortete Bianca nur schnell, bevor sie dann ihr Handy ausmachte. Immerhin wollte sie nicht diejenige sein, deren Handy mitten während des Films auf einmal anfing zu klingeln.

Im Oberon angekommen sah sie schon das überdimensionale Poster dort hängen, auf denen zwei sehr imposant aussehende Wirbelstürme zu sehen waren. Im rechten Vordergrund waren dann noch zwei Menschen abgebildet. Ein Mann, den man nur von hinten sah, aber an seiner Kleidung erkennen konnte, dass es ein Mann war, und eine Frau, die anscheinend von den Winden der Wirbelstürme angezogen wurde und nur nicht wegflog, weil der Mann sie verzweifelt festhielt.

Nachdem sich dann alle ihre Snacks und Getränke geholt hatten und sich auf ihren Plätzen befanden, erwischte sich Bianca dabei, wie sie immer wieder daran dachte, vielleicht doch noch einmal ihr Handy rauszuholen, um nachzusehen, ob Richard vielleicht noch einmal geschrieben hatte. Irgendwann, die Werbung lief schon einige Zeit, entschied sie sich dann doch ihr Smartphone einfach nur auf lautlos zu stellen.

„Thought you were watching a movie“ , erschien dann auch wie gerufen der Pop Up und sie musste nur wieder den Kopf schütteln. Hatte dieser Mann in L.A. so wenig zu tun, dass er anscheinend ständig auf sein Handy sehen konnte?

„Well, I was assuming you would die of boredom, if I switched off my phone“ , erwiderte sie daher und setzte noch einen Smiley hinterher. Und wahrscheinlich hatte sie damit noch nicht mal so Unrecht. Er hatte sich zwar in einigen Stunden mit einem Kollegen von ihm verabredet, um vor dem Auftritt im Applestore noch etwas zu essen, aber das würde noch mindestens 3 Stunden dauern und bis dahin galt es sich die Zeit zu verschlagen. L.A. war, an den richtigen Ecken, zwar eine schöne Stadt, aber sie hatte nicht den Reiz, sie sich zweimal anzusehen.

„Not really appreciative of the actors playing in this movie.“ Er wusste, es war nicht ganz fair ihr gegenüber dieses eine wichtige Detail vorzuenthalten, und vielleicht würde sie nachher sogar etwas beleidigt sein, dass er ihr nichts gesagt hatte, aber zu gerne hätte er neben ihr gesessen, wenn ihr aufgefallen wäre, dass der Mann, der auf dem Filmposter noch mit dem Rücken zur Kamera gestanden hatte, in Wahrheit er selbst war.

„They won’t know, if you don’t tell them.“ Das brachte ihn dann leicht zum Lachen. Sie wusste es wirklich nicht. Sie hatte tatsächlich keine Ahnung, dass er in dem Film mitspielte, der sicherlich nun jede Minute anfangen würde. Aber wie sollte sie auch? Laut ihrer eigenen Aussage interessierte sie sich nicht sonderlich für irgendwelche Filme, und da verfolgte sie sicherlich nicht die einzelnen Filme eines Schauspielers. Und selbst wenn sie ihn gegoogelt hatte, waren es sicherlich andere Sachen, die ihr ins Auge gefallen waren.

Der Raum im Oberon wurde nun allmählich dunkler und die langwierige Werbung schien endlich ein Ende zu haben. Jetzt würden noch einige Filmtrailer kommen, für die sich Bianca um ehrlich zu sein genauso wenig interessierte wie für die Werbung, und dann würde der Film endlich beginnen. Wenn sie ganz ehrlich mit sich selbst war, ging sie sowieso nur wegen dem frischen Popcorn und dem überragenden Sound in die Kinos. Hätte sie das alles auch zu Hause haben können, sie hätte noch nie ein Kino von innen betreten.

„Oh my God! That’s the new Hobbit Trailer!“, rief Anna atemlos aus, als auf einmal die diversen Zeichen der beteiligten Filmfirmen zu sehen waren. Woran sie direkt erkannte, dass es um diesen Film ging, war Bianca ein Rätsel, aber wahrscheinlich hatte sie diesen Trailer schon im Internet gesehen, oder es lag an etwas, was Bianca einfach nur nicht nachvollziehen konnte.

„Isn’t that a movie with that british actor? Richard… something?”, fragte Bianca nach und versuchte dabei so unschuldig wie möglich zu klingen. Und es schien zu klappen. Sowohl Anna als auch Tom verdrehten nur kopfschüttelnd ihre Augen und meinten, sie müssten ihre Kollegin wirklich öfter mit ins Kino nehmen. Bianca fürchtete schon eine langwierige Erklärung der beiden, was „diesen britischen Schauspieler“ anging, doch sie fiel unerwartet kurz aus: „Richard Armitage is Thorin, King under the mountain.“

Bianca wusste zwar nicht, was daran jetzt so aussagekräftig sein sollte, aber sie ließ es einfach auf sich beruhen. Immerhin wollte sie vermeiden, doch noch eine lange Erklärung zu bekommen, und da sollte man sich besser mit dem zufrieden geben, was man bekam. Als sie dann jedoch Richard Armitage tatsächlich als König unter dem Berg auf der Leinwand sah und er auf die Frage, ob er Krieg oder Frieden wolle, mit „I will have war“ antwortete und seine Stimme noch dunkler und bedrohlicher klang als die des John Proctor, merkte sie, warum diese Aussage tatsächlich reichte. Er hatte, selbst in dieser wirklich kurzen Szene, eine solche Präsenz auf der Leinwand, dass sie eine Gänsehaut bekam. Es war nicht ganz so beeindruckend, wie als wenn er genau vor ihr gestanden hätte, aber es kam dem trotzdem schon sehr nah. Vielleicht, und wenn es nur war, um mehr zu haben, über das sie mit ihm reden konnte, würde sie sich diese Hobbit-Filme doch am Wochenende ansehen. Aber es war schon ein unglaublicher Zufall, dass sie gerade an diesem Wochenende auf ihrem Pay-TV gezeigt werden würden.

„You just convinced me watching those Hobbit movies“ , schrieb sie ihm direkt und war wirklich froh, dass viele der Kinobesucher noch ihre Smartphones in der Hand hatten, denn so fiel sie nicht allzu sehr auf.

„How? I didn’t say a word about it“ , kam prompt die Antwort zurück und sie überlegte einen Moment, was sie erwidern sollte. Immerhin waren ihr schon seit einiger Zeit die verstohlenen Blicke aufgefallen, die Anna auf ihren Chatverlauf warf. Sie war froh, dass sie in der ganzen Unterhaltung mit ihrer Freundin nicht deutlicher darauf eingegangen war, dass er Schauspieler war, denn sie wollte wirklich nicht, dass irgendjemand erfuhr, dass sie mit Richard Armitage, der anscheinend doch bekannter war als sie gedacht hatte, schrieb.

„No, that was Thorin’s doing. Just saw a trailer to the new movie.

Am anderen Ende der Welt wurde der smarte Brite, mit dem Bianca sich gerade unterhielt, unweigerlich etwas rot. Was inmitten des Cafés, in dem er sich, mit einer dicken Sonnenbrille bewaffnet, befand, nicht gerade förderlich war. Anscheinend hatten sie mittlerweile den Trailer des Hobbits direkt vor die Vorstellung von Into the Storm geschoben. „He can be quiet persuasive“

„Yeah, I can imagine. Movie starts now, got to put my phone away now, write you after the movie”, las er auf dem Bildschirm und fragte sich, ob er wirklich damit rechnen konnte, dass sie am Ende des Films zurückschrieb. In geschätzten 5 Minuten würde sie ihn wahrscheinlich am liebsten verwünschen, dass er ihr mit keinem Sterbenswort auch nur eine Andeutung gemacht hatte, dass er in diesem Film vorkam. Vielleicht, wenn er ihr Temperament richtig einschätzte, würde sie sogar wütend auf ihn sein, wenn sie ihn auf der Leinwand sah.

„Hey Crispy, why the long face?“ Er drehte sich überrascht zu dem Ursprung der Stimme um und war mehr als erfreut, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Eigentlich hatte er noch gar nicht damit gerechnet, Lee hier zu sehen, immerhin wollten sich die beiden erst am Nachmittag zum Essen treffen. Auch Lee, der wahrscheinlich noch mehr eine Verfolgung durch die Paparazzi zu fürchten hatte, trug ebenfalls eine große Sonnenbrille. Hier in L.A. warteten immerhin beinahe an jeder Straßenecke Leute, die viel Geld mit unglücklichen Fotos von Prominenten Geld verdienen wollten.

In dem Wissen, dass er und Lee, was die Verschwiegenheit anging, in einem Boot saßen, und weil sie trotz der opponierenden Rollen im Hobbit Freunde geworden waren, entschied Richard ihm zumindest teilweise von seiner Begegnung mit der brünetten Graphik-Designerin zu berichten.

„You know that this could get quiet hairy, right?“, fragte Lee nach der Geschichte seufzend. Er war sich wirklich nicht sicher, ob die Idee mit einem gemeinsamen Besuch in einer Bar und diesen ganzen Nachrichten, die sie immer wieder hin und her schickten, wirklich das Beste für seinen Freund war. Er wusste zwar nicht, wie es in England lief, aber hier in den Staaten wusste er, was ein verrückter Fan und auch Paparazzi taten, um an ihre Idole heranzukommen.

Richard hingegen sah in der ganzen Sache keinen Grund zur Besorgnis. Wahrscheinlich hätte er bei jedem seiner Kollegen genauso gehandelt wie Lee jetzt bei ihm. Wenn Aidan oder Dean ihm beispielsweise davon erzählt hätten, dass sie eine hübsche Frau kennengelernt hatten, die wirklich keine Ahnung vom Hobbit hatte, und sie diese Treffen wollte, hätte er den beiden Jungspunden wahrscheinlich ebenfalls davon abgeraten.

So war es jedoch etwas anderes. Er hatte Bianca mit eigenen Augen gesehen und er wusste, dass sie ihren Fuß nicht absichtlich in seinen Weg gestellt hatte. Außerdem hatte sie sich, als er ihr abgesagt hatte, so angehört, als hätte sie nichts anderes von ihm erwartet. Außerdem war sie die Erste gewesen, die er nach so einem Malheur zu einem Date eingeladen hatte.

„I just have a feeling that she’s sincere.“ Richard meinte es wirklich ernst und er konnte selbst noch nicht einmal wirklich sagen, warum er das dachte. Es war einfach dieses Gefühl, diese Frau schon länger zu kennen als er es eigentlich tat. Diese Vertrautheit, wenn sie sich gegenseitig diese Nachrichten schickten, beinahe so, als wäre es selbstverständlich.

„And she’s watching ‚Into the Storm‘ right now, without knowing you’re in it?“, fragte Lee noch einmal zur Klärung nach. Richard nickte nur kurz, sah dann auf seine Armbanduhr und stellte fest, dass sie es wahrscheinlich mittlerweile bemerkt hatte. Immerhin konnte man ihn in den Nahaufnahmen nicht übersehen. „You’ll be screwed“, lachte Lee daraufhin und schlug seinem Kollegen freundschaftlich auf die Schulter.

Er hatte immer noch seine Zweifel, ob diese Sache wirklich gutgehen konnte, wenn es zu einer Aussprache kommen würde, aber er sah im Gesicht seines Freundes, dass diese Frau ihn irgendwie gefangen hatte. Immer und immer wieder sah er unbewusst auf sein Handy, wahrscheinlich um sicherzugehen, dass sie noch nicht geschrieben hatte, und mit diesen Gedanken war Richard sowieso nicht im Hier und Jetzt. Wahrscheinlich ging er noch einmal seinen eigenen Film durch, überlegte, wie diese Frau auf die einzelnen Szenen reagieren würde und auf was er sich dann eventuell später gefasst machen musste.

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