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Kapitel 25

 

Abendessen

 

 

 

 

Eine sanfte, nach Salz riechende Brise zog mir durch die Haare, als ich am Abend auf dem Balkon vor dem Esszimmer stand und hinaus sah. Im Moment war ich noch alleine hier und blickte einfach in die Ferne. Da draußen lag irgendwo das Festland, auf dem bereits fieberhaft daran gearbeitet wurde, weitere Flüchtlinge von der Erde aufzunehmen.

 

Jennifer hatte mir erzählt, dass ihr Mann sich mit denen, die sich für seinen Kurs entschieden hatten, dort befand, um sicher zu gehen, dass die Pioniere beim Aufbau der neuen Stadt nicht aus Versehen Technologien der alten zerstörten. Vor hunderten oder tausenden von Jahren hatten nämlich auf dem Festland einmal Antiker gelebt und die Ruinen ihrer Stadt waren immer noch vorhanden.

 

„Es wird nicht so modern und gemütlich sein wie hier, aber es ist zumindest etwas“, hatte Jennifer dann mit einem etwas schwermütigen Gesicht gesagt. Dann hatte sie mir und Joey, die sich natürlich für den Kurs ihrer Mutter entschieden hatte, gezeigt, wie wir bei den Flüchtlingen, die bald hier ankommen würden, Blutproben und ähnliches nehmen konnten, um festzustellen, was sie vom Angriff der Wraith davon getragen hatten und wie hoch ihr Strahlungsfaktor durch die Atombomben war.

 

„Wann werden die Flüchtlinge hier ankommen?“, fragte Joey und sie klang etwas zu erfreut. Aber wer konnte es ihr schon übel nehmen? Sie war hier auf Atlantis aufgewachsen und hatte die Erde wahrscheinlich noch nie gesehen. Sie war einfach gespannt darauf, Menschen zu treffen, die von dem Heimatplaneten ihrer Eltern kamen. Jennifer erklärte uns dann, dass es wahrscheinlich noch 4 Wochen dauern würde, dass wir bis dahin aber bestens vorbereitet sein würden, um die ersten Aufgaben selbst zu übernehmen.

 

„Du hast ja schon den Tisch gedeckt“, riss mich dann mein Vater wieder aus meinen Gedanken. Er stand in der Tür zum Balkon. Er hatte sich mittlerweile umgezogen und trug anstatt seiner gewöhnlichen Atlantis-Uniform eine Jeans und ein T-Shirt. Es war seltsam, ihn so … locker zu sehen. Ich sah seinen wehmütigen Blick, als er bemerkte, dass ich mir etwas aus Moms Kiste angezogen hatte. Es war das einzige Outfit gewesen, das nicht zur Uniform von Atlantis gehört hatte, abgesehen von zwei ziemlich aufwendigen Kleidern.

 

„Kannst du mir etwas beim Kochen helfen?“, fragte er dann als er anscheinend seine Sprache wieder gefunden hatte. Ich nickte nur und folgte ihm in die kleine Küche, die unsere beiden Quartiere von einander trennte. Er hatte bereits alles auf die Arbeitsplatte gestellt, was wir brauchen würden und ich war gespannt, was er vorhatte. Dann gab er mir drei Rezepte und bat mich, diese vorzubereiten. Ich sah ihn allerdings nur mit großen Augen an.

 

„Ich fürchte, Mom hatte sogar davor Angst, dass ich mich mit einem Messer schneiden könnte“, gestand ich ihm und er lachte etwas.

 

„Da hatte sie wohl Angst, du würdest zu sehr nach ihr schlagen“, kommentierte mein Vater nur und erzählte mir, wie er sie einmal, während sie zusammen gekocht hatten, zu Jennifer hatte bringen müssen, weil sie sich beinahe den halben Finger abgeschnitten hatte.

 

„Das ist doch noch gar nichts. Letztes Weihnachten, da hat sie sich die ganze Handfläche aufgeschnitten, weil sie ein Messer im Fall hatte auffangen wollen. Cassie hat sie dann ins Krankenhaus gefahren.“ Wir lachten einen Moment zusammen, einfach nur, weil wir uns an Mom erinnerten und es war seltsam, wie gut es sich anfühlte, es mit jemandem zu teilen, der sie genauso sehr geliebt hatte wie ich. Doch auf einmal schlug meine Stimmung um. Ich merkte, wie gerne ich sie doch hier dabei gehabt hätte. Wie gerne hätte ich nun mit meinem Vater und ihr hier gestanden und das Essen vorbereitet, dass sie mit uns über diese Geschichten lachen konnte.

 

„Ich vermisse sie, Dad“, sagte ich daher nur und mein Vater wandte sich kurz von den Paprika ab, die er gerade klein schnitt. Er ging wieder leicht in die Knie, um mit mir auf einer Augenhöhe zu sein und sah mich genau an, während er seine Hand auf meine Schulter legte.

 

„Ich vermisse sie auch, Maggie. Aber wenn ich dich ansehe, dann weiß ich, dass ein Teil von ihr immer bei mir ist“, sagte er und ein Kloß bildete sich auf einmal in meinem Hals und ich merkte, wie meine Augen fürchterlich zu brennen begannen, während ich versuchte meine Tränen zurück zu halten. Und auf einmal war ich es, die ihn umarmte und für einen Moment war er stocksteif und schien nicht zu wissen, was er tun sollte, dann aber legte er seine Arme um meinen Rücken und drückte mich an sich.

 

Wir verharrten einige Augenblicke in dieser Position, bis ich mich langsam von ihm löste. Ich sah an seinem roten Kopf und an seinen ziemlich feuchten Augen, dass er anscheinend auch seine Tränen zurück gehalten hatte, dass er versuchte, nicht zu zeigen, dass er schwach war.„Versuchs einfach, und wenn du Probleme hast, helfe ich dir“, sagte er dann und blickte wieder auf die Arbeitsplatte, auf der ich immer noch nicht wirklich viel geschafft hatte. Wieder war ich über sein Vertrauen in mich verwundert. Meine Mutter hatte mich selten etwas einfach versuchen lassen, zumindest nicht, wenn es Verletzungen beinhalten konnte.

 

Dann begab ich mich daran die einzelnen Gemüse, die ich für meine Rezepte brauchte, klein zu schneiden und ich war ziemlich vorsichtig und brauchte daher auch die doppelte Zeit, die mein Vater für seine brauchte, aber es war okay. Manchmal bemerkte ich, wie er mich beobachtete, aber selbst wenn ich es wahrscheinlich falsch und nicht effizient machte, ließ er mich in Ruhe und verbesserte mich nicht.

 

Ein Teil von mir fragte sich, wie es wohl gewesen wäre aufzuwachsen, wenn er und Mom beide für mich da gewesen wären. Wahrscheinlich hätten sich die beiden öfters gestritten, was ich dürfte und was nicht, oder Mom wäre etwas weniger hysterisch gewesen, wenn ich etwas Gefährliches tat, weil Dad sie mit seinem Vertrauen in mich hätte beruhigen können. Aber wer konnte das schon genau sagen?

 

„Wenn du fertig mit den Dips bist, kannst du dann noch das Brot schneiden?“, fragte mein Vater mich, als ich gerade dabei war, die letzte Creme zu rühren. Ich nickte nur, auch wenn ich etwas erschrocken über die Größe des Messers war, das da vor den drei langen Baguettebroten lag. Wahrscheinlich hätte man damit ein Tier vollkommen aufspießen können, zumindest kam es mir in Relation zu den Messern, die ich gewohnt war, so vor. Deswegen war das „Klar“, das aus meinem Mund kam, auch etwas zögerlich und unsicher. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie mein Vater schmunzelte. Anscheinend fand er es urkomisch, dass ich so unsicher in der Bedienung von einfachem Küchenwerkzeug war.

 

Als wir dann endlich mit dem Kochen fertig waren und die Lasagne, die mein Vater zubereitet hatte, während ich mich mit den Dips herumgeschlagen hatte, im Ofen war, ertönte auch schon der Türalarm meines Vaters. Natürlich waren es Kevin und seine Mutter, immerhin hatten wir ja auf niemanden sonst gewartet.

 

„Danke für die Einladung, Colonel“, bedankte sich Cassie bei meinem Vater und ich merkte erst jetzt, dass die beiden sich anscheinend noch nie begegnet waren.

 

„Nicht der Rede wert, aber ich bin nicht Colonel, ich bin John.“ So einigten sich die beiden Erwachsenen dann darauf, sich beim Vornamen zu nennen und ich war mir sicher, es würde die ganze Atmosphäre etwas entspannter machen, als wenn die beiden sich nur mit ihren Rängen angesprochen hätten.

 

Eine Weile wurde nur belangloser Small Talk gehalten, wie man sich auf Atlantis einlebte, wie die Arbeit voranging oder was man für die nächsten freien Tage geplant hatte, immerhin stand Weihnachten kurz bevor, doch irgendwie nervte es mich, dass die Erwachsenen so über alles hinweg zu reden schienen, was eigentlich der Grund war für unser gemeinsames Essen. Mein Vater hatte zwar nicht über einen Grund mit mir geredet, aber ich wusste, ihm ging es um meine Mutter, um unser Leben auf der Erde.

 

„Dad wollte sich bei dir bedanken, dass du dich um mich gekümmert hast, als er es nicht konnte“, platzte ich also einfach heraus und alle sahen mich erstaunt an, mein Vater am allermeisten. Doch dann nickte er und lächelte Cassandra kurz an. Sie schien peinlich berührt zu sein und auch etwas erschrocken, dass nun eines der beiden Kinder dieses heikle Thema angeschnitten hatte.

 

„Das war keine Frage. Schon im SGC hatte ich mich mit Izzy angefreundet und die Entscheidung mit ihr nach Deutschlang zu ziehen war keine schwere“, antwortete Cassie wahrheitsgemäß und ich merkte, dass es anscheinend alle hier brennend interessierte, was damals passiert war, selbst Kevin. „Izzy hatte furchtbare Angst, jemand vom NID oder gar der Trust könne von Maggie erfahren und da auch Jack und Sam ihre Sorge teilten, veränderten sie Izzys Akte vollkommen. Sie hatte nie für das SGC gearbeitet und lebte immer noch in Deutschland. Jack und Sam kamen dann auf mich und Thomas zu, der ja eigentlich aus Deutschland kam und baten uns, Izzy zu begleiten und sicher zu stellen, dass weder das NID noch der Trust auch nur in die Reichweite der beiden kamen.“

 

Ich sah wie mein Vater gespannt zu hörte, wahrscheinlich fragte er sich gerade, wieso alle etwas von dem Versteckspiel meiner Mutter gewusst hatten, außer ihm, warum sie kein Vertrauen zu ihm gehabt hatte. Doch Cassie nahm es ihm dann ab, diese Frage zu stellen, wahrscheinlich hatte auch sie diese Frage in seinem Gesicht gesehen. Sie erklärte ihm, und damit war das auch endlich für mich klar, dass meine Mutter ihm immer vertraut hatte, dass sie ihre Entscheidung immer hinterfragt hatte. Sie hatte die Entscheidung getroffen, weil sie wusste, wie wichtig die Aufgabe meines Vaters hier gewesen war, weil sie nicht wollte, dass er sie aufgab, nur um sie und mich zu beschützen. Außerdem hätte es mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wenn John Sheppard auf einmal spurlos verschwand, als wenn Izzy Lindbruch, die sowieso eine eher kleine Rolle gespielt hatte, verschwand.

 

„Der Schatten“, murmelte mein Vater gedankenverloren, als Cassie fertig war. „Sie hatte sich immer selbst den Schatten genannt, weil kaum einer sie zu bemerken schien. Sie war kein Mitglied unseres Teams und verbrachte die meiste Zeit auf irgendwelchen Planeten mit ihrem eigenen Expeditionsteam, aber da geschah nie etwas Interessantes. Ich glaube selbst Teyla nahm sie erst richtig wahr, als Izzy schon einige Wochen mit mir zusammen in der Kantine saß.“

 

„Das war ihr Markenzeichen“, lachte Cassie und anscheinend war es gar nicht so traurig, wie es sich für mich anhörte. Ich bildete mir ein, dass es schrecklich war, nicht bemerkt zu werden, aber anscheinend schien es meiner Mutter nichts ausgemacht zu haben, anscheinend hatte sie es sogar zu ihrem Vorteil genutzt.

 

„Was ist mit der Erde?“, fragte dann Kevin, um von dem Thema wieder abzulenken. Ich sah ihn an, und fühlte mich direkt schlecht. Bei allem, was mir selbst in den letzten Tagen passiert war, hatte ich - um ehrlich zu sein - nicht weiter über das Schicksal der Erde nachgedacht, ich hatte gar keine Zeit dazu gehabt, weiter darüber nachzudenken.

 

„Wir wissen nicht viel. Die Schiffe kommen erst nächste Woche dort an und bis dahin wissen wir nicht mehr, als bei unserem Abflug. Ein Großteil der Atmosphäre ist verstrahlt, die Großstädte und Militärbasen sind zerstört. Aber es gibt noch Hoffnung, Überlebende zu finden, die nicht völlig verstrahlt wurden. Die werden dann mit der Daedalus und den anderen Schiffen hierher gebracht und werden auf dem Festland leben“, erklärte mein Vater und er sah alles andere als glücklich darüber aus, dass es noch keine neuen Informationen gab. Ich konnte ihn verstehen, auch wenn ich die letzten Tage keine Zeit gehabt hatte, darüber nachzudenken, jetzt wo ich es tat, wollte auch ich wissen, was passiert war, wie viele es tatsächlich geschafft hatten.

 

„Sind eigentlich alle Wraith-Schiffe zerstört worden?“, fragte ich dann, als mir der Gedanke an weitere angreifende Schiffe in den Kopf kam. Mein Vater schien nicht genau zu wissen, was er sagen sollte, bis er dann schließlich erzählte, dass zwar die Schiffe, die die Erde angegriffen hatten, zerstört seien, aber dass die Koordinaten der Erde und der Milchstraße nun in den Händen der Wraith wären, und dass sie wahrscheinlich die Milchstraße als ihren neuen Weidegrund ansähen. Kein Planet dort würde nun vor dem Ausdünnen mehr sicher sein.

 

Die Gänsehaut und die drückende Stimmung, die nun über unserem kleinen Abendessen lag, zeigte mir, warum man bei solchen Anlässen lieber Small Talk hielt als über die wichtigen Themen zu reden, es machte sie Stimmung kaputt und es tat mir fast leid, dass ich mit meiner ersten Frage den Small Talk beendet und zu den ernsteren Themen gewechselt war. Eigentlich hatte ich nicht gewollt, dass düstere Stimmung aufkam.

 

Und dann, ich weiß nicht, ob es aus schlechtem Gewissen war, oder aus einem anderen Grund, verschwand ich für einen Moment in meinem Zimmer und holte von dort das Bild von meinen Eltern, das Bild, auf dem sie sich unter einem Zweig küssten. Es erheiterte die Stimmung wieder etwas, da alle über das erstaunte Gesicht meiner Mutter lachen mussten. Anscheinend, und so gab es auch die Geschichte, die mein Vater dazu erzählte, wieder, hatte meine Mutter nicht damit gerechnet, dass mein Vater sie tatsächlich küssen würde, nur weil Jennifer einen Zweig über ihre Köpfe hielt, aber er hatte es getan.

 

„Es war unser erster Kuss in der Öffentlichkeit, eigentlich hatte noch keiner gewusst, dass wir ein Paar waren und wir waren uns einig gewesen, dass es besser so war. Jennifer war da allerdings anderer Meinung gewesen. Sie hatte schon etwas länger geahnt, dass mehr hinter Izzys Anwesenheit an unserem Tisch lag als bloße Freundschaft“, erklärte mein Vater und es tat gut, einmal so eine Geschichte über meine Mutter zu hören.

 

„Sie hat immer gesagt, du hättest Jennifer gebeten, dass zu tun“, kicherte Cassandra, immer noch auf das Bild meiner Mutter sehend. „Sie war fest davon überzeugt, dass du Jennifer mit irgendetwas bestochen hast, um das zu tun.“

 

„Nein, das habe ich nicht. Ich war zuerst selbst etwas überrascht, aber ich habe die Gelegenheit genutzt als sie kam. Und wer hätte das nicht?“, fragte er und auf einmal kam mir mein Vater viele Jahre jünger vor, vielleicht so wie er damals gewesen war. Sein Lächeln war breit und warm und in seinen Augen funkelte etwas, dass wir in Deutschland wahrscheinlich als ‚Schelm‘ bezeichnet hätten. Wenn er nun noch seinen Bart wieder rasiert hätte, dann hätte ich meine Mutter gut verstehen können, warum sie sich damals für ihn entschieden hatte. Es war komisch, solche Geschichten über seine Eltern zu hören und doch war es schön, zu sehen, dass die beiden sich geliebt hatten.

 

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