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Kapitel 9

 

Der Feind meines Feindes ist mein Freund

 

 

 

In den nächsten Tagen war ich froh, dass mein Vater mich weitestgehend in Ruhe lies, um nicht zu sagen er ging mir förmlich aus dem Weg. Ich fragte mich, ob Daniel ihm gesagt hatte was ich von ihm dachte. Wenn ja, dann konnte es mir nur recht sein, immerhin wollte ich mit diesem Mann nichts zu tun haben. Und ich hörte auch nicht auf Philipp, der mich mittlerweile beinahe jeden Tag zum Essen begleitete, wenn er mir sagte, ich würde meinen Vater immer beobachten weil ich mich nach ihm sehnen würde.

 

Er konnte es nicht verstehen. Sein Vater war immer für ihn dagewesen wenn er Probleme gehabt hatte, sein Vater wusste genau wer Philipp war, das wagte ich bei meinem Vater zu bezweifeln. Er kannte mich nicht. Wahrscheinlich hätte er mich noch nicht einmal erkannt wenn man ihm nicht gesagt hätte wer ich bin. Ich starrte meinen Vater nur aus einem Grund an, weil ich ihm immer wieder klar machen wollte, dass ich wütend auf ihn war, dass er mich bloß in Ruhe lassen sollte.

 

Es machte mich wütend ihn mit seinen Freunden, einige davon kannte ich noch nicht, herumsitzen zu sehen. Manchmal waren sie ruhig und aßen einfach nur, andere Male unterhielten sie sie ziemlich angespannt und manchmal, und das war für mich die Spitze des Eisberges, manchmal machten sie sogar Witze.

 

„Was denkst du eigentlich wer du bist? Es sind Milliarden von Menschen ums Leben gekommen und das nur weil DU diese Monster auf die Erde aufmerksam gemacht hast!“ Ich hatte erst bemerkt, dass ich vor seinem Tisch stand und meine Gedanken offen hinausgebrüllt hatte, als es bereits passiert war. Alle in der Kantine sahen mich entgeistert an, aber ich konnte nicht sagen, ob die erstaunt waren, dass endlich einmal jemand etwas sagte, oder weil sie vollkommen anderer Meinung waren wie ich.

 

Ich sah schon wie Daniel aufstehen wollte um etwas zu sagen, doch ich ließ ihn nicht reden. Ich stürmte einfach davon und auch mein Vater der mich noch am Arm packte konnte mich nicht aufhalten. Ich riss meinen Arm einfach aus seinem Griff und stürmte davon. Ich merkte wie auf einmal Tränen in meine Augen schossen und ich ärgerte mich über mich selbst. Ich war mittlerweile 16 Jahre alt, warum musste ich immer noch heulen wie ein kleines Kind? Aber warum musste mein Vater auch ein solcher Mensch sein?

 

Wenn ich ihn mir als Kind vorgestellt hatte, wenn ich mir gewünscht hatte, dass er kommt und mir hilft. Dann war er immer ein tapferer und gutmütiger Mann gewesen. Er war in meiner Vorstellung durch meine Zimmertür gekommen und hatte einfach das getan was ich in diesem Moment gebraucht hatte. Tatsächlich schien mein Vater jedoch ein Gefühlloser Feigling zu sein der sich nicht dem stellen wollte was er getan hatte, oder auch nicht getan hatte.

 

Ich ging absichtlich nicht in mein Quartier zurück in dem Wissen, dass man dort sicherlich als erstes auf mich warten würde und dass mein Vater diese Tirade sicherlich nicht auf sich sitzen lassen würde. Aber wahrscheinlich würde er auch nicht selbst erscheinen, sondern einen seiner Freunde vorschicken. Ich fragte mich wie so nette Menschen wie zum Beispiel Daniel und Sam sich mit jemandem wie meinem Vater abgeben konnten.

 

„Hey, hier ist kein Spielplatz!“ Ich hatte mich kaum auf den Boden des eigentlich dunklen Raumes gesetzt, da hatte mich auch schon jemand gefunden. Es war wieder eine unbekannte Stimme und sie klang alles andere als Freundlich. Wahrscheinlich war es einer von seinen Freunden der nun ziemlich sauer auf mich war, dass ich meinen Vater in der Öffentlichkeit so angegangen hatte. Ich stand also nur total genervt auf und wartete auf die Standpauke. Sollten sie doch auf mich einreden. Mein Kopf hatte glücklicher Weise zwei Ohren durch die die Worte einfach rein und wieder raus fließen konnten ohne dass ich sie filtern musste.

 

Solche Tiraden hatte ich schon öfters von meiner Mutter hören müssen, wenn ich mich mal nicht an eine der von ihr aufgestellten „Sicherheitsregeln“ gehalten hatte. Ich musste nur 5 Minuten zu spät kommen ohne mich gemeldet zu haben, da war sie schon ausgerastet als wäre ich entführt worden. Wenn ich beim Spielen nicht aufgepasst hatte und mich verletzt hatte dann gab es genauso einen Ärger. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl sie hätte mich am liebsten von allem und jedem ferngehalten. Deswegen war Kevin auch immer der einzige Freund gewesen zu dem ich hatte nach Hause gehen dürfen. Seine Mutter war Ärztin gewesen und wahrscheinlich war meine Mutter der Meinung gewesen nur dort konnte sie sicher sein, dass mir in keiner Weise geschadet wurde.

 

Doch der Mann der mir gegenüber stand blieb ruhig und sah mich nur abschätzend an.

 

„Du bist die Tochter von Sheppard nicht wahr?“, fragte er und seine Stimme klang beinahe so als wäre ich eine Krankheit mit der er sich bloß nicht infizieren wollte. Ich nickte nur abfällig, anscheinend konnte dieser Mann meinen Vater genauso wenig leiden wie ich.

 

„Ja leider.“, fügte ich dann noch hinzu um ihm klar zu machen, dass ich nicht gerade gut von meinem Vater dachte. Er sah mich an und schüttelte nur den Kopf, dann ging er zu einer der Konsolen hinüber. Anscheinend war das Gespräch für ihn damit beendet und er beachtete mich nicht weiter, zumindest solange nicht, bis er bemerkte, dass ich immer noch an die Wand gelehnt da stand.

 

„Sie mögen meinen Vater nicht sonderlich was?“, fragte ich den Mann und stellte mich wieder richtig auf meine Füße. Er sah mich skeptisch an. Ja, seine Abneigung gegen meinen Vater war mehr als offensichtlich.

 

„Was denkst du denn? Dein werter Herr Vater hat gerade den Tod von Milliarden von Menschen einfach mal so in Kauf genommen. Ich will damit nicht sagen, dass das nicht gut für den Rest der Bevölkerung ist, immerhin gibt es so wieder mehr Ressourcen für die verbleibenden …“ ich sah ihn verwundert an während er weiter darüber Philosophierte was mein Vater doch für ein arroganter Kerl sei und wie sehr er sich wünschte, dass mein Vater einmal im Leben für das was er tat zahlen müsste. Hatte ich am Anfang noch gedacht ich sei der Mensch der meinen Vater am meisten verachtet hatte ich eindeutig falsch gelegen. Dieser Mensch war eindeutig der Mann der hier vor mir stand.

 

„Beeindruckend, dass es hier noch jemanden mit etwas Verstand gibt.“, sagte ich als er sagte, dass mein Vater ein großer Feigling war und er sah mich offenem Mund an. Wahrscheinlich hatte er solch eine Aussage nicht von mir erwartet. Wahrscheinlich hatte er erwartet, dass ich meinen Vater in Schutz nehmen oder ihn gar rufen würde. „Wie heißen sie?“, fragte ich dann und er sah mich misstrauisch an. Er dachte sicherlich ich wollte seinen Namen wissen um ihn später bei meinem Vater zu verpfeifen.

 

Dann zuckte er jedoch mit den Schulter, murmelte etwas davon, dass mein Vater schon wisse das er ihn hasste und streckte mir die Hand entgegen. „Peter Kavanagh, ich bin Wissenschaftler.“

 

Enthusiastisch und erfreut, dass ich endlich jemanden gefunden hatte der mir nicht immer wieder erzählen würde, dass ich mit meinem Vater reden solle, schüttelte ich seine Hand und lächelte ihn an. Ich sah, dass es ihm eher schwer viel, aber auch er versuchte ein leichtes Lächeln über die Lippen zu bringen.

 

„Du bist also nicht auf den Charm des einmaligen John Sheppards hereingefallen?“, fragte er nach einiger Zeit die ich einfach in seinem Büro verbracht hatte. Ich hatte ihm erzählt was ich meinem Vater an den Kopf geschmissen hatte und sein Lachen hatte den gesamten Raum erfüllt. Danach hatte er zugestimmt, dass ich hier bleiben konnte, damit man mich nicht fand. Er erklärte mir sogar, dass es ein Scannsystem gab, dass genau feststellen konnte wo ich war, wenn man es nicht manipulierte.

 

Er machte sich natürlich einen Spaß daraus meinem Vater und seinen Freunden ein Schnippchen zu schlagen und meine Lebenszeichen immer an einem anderen Ort auftauchen zu lassen. Dabei murmelte er immer wieder etwas davon, dass es gut war, das McKay auf Atlantis geblieben war.

 

„Ich habe nicht besonders viel Lust ihn kennen zu lernen, besonders nicht nach Allem was mit der Erde passiert ist.“ Sagte ich und setzte mich wieder hinter die Konsole. Ich war wirklich dankbar dafür, dass Peter mich hier versteckte, denn ich hatte wirklich keine Lust auf irgendjemanden der mir erzählte wie unrecht ich doch mit dem hatte was ich meinem Vater an den Kopf geschmissen hatte, denn laut Peter waren sie alle der Überzeugung mein Vater sei ein richtiger Held. Ich fand das jedoch mehr als unsinnig. Es passte einfach nicht zu dem Bild das ich von meinem Vater hatte und ich war nicht bereit dieses Bild aufzugeben.

 

„Sheppard ist dein Vater, soviel weiß ich, aber wer ist deine Mutter?“, fragte Peter nach einer Weile in der ich einfach nur hinter der Konsole gesessen hatte während er gearbeitet hatte. Ich sah einen Moment auf den Boden. Fragte mich, ob er es wirklich nicht wusste, oder ob er mich in irgendeiner Form testen wollte.

 

„Dr. Isabell Lindbruch.“, antwortete ich und ich merkte wie der Klos in meinem Hals sich erneut bildete. Meine Mutter zu erwähnen war immer noch nicht leicht für mich, denn jedes Mal wenn ich über sie sprach merkte ich, wie sehr sie mir doch fehlte. Natürlich, sie war eine Übermutter gewesen und hatte mir vieles verboten was ich vielleicht hatte tun wollen, aber sie war immer für mich da gewesen. Hatte versucht das Loch das der fehlende Vater in der Familie verursachte aufzufüllen, in dem sie beinahe alles tat, um mich Glücklich zu sehen. Aber genauso schmerzte es weil ich nicht mehr sicher war, wer diese Frau eigentlich gewesen war. Konnte ich noch sicher sein, dass ich das wichtigste in ihrem Leben gewesen war, oder hatte ich vielleicht ihren großen Traum zerstört?

 

„Wirklich? Isabell? Wie geht es ihr?“, fragte er und ich merkte direkt, dass er nicht nachgedacht hatte. Ich sah ihm an wie seine Augen sich augenblicklich weiteten. Wahrscheinlich hatte er selbst bemerkt, dass wenn es Isabell noch geben würde, dass sie sicherlich auch auf diesem Schiff sein würde. Aber er wusste genauso gut, dass er die Frage nicht mehr zurück nehmen konnte.

 

„Sie wurde ermordet … vor fast 3 Wochen. Und ich hoffe dass die Wraith dieses Monster erwischt haben.“, sagte ich mit solch einer Wut dass selbst Peter mich verwundert ansah. Ich dachte unweigerlich wieder an den Abend, sah die Szene wieder direkt vor mir, doch diesmal vermischte sie sich mit dem Bild von dem Mann der im SGC vor meinen Augen ausgesaugt worden war.

 

„Ermordet? Ich glaube es nicht!“ sagte Peter und warf seine Hände in die Höhe. Ich verstand seine Reaktion nicht, es war beinahe als hätte er erwartet, dass das passieren würde. Nun begann er in dem kleinen Raum hin und her zu laufen und murmelte unverständliche Worte vor sich hin. Ab und zu verstand ich nur ein „Ich hab es ihnen gesagt, aber sie wollten mir nicht glauben“ oder ein „das muss der Trust gewesen sein“ und dann lies er mich einfach alleine zurück. Er hörte gar nicht wie ich ihm noch nachrief, oder er reagierte einfach nicht.

 

Ich lief ihm jedoch hinterher, wollte wissen was er nun vor hatte, immerhin war er für mich in diesem Moment der einzige der bei Verstand war, zumindest dachte ich das. Ich folgte ihm den ganzen Weg, hielt aber genug Abstand um vorher sicher zu gehen, dass weder mein Vater noch einer der anderen mich sehen würde. Aber wahrscheinlich war dieser Gedanke mehr als unsinnig, da Peter mein Lebenszeichen für den Scanner nun nicht mehr verstecken konnte.

 

„Wo ist Magret?“, hörte ich auf einmal die wütende Stimme von General O’Neill. Schnell huschte ich wieder um die Ecke in der Hoffnung er hatte mich nicht gesehen. Peter blieb abrupt stehen, aber ich sah, dass er keineswegs die Schultern einzog. Im Gegenteil er schien sich noch mehr aufzuplustern.

 

„Ich habe ihnen gesagt, dass das passieren würde! Ich habe sie gewarnt, dass der Trust etwas vor hat!“, hörte ich ihn sagen und seine Stimme klang alles andere als freundlich. Er war aufgebracht und wütend. Ich dachte über seine Worte nach. Hatte er wirklich geahnt, dass meiner Mutter etwas passieren würde?

 

„Kavanagh!“ Ich zuckte unweigerlich zusammen als O’Neill mit einer gewaltigen Stimmkraft den Redefluss von Peter unterbrach und Peter ging es nicht anders. Ich dachte schon die Schreiattacke von O’Neill ging weiter, aber er beruhigte sich direkt wieder als Peter endlich still war.

 

„Es war nicht der Trust. Isabell ist umgebracht worden, aber es war sicherlich nicht der Trust. Denken sie etwa das IOA hätte Isabell einfach unbeobachtet gelassen? Cassandra und ihr Mann sind nicht ohne Grund nach Deutschland gezogen. Wir wussten genau, dass Isabell in Gefahr war, ganz zu schweigen von ihrem Kind!“ zischte O’Neill und sah sich einen Moment um, wahrscheinlich um sicherzugehen, dass ihm niemand zuhörte. Mich konnte er ja schlecht sehen.

 

„Was meinen sie wohl was der Trust, der NID oder gar die Luzianer mit der Kleinen gemacht hätten, wenn sie sie in die Finger bekommen hätten? Es war nicht Isabell die sie gewollt hatten, nicht nur. Es war die kleine gewesen, und sie wissen genauso gut wie ich wieso!“

 

Ich hatte seit der Erwähnung meiner Mutter den Atem angehalten. Hatte nicht glauben wollen was ich da hörte. Ich hatte gedacht meine Mutter hatte sich einfach wieder nur den falschen Typen geangelt und dieses Mal war es ziemlich schlecht für sie ausgegangen. Aber dass das Militär von der Gefahr wusste und auch wusste wer womöglich dafür verantwortlich war, dass hatte ich nicht gedacht. Und als ich den Namen Cassandra gehört hatte war beinahe mein Herz stehen geblieben. Cassandra, oder Cassie wie sie genannt werden wollte, das war auch der Name von Kevins Mutter gewesen, die einzige Ärztin die mich jemals hatte untersuchen dürfen. Hatte meine Mutter gewusst wer sie waren und hatte ihnen deswegen vertraut?

 

Doch das allerschlimmste war sein letzter Satz gewesen. Dass dieses Monster nicht unbedingt meine Mutter hatte haben wollen, sondern mich. Ich fragte mich, ob meine Mutter ihm vielleicht aufgelauert hatte und ihn hatte aufhalten wollen. Wahrscheinlich hatte sie alles ihr Mögliche getan, um mich vor diesen Leuten zu beschützen. Vielleicht hatte ich deswegen dieses ziemlich eingesperrte Leben führen müssen.

 

Als ich merkte, dass das Gespräch zwischen dem General und Peter beendet war und Peter nur bedrückt zu Boden sah ging ich wie paralysiert in mein Quartier. Ich interessierte mich nicht dafür wer noch in den Gängen lief, ich sah sie noch nicht einmal. Ich merkte erst, dass jemand da war, als ich mit ihnen zusammen stieß, aber selbst das interessierte mich nicht sonderlich. Ich versuchte auch nicht mehr mich vor den Freunden meines Vater zu verstecken.

 

Ich war für den Tod meiner Mutter verantwortlich, dessen war ich mir nun klar geworden. Natürlich wusste ich, dass ich sie nicht mit eigenen Händen getötet hatte und dennoch war es wegen mir passiert. Wer auch immer dieser Kerl gewesen war. Er hatte sie getötet, weil es mich gab, weil er mich hatte haben wollen und meine Mutter ihn aufgehalten hatte.

 

Wahrscheinlich war diese Liebschaft, die meine Mutter mit ihrem Mörder gehabt hatte, nur ein Weg gewesen mich und sie in Sicherheit zu wähnen bis er eine sichere Chance zum Zuschlagen gehabt hatte. Wahrscheinlich hatte er gedacht, dass meine Mutter seinen Gutschein für ein Musical wahrnehmen würde. Aber meine Mutter hatte mich noch nie in meinem Leben vollkommen allein gelassen. Jetzt wusste ich wieso. Wahrscheinlich hatte ich ihr ganzes Leben weitaus schwieriger gemacht als es sowieso schon gewesen war.

 

 

 

 

 

 

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