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Kapitel 48

 

Heimkehr mit Hindernissen

 

 

 

Einige Tage nach unserem eher unhöflichen Rauswurf aus den Archiven der Antiker ließ mich der Gedanke an Adhama und Chassa immer noch nicht los. Wenn sie wirklich die Begründer der menschlichen Rasse waren, wenn die Geschichte der Bibel also zumindest im Ansatz stimmte, dann wollte ich wirklich wissen, wieso sie Gan Eden tatsächlich hatten verlassen müssen und was so gefährlich an diesem Baum war, den Adhama in der Nachricht an seinen Vater erwähnt hatte.

Wenn es der Baum war, wegen dessen die beiden und einige ihrer Freunde verbannt worden waren, dann musste er sich ja hier auf Gan Eden befinden, wohlmöglich sogar irgendwo in der Hauptstadt. Aber seitdem wir so tief in der Vergangenheit geschürft hatten, war uns der Zutritt zu den Archiven verweigert worden und auch von den anderen Kontrollkonsolen konnten wir nicht mehr auf die Daten zugreifen. Anscheinend wollte dieses Hologramm um jeden Preis verhindern, dass wir herausfanden, was es war.

Doch sicherlich hatte dieses Hologramm nicht mit der Starrköpfigkeit der Menschen gerechnet, und vor allem nicht damit, dass aus zweien ganz leicht auch drei, vier oder noch mehr werden konnten. So brachten Daniel und ich einen ziemlich übelgelaunten Dr. Rush mit zu den Archiven, aber auch er konnte nichts erreichen. Eli und Chloe waren ebenfalls erfolgslos.

„Wie wäre es mit einer Art Ablenkungsmanöver“, schlug Simon, der uns dieses Mal auch begleitet hatte, dann vor. Die ungläubigen Blicke der Erwachsenen lagen auf ihm und ich konnte erkennen, wie sie sich leicht von ihm auf den Arm genommen fühlten. Wahrscheinlich waren sie der Meinung, das sei eine ziemlich sinnlose, kindische Idee. Aber sie mussten schnell feststellen, dass die kindischen Ideen meistens die sinnvollsten waren, denn sie waren einfacher als viele dachten.

Philipp, Simon und ich versuchten also von einem der Kontrollzentren ein Programm zu schreiben, dass die Sicherungen deaktivierte, die um dieses Thema lagen, während Rush, Brody und Daniel versuchten, in das Archiv zu gelangen. Es klappte, während die drei Erwachsenen anscheinend für das Hologramm das größere Problem waren, konnten wir einige Befehle aufheben.

„Ich würde das wirklich nicht tun.“ Dave war auf einmal hinter und aufgetaucht und er sah ziemlich bedrückt aus. Ich hatte mich schon gewundert, weil ich ihn seit dem ersten Vorfall nicht mehr gesehen hatte. „Kabil wird euch bestrafen“, sagte er und die Sorgenfalten zwischen seinen Augen ähnelten sehr denen meines Vaters.

„Kabil? Der Sohn von Chassah und Adhama?“, fragte ich nach.

„Nein“, Dave schüttelte seinen Kopf. „Der Oberste des Hohen Rates“, erklärte er und ich verstand nicht. „Kabil war unser Anführer, bevor wir diesen Planeten verlassen mussten. Er war nicht Adhamas Sohn, sondern sein Vater.“ Ich war beinahe sprachlos. Ein Vater hatte seinen eigenen Sohn verstoßen? Wie konnte jemand so etwas tun?

„Dave, was hat Adhama gemacht? Warum hat sein Vater ihn ins Exil geschickt?“, fragte ich und meine Stimme klang etwas dringlicher. Ich hatte gerade das leichte Vibrieren in meiner Hose gespürt, was ein Zeichen war, dass die Erwachsenen das Hologramm von Kabil nicht mehr lange aufhalten konnten.

„Er hat Chassah den Baum gezeigt und sie ist durch die Barriere gegangen.“

„Was für einen Baum?“

„Es ist zu gefährlich“, sagte Dave, doch dann war er verschwunden, anscheinend hatte Kabils Programm nun wieder alles unter Kontrolle. Ziemlich außer Atem kamen dann auch die Erwachsenen zu uns und ich war erstaunt, dass sie ziemlich schlecht aussahen.

„Haben wir ein Problem?“, fragte ich Daniel, der immer noch ziemlich aus der Puste zu sein schien. Auf seiner rechten Wange blitzte eine kleine Schnittwunde.

„Ein ziemlich großes. Entweder hat das Hologramm keine Sicherheitsprotokolle oder aber, es ist gar kein Hologramm.“

„Kein Hologramm?“, fragte Simon ziemlich ungläubig und auch ich verstand nicht so recht, wovon Daniel sprach, immerhin hatte ich zusammen mit ihm gesehen, wie Kabil vor uns erschienen war.

„Um ehrlich zu sein … wüsste ich es nicht besser, und ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich das tue, würde ich ihn als Gott bezeichnen“, stammelte nun auch Eli vor sich hin und ich sah ihn erstaunt an. Gott? Nein, so etwas wie einen Gott gab es nicht wirklich, er war da, um den Menschen Hoffnung zu geben, oder auch, sie in Angst zu versetzten. Aber es gab ihn nicht wirklich.

„Kein Gott“, unterbrach Rush, aber er sah auch nicht so aus, als hielt er Kabil für ein einfaches Hologramm.

„Ein Antiker, ein aufgestiegener Antiker, vielleicht der erste überhaupt.“ Daniels Worte klangen in meinen Ohren nach, als ich mir das Gesagte immer wieder hervorrief. Ich hatte immer gedacht, die Antiker hätten erst Jahrtausende nach ihrer endgültigen Abreise von Gan Eden die Möglichkeit des Aufstieges gehabt und erforscht. Es war praktisch unmöglich, dass es schon vorher einen gegeben hatte und keiner der anderen Antiker nicht auch versucht hätte, aufzusteigen.

Ich sah in Daniels Gesicht, dass auch er nicht wirklich glauben konnte, was er vermutete, dass das auch sein Wissen über die Antiker vollkommen überstieg. Es war ziemlich seltsam und unerklärlich, aber wenn man recht darüber nachdachte und wenn ich mir die Geschichten davon anhörte, was Kabil anscheinend gemacht hatte, nachdem er bemerkt hatte, was wir vorhaben, dann war wahrscheinlich wirklich der erste aufgestiegene Antiker und der Grund, warum die Nachfahren von Chassah und Adhama ihn wahrscheinlich als Gott gesehen hatten. Ich war mir sicher, wenn wir die Nachricht, dass wir tatsächlich denjenigen gefunden hatten, den die Menschen als Gott bezeichneten, weitergaben, würden einige der Überlebenden ausrasten. Entweder würden sie ihn anbeten wollen, ihm danken, dass er sie geschützt hatte, oder sie würden ihn verfluchen, weil er so ein Unheil über sie gebracht hatte. Ich wusste nicht, was mir lieber war.

„Wir müssen uns etwas einfallen lassen. Niemand darf davon erfahren“, sagte ich und sah die anderen eindringlich an. Torren und Daniel pflichteten mir bei, anscheinend verstanden sie, was ich meinte und erkannten die Gefahren. Rush war die Frage, ob jemand davon erfahren sollte oder nicht, anscheinend eher egal, er schien einfach nur mehr erfahren zu wollen und Brody, Brody war der Meinung, dass man den anderen nicht einfach etwas vorenthalten konnte, dass das Militär das schon zu oft gemacht hatte.

„Wir sind kein Militär, keiner von uns“, erinnerte Daniel ihn ernst, und Brody war still. Anscheinend war er einer von denen die sich zwar beschwerten, aber wenn es hart auf hart kam, lieber den Schwanz einklemmten und das war, zumindest für unsere momentane Situation, eindeutig besser.

„Leute!“ Die ziemlich dringliche Stimme von John, der auf uns zu gerannt kam, ließ uns ihm entgegen starren. Als er nah genug war und langsam in einen Trab überging, sah ich, dass er nicht gerade begeistert aussah, im Gegenteil. Seine Stirn war in Falten gelegt und sein ganzer Körper schien angespannt. Einen Moment fragte ich mich, ob Kabil vielleicht begann, irgendetwas zu machen, irgendetwas, dass uns von diesem Planeten bringen sollte, weil wir dabei waren, mehr über das Geheimnis herauszufinden.

„John, beruhige dich“, bat Daniel ihn und wollte John an der Schulter packen, aber John schüttelte die Hände seines Patenonkels einfach ab. Er schien sich nicht beruhigen zu wollen.

„Atlantis und die anderen sind zurück“, sagte er ziemlich außer Atem, anscheinend war er den ganzen Weg zurück gerannt. Doch dass er bei dieser Nachricht nicht glücklich aussah, ließ mich nichts Gutes hoffen. „Aber es gibt ein Problem.“ Hatte ich es doch geahnt. „Sie sind nicht alleine gekommen.“ Die Art, in der John das sagte, machte uns allen klar, dass er nicht von Freunden sprach, die den Anderen hierher gefolgt waren. Und so war es auch. Auf dem Weg zurück zu einem der Kommandozentren, die wir aufgebaut hatten, erklärte John uns, dass Atlantis und die anderen Schiffe ein ganzes Stück weit weg von Gan Eden aus dem Hyperraum gesprungen waren, weil sie das Signal eines ihnen folgenden Schiffes aufgegriffen hatten. Leider war dieses Schiff ein Wraith-Schiff gewesen und sie hatten es in nun in die Andromeda Galaxie geführt. Doch laut John war das nicht das einzige Problem bei der ganzen Sache.

In der Kommandozentrale sahen wir dann, dass es mehrere Probleme gab und zwar in Form von mehreren roten Punkten auf der Anzeige und diese roten Punkte blinkten, was bedeutete, dass es in einiger Entfernung des Planeten einen Kampf gab. Atlantis und die von der Milchstraße zurückgekehrten Schiffe versuchten anscheinend, ihre Verfolger zu zerstören, bevor sie entweder eine Nachricht an ihre Freunde senden oder näher an Gan Eden gelangen konnten.

„Gan Eden an Atlantis.“ Bevor mich jemand aufhalten konnte, hatte ich schon die Verbindung hergestellt und ich wusste selbst nicht, ob es so eine gute Idee war, immerhin würden die anderen Schiffe so wahrscheinlich auf uns aufmerksam werden, aber ich musste einfach wissen, was vor sich ging, und ob sie Hilfe brauchten. „Atlantis, bitte melden.“

„Maggie!“, rief Daniel aus und zerrte mich von der Konsole weg. Doch der Schaden war bereits angerichtet. Die ersten roten Punkte setzten sich langsam Richtung Planet in Bewegung. Ich schlug die Hände über dem Mund zusammen. Das hatte ich wirklich nicht gewollt, wirklich, wirklich nicht. Ich sah die erschrockenen und vorwurfsvollen Blicke der anderen und wusste direkt, dass es jetzt wahrscheinlich ziemlich ernst werden würde, wieder einmal.

„Atlantis an Gan Eden. Was habt ihr euch dabei gedacht?“, hörte ich die ziemlich erboste Stimme von General O’Neill durch den Lautsprecher und ich wurde noch einen Kopf kleiner. Ich hatte wirklichen Mist gebaut. Ich war froh, dass Daniel für mich antwortete und ich nicht selbst mit O’Neill sprechen musste, mir traten auch so schon Tränen in die Augen. Doch die Tränen trockneten vor lauter Schock, als ich plötzlich aus dem Gespräch zwischen O’Neill und Daniel heraushörte, dass es nicht nur um ein Wraith-Schiff ging.  Es waren gleich zwei. Anscheinend waren aber auch einige Schiffe der Luzianer heimlich mitgereist und nahmen nun Kurs auf Gan Eden.

„Wir werden alles tun, was wir können. Nach unserem Wissen dürften sie die Städte nicht sehen können“, sagte Daniel, aber da konnten wir uns nicht sicher sein. Wir konnten uns nicht darauf verlassen. In der Hoffnung, wenigstens meinen Fehler wieder geradebiegen zu können, ging ich also zur nächsten Konsole und suchte nach der Kontrolle für die Waffensysteme, doch die Konsole war blockiert. Ich konnte sie nicht bedienen und sicherlich konnte es dann auch niemand anderes.

„Kabil hat die Systeme blockiert!“, rief ich Daniel zu, der immer noch mit General O’Neill diskutierte, was nun gemacht werden solle. Der war natürlich nicht sonderlich erfreut darüber, dass wir hier einen waschechten, ziemlich unkooperativen alten Antiker bei uns hatten, der uns beinahe handlungsunfähig machte. Er hatte einige unschöne Namen für ihn und ich hoffte wirklich inständig, dass Kabil nicht wusste, was O’Neill da meinte, sonst hätte er Atlantis wahrscheinlich selbst abgeschossen.

Und da kam mir die Idee. Wenn wir nicht die Kontrolle hatten, dann mussten wir zu demjenigen gehen, der sie hatte und ihn dazu bringen, uns zu helfen. Ich musste ihn dazu bringen. Ich hatte den Fehler gemacht, ich musste eine Lösung finden. Ich hatte gehört, wie gefährlich Kabil anscheinend war und mir war nicht gerade wohl bei der ganzen Sache, aber es gab keinen anderen Weg. Ich musste es alleine machen. vielleicht konnte ich alleine seinen Kräften zumindest etwas standhalten und er würde mich reden lassen, einfach weil er merkte, dass ich selbst in gewisser Weise eine Antikerin war.

Die Gefahr, dass er angreifen würde, wenn noch jemand anderes dabei war, dass er vielleicht denken würde, es sei eine Falle, war zu groß. Ich versuchte mich also in einem Moment, in dem die Erwachsenen lauthals untereinander diskutierten, davon zu schleichen. Leider waren Simon und Philipp nicht so blind und auf halbem Weg zu den Archiven holten sie mich ein.

„Ihr müsst wieder gehen!“, sagte ich den beiden.

„Was du vorhast, ist Wahnsinn, Maggie“, protestierte Philipp und das erste Mal hörte er sich an wie sein Vater.

„Meinst du, das weiß ich nicht? Aber was für eine Möglichkeit bleibt uns?“, fragte ich und die beiden Jungs gaben mir keine Antwort, was für mich Antwort genug war. Ich hatte also Recht, es gab keine bessere Lösung als das, auch wenn die Angst in mir daher nur noch mehr anstieg. Ich bat sie noch einmal zu gehen, doch sie bestanden immer noch darauf, mich zu begleiten. Sie waren der Meinung, dass auch sie, mit dem Antiker-Gen ausgestattet und dazu Kinder, mit Kabil reden konnten, dass wir zu dritt eine bessere Chance hatten.

„Bei dem kleinsten Anzeichen verschwindet ihr, verstanden?“, sagte ich und klang wie mein Vater. Es war schon komisch, wie solche Situationen einem vor Augen führten, wie ähnlich man seinen Eltern doch war, wenn man in die gleichen Situationen kam. Philipp und Simon nickten nur. Erst dann fiel mir auf, dass Torren nicht bei uns war. Wir hatten ständig den mentalen Kontakt zueinander aufrecht erhalten, weshalb ich seine Abwesenheit gar nicht wirklich bemerkt hatte, doch jetzt war es auf einmal furchtbar still in meinem Kopf. Seine Gedanken vermischten sich nicht mehr mit meinen und wenn ich genau darüber nachdachte, war das schon nicht mehr so, seit die fremden Schiffe auf dem Radar aufgetaucht waren.

Als ich Philipp und Simon nach ihm fragte, zuckten die beiden nur mit den Schultern, sie hatten ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Ich versuchte noch einmal, den Kontakt zu ihm aufzunehmen, doch es war, als prallte mein Ruf an einer Mauer ab, als wäre auf einmal eine Barriere zwischen uns, die ich nicht überwinden konnte. Ich schrie ihn an, verfluchte ihn, doch ich bemerkte keine Reaktion, rein gar nichts.

„Maggie, ich glaube, weiter kommen wir nicht“, riss mich Simon aus meinen mentalen Tiraden gegen Torren. Ich sah ihn  fragend an, denn ich konnte beim besten Willen nicht sehen, was er meinte, doch dann, als mein Kopf nach einigen Sekunden wieder komplett bei der Sache war, konnte ich auch sehen, was er meinte. Genau vor uns lag ein gespaltener Stein. Die eine Hälfte lag direkt vor uns, sauber abgeschnitten wie von einem Laser, die andere lag einige Zentimeter weiter weg, ebenfalls mit einer glatten Schnittstelle.

„Ein Energieschild“, schloss ich aus dem, was ich sah und was ich wusste. Wenn Kabil tatsächlich ein aufgestiegener Antiker war, dann hatte er die Möglichkeit, so etwas zu machen und dann war es für uns ziemlich gefährlich, auch nur zu versuchen, diesen Schild zu durchbrechen. Ich bückte mich also, hob die eine Steinhälfte auf und warf sie nach vorne. Ungefähr 10 Meter weiter prallte sie ab. Das Energieschild begann zu schimmern und wir konnten das Ausmaß erkennen. Der Schild hatte einen Durchmesser von mindestens 50 Metern und war direkt über das Archiv gelegt worden.

„Und wie wollen wir jetzt an Kabil herankommen, um mit ihm zu reden?“

„Ich lasse mir etwas einfallen.“


                                                                             Fortsetzung folgt …

 

 

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