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Kapitel 45

 

Abschied

 

 

 

Tränen rannen meine Wangen hinunter, als ich die Triebwerke der Tria startete und einen letzten Blick auf den Planeten warf, auf dem ich die letzten Monate gelebt hatte. Es war ein Abschied für immer, das wusste ich. Es wurde so entschieden, weil die Bedrohungen, die in der Pegasus-Galaxie auf uns warteten, einfach zu groß geworden waren, weil es so verschiedene und verhängnisvolle Dinge waren, dass wir sie niemals würden bewältigen können. Alles was ich noch hoffen konnte, war die Stadt, die im Moment noch auf dem großen Meer des Planeten schwamm, bald wieder zu sehen und sie vielleicht irgendwann wieder meine Heimat nennen zu können, auf einem anderen Planeten, in einer anderen Galaxie.

 

Ich hielt den Anhänger der Kette meiner Mutter fest in der einen Hand, während ich dann endgültig die Knöpfe drückte, die uns in die Andromeda-Galaxie bringen würden. Aufgrund der enormen Größe der Stasisschiffe der Novaner konnten wir allerdings nicht so schnell reisen, wie es das erste Mal mit der Tria gelungen war. Dieses Mal würden wir eine ganze Woche brauchen und wahrscheinlich würde die Tria das einzige Schiff sein, dessen Antriebe danach noch brauchbar waren. Aber es war das Risiko wert gewesen. Ratsmitglied Halkon, der Oberste des Rates der Novaner, hatte beschlossen, dass auch sie dem Ruf einer neuen Heimat folgen würden. Sie würden zusammen mit uns auf Gan Eden leben in einer vereinten Zivilisation.

 

Sobald wir den Planeten erreicht hatten und gelandet waren, würden die Stasisschiffe ihre kostbare Fracht entlassen und zehn Millionen Menschen, die ursprünglich von der Crew der Destiny, also Menschen von der Erde, abstammten, würden aus einem Schlaf erwachen, der Jahrzehnte angedauert hatte. Zusammen mit den Menschen, die wir von der Erde hatten evakuieren können und den Besatzungen der einzelnen Schiffe, würden wir zumindest die Hauptstadt, in deren Außenbezirken sich der Außenposten  befunden hatte, bewohnen können. Sicherlich war damit noch ein großer Teil des Planeten unbewohnt und unerforscht, aber wir würden den Rest unseres Lebens dort verbringen. Wir würden dort alt werden und selbst Kinder bekommen, die sich dann immer weiter auf dem Planeten verbreiten konnten. Außerdem gab es einige gespaltene Lager, die sich auf die einzelnen Städte des Planeten verteilen konnten, so würde man vielleicht sogar für einige Zeit Streitigkeiten vermeiden können.

 

„Es war die richtige Entscheidung, den anderen nichts zu sagen“, hörte ich Torrens Stimme in meinem Kopf.  Und ich sah ihn an einer Wand der Brücke lehnen. Er hatte Recht, aber die Zweifel gingen mir dennoch nicht aus dem Kopf.  Was würde sein, wenn niemand Gan Eden als neue Heimat akzeptierte, wenn sie alle nicht verstanden, dass es keine andere Möglichkeit gab? Selbst auf dem Festland bei Atlantis hatte es schwere Kämpfe gegeben, in der Zeit, in der Torren und ich bei Michael gewesen waren, war sogar eine Art kleiner Bürgerkrieg ausgebrochen. der nur mit Waffengewalt hatte beendet werden können.

 

„Wir sind eine selbstzerstörerische Rasse, Torren“, bemerkte ich und er kam näher zu mir. Am liebsten hätte ich mich in seine Arme geschmissen und einfach alles vergessen, was passiert war, was passieren konnte, aber hier war nicht der richtige Zeitpunkt. „Wenn wir keinen richtigen Grund zum kämpfen haben, gegen einen Feind wie die Wraith, dann greifen wir uns gegenseitig an. Töten Menschen, die genauso sind wie wir.“

 

„Daran wirst du aber nichts ändern können, Maggie“, seine Gedanken waren ruhig und sortiert und ich wusste nicht, ob er es durch die Kultur seiner Mutter gewohnt war, aber er schien sich mit dem Heimatwechsel schneller abgefunden zu haben als ich. Und dann nahm er zu meinem Erstaunen meine Hand in seine und drückte sie leicht. „Die anderen wissen es eh schon. Ich weiß nicht wie, aber sie haben es rausgefunden“, sagte er mit einem leichten Grinsen.

 

„Dann haben wir also dein Image zerstört“, scherzte ich eher halbherzig.

 

„Ich glaube, das ist schon vor einiger Zeit passiert“, bemerkte er etwas kleinlaut und ich sah ihn fragend an. Ich fragte mich, was dort wohl passiert war, doch ich spürte, dass ich von Torren keine Antwort darauf erwarten konnte. Stattdessen zuckte er nur mit den Schultern und grinste mich wieder schief an. Dieses Grinsen musste er sich einfach bei meinem Vater abgeguckt haben, eine andere Möglichkeit gab es nicht, dazu waren sich die beiden Mimiken viel zu ähnlich. Ich fragte mich nur, ob er dieses Grinsen schon hatte, bevor ich nach Atlantis kam, oder ob er es erst danach angenommen hatte. um eine Reaktion aus mir herauszulocken.

 

Am Anfang hatte es sicherlich eine andere Wirkung auf mich gehabt, als er gewollte hatte, denn durch meine Abneigung gegen meinen Vater hatte ich durch dieses ähnliche Grinsen auch direkt eine Abneigung gegen Torren gehabt, ohne ihn überhaupt richtig zu kennen. Vielleicht war ja gar nicht er das Problem gewesen. Vielleicht hatte er einfach nur auf meine Haltung reagiert. Vielleicht war er nie arrogant und selbstsicher gewesen, zumindest nicht in dem Maße, wie ich es ihm unterstellt hatte. Das hatte ich aber erst mitbekommen, als ich auch merkte, dass mein Vater ein gänzlich anderer Mensch war.

 

Ich erinnerte mich daran, was Teyla mir am Anfang erzählt hatte, als ich gerade auf Atlantis angekommen war. Nachdem Torrens Vater Kanaan bei einem Angriff der Wraith getötet wurde, hatte mein Vater alles daran gesetzt, dem gerade einmal 2 Jahre alten Torren seinen Vater zu ersetzen und mit den Jahren war es tatsächlich so geworden. Teyla hatte mir eigentlich damit sagen wollen, dass mein Vater niemals sein eigenes Kind verstoßen hätte, nicht, wenn er sich so rührend um ein fremdes gekümmert hatte. Ich erkannte darin jedoch den Grund, warum ich mich so zu Torren hingezogen fühlte.  War es nicht meistens so, dass Mädchen oder Frauen sich zum gleichen Typ Mann hingezogen fühlten, wie ihr Vater einer war? Dass diese Männer meistens viele Eigenschaften mit den Vätern teilten? Anscheinend war das auch so, wenn man den Vater noch gar nicht so lange kannte.

 

„Maggie, Atlantis hat eine Nachricht geschickt“, informierte mich Chloe vorsichtig. Ich war der Meinung gewesen, dass sie und Eli auf jeden Fall hier auf die Brücke der Tria gehörten. Wir hatten Gan Eden zusammen entdeckt und die beiden waren immer freundlich zu mir gewesen. Außerdem hatten beide dasselbe Problem wie ich, sie hatten wichtige Menschen auf Atlantis oder der Securor zurück gelassen, um sich selbst und ihre Kinder in Sicherheit zu bringen.

 

Wir brechen nun auf und werden uns melden, sobald die Mission abgeschlossen ist. Viel Glück!

 

Eine kleine Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus, eine Vorahnung oder einfacher Pessimismus, ich wusste es nicht. Die Chancen standen zu hoch, dass sie ihr Versprechen, sich nach Ende der Mission zu melden, nicht würden einhalten können.  Die Wraith waren nun, wenn die Berichte, die man mir gezeigt hatte, stimmten, mit voller Stärke auf dem Weg in die Milchstraße. Sie hatten einige Tage Vorsprung und sie waren deutlich stärker als die anderen Völker. General O’Neill hatte gesagt, dass sogar die Tok’ra – die ganze Sache mit den Goa’uld und diesen Tok‘ra hatte ich immer noch nicht so ganz verstanden – nicht gegen die Wraith ankommen würden.

 

Und dann war da natürlich noch diese Luzianer Allianz. Bevor die Crew der Destiny zu uns gestoßen war, hatte ich nur ein oder zwei Mal etwas von dieser Luzianer Allianz gehört. Sie hatten wohl immer wieder Anschläge auf das Stargatecenter und andere Einrichtungen gestartet, die etwas mit dem Stargate zu tun gehabt hatten, und sie waren für den Tod meiner Mutter verantwortlich gewesen. Die Destiny-Crew hatte dann von weiteren Gräueltaten der Luzianer erzählt. Manche von ihnen hatten sich gut in die Crew integriert, andere hatten es nie versucht und diese anderen hatten eine Menge angestellt. So viel, dass man sie irgendwann auf einem bewohnbaren Planeten abgesetzt hatte, auf dem sie würden überleben können. Diejenigen unter ihnen, die sich eingegliedert hatten, durften bleiben, doch bis heute vertraute man ihnen nicht bedingungslos.

 

Ich musste wieder an meine Mutter denken und an die Angst, die sie gehabt hatte, dass sie hinter mir her sein könnten. Ihre Angst war so groß gewesen, dass sie unzählige Einschnitte in unser Leben gemacht hatte und langsam konnte ich diese Angst verstehen, konnte verstehen, dass all der Kummer, den ich wegen ihrer Verbote gehabt hatte, nur meinem Schutz gedient hatte. Sie hatte mich wirklich geliebt, mehr als alles andere, mehr als ihr eigenes Leben, das sie dann schlussendlich für mich gegeben hatte.

 

Ich erinnerte mich noch genau an das Gesicht des Mannes, der sie umgebracht hatte und auch wenn es unmöglich war, schwor ich mir, dass, wenn ich ihn unter den Luzianern der Destiny finden würde, er dafür bezahlen würde, was er meiner Mutter und mir angetan hatte. Er würde nicht schnell durch einen Messerstich sterben, das war klar. Er würde leiden müssen. Ich merkte selbst, wie brutal und überaus böse das klang und sicher war das nicht der richtige Weg und trauen würde ich mich das schon dreimal nicht, aber es war ein Gedanke, der auf jeden Fall in meinem Kopf herumgeisterte. Ein Gedanke, der mich wahrscheinlich nicht mehr loslassen würde.

 

Meine Mutter war alles gewesen, was ich gehabt hatte, und auch wenn mir ihr Tod eine vollkommen neue Welt eröffnet hatte, hätte ich diese Welt sofort aufgegeben, nur um sie wieder bei mir zu haben, um noch einmal zu hören, wie sie lachte oder noch einmal von ihr umarmt zu werden, ein einziges Mal.

 

Ich würde in dieser neuen Welt ganz alleine sein. Ich würde alleine dastehen und es gab niemanden, der mich leiten würde. Ich war gerade einmal siebzehn. Und auch wenn ich vorher immer gedacht hatte, mit siebzehn würde ich schon beinahe erwachsen sein und meine eigenen Entscheidungen treffen können, merkte ich jetzt mehr denn je, dass ich alles andere als erwachsen war.

 

Verloren sah ich mich auf der Brücke um. Hier waren so viele Leute, so viele Fremde, die ich kaum kannte. Sie würden zwar hunderte Vorschläge haben, was ich am besten tun sollte, aber ob es wirklich das Beste für die Person, die ich war, die ich sein wollte, war, das wussten sie nicht. Sie konnten es auch nicht wissen, denn ich wollte die Person sein, zu der meine Eltern mich gemacht hätten und ohne sie, ohne diese beiden Menschen war ich einfach nur … unfertig.

 

Wie ein Buch, das ein Autor zwar zu schreiben begonnen hatte, dann aber aus irgendeinem Grund nicht beenden konnte. Einige Kapitel waren geschrieben, die Anfänge erklärt, die ersten Tragödien ans Licht gekommen, doch während des spannenden Teils, des Teils, in dem in Märchen die Prinzessin endlich ihren Prinzen auf dem weißen Ross fand und die böse Königin besiegte, des Teils, in dem das Happy End begann, fehlten die letzten Seiten.

 

„Hey“, störte Torren mich dann in meinem ziemlich düsteren Gedankengang. Wahrscheinlich hatte er zumindest teilweise mitbekommen, wie sehr meine Gedanken doch abgedriftet waren. „Du hast das Schiff gestartet, ich denke, die anderen kommen jetzt ohne dich klar. Du solltest etwas essen.“

 

In meinem Kopf sagte er jedoch, „Manche Bücher lassen das Ende offen, damit man sich sein eigenes Urteil bilden kann, damit man die Geschichte selbst beendet, sich das Ende ausdenkt, dass man am liebsten hätte.“  

 

„Aber warum muss es auf so eine Weise geschehen? Warum kann man nicht einfach nur alternative Wege aufzeichnen?“ Ich war wirklich verzweifelter, als ich dachte und wahrscheinlich erschien ich allen gerade wie ein einfältiges Kleinkind, daher konnte ich nicht verhindern, dass mein Blick beschämt auf den Boden sank.

 

„Weil es nicht der eigene wäre. Es wäre nicht die eigene Idee und das Herz würde nicht folgen.“ Er nahm mein Kinn in seine Hand und hob es leicht an, dass ich ihm in die Augen sehen musste.

 

„Ich habe zwar kein weißes Ross, aber da ich das erstgeborene Kind auf Atlantis war, kannst du mich gerne Prinz Torren nennen“, scherzte er und er lächelte mich erwartungsvoll an.

 

Als ich versuchte, leicht lächelnd zu nicken, spürte ich die leichte Salzkruste auf meinen Wangen, die unter der Bewegung der Muskeln leicht spannte. „Darauf kannst du lange warten“, erwiderte ich und wir beide mussten unweigerlich lachen.  Aber vielleicht hatte er Recht, vielleicht konnte ich mich nicht darauf verlassen, dass andere das Happy-End schrieben, vielleicht musste ich einfach an der Stelle weiterschreiben, an der jemand anderes damit aufgehört hatte, zumindest, bis mein Vater wieder zurück war und mir helfen konnte, wenn ein Abschnitt mir schwer von der Hand fallen würde.

 

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