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Kapitel 34

 

Sicherheit?

 

 

 

Glücklicherweise hatte Jennifer Recht behalten und die Naniten, die anscheinend tatsächlich in meinem Blut gewesen waren, schalteten sich von alleine wieder ab und zersetzten sich in meinem Blut, was aber ungefährlich war. Auch mit dem Rest hatten sie Recht. Sobald man mir die Fesseln gelöst hatte, bemerkte ich, wie viel agiler ich mich fühlte und natürlich war mir aufgefallen, dass ich auf einmal genauso groß war wie mein Vater.

Auch während der Kampfstunden wurde deutlich, dass ich mich verändert hatte. Ich hatte eine bessere Kondition und schaffte es sogar, das ein oder andere Mal einen Angriff zu starten anstatt, wie sonst, nur zu parieren. Auch wenn ich noch nicht in der Lage war, jemanden tatsächlich in Bedrängnis zu bringen, war ich schon ziemlich erfreut über diese Entwicklung.

Meine Ohren hatten sich allerdings noch nicht gebessert und laut Jennifer würde das auch noch eine Weile dauern, immerhin war mein Trommelfell regelrecht zerfetzt gewesen und alle wunderten sich, dass ich überhaupt gerade stehen konnte, denn normalerweise müsste ich unglaublichen Schwindel empfinden, doch das war nicht der Fall.

Das Einzige, was mich zum Wahnsinn brachte, war die Tatsache, dass ich immer noch Torrens Stimme in meinen Kopf hörte und es nicht kontrollieren konnte, im Gegensatz zu ihm. Und dass er wieder so arrogant war wie immer. Nichts mehr war von dem Torren zu sehen, der mit mir zusammen gefangen gewesen war und manchmal reizte es mich schon sehr, allen zu erzählen, was dort passiert war, aber ich ließ es bleiben.

Ich ahnte, dass es einen Grund gab, dass diejenigen, die von Torrens Geheimnis wussten, es nicht weiter erzählten. Wahrscheinlich wäre er genauso eingesperrt worden wie Amelia und Melena und dass konnten sie sicherlich nicht wollen. Und solange Torren anscheinend nicht auf einem Wraith-Schiff, oder zumindest in der Nähe dieser Biester war und seine Kontrolle verlor, konnte auch nichts passieren.

Bei mir war es nun egal, ob ich die Kontrolle verlor oder nicht. Seitdem ich in dem Isolationsraum wieder aufgewacht war, hatte ich keine Probleme mehr mit meinem Magnetfeld. Es lag wie ein ziemlich enges Gummi um meinen ganzen Körper und mit der Hilfe von Cassandra schaffte ich es auch immer besser, dieses Gummi in die von mir gewünschte Form zu ziehen und so einzelne Sachen zu kontrollieren.

So schaffte ich es mittlerweile, kleinere Gegenstände von mir weg oder zu mir hin zu bewegen, ich konnte Strom an- und ausschalten, wenn ich es wollte und, und das war das Beste, ich ließ nicht mehr unkontrolliert Sachen explodieren, wenn ich mich aufregte. So konnte ich in Atlantis nun auch wieder vollkommen uneingeschränkt herumlaufen. Doch in den letzen Wochen, wie man mir gesagt hatte, war ich nämlich mittlerweile mehr als vier Wochen weg gewesen, hatte sich eine Menge verändert. Die Stadt war wieder leerer geworden. Das lag daran, dass nun neue Vorräte und Baustoffe von der Erde hier angekommen waren und nun viele der Zivilisten, die hier gelebt hatten, aufs Festland gebracht wurden, zusammen mit den restlichen Überlebenden der Erde. Hier auf Atlantis waren nur noch Militärs und eine Menge Wissenschaftler, und natürlich wir Kinder.

Doch laut den Erwachsenen gab es auch mit der wachsenden Anzahl von Bewohnern auf dem Festland mehr Probleme. Natürlich wollte jeder selbst entscheiden und das nicht nur für sich, sondern auch für alle anderen. Die geretteten Politiker waren natürlich am schlimmsten. Sie waren der Meinung, da sie auf der Erde Politiker gewesen waren, hätten sie auch hier die meiste Gewalt, aber sie hatten schnell feststellen müssen, dass das nicht mehr funktionierte. Es hatte sogar einige Kämpfe gegeben, die das Militär hatte unterbinden müssen. Mittlerweile waren einzelne kleine Dörfer errichtet worden, in der sich die einzelnen Gesinnungsrichtungen versammelten. Jedes Dorf hatte seinen gewählten Sprecher und diese trafen sich täglich auf einem neutralen Gebiet an der Küste.

Dort waren mein Vater und sein Team auch gewesen, als sie von General O’Neill die Nachricht erhalten hatten, dass man einen Hinweis bekommen hatte, wo wir uns aufhielten. Eine Raumpatrouille eines Verbündeten hatte das Signal unseres Jumpers aufgeschnappt, während Michael uns anscheinend in einem alten Bunker eingesperrt hatte.  Nach einigen Observationen war das Team von meinem Vater zusammen mit zwei weiteren Teams als Unterstützung zu dem Planeten aufgebrochen. General O’Neill flog derweil mit der gerade angekommenen Daedalus direkt zu dem Planeten, um eine mögliche Flucht Michaels zu verhindern. Während Michael dann mich mit sich nahm, schaffte mein Vater es, Torren zu befreien.

Michael hingegen flog direkt in General O’Neills Arme und ich schaffte es dann, ihn zu überwältigen. Laut meinem Vater war Michael jedoch nicht ganz freiwillig in die Arme der Daedalus geflogen. Anscheinend hatte der Jumper dort schon intuitiv gehandelt. Als wir eingestiegen waren, hatten seine Systeme erkannt, dass ich schwerkrank war und hatten Michaels Befehle soweit übergangen, wie sie nicht mit dem Ziel, mich zu retten, übereinstimmten.

Als er dann seine Energie in mich transferiert hatte, hatte ich es geschafft, Michael das Bewusstsein zu nehmen und während ich selbst ebenfalls bewusstlos im Cockpit gewesen war, hatte das Schiff anscheinend selbiges abgeschottet und die Laderampe geöffnet. Michael war nun also endgültig erledigt und es gab niemanden, der ihm hinterhertrauerte. Mein Vater ärgerte sich nur, dass er diesen ‚Mistkerl‘ nicht selbst hatte umlegen können, nach allem, was er mir angetan hatte.

Aber selbst wenn sich alle freuten, dass Torren und ich wieder da waren, konnten auch wir eine Standpauke nicht vermeiden. Immerhin waren wir einfach abgehauen, hatten einen Jumper geklaut und einfach Befehle ignoriert. Im Nachhinein hatten wir alles schlimmer gemacht anstatt es zu verbessern.  Da aber alle einfach nur froh waren, dass wir wieder zu Hause waren, fiel unsere Standpauke sicherlich angenehmer aus als die der anderen. Simon hatte wohl zwei ganze Wochen nicht mehr in sein Labor gedurft, was für ihn eine Strafe war, wie für andere Fernsehverbot. Aber keiner von ihnen hatte sich beschwert, denn sie wussten, dass es gerechtfertigt war.

Auch Torren und ich hatten eine Strafe aufgebrummt bekommen, doch das Schlimmste daran war wohl, dass wir sie auch zusammen erledigen mussten. Der Jumper, den wir entführt hatten, musste komplett gereinigt werden, jede noch so kleine Fuge.

„Warum bist du hier so anders?“, fragte ich genervt, als er wieder einmal einen ziemlich blöden Spruch losgelassen hatte. Natürlich behauptete er, dass das nicht der Fall war, aber ich war ja schließlich nicht dumm oder blind. „Weißt du, als wir bei Michael waren, da dachte ich wirklich, in dir steckt doch noch ein netter Kerl, jemand, den ich mögen könnte, aber hier? Hier bist du einfach nur wieder der Arsch, der du schon vorher warst!“ Und mit diesen Worten verschwand ich und ließ Torren alleine im Jumper zurück.

Doch natürlich ließ er das nicht auf sich sitzen und er folgte mir. Ich war gerade einmal bis zur Tür des Jumperhangars gekommen, da packte er mich am Arm und zog mich zurück.

„Was willst du?“, fauchte ich ihn regelrecht an und meine Augen mussten ziemlich funkeln. Ich merkte, wie er einen kurzen Moment zuckte, wahrscheinlich in Erwartung eines Stromschlages, weil ich wütend wurde. Er wusste ja nicht, dass ich mich mittlerweile unter Kontrolle hatte. Doch als er merkte, dass nichts kam und ich hatte sicher mit allem anderen gerechnet als dem, zog er mich zu sich und presste seine Lippen so hart auf meine, dass ich schon aus purem Reflex meine Hand hob und ihm eine Ohrfeige verpasste. Doch in dem kleinen Augenblick, in dem meine Hand zu seinem Gesicht wanderte, merkte ich, dass es in mir drin zu kribbeln begann. Die wilde Art, wie er mich küsste, war etwas vollkommen anderes.

Ich konnte meine Hand jedoch nicht mehr zurückziehen und so prallte sie ungehindert auf seine Wange oder zumindest hätte sie das getan, wenn er sie nicht geistesgegenwärtig mit seiner eigenen Hand abgefangen hätte. Seit einigen Wochen war ich einmal mehr innerlich in zwei Lager geteilt. Der eine Teil, der gegen das ankämpfte, was nun passierte und der andere, der nur zu gern noch weiter gegangen wäre. So war meine Gegenwehr, als er mich gegen die Wand des Hangars drückte, eher spärlich. Er hatte immer noch mein eines Handgelenk in seiner Hand, mit der anderen drückte er mich gegen sich.

Unser Kuss brach nicht ein einziges Mal und mittlerweile hatten wir unsere beiden Münder geöffnet und unsere Zungen fochten miteinander, als ginge es um Leben und Tod. Ich hatte das Gefühl, vollkommen außer Atem zu sein und trotzdem keine Luft zu brauchen.

Doch dann wurden wir plötzlich unterbrochen, denn die Lichter wurden gedimmt und selbst mit meinem kaputten Trommelfell hörte ich, dass der Alarm ausgelöst worden war. Ohne weiter über das zu sprechen, was gerade passiert war, rannten wir aus dem Hangar und in die Ankunftshalle. Auch hier war bereits alles dunkel und die Alarmleuchten blinkten immer wieder auf. Als ich nach oben auf die Kontrollebene sah, merkte ich, wie hektisch alle waren. Auch mein Vater und alle anderen wichtigen Personen hier auf Atlantis waren schon hier.

„Ich werde mal sehen, was los ist“, sagte Torren und daran, dass, als er ging und meine Hand erst mitgezogen wurde und dann herunterfiel, merkte ich, dass ich wohl seine Hand festgehalten hatte. Ich stand einfach nur vor der Tür zum Hangar und sah nach oben, ohne bemerkt zu werden. Man hatte jetzt andere Sachen zu tun, als sich auf mich zu konzentrieren.

„Eine ganze Flotte der Wraith ist in diesem System aufgetaucht“, informierte mich Torren, während ich oben sah, wie er mit einigen der Erwachsenen wild diskutierte. „Sie wissen, dass wir hier sind. Michael hat es anscheinend herausgefunden und sie informiert, bevor er gestorben ist.“ Ich schloss die Augen. Das konnte doch nicht wahr sein. Wie hatte das passieren können?  Was sollten wir jetzt tun?  Wir konnten doch nicht so einfach aufgeben und die Wraith einfach kommen lassen? Atlantis konnte sich vor den Augen der Wraith schützen, aber was war mit den Zivilisten auf dem Festland? Sie konnten nicht so einfach gerettet werden.

Mittlerweile befanden sich beinahe 100.000 Menschen auf dem Festland und es war geplant, noch weitere von der Erde herzubringen, wenn die Daedalus und die anderen Schiffe erst einmal gewartet und die Vorräte aufgefrischt worden waren. Doch wenn die Wraith jetzt kamen, dann gab es keine Hoffnung mehr. Sie würden das Festland genauso zerstören wie die Erde und niemand würde dort mehr leben können. Wahrscheinlich blieb auch keine Zeit mehr, 100.000 Menschen hier nach Atlantis zu bringen und durch das Tor auf einen anderen Planeten zu evakuieren.

Es war schrecklich, dass ich nicht genau mitbekam, was geredet wurde. Ich sah nur, wie alle wild diskutierten. Dann sah ich, wie mein Vater zu mir zeigte und etwas gereizt mit Torren sprach. Der nickte nur, sah aber nicht glücklich aus. Er sagte noch etwas zu meinem Vater, aber es war offensichtlich etwas, das mein Vater schon wusste und was ihm nicht gefiel. Er sah mich mit einem undefinierbaren Blick an, während Torren wieder heruntergerannt kam.

Ohne ein Wort zu sagen, zog er mich mit sich zurück in den Hangar und in den Jumper. Als er dann auch noch die Laderampe schloss, wurde ich noch unruhiger. “Torren, was machst du da?“ Die Frage war eher rhetorisch gemeint, denn ich ahnte schon, was er machte.

“Ich bringe dich hier weg“, antwortete er knapp und ziemlich wütend.

“Und wie willst du das machen?“ Meine Stimme klang mittlerweile wieder einige Oktaven höher als gewöhnlich. “Du kannst den Jumper doch gar nicht fliegen“, erwähnte ich etwas gereizt. Ich wollte hier sicherlich nicht weg. Die Antwort, wie wir hier weg kommen würden, kam jedoch ziemlich schnell, als Torren die Laderampe wieder öffnete und auf einmal alle Kinder von Atlantis im Jumper standen. Selbst die kleine Melena hatten sie herbringen lassen. Direkt setzte sich Philipp ans Steuer und aktivierte die Kommunikation mit der Kontrollzentrale.

Natürlich konnte ich nur erahnen, was gesagt wurde. Aber das Brummen in meinen Ohren und die betrübten Gesichter der anderen, die weinende Joey und die ziemlich unsicher aussehende Melena ließen mich erahnen, dass es eine Art Abschiedsgruß war.

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