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Kapitel 21

 

Neue Freunde

 

 

 

 

„Danke für deinen hinterhältigen Rückzug Kev“, murmelte ich etwas griesgrämig, als ich meinen Freund aus Kindertagen an einem Tisch in der Kantine ausgemacht hatte. Er sah mit einem breiten Grinsen von seinem Essen auf und bedeutete mir, mich auf den Platz neben ihm zu setzen. Ich nickte ihm zu, aber ich musste mir zuerst noch etwas zu essen holen, immerhin hatte mein Magen nun schon seit einigen Stunden unaufhörlich mitgeteilt, dass er mehr als leer war.

 

Ich hatte in den letzten Stunden eher weniger an Essen denken können, immerhin hatte ich unwissentlich und unabsichtlich einen Teil der Stadt zerstört und dabei insgesamt drei Menschen leicht verletzt, die nun mit Verbrennungen in der Krankenstation lagen. Nachdem ich es geschafft hatte, mich mehr oder weniger zu beruhigen, hatten mein Vater und Kevins Mutter mich wieder in die Krankenstation gebracht.

 

Natürlich hatte ich mich erst einmal bei den armen Männern entschuldigt, die meinetwegen verletzt wurden, aber mein Vater hatte es mehr als deutlich gemacht, dass sie es selbst schuld waren, weil sie einen direkten Befehl missachtet hatten, nämlich den, den Pier zu räumen. Ich konnte ihn jedoch davon abhalten, ihnen deswegen auch noch Schwierigkeiten zu machen, immerhin waren ihre Verletzungen schon Strafe genug.

 

„Du bist wirklich wie deine Mutter“, hatte er daraufhin gesagt und so sehr mich die Erinnerung an sie auch schmerzte, ich kam nicht umhin, mich etwas geschmeichelt zu fühlen, war sie doch immer mein Vorbild gewesen, jemand, zu dem ich aufgesehen hatte und der meine Vorstellung geprägt hatte, wie ich später selbst einmal werden wollte.

 

Dann hatte sich Dr. McKay, die mich nun bat, sie einfach Jennifer zu nennen, versichert, dass ich mich tatsächlich wieder mehr oder weniger beruhigt hatte. Sie erklärte mir, dass ihr Mann und Dr. Zelenka in der letzte Stunde an einem kleinen Schutzschild gearbeitet hatten, welches nun über der Krankenstation lag. Es würde mein Magnetfeld davon abhalten, irgendetwas außerhalb des Raumes zu beeinflussen, zumindest wenn ich einigermaßen ruhig blieb. Dieses Feld hatte auch schon um mein Quartier existiert, aber nur, weil direkt unter uns Ronons Familie ihr Quartier hatte.

 

Danach hatte man mich an eines dieser komischen Geräte angeschlossen, an denen man aussah wie Frankensteins Monster höchstpersönlich. Kevins Mutter hatte beinahe 2 Stunden vergeblich versucht, mir einige Entspannungsübungen beizubringen, während sie und Jennifer meine Gehirnströme und das elektromagnetische Feld um mich herum im Auge behalten hatten.

 

Immer wieder hatten sie mir versichert, dass ich keine Angst haben musste, dass, wenn ich dieses Feld kontrollieren konnte, keine Gefahr für mich oder andere bestand. Aber ich hatte mich nicht vollkommen beruhigen können. Und wie sollte ich auch? So viel war in den letzten 2 Monaten passiert, so vieles davon konnte ich noch nicht mal begreifen. Was mir jedoch am meisten Angst machte, war die Tatsache, dass anscheinend einige Leute meine Mutter wegen meines komischen Gens verfolgt hatten.

 

Dieses komische Gen hatte in der bereits ziemlich chaotischen Stadt noch mehr Chaos gestiftet und hatte einige Systeme zu Fehlfunktionen oder Komplettausfällen geführt. So hatte ich einige Stunden später erfahren, dass einige Einwohner stundenlang eingeschlossen gewesen waren oder das viele mit den Transportern nicht da gelandet waren, wo sie hatten landen wollen.

 

„Willst du dich endlich setzen, oder willst du nur so vor dich hinstarren, Peaches?“, riss mich auf einmal eine Stimme aus meinen Gedanken und einen kurzen Moment wünschte ich mir, dass mein Magnetfeld diesen Einfallspinsel einfach durch die Luft schweben lassen könnte. Leider hatte ich es tatsächlich noch nicht unter Kontrolle und nichts passierte, was ihm sein selbstgefälliges Grinsen hätte aus dem Gesicht löschen lassen können.

 

„Peaches?“, fragte Kevin und unterdrückte ein Glucksen, als er mich ansah und bemerkte, dass ich anscheinend alles andere als begeistert von diesem Spitznamen war. Aber ich sagte nichts, sondern biss einfach nur in das Brot, das ich in der Hand hielt.

 

„Und, wo wart ihr in den letzten Stunden gefangen?“, fragte Torren dann niemand speziellen. Ich hielt mich an mein Schweigen, Kevin jedoch, der anscheinend ziemlich beeindruckt von Torren war, plapperte nur so darauf los. Ich war froh, dass er nicht wusste, dass ich für das alles verantwortlich war. Ich wollte wirklich nicht, dass es irgendjemand erfuhr.

 

„Da hast du aber ganz schön für Trouble gesorgt, Maggie!“, kam dann auf einmal Phillip dazu und zerstörte meine Hoffnung. In diesem Moment hätte ich auch ihn am liebsten durch den Raum geschleudert, aber auch hier galt wieder das gleiche wie zuvor. Ich würde wirklich schnell lernen müssen, mit diesem Ding umzugehen, vielleicht konnte ich damit doch mehr Spaß haben, als ich anfangs gedacht hatte.

 

„Sei still!“, zischte ich Philipp kurz zu, aber die Worte waren bereits gesagt worden und nun starrten mich zwei Augenpaare verwirrt und gespannt an. Torren interessierte mich nicht sonderlich, aber Kevin. Ich hatte nur sehr selten etwas vor ihm verheimlicht und ich wollte es auch nun eigentlich nicht, aber ich war der Meinung, dass Torren die ganze Sache nichts anging.

 

„Ich weiß nicht wovon du sprichst, Philipp. Ich war in meinem Quartier eingesperrt.“ Ich versuchte, so gleichgültig wie möglich zu klingen und bevor Philipp mir widersprechen konnte, trat ich ihm unter dem Tisch so hart auf den Fuß, dass ihm beinahe Tränen in die Augen stiegen.

 

„Immer ruhig Peaches, wenn du es nicht sagen willst … Mir auch egal“, bemerkte Torren und stand auf einmal auf, während er mir noch einmal zuzwinkerte. Als er von unserem Tisch verschwunden war, atmete ich einmal augenverdrehend aus. Ich konnte diesen Kerl wirklich nicht leiden und verstand auch nicht, wie anscheinend alle anderen so eine hohe Meinung von ihm hatten.

 

„Was hast du gegen Torren?“

 

„Nichts wirksames, noch nicht“, murmelte ich grimmig und sah zu, wie Torren sich zu seiner Mutter, meinem Vater und seinen Freunden setzte. Wenn der Tag gekommen war, da ich dieses Feld wirklich kontrollieren konnte, da würde Torren aufpassen müssen, was er sagte, das war mehr als klar. Bis dahin musste ich wohl einfach die Zähne zusammenbeißen.

 

Ab und zu bemerkte ich die besorgten Blicke meines Vaters und der anderen auf mir, wahrscheinlich versuchten sie abzuschätzen, wie ich mich fühlte. Würden sie nun in der nächsten Zeit immer so sein, sich verhalten, als wäre ich eine tickende Zeitbombe, die jeden Moment hochgehen konnte? Ich hoffte nicht, denn ich wollte wirklich nicht noch mehr Aufmerksamkeit, als ich sowieso schon zu haben schien.

 

„Wisst ihr denn schon, wer euch unterweisen wird?“ fragte Philipp dann nach einer Weile, in der wir einfach nur gegessen hatten. Ich schüttelte den Kopf, das war seit dem Treffen wirklich das Letzte gewesen, was mir Sorgen bereitet hatte. Dennoch war ich Philipp für den Themenwechsel mehr als dankbar.

 

„Nein, kann man das irgendwo rausfinden?“, fragte Kevin dann neugierig. Es war entspannend, dass ich nicht die einzige war, für die einfach alles hier ziemlich neu war, aber Kevin schien weitaus interessierter daran zu sein als ich.

 

„Also ich hab vorhin eine Nachricht bekommen. Habt ihr schon auf eure Tablets gesehen?“ Kaum hatte Philipp ausgesprochen, hatte Kevin auch schon in seiner kleinen Tasche gekramt und sein Tablet lag auf dem Tisch. Ich hatte meins hingegen absichtlich in meinem Quartier gelassen. Ich hatte heute durchaus genug Kontakt mit der Technologie dieser Stadt gehabt und ich wollte nicht das Risiko eingehen, dieses neue Ding kaputt zu machen.

 

„Ich bin morgen früh … direkt bei deinem Vater, Maggie. Antikertechnologie“, sagte Kevin etwas zögerlich, anscheinend wusste er nicht so recht, wie er sich mir gegenüber verhalten sollte, wenn es um meinen Vater ging. Wahrscheinlich hatte er in den letzten Stunden einiges über mein Verhältnis zu ihm gehört.

 

Ich zuckte allerdings nur mit den Schultern. Mir war es egal. Die trotzige Stimme in meinem Kopf hatte vor einigen Stunden aufgehört, mit mir zu sprechen. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als ich realisiert hatte, dass mein Vater wahrscheinlich einer der wenigen Menschen war, die mir in meiner Situation helfen konnten, mal abgesehen von Kevins Mutter.

 

„Ich denke mal, dass ich dann zukünftig auch den Montagmorgen mit meinem Vater verbringen muss“, sagte ich und klang so begeistert, wie es wahrscheinlich jeder Teenager gewesen wäre, der von seinen Eltern unterrichtet werden würde.

 

„Sprache der Antiker haben wir ja alle zusammen, das macht Daniel. Er ist der Beste“, erklärte Philipp dann und ich sah ihn skeptisch an. Er war eindeutig begeistert von der Idee und mehr als überzeugt von Daniels Wissen. Ich fragte mich, ob er diese Euphorie für alle Freunde seiner Eltern hegte und wurde direkt bestätigt, als er weiter berichtete, dass ohne Frage Teal’c eines der Kampftrainings übernehmen würde, während seine Mutter sicherlich jemanden bei Physik unter ihre Fittiche nehmen würde.

 

„Nur Dad hat sich förmlich geweigert. Er wäre der perfekte Lehrer für die Antikertechnologie gewesen.“

 

„Na ja … mal abgesehen davon, dass er alles meist aus Versehen aktiviert und nicht mit Verstand“, kam auf einmal der andere Junge, den ich in dem Treffen gesehen hatte, zu unserem Tisch.

 

„Hi, ich glaube, wir kennen uns noch nicht richtig. Ich bin John, General Mitchells Sohn“, stellte er sich vor, während er einem spielerischen Kinnhaken von Philipp auswich. Ich hatte General Mitchell noch nicht wirklich kennengelernt, aber ich konnte mich an ihn erinnern, wie er bei dem Treffen neben seinem Sohn gesessen hatte. Die beiden sahen sich wirklich ähnlich.

 

„Magret, aber nenn mich ruhig Maggie“, antwortete ich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Langsam konnte ich mich wirklich an den Gedanken gewöhnen, hier auf Atlantis zu bleiben. Denn einmal abgesehen davon, dass er denselben Namen hatte wie mein Vater, war John ziemlich süß.

 

Er war keiner dieser Babyface-Jungen, sondern hatte schon etwas härtere Züge an sich und seine Stimme war auch bereits ziemlich tief, was ich sehr mochte. Es machte einen Mann in meinen Augen attraktiver.

 

„Du bist Sheppards Tochter, nicht wahr?“, fragte er gerade heraus. Anscheinend hatte er kein Problem damit, wie ich vielleicht reagieren würde, wahrscheinlich wusste er noch nicht einmal, dass ich bis vor kurzem noch Probleme damit gehabt hatte, mit meinem Vater in Verbindung gebracht zu werden.

 

„Ja. Wobei ich das noch nicht lange bin“, fügte ich hinzu und bevor er mich fragend ansehen konnte, erklärte Philipp, der John schon ziemlich lange zu kennen schien, seinem Freund, was es mit mir und meinem Vater auf sich hatte. John ließ sich dadurch jedoch nicht beeindrucken, was mich noch mehr für ihn einnahm. Es interessierte ihn nicht sonderlich, wer hier mit wem konnte und mit wem nicht, zumindest kam mir das so vor.

 

„Hey, wie wäre es, wenn du deinen Mund wieder zumachst, Peaches, bevor gleich etwas auf dein Essen tropft“, bemerkte plötzlich Torren wieder, der, wie eigentlich immer, unerwünscht war. Die Jungs lachten einen Moment alle über mich, doch dann wurden sie plötzlich still.

 

In der Tür der Kantine standen auf einmal zwei Mädchen, beziehungsweise junge Frauen. Die eine, da war ich mir sicher, musste Maddison Miller sein, Rodney McKays Nichte, und die andere war eine dunkelhäutige Schönheit. Sie war auch bei dem Treffen gewesen, aber ihren Namen hatte ich bisher noch nicht in Erfahrung gebracht. Wahrscheinlich war sie der Grund für das Schweigen der Jungs.

 

„Maggie, willst du nicht zu uns rüber kommen?“, rief dann auf einmal Maddison, sie musste viel älter sein als ich, aber dennoch schien sie mich aus den Fängen der Jungs retten zu wollen. Ich nickte ihr nur kurz zu und schnappte mir mein Tablett. Ich konnte auf die Peinlichkeiten gerne verzichten. Dennoch ließ ich es mir nicht entgehen, zumindest Kevin und Philipp ihre Münder wieder zuzuklappen. Sie sollten sehen, dass sie nicht gerade besser waren als ich.

 

„Sitzt du immer bei denen?“, fragte die dunkelhäutige Schönheit, als ich mich zu ihnen gesetzt hatte.

 

„Na ja … es gibt ja nicht wirklich viele Optionen“, merkte ich an und blickte um mich. Im Grunde genommen waren wir die einzigen Jüngeren hier, alle anderen waren in einem Altersdurchschnitt von geschätzten 40 Jahren, sicherlich nicht mein Alter. Die beiden anderen nickten nur anerkennend, anscheinend war das Argument stichhaltig.

 

„Das Tattoo auf deiner Stirn … bist du …“

 

„Ich bin eine Jaffa, ja. Mein Name ist Sa’rayn, aber nenn mich einfach Sara. Teal’c ist mein Großvater.“ Ich war froh, dass ich nicht die einzige war, deren Kinnlade nach unten klappte. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ungläubig blickte ich zu dem Tisch, an dem sich die Generals O’Neill mit ihrem ehemaligen Team hingesetzt hatten. Teal’c war zwar schon alt, aber niemals hatte ich gedacht, dass er bereits Großvater war. „Aber das Tattoo ist nicht echt“, erklärte sie mit einem Schulterzucken. „Es hat Vorteile, als Jaffa erkannt zu werden“, sagte sie und zwinkerte uns zu und unser gemeinsames Lachen erfüllte die Kantine.

 

Es war komisch, aber in diesem Moment, wo ich mich ganz normal mit anderen Mädchen unterhielt, da fühlte ich mich das erste Mal in Atlantis richtig zu Hause.

 

 

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