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Kapitel 20

 

Der Freak unter den Freaks

Teil 2

 

 

 

„Was geht hier vor sich?“, fragte ich, als sich die Tür meines Quartiers hinter uns schloss. Nun war ich mit Kevins Mutter alleine und irgendwie beruhigte mich das sogar ein klein wenig. Wahrscheinlich war es die Vertrautheit, die ich immer spürte, wenn ich in ihrer Nähe war. Ich kannte diese Frau, seit ich ein kleines Kind gewesen war, und sie war immer freundlich zu mir gewesen.

 

Aber auch, wenn mein Puls ein klein bisschen herunterfuhr, war ich immer noch aufgebracht und verwirrt.

 

„Maggie, atme tief ein“, forderte sie mich auf und machte es mir vor, während sie sich auf meinen Schreibtischstuhl setzte. Ich versuchte also, es ihr gleich zu tun und setzte mich ebenfalls hin. Sie beobachtete mich die ganze Zeit angestrengt, während sie anscheinend zuhörte, was irgendjemand ihr durch den Kopfhörer sagte.

 

„So ist es gut. Ein … und aus … und ein … und aus …“, begleitete Kevins Mutter meinen Atem.

 

„Was geschieht hier?“, fragte ich sie nochmal, nachdem das bedrückende Gefühl in meiner Brust langsam verschwand.

 

„Wir wissen es nicht genau, aber seitdem du hier in Atlantis bist, scheint das Gen in dir auf irgendetwas hier zu reagieren. Es … verändert dich“, sagte Kevins Mutter und bevor ich in Panik geraten konnte deutete sie mir an, weiter regelmäßig zu atmen und weiter zuzuhören. „Es ist nichts Schlimmes, glaub mir, mir ist das auch schon passiert“, fuhr Kevins Mutter fort und ich sah sie geschockt an. Was sollte das heißen, dass ihr das auch passiert war? Hatten sie mir nicht eben noch gesagt, ich sei die Einzige, bei der diese Konstellation bisher vorgekommen war?

 

„Wir dachten eigentlich, das Gen, dass du von deiner Mutter erhalten hast, schläft, zumindest hat es das getan, als du noch auf der Erde warst. Ich habe dich regelmäßig danach untersucht. Aber seitdem du hier bist … deine Hirnfunktion schnellt in die Höhe, und dein persönliches Magnetfeld beginnt zu variieren.“ Sie kam näher zu mir und irgendetwas sagte mir, dass sie tatsächlich genau wusste, was im Moment mit mir passierte.

 

„Als ich in deinem Alter war, passierte das auch bei mir. Auf meinem Planeten nannte man es Gehirnfeuer.“

 

„Auf Ihrem Planeten?“, unterbrach ich sie und sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. Ich sah den peinlich berührten Blick und wusste direkt, dass es anscheinend nicht nur Einbildung gewesen war, wenn ich immer gedacht hatte, dass meine Mutter und andere mir etwas verheimlichten. Wahrscheinlich würde ich jetzt erfahren, was es gewesen war.

 

„Ähm ja. Ich bin eigentlich nicht von der Erde. Ich … als ich zwölf war, hat SG-1, also General O’Neill, seine Frau, Teal’c und Dr. Jackson, mich von meinem Planeten gerettet, nachdem alle außer mir gestorben waren. Auf der Erde hat mich dann Dr. Fraiser aufgenommen und ich bin bei ihr groß geworden“, erklärte sie kurz, schien aber nicht weiter darüber reden zu wollen, zumindest nicht jetzt.

 

Ich wollte sie noch fragen, ob Kevin davon wusste, aber sie gab mir keine Chance dazu, sondern erklärte mir, dass dieses 'Gehirnfeuer' bei Teenagern in meinem Alter ausbrach, dass sie von einem anderen, bösen Alien, einem Goa'uld genetisch verändert wurden, um einen höherentwickelten Menschen zu erschaffen.

 

„Unser Planet hatte vor vielen Jahren unter der Herrschaft von Niirti gestanden, einem Goa'uld, doch sie war sehr lange Zeit nicht mehr aufgetaucht, zumindest nicht offen. Später haben wir erfahren, dass sie eigentlich immer dagewesen war und mit uns experimentiert hatte.“

 

Ich sah sie ungläubig an. Sie war ein Alien? Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen, sie sah nicht aus wie ein Alien, sie war wie alle anderen Menschen auch. Aber dann erinnerte ich mich daran, dass Daniel mir während unserer Reise auf der Daedalus erzählt hatte, dass die Goa'uld vor Tausenden von Jahren Menschen von der Erde entführt hatten, um sie auf ihrem Planeten als Sklaven zu benutzen. So gab es Hunderte von Planeten in der Milchstraße, die von Menschen bewohnt wurden.

 

Wahrscheinlich kam mir Kevins Mutter so menschlich vor, weil sie in der Tat ein Mensch war, aber einer, der einen Teil seiner Kindheit nicht auf der Erde, sondern auf einem anderen Planeten verbracht hatte.

 

„Anscheinend hatte Niirti Zugang zu dem Antiker-Gen und hat damit etwas rumexperimentiert. Sie hat heimlich jedem von uns ein Teil des Genes verabreicht, aber wir wurden krank und sie musste unsere DNS wieder ändern. Ich wäre beinahe daran gestorben“, sie schien sich noch gut an diese Zeit zu erinnern und schien nicht sonderlich glücklich darüber zu sein. Mich machte es jedoch direkt wieder unruhig. Sie wäre beinahe daran gestorben? Würde das auch mit mir passieren?

 

„Wir nehmen an, dass du, da du dieses Gen auf natürliche Weise erhalten hast, nicht krank werden wirst und dass du lernen wirst, deine neuen Fähigkeiten zu nutzen.“ Sie nahmen an? Das war mir eindeutig nicht genug. Was, wenn ihre Annahmen falsch waren? Was, wenn auch ich krank werden würde? Sicherlich würde man mich nicht mehr 'zurückverwandeln' können. Damit war meine vorherige Unruhe wieder zurück und Kevins Mutter zuckte erschrocken zusammen, als auf einmal wieder ein Knall zu hören war. Diesmal konnte ich sogar sehen, was den Knall ausgelöst hatte und es schockierte mich.

 

Von den Fenstern in meinem Quartier konnte ich, wie vom Balkon aus, auf einen der Piers der Stadt sehen und dort stieg nun eine dicke, schwarze Rauchwolke auf. Anscheinend hatte es dort eine Explosion gegeben. Wurden wir etwa angegriffen? Kevins Mutter wollte schon nach meinen Händen greifen, wollte sie beruhigend in die ihren nehmen, aber die Stimme, die anscheinend über den Kommunikator mit ihr redete, hielt sie davon ab.

 

„Ja, Zelenka hat den Schild hochgefahren“, antwortete sie Wem-auch-immer. Aus ihren Augen sprach Unverständnis. „Jack, das ist nicht gerade einfach! Sie kann ihre Fähigkeiten noch nicht kontrollieren.“ Sie hörte sich beinahe wütend an und ich fragte mich, was wohl auf der anderen Seite gesagt wurde. „Ja, verdammt, das weiß ich auch!“, und dann warf sie ihren Kommunikator förmlich durch mein Quartier.

 

„Meine Fähigkeiten?“, fragte ich ängstlich, nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte.

 

„Du erinnerst dich an den Scanner heute Morgen? Dass er nicht angehen wollte? Oder die Lichter, als wir hier hin gegangen sind?“, fragte sie, während sie sich nun neben mich setzte. Ich nickte kurz und sie erklärte mir, dass ich durch mein verändertes Magnetfeld genau diese Fehlfunktionen verursacht hatte. Mein Magnetfeld konnte anscheinend das Magnetfeld anderer Objekte beeinflussen und ihre Funktionen steuern. Bei ihr war es damals angeblich ähnlich gewesen. Anfangs hatte sie aus Versehen Lampen explodieren lassen und am Ende, kurz bevor dieser Goa'uld sie unter Zwang wieder geheilt hatte, hatte sie es sogar geschafft, eine einfache Schachfigur kontrolliert durch die Luft schweben zu lassen. Ich sah sie ungläubig an. Sie konnte unmöglich ernst meinen, was sie mir hier gerade erzählen wollte.

 

„Soll das heißen, dass ich Schuld war, dass der Scanner nicht angegangen ist?“, fragte ich, nur um sicher zu gehen. Wahrscheinlich musste ich ziemlich seltsam aussehen, denn ich sah ihr an, dass sie trotz der ziemlich ernsten Lage leicht schmunzeln musste.

 

„Du wolltest nicht, dass er angeht, weil du Angst hattest, also ist er auch nicht angegangen.“

 

Und dann stellte ich die Frage, die ich eigentlich nicht beantwortet haben wollte: „Ist das da draußen meine Schuld?“ Ich war mir sicher, ich musste in diesem Moment aussehen wie ein kleines Kind, das ziemlichen Mist angestellt hatte, denn genauso fühlte ich mich. Wenn es stimmte, was Kevins Mutter mir hier zu erklären versuchte, dann hatte ich gerade einige Menschen verletzt und das war wirklich das Letzte, was ich wollte.

 

„Nein, nichts von all dem ist deine Schuld“, sagte sie, aber ich merkte ihr an, dass es eine Art 'aber' gab, dass ich zumindest indirekt Schuld hatte, oder dass sie sich selbst und mir einreden wollte, dass ich keine Schuld trug. Nachdenklich stand ich von meinem Bett auf und ging hinaus auf den Balkon. Der Wind, der mir direkt ins Gesicht blies, ließ mich einen Moment vergessen, was ich da direkt vor meinen Augen sah, aber als ich dann hinter mir nicht nur die Stimme von Kevins Mutter, sondern auf einmal auch die Stimme von Dr. McKay und meinem Vater hörte, wie sie anscheinend diskutierten, war ich direkt wieder im Hier und Jetzt.

 

„Du wirst nichts tun, Rodney!“, sagte mein Vater und er versuchte gleichzeitig, zu brüllen und leise zu sein, während er Dr. McKay am Arm festhielt. Dieser zischte meinem Vater nur etwas entgegen und riss seinen Arm frei, blieb aber stehen. Ich tat einfach so, als hörte ich das alles nicht und starrte weiter erschrocken auf den rauchenden Pier direkt vor mir. Er störte das angenehme Gefühl, das ich das letzte Mal hier draußen gespürt hatte.

 

„Das wird schon wieder“, hörte ich eine vorsichtige Stimme hinter mir. Es war mein Vater, das wusste ich direkt. Ich fragte mich, wie ich reagieren sollte. Sollte ich wütend auf ihn sein, weil er für diese Situation indirekt verantwortlich war? Weil er mir dieses verrückte Gen vererbt hatte? Sollte ich auch auf meine Mutter dafür wütend sein? Oder sollte ich bei ihm Trost suchen? Beides schien mir ziemlich unvernünftig. Ich war noch nicht soweit, dass ich ihn wie einen normalen Vater sehen konnte, aber ich war auch nicht bereit, ihn und meine Mutter dafür zu hassen, dass es mich gab.

 

„Was ist da passiert? Wehe, du bist nicht ehrlich!“, fügte ich noch schnell hinzu. Er war mir mehr als einen Gefallen schuldig und er musste mir einfach die Wahrheit sagen.

 

„Na ja …“, ich merkte, wie er zögerte, wie er darüber nachdachte, ob er mir wirklich die Wahrheit sagen sollte, wie er sich schon eine Geschichte ausdachte, die das hier erklären konnte, doch bevor er mir eine Lüge auftischen konnte, drehte ich mich zu ihm und sah ihn direkt an.

 

„Gerade eben hast du mir nichts, dir nichts zwei Drohnen abgeschossen, die wir aufhalten mussten“, polterte Dr. McKay wütend, als er nun doch raus auf den Balkon kam, anscheinend hatte Kevins Mutter ihn nicht mehr aufhalten können.

 

„Rodney!“, empörten sich mein Vater und auch Kevins Mutter, als sie sahen, dass ich ihn geschockt ansah. Unter Protest schob Dr. Lerner dann den gereizten Mann aus meinem Quartier und ich war mit meinem Vater wieder alleine. Nach dem, was in den letzten zwei Stunden passiert war, war es wirklich alles andere als angenehm, keiner von uns beiden wusste, wie wir uns nun verhalten sollten und ich sah meinem Vater an, dass er Angst hatte, dass ich noch einmal meine Fassung verlieren würde. Und auch ich wollte nicht, dass so etwas noch einmal passierte.

 

„Keine Angst, wir konnten die Drohnen auf die nicht bewohnten Piers abwenden, es ist kaum jemand verletzt worden. Nur zwei Arbeiter, die nicht auf den Alarm gehört haben, aber sie haben nur leichte Verletzungen“, sagte er nach einer Zeit, während der wir beide schweigend auf den aufsteigenden Rauch gesehen hatten. Von hier aus konnte man nur annehmen, dass die kleinen Punkte auf dem Pier Menschen waren, die versuchten, den Schaden zu beseitigen.

 

„Was ist eine Drohne?“, fragte ich. „Eine Drohne …“, mein Vater zögerte, „eine Drohne ist eine der wirkungsvollsten Antikerwaffen. Eine Art ferngesteuerte Hochpräzisions-Projektilwaffe, wenn du so willst“, erklärte mein Vater mir, aber alles was ich verstand war, dass diese Waffen sicherlich sehr gefährlich waren.

 

„Deswegen ist es wichtig, dass du schnell lernst, dieses Magnetfeld zu kontrollieren“, lenkte er das Thema nun wieder auf das Wesentliche und ich wusste, dass er Recht hatte. Wenn wir sichergehen wollten, dass das nicht mehr passierte, würde ich lernen müssen, mit meinen 'Fähigkeiten', wie Kevins Mutter sie genannt hatte, umzugehen. Um ehrlich zu sein, wusste ich immer noch nicht, was ich von der ganzen Sache halten sollte, aber eines war klar:

 

Selbst für die ungewöhnlichen Umstände hier in dieser Stadt, mehrere Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, war ich noch außergewöhnlich. Ich war etwas Besonderes und meine Mutter hatte ihr Leben gelassen, um mich zu beschützen, um sicher zu gehen, dass mir nichts passierte.

 

 

 

 

 

 

 

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