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Kapitel 19

 

Der Freak unter den Freaks

Teil 1

 

 

 

Als ich mit meinem Vater in die Krankenstation trat, warteten dort auch schon einige Leute auf mich. Es war nicht nur Dr. McKay da, sondern auch ihr Mann und Kevins Mutter. Ich überlegte einen Moment, ob ich sauer auf sie sein sollte, weil sie von allem wusste und mir nie etwas gesagt hatte, aber andererseits hatte sie nur ihren Job gemacht und ich war nur ein Kind.

 

„Hallo Maggie“, begrüßte sie mich und kam sogar zu mir, um mich zu umarmen. „Ich bin froh, dass es dir gut geht.“ Am liebsten hätte ich sie weggestoßen, doch so sehr ich das auch wollte, so sehr war ich auch froh, sie zu sehen. Ich sah, dass sie genauso froh war, mich zu sehen und ich sah auch die Trauer in ihren Augen.

 

„Maggie hat mir eben eine sehr interessante Frage gestellt, und ich bin der Meinung, sie sollte eine Antwort bekommen“, leitete mein Vater dann das Gespräch ein, auf das alle vorbereitet zu sein schienen, zu dem aber keiner der Erwachsenen wirklich ansetzen wollte. Dr. McKay bat mich, mich auf das Bett zu setzen, auf dem ich am Morgen auch schon untersucht worden war und es kam mir komisch vor, plötzlich auf selber Höhe mit allen zu sein, obwohl sich niemand zu mir herunter beugte.

 

„Du hast heute Morgen ja von dem ATA-Gen gehört, nicht wahr?“, begann dann zu meiner Verwunderung Dr. McKay, der Mann. Ich nickte ihm zu, gab aber zu, dass ich nicht wirklich viel davon verstanden hatte. Es war mir etwas peinlich, schienen doch alle der Anwesenden genau zu wissen, was das ist. Ich fühlte mich wie jemand, der gerade zugegeben hatte, nicht schreiben oder lesen zu können.

 

„Vor vielen Jahren haben wir herausgefunden, dass die Antiker, eine sehr fortschrittliche Rasse Humanoider, die sich auf der Erde entwickelt hatten, ihrer Technologie etwas hinzugefügt hatten, dass es ermöglichte, dass nur sie diese Technologie aktivieren können“, begann Kevins Mutter dann mit der Erklärung und sie artikulierte sich so korrekt, als wäre ich ein Begriffsstutziger, dem man alles ganz genau erklären müsste. Wäre mir diese Erklärung nicht so verdammt wichtig gewesen, ich hätte wahrscheinlich alleine aus Trotz, so behandelt zu werden, einfach nicht mehr hingehört.

 

„Sie stellten ihre Technologie so ein, dass sie nur reagierte, wenn sie mit einem bestimmten Protein in Kontakt kam, das nur von den Hautporen eines Antiker ausgestoßen wurde.“

 

„Sie reagierte auf den Schweiß?“, fragte ich ungläubig und hörte meinen Vater neben mir leicht glucksen.

 

„Nicht nur, aber ja, das war der größere Gedanke dahinter“, meldete sich nun wieder Dr. McKay zu Wort und er klang nun nicht mehr so überheblich wie noch gestern, als er mich zu dem Treffen eingeladen hatte. Er wirkte etwas freundlicher, wobei ich mir sicher war, dass das Freundlichste war, was er zustande brachte, zumindest Leuten gegenüber, die nicht zu seiner direkten Familie zählten.

 

„Rodney …“, ermahnte ihn seine Frau, wahrscheinlich hätte er nicht unterbrechen sollen. „Es gibt mehrere Aktivierungsmechanismen, manche davon sind uns wahrscheinlich noch gänzlich unbekannt, aber dieses Protein ist das, was wir bereits herausfinden konnten. Es gibt einige Menschen, Menschen, die anscheinend Antiker in ihren Vorfahren haben, die ein Gen besitzen, das genau dieses Protein ausschüttet, egal ob jemand schwitzt oder nicht. Es ist einfach immer da. Es gibt nur sehr wenige, die dieses Gen von Geburt an haben und noch weniger, bei denen es dominant ist. Diese wenigen können die Technologie der Antiker beinahe uneingeschränkt nutzen. Bei Menschen, die das Gen rezessiv in sich tragen, wo es also sozusagen schläft, kann es durch eine manuelle Gen-Therapie, die Dr. Beckett vor einigen Jahren entwickelt hat, sozusagen 'geweckt' werden.“

 

Ich verstand nur Bahnhof.

 

„Und was hat das bitte mit mir zu tun?“, fragte ich etwas verwirrt. Ich hatte kapiert, dass es irgendein ziemlich verrücktes Gen gab, das von Aliens zu stammen schie, die sich mit Menschen vermischt hatten, aber mehr auch nicht.

 

„Hier, nimm das“, sagte mein Vater und reichte mir einen seltsam aussehenden Computer. Er zeigte mir einige leuchtende Punkte, beinahe so wie mein Tablet es getan hatte, als ich durch Atlantis gelaufen war. „So, und jetzt gib es mal Dr. McKay“, forderte er mich auf und Dr. McKay streckte mir ihre Hand entgegen. Sobald es meine Hand verlassen hatte und in ihrer lag, schaltete sich das Gerät ab. Dann gab sie es an ihren Mann weiter und es ging wieder an.

 

„Ich habe dieses Gen?“, schloss ich daraus und sah die Erwachsenen fragend an. Mein Vater nickte und die anderen lächelten mich wissend an.

 

„Du hast nicht nur dieses Gen, du …“

 

„Rodney!“, unterbrach ihn seine Frau mit einem Stoß in die Seite. Neben mir musste mein Vater sich hörbar ein Lachen verkneifen, während McKay sich mit einem Seitenblick auf seine Frau die Rippen rieb.

 

„In der Tat war dein Vater einer derjenigen, bei denen das Gen am besten ausgeprägt ist.“

 

„Ist das so ein Jedi-Ding?“, fragte ich äußerst skeptisch, denn diese ganze Sache erinnerte mich schon stark an Star Wars. Die Macht ist stark in meiner Familie. Mein Vater hat sie, ich habe sie, und meine ... Schwester hat sie auch*, erinnerte ich mich an den bekannten Satz aus dem alten Film, den sich meine Mutter hunderte Male angesehen hatte.

 

„Na ja … eigentlich nicht …“

 

„Eigentlich?“, fragte ich Kevins Mutter und ich sah ihr an, dass mehr hinter dem eigentlich stand. Nachdem ich meine Frage mit den Jedi gestellt hatte, hatten beinahe alle der Anwesenden ihr Gewicht auf beide Beine verlagert, beinahe so, als erwarteten sie, dass gleich etwas passieren würde. Dann sahen sie alle meinen Vater an und er kratzte sich unsicher am Nacken. Anscheinend kam jetzt ein ziemlich heikler Punkt.

 

„Eigentlich kann man mit diesem ATA-Gen nur die Technologie der Antiker steuern, mehr nicht. Vielleicht sollte ich damit anfangen, dass …“, er war ziemlich unbeholfen, das konnte ich ihm ansehen und ich merkte, wie er nach Worten suchte, die ihm helfen konnten, besser zu beschreiben, was los war.

 

„Dieses Gen wird, zumindest sowie wir es wissen, meist mit dem Y-Chromosom weitervererbt, was bedeutet, dass eigentlich nur Männer dieses Gen besitzen“, sprang dann auf einmal doch Kevins Mutter ein und mein Vater sah sie dankbar an. „In seltenen Fällen, wir vermuten bei Männern, bei denen dieses Gen überdominant ist, ist es jedoch auch auf dem X-Chromosom vorhanden. Diese vererben das Gen dann auch an ihre weiblichen Nachkommen, aber meistens ist das Gen dann nur rezessiv.“

 

„In der Tat ist es bisher nur bei drei Frauen als dominant nachgewiesen worden … deine Mutter ist eine von ihnen gewesen“, beendete nun wieder mein Vater den Gedanken. Ich sah ihn einen Moment an. Meine Mutter hatte dieses Gen gehabt? Er bedeutete mir allerdings, noch nicht meine tausend Fragen zu stellen, sondern sie erst ausreden zu lassen.

 

„Du hattest ja noch keine Genetik in der Schule und mit der Vererbung ist das so: Bei der Entstehung eines Babys gibt jedes Elternteil ein Chromosom weiter, die Frau hat nur zwei X-Chromosome, damit kann sie auch nur ein X-Chromosom abgeben. Der Mann hat jedoch ein X- und ein Y-Chromosom und bestimmt somit das Geschlecht des Kindes. Gibt er ein X-Chromosom ab, dann wird es ein Mädchen, gibt er ein Y-Chromosom ab, wird es ein Junge“, lenkte Kevins Mutter ein, sie wusste ja, was wir bisher in der Schule durchgenommen hatten.

 

„Und da das Gen bei John überdominant zu sein scheint …“, ich überlegte kurz, versuchte selbst die Antwort zu finden, auch wenn ich sah, das Dr. McKays Mann nervös von einer Seite auf die andere hüpfte, weil er sich anscheinend zurückhielt, meinen Gedankengang nicht zu unterbrechen, „… hat er mir mit seinem X-Chromosom auch das Gen vermacht. Und auch von meiner Mutter kam das Gen zu mir“, schloss ich meine Überlegung ab. Mein Vater sah mich halb stolz, halb unsicher an. Dr. McKay und Kevins Mutter lächelten mich warm an und der nervöse Dr. McKay hielt endlich wieder still.

 

„Deswegen habe ich dich heute Morgen untersucht. Du bist die erste, bei der diese Konstellation zustande gekommen ist“, erklärten sie mir und ich fühlte mich auf einmal wie eines dieser Versuchskaninchen. Eine Laborratte, die eindringlich untersucht wurde, weil mit ihr etwas anders war als mit allen anderen. Ich war ein Freak, noch mehr, als ich je gedacht hatte. Ich hatte ja schon immer das Gefühl gehabt, seltsam und anders zu sein als alle anderen, aber nun meine Ängste bestätigt zu bekommen, war etwas ganz anderes.

 

Als ich das erste Mal von diesem Gen gehört hatte und der Vermutung, dass auch ich dieses Gen habe, neben einigen anderen hier in Atlantis, hatte ich noch die Hoffnung gehabt, endlich normal zu sein, aber nun schien ich noch abgedrehter zu sein als selbst diese Freaks.

 

„Beruhig dich Maggie, alles ist gut“, versuchte Kevins Mutter mich zu beruhigen als auf einmal das Licht in der gesamten Krankenstation zu flackern begann. Die Erwachsenen sahen etwas besorgt nach oben auf die Lampen, anscheinend war das nicht normal.

 

„Carson … alles klar bei Ihnen?“, fragte mein Vater dann über sein Kommunikationsgerät, aber ich hörte die Antwort nicht. Ich sah nur, dass er kurz den anderen zunickte und sie etwas unruhiger aussahen.

 

„Alles ist gut? Ich bin ein verdammter Freak!“, sagte ich etwas wütender und auf einmal explodierte eine Lampe über mir. Kevins Mutter kam sofort näher zu mir und ergriff meine Hand.

 

„Ich weiß, das ist alles sehr beängstigend für dich, Maggie, aber es ist wirklich wichtig, dass du dich beruhigst“, sagte sie und drückte meine Hand etwas fester. Ihre Stimme war besorgniserregend eindringlich und ich fragte mich, warum es anscheinend so wichtig war, dass ich mich beruhigte.

 

„Eine ist losgegangen“, hörte ich meinen Vater murmeln und er rannte auf einmal aus der Krankenstation. Dr. McKays Mann rannte hinter ihm her. Ich sprang ebenfalls auf, wollte meinem Vater noch hinterher laufen, aber als die beiden Männer die Tür der Krankenstation passiert hatten, tauchte auf einmal Teal’c davor auf und versperrte mir den Weg.

 

„Lasst mich hier raus!“, brüllte ich ziemlich außer mir. Sie konnten mich doch nicht hier festhalten. Was hatte ich denn angestellt? Ich trommelte förmlich gegen seine Brust, doch das schien ihm gar nichts auszumachen. Er sah nur unbeeindruckt ruhig auf mich hinab.

 

Ein lauter Knall riss mich aus meinen Gedanken und ich spürte eine leichte Erschütterung, die durch die ganze Stadt zu gehen schien. Die Erwachsenen sahen sich mehr als besorgt an und ich sah, wie Dr. McKay direkt ihre Hand an ihrem Ohr hatte.

 

„Bereiten Sie einige Betten vor und holen Sie Verbandszeug, wir haben einige Verletzte“, sagte sie zu einer ihrer Krankenschwestern, während Kevins Mutter langsam auf mich zukam.

 

„Jennifer, ich glaube, es ist besser, wenn ich mit Maggie in ihr Quartier gehe“, sagte sie dann und sah ihre Kollegin bedeutungsschwer an. Diese nickte nur und verschwand auch schon mit ihren Krankenschwestern, um alles vorzubereiten. Ich wurde, begleitet von Teal’c und Kevins Mutter, in mein Quartier gebracht und es fühlte sich beinahe so an, als sei ich eine Schwerverbrecherin, die nicht unbeaufsichtigt gelassen werden durfte.

 

„Du musst versuchen, dich zu beruhigen“, versuchte Kevins Mutter auf mich einzureden, als auf unserem Weg beinahe jede einzelne Lampe explodierte, die wir passierten. Mich machte ihre Bitte jedoch nur noch wütender. Wie sollte ich mich bitte beruhigen? Irgendetwas geschah mit mir, etwas von dem niemand so genau wusste, was es war. Vor einer Stunde, da war ich glücklich gewesen, endlich normal zu sein, endlich einen Ort gefunden zu haben, wo ich nicht der Freak war, wo es Leute gab, die eindeutig wirrer im Kopf waren als ich, und dann innerhalb von nur wenigen Minuten hatte sich diese Freude in Luft aufgelöst, weil ich einmal mehr anders war als alle anderen.

 

„Teal’c, wenn wir drin sind, kontaktiere Zelenka und sag ihm, er soll den Schild auf ihr Quartier erweitern“, ordnete Kevins Mutter an und ich wunderte mich, dass der stämmige Außerirdische ihre Befehle so bedingungslos entgegen nahm. Kannten sich die beiden etwa?

 

 

 

 

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