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Kapitel 16

 

Das Treffen

 

 

 

Nach den Geschehnissen auf der Krankenstation ging ich natürlich mehr als nachdenklich in Richtung des Ankunftssaales. In einem Raum dort würde die Besprechung stattfinden, zu der mich der Mann von Dr. McKay verdonnert hatte. Ich hatte wirklich keine große Lust darauf, aber was sollte ich tun? Ich war hier und so wie ich von meinem Balkon und den diversen Fenstern hatte sehen können, befanden wir uns mitten auf dem Wasser, ob nun ein Meer oder ein überdimensionaler See konnte ich nicht sagen. Von hier gab es, so wie es aussah, keine Flucht.

 

Bei diesem Gedanken überkam mich auf einmal ein mulmiges Gefühl. Ich war hier gefangen. Was aber, wenn ich bei den falschen Leuten gefangen war. Vielleicht hatte meine Mutter mich genau vor diesen Leuten schützen wollen und sie hatte damals nicht gewusst, dass Dr. Lerner eine von ihnen war. Vielleicht war ich nun genau bei den falschen Leuten gelandet und ich war in großer Gefahr.

 

„Hey Mag!“ Durch meine paranoiden Gedanken mehr als angespannt, sprang ich regelrecht auf, als ich gerade um eine Ecke lief und hinter mir eine Stimme ertönte. Ich drehte mich um und sah, selbstgefällig an die Wand gelehnt und mit einem schiefen Grinsen, Torren stehen.

 

„Ich wüsste nicht, wann ich dir erlaubt habe, mich Mag zu nennen“, sagte ich und versuchte, ein Zittern meiner Stimme zu unterdrücken. Bei diesem Typen wollte ich sicherlich mein ungutes Gefühl nicht zeigen.

 

„Ich wusste nicht, dass du es mir verboten hast“, antwortete er und ich sah ihn entgeistert an. Das konnte er jetzt nicht ernst meinen oder?

 

„Dann weißt du es jetzt!“, blaffte ich ihm entgegen und er grinste nur noch mehr und ich merkte, wie es langsam in mir anfing zu brodeln. Leider bedeutete das auch, dass mein Kopf immer heißer wurde und ihm das nur noch mehr Grund gab, zu stacheln.

 

„Dein Kopf ist rot wie ein Pfirsich!“, kicherte er vergnügt und zeigte direkt auf mich. Ich schlug seine Hand entschlossen nach unten und funkelte ihn wütend an. „Wenn ich dich nicht Mag nennen darf, dann nenne ich dich eben Peaches!“ rief er und ging dann in Richtung der Ankunftshalle. Meine Wut stieg nur noch mehr.

 

„Untersteh dich!“, rief ich ihm hinterher, doch ich war mir nicht sicher, dass er mich hören konnte, also versuchte ich, ihn einzuholen, doch er wurde immer schneller, beinahe so, als sei das alles ein ziemlich lustiges Spiel. Dann war er auf einmal wieder verschwunden und ich wollte schon fast wieder umdrehen und einfach in mein Quartier gehen, als ich mich jedoch umdrehte, schrak ich wieder zusammen.

 

„Das wäre die falsche Richtung ,Peaches!“, lachte er nun lauter und am liebsten hätte ich ihm genau hier ins Gesicht oder in seine Weichteile geboxt, aber leider waren hier zu viele Zeugen. Ich stürmte also nur in Richtung des Ankunftssaales davon. Wahrscheinlich blieb mir keine andere Wahl, als an dieser Besprechung teilzunehmen. Sicherlich wäre ich sowieso gesucht worden, wenn ich dort nicht aufgetaucht wäre.

 

„Halt einfach deine Klappe!“, rief ich ihm noch nach, als ich sein konstantes Glucksen hinter mir hörte. Als ich den Ankunftssaal betrat, sah ich auch schon Philipp mit einem Jungen auf der oberen Ebene stehen. Wahrscheinlich war dort der Raum, in dem wir uns treffen sollten. Bedacht darauf, dass Torren nicht zu mir aufschloss, ging ich entschlossen die Treppen hinauf, ohne nochmals auf die Inschrift zu achten.

 

Ich schien gerade rechtzeitig zu kommen, denn auf einmal schwang die Wand genau neben Philipp auf. Die Wand, die aus mehreren Elementen bestand, öffnete sich einfach, in dem sich jedes Element vertikal um 90° drehte. Ich war eindeutig fasziniert von diesem Anblick und merkte erst gar nicht, wie erstaunt doch diejenigen aussahen, die im Inneren des Raumes saßen.

 

Ich merkte die Blicke erst, als General O’Neill auf einmal aufstand und uns dann etwas überrumpelt hereinbat. ‚Wenn sie nicht die Türen geöffnet hatten, wer hatte es dann getan?‘, fragte ich mich selbst, doch wahrscheinlich würde die Antwort nicht kommen.

 

„Bitte setzt euch. Es werden nachher noch einige dazukommen, aber wir sollten dennoch beginnen“, sagte Philipps Vater, als wir langsam eintraten. Einige von den Menschen in diesem Raum kannte ich, andere waren mir noch vollkommen unbekannt. So saß neben Daniel ein ihm ziemlich ähnlich sehender Mann, der sich mit der Ärztin unterhielt, die mich auf der Apollo gerettet hatte. Ich war froh, zu sehen, dass sie es geschafft hatte und dass sie keine sichtbaren Schäden davon getragen hatte. Auf der anderen Seite des Tisches saß eine Frau mit blonden, ziemlich lockigen Haaren, zusammen mit einem etwas älteren Mädchen, vermutlich zwei oder drei Jahre älter als ich. Sie war ebenfalls blond und sah ziemlich unsicher und verwirrt aus. Wahrscheinlich war sie neben mir die einzige, die nicht so recht wusste, was hier los war.

 

Und dann konnte ich meinen Augen nicht trauen. Ich blinzelte zwei Mal und wahrscheinlich musste ich dabei ziemlich dämlich ausgesehen haben, bis ich wirklich sicher sein konnte, dass meine Augen mir keinen Streich spielten. Dort, direkt neben Teal’c und einem dunkelhäutigen Mädchen, das ich auch noch nicht kannte, saß Kevin. Er sah mich beinahe unsicher an. Seine blonden Haare waren kürzer, als noch vor 5 Wochen, wo ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte und ich bildete mir auch ein, dass er etwas abgenommen hatte, aber er war immer noch Kevin, das war klar zu erkennen.

 

Ich musste mich stark zusammenreißen, um nicht einfach zu ihm zu laufen und ihn zu umarmen, aber das leichte Kopfschütteln, mit dem er mich ansah, zeigte mir, dass es jetzt alles andere als klug war. Wahrscheinlich würden wir später reden, und es gab eindeutig etwas, über das wir reden mussten.

 

„So, da wir nun vorerst vollständig sind“, begann nun Mr. Woolsey, der zusammen mit General O’Neill, meinem Vater und Teyla am Kopfende des großen Tisches saß, „möchte ich alle nochmals hier in Atlantis willkommen heißen. Ich bin mir sicher, jeder von uns hätte sich andere Umstände gewünscht herzukommen, doch leider war uns das nicht vergönnt.“ Ich sah mich kurz um und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass niemand wirklich interessierte, was Woolsey zu sagen hatte, zumindest nicht dieses eigentlich unwichtige Vorgeplänkel. Alle, oder zumindest alle, die jetzt erst dazugekommen waren, wollten Antworten.

 

„Was wird nun passieren? Mit der Erde?“, fragte dann das ältere, blonde Mädchen. Ich sah wie die Frau neben ihr, ohne Zweifel ihre Mutter, eine Hand auf ihren Oberschenkel legte. Es war unschwer zu erkennen, dass das Mädchen immer noch geschockt war von dem, was auf der Erde passiert war.

 

„Das können wir noch nicht genau sagen, Maddie, aber wahrscheinlich wird nichts mehr so sein, wie es einmal war.“, erklärte dann McKay, der Mann, der mich überhaupt zu diesem Treffen gerufen hatte. Ich fragte mich einen Moment, wo seine Kinder waren, bis mir einfiel, dass sie ja erst später dazukommen würden. „Die Atmosphäre wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen und viele Länder sind unbewohnbar. Wir wissen noch nicht genau, wie viele Menschen sich haben retten können und wie viele verstrahlt wurden, aber wahrscheinlich werden es nicht viele sein“, fuhr er dann fort und alle sahen bedrückt auf den Boden. Sicherlich hatte jeder hier irgendjemanden verloren, der ihm nahestand.

 

Dann stand O’Neill auf einmal auf. Man sah ihm an, dass er am liebsten nicht in seiner Position gewesen wäre, dass das, was er nun sagen würde, gegen alles ging, an das er glaubte. „Die Wraith werden nicht Halt machen, bis alle Menschen der Erde verschwunden sind.“ Einige geschockte Gesichter sahen ihn an, meines eingeschlossen. Die Vorstellung, dass das noch nicht alles gewesen sein könnte, jagte mir einen Schauer über den Rücken, den ich wahrscheinlich nie ganz verlieren würde.

 

„Was hat das mit uns zu tun?“, fragte dann der Junge, der draußen noch mit Philipp gesprochen hatte. Der Mann neben Daniel, unverwechselbar der Vater des Jungen, sah ihn an. Auch in seinen Augen sah ich den Widerwillen in dem, was nun folgen würde. Mir entging auch nicht, wie er unter dem Tisch nach der Hand der Ärztin griff, wahrscheinlich, um ihr Halt zu geben.

 

„Es hat sehr viel mit euch zu tun“, antwortete dann Daniel für O’Neill und stand ebenfalls auf, während er seinem Freund eine Hand auf die Schulter legte. „Ihr alle wurdet auf eurer Reise hierher, oder schon vorher, auf ein bestimmtes Gen getestet, das ATA-Gen, wie wir es nennen. Das Antiker-Technologie-Aktivierungs-Gen und ihr alle tragt es in euch.“ Torren hob auf einmal seine Hand, als wolle er etwas sagen, aber Daniel würgte ihn ab, bevor er die Chance hatte. Ich musste innerlich grinsen, auch wenn ich mich fragte, was die Erwachsenen versuchten, uns zu erzählen.

 

Dann öffnete sich auf einmal die Türe und vier bekannte Gesichter betraten den Raum. Drei davon hatte ich bereits hier gesehen, das waren Joey, Simon und ihre Mutter Dr. McKay, die vierte Person war Kevins Mutter, wobei ich, nachdem ich Kevin tatsächlich gesehen hatte, schon geahnt hatte, dass auch seine Mutter hier sein musste.

 

„Dieses Gen ermöglicht es euch, wie der Name schon sagt, die Technologie der Antiker zu nutzen. Wir wissen noch nicht, woher es genau kommt, aber wir sind der Meinung, dass die Antiker nicht so weit entfernte Verwandte waren wie wir immer geglaubt haben“, erklärte sie und sah mich einen Moment mit einem leichten Nicken an. Auch an sie würde ich einige Fragen haben, Fragen, die entscheiden würden, ob ich hier wirklich jemandem vertrauen konnte oder nicht.

 

„Wie auch immer“, unterbrach nun wieder O’Neill „die Wraith wissen von dem Gen und werden alles tun, um zu verhindern, dass es sich weiterhin bei uns ausbreitet.“ Er machte eine kurze Pause, um das Gesagte sacken zu lassen und um noch einmal durchzuatmen, bevor er das aussprach, was ihm anscheinend am schwersten fiel.

 

„Deswegen muss jeder von euch in der Lage sein, sich zu verteidigen, wenn es zum Ernstfall kommt.“ Mein Mund blieb offen. Was wollte er damit sagen? Dass wir kämpfen sollten? Sicherlich war das das Letzte, was ich konnte. Ich war ja schon alleine froh, wenn ich ohne größere Verletzungen einem Kampf oder gar einem einfachen Streit entkam. Da war ich sicherlich keine Kämpferin. Wahrscheinlich würde ich bei meinem Glück den Wraith direkt in ihre Waffen laufen, bevor sie groß nach mir suchen mussten.

 

„Ab morgen wird jeder Tag, bis auf Samstag und Sonntag aus mehreren Lehrstunden bestehen. Neben den normalen Dingen wie Mathematik und einer Sprache, werdet ihr auch Kampf und Flugtraining haben. Ihr werdet lernen, euch mit Waffen und ohne Waffen zu verteidigen und ihr werdet lernen, wie man die Technologie der Antiker einsetzt“, erklärte dann mein Vater und etwas in meinen Augen sagte mir, dass auch ihm die Idee nicht zu gefallen schien. Er sah sogar etwas besorgt aus.

 

„Es wird sein wie in der Schule“, erklärte nun Maddies Mutter, anscheinend hatte sie auch schon von der ganzen Sache gewusst. „Ihr werdet lernen müssen und es wird Prüfungen geben. Es ist wichtig, dass ihr versteht, wie viel Wert wir darauf legen, euch in Sicherheit zu wissen und das bedeutet auch euch zu befähigen, euch zu verteidigen, wenn wir es vielleicht nicht mehr können.“ Sie schluckte einmal schwer und ich meinte sogar, den Anflug von Tränen in ihren Augen zu sehen. Während die meisten der anderen Teenager und auch ich mehr als bedrückt und verwirrt auf unsere Hände starrten und nicht recht wussten, was wir sagen sollten, drückte sich Torren, der die ganze Zeit an der Wand gelehnt hatte, ab und ich sah noch, wie seine Mutter Teyla ihn aufhalten wollte, aber sie war zu langsam.

 

„Besser wäre es, wir würden lernen, offensiv zu kämpfen“, sagte er und klang beinahe gelangweilt. Teyla griff dann nach dem Arm ihres Sohnes und der Blick, mit dem sie ihn ansah, war mehr als eine Warnung. Ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, als ich den etwas ängstlichen Blick von Torren sah. Wahrscheinlich würde er für diese taktlose Bemerkung später noch Ärger bekommen.

 

„Es reicht, wenn ihr lernt, euch zu verteidigen“, kommentierte mein Vater nun etwas grimmig. Dann reichte er einen Stapel Papiere herum und jeder von uns nahm sich das mit seinem Namen darauf. Als es bei mir angekommen war, sah ich, dass es eine Art Stundenplan war. Dort war genau festgelegt, wann wir wo zu erscheinen hatten und wann wir Freizeit hatten. Ich war erstaunt, was dort alles stand, aber ich war positiv überrascht, dass uns sogar die Möglichkeit gegeben wurde, zwischen einigen Gebieten zu wählen. Ich las mir schnell die einzelnen Möglichkeiten durch und war mir bereits sicher, dass ich Geschichte und Medizin zu meinen Wahlfächern machen würde. Lieber würde ich den Kranken und Verwundeten helfen wollen, als selbst zu kämpfen.

 

Nicht unbedingt, weil ich meine eigenen Haut retten wollte, auch wenn der egoistische Teil von mir das so sah, sondern auch, weil ich mir sicher war, dass ich wahrscheinlich besser darin war, Leute wieder gesund zu machen als sie zu verletzen oder gar zu töten. Aber ja, etwas Selbsterhaltung war auch dabei.

 

Was mich an meinem Stundenplan jedoch störte, waren die Zeiten. Es war gut, dass man für Frühstück, Mittag und Abendessen immer eine Stunde eingeplant hatte und sogar nach den körperlich anstrengenden Stunden wie dem Kampftraining oder dem Ausdauertraining ganze 45 Minuten Zeit hatte, bis zur nächsten Stunde, aber dass der Unterricht eigentlich jeden Tag mindestens bis kurz vor 16 Uhr dauerte, war ziemlich … ernüchternd. So lange war ich noch nie in der Schule gewesen. Anscheinend wollte man uns keine Zeit lassen, uns Gedanken über alles zu machen, wahrscheinlich wollten die Erwachsenen sichergehen, dass unser Leben so normal wie nur möglich verlief.

 

 

 

 

 

 

 

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