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Kapitel 12

 

Rätselhafte Kisten

 

 

 

Im ersten Moment war ich viel zu erstaunt, dass dieser Mann einfach so etwas in mein Quartier stellte und dann wieder abhaute. Wenn er diese Kisten schon mit einer Sackkarre her bringen musste, dann musste er doch ahnen, dass ich sie sicherlich nicht tragen konnte und hier direkt vor der Tür konnten sie ja wohl schlecht stehen bleiben.

 

Ich hatte zwar keine große Lust darauf, aber ich ahnte direkt, dass mir nichts anderes übrig blieb, als das was dieser Wiesel, oder wie auch immer der Kerl hieß, der mir diese Kisten hatte bringen lassen, wichtig für mich gehalten hatte. Wahrscheinlich war auch er einer der Freunde meines Vaters und sie wollten meine Zeit hier etwas angenehmer machen. Aber was auch immer da in diesen Kisten war, es waren nicht meine Sachen und ich wusste wirklich nicht, wie ich mich mit wahllos ausgesuchten Sachen hier wohler fühlen sollte.

 

Mit einem tiefen Seufzer öffnete ich also die erste Kiste und ich sah einige Bücher und Steine darin. Ich fragte mich, was ich daran wohl toll finden sollte und legte sie erst einmal auf den Boden. Erst dann merkte ich, dass die Steine keine normalen Steine waren. Manche davon waren auf einer Seite abgeschliffen und sie hatten seltsame Farbmuster und Kristalle in ihrem Inneren, andere hatten seltsame Muster auf ihrer Oberfläche und erinnerten mich sofort an Fossilien.

 

Ich fragte mich, warum irgendjemand dachte, dass ich mich für so etwas interessieren würde und auch die Bücher die ich fand waren wirklich nicht meine Art von Literatur. "Die Vermessung der Erde", las ich etwas skeptisch vor. Ich hatte von diesem Buch bereits gehört, aber wirklich dafür interessiert hatte ich mich dafür nicht. Dann holte ich ein weiteres Buch heraus. Die Flucht der Ameisen stand groß darauf geschrieben und auf dem schon ziemlich mitgenommenen Buch war eine Ameise zu sehen die über einem roten Blitz zu krabbeln schien.

 

Wer las so etwas bloß?, fragte ich mich und setzte mich auf den erstaunlicher Weise gemütlichen Schreibtischstuhl. Dann drehte ich das Buch um, und las mir den Klapptext durch. Es ging um einen Vulkanausbruch mitten in der Eifel. Wollten sie etwa auf eine ziemlich makabere Weise meinem Heimweh Abhilfe schafften? Ich wollte das Buch schon wieder in eine Ecke feuern, als ich sah, dass etwas durch die erste Seite hindurch schimmerte.

 

Frohe Weihnachten Izzy.

 

Du weiß,t ich bin nicht gut in solchen Sachen, aber ich dachte

dieses Buchkönnte dein Heimweh etwas stillen.

 

Ich liebe dich,

John

 

Im ersten Moment dachte ich mich noch verlesen zu haben, doch als ich die kleine Nachricht auf der zweiten Seite nochmals las, war ich mir sicher. Dieses Buch hatte mein Vater meiner Mutter einmal zu Weihnachten geschenkt. Wenn das hier von ihr war, war dann vielleicht auch der ganze Rest von ihr? Waren die Kartons voll von Sachen, die sie hier zurück gelassen hatte? Ich stellte das Buch nun etwas vorsichtiger auf meinen Schreibtisch und stand wieder auf. Diesmal war ich fast gespannt darauf, was ich noch in den Kisten finden würde. Nun verstand ich auch die vielen Steine. Meine Mutter hatte die Besonderheiten der einzelnen Stein geliebt, war immer fasziniert gewesen welche Geschichte sie erzählten.

 

Schon vor Jahren hatte sie mich mit nach Mayen genommen und mir einige Erdablagerungen gezeigt und mir erklärt was man alles in diesen vielfarbigen Schichten der Erde erkennen konnte. Ich erinnerte mich so genau daran, weil sie dieses Strahlen in den Augen gehabt hatte, als sie mir die einzelnen Schichten erklärt hatte. Es war einer der wenigen Moment in meinem Leben gewesen in denen ich meine Mutter durch und durch glücklich erlebt hatte.

 

Mit jedem neuen Stein versuchte ich mir wieder ins Gedächtnis zu rufen was sie mir immer erzählt hatte, doch ich merkte, dass ich ihr nie wirklich zugehört hatte. Es hatte mich einfach nicht interessiert und es frustrierte mich. Das hier, diese Steine hatten für sie einmal alles bedeutet und ich hatte ihren Traum, den Traum den sie wegen mir hatte aufgeben müssen, einfach mit Füßen getreten, hatte ihn nicht wahrgenommen.

 

Wie sehr wünschte ich mir jetzt, dass sie mir noch einmal alles über diese Steine erzählen konnte, dass sie noch einmal mit diesem glänzenden, leuchtenden Blick auf so einen Stein sah und mir jede einzelne Linie, jede noch so kleine Einkerbung versuchte zu erklären.

 

"Ich vermisse dich Mama.", flüsterte ich leise, als ich merkte wie wieder die Tränen begannen zu fließen. Ich vermisste sie wirklich und hier in dieser vollkommenen Fremde, vermisste ich sie noch mehr. Ich brauchte sie, damit sie mir sagte, dass alles wieder gut werden würde, dass ich hier zu Recht kommen würde, doch das konnte sie nicht.

 

Als ich dann die nächste Box öffnete bemerkte ich, dass in dieser Kiste nur Zerbrechliches gelagert war. Sie war eindeutig leerer als die andere und die Lücken waren mit Zeitungspapier oder anderem Material gestopft worden. Das Erste was ich herauszog, war ein undefinierbares Glasgebilde und ich wusste direkt was das war. Es war ein Glas, dass durch einen Blitzeinschlag auf einem Strand entstanden war. Blitzwunder, hatte meine Mutter sie immer genannt, obwohl ihr eigentlicher Name Fulgurit war.

 

Als Kind hatte ich ein ganzes Regal von Fulguriten gehabt die meine Mutter und ich gesammelt hatten und anscheinend hatte sie diese Leidenschaft schon immer gehabt. Doch dieser Fulgurit war anders, er war glatter als alle die ich mit ihr gefunden hatte, und er war nicht durchsichtig. Er war leicht bläulich gefärbt. Ich fragte mich direkt wo sie den wohl gefunden hatte und entschied mich dieses Kunstwerk der Natur direkt auf einen der beiden kleinen Tische neben meinem neuen Bett zu stellen.

 

Unter dem Fulgurit fand ich dann einige Bilderrahmen. Sie waren mit alten Bildern gefüllt und die Frau auf den Bildern war so jung und fröhlich, dass ich kaum meine Mutter darin wieder erkannte. Natürlich, meine Mutter hatte auf mich nie sonderlich traurig gewirkt, aber nun wo ich diese Bilder sah, fragte ich mich, ob sie in den letzten 16 Jahren wirklich jemals Glücklich gewesen war.

 

Einige von den Bildern zeigten sie mit anderen Menschen, einige mit riesigen Felsformationen in einer fremden Umgebung. Und eines von diesen Bildern machte mich stutziger als jedes noch so bizarre Bild was vorrangegangen war. Es zeigte meine Eltern. Meine Mutter und meinen Vater. Sie trugen zwei Weihnachtsmützen und sie sahen sich lächelnd an. Es sah so aus, als hatten sie sich gerade geküsst und das Strahlen in den Augen der beiden war seltsam. Es war etwas das ich meinem Vater nicht zugetraut hatte, und auch meine Mutter hatte ich in den 16 Jahren die ich sie kannte niemals so gesehen.

 

Das komische an der Sache war, dass ich mir, seit dem Moment an dem ich meinen Vater das erste Mal gesehen hatte, nicht hatte vorstellen können, dass die beiden jemals zusammen gepasst hatten. Nun starrte ich dieses Bild an und erkannte, dass sie ziemlich gut zusammen aussahen. Ich wollte es vielleicht nicht sehen, aber meine Mutter und mein Vater hatten sich geliebt.

 

Aber wenn die beiden sich geliebt hatten, warum hatte meine Mutter ihm nichts von mir gesagt? Warum hatte sie ihm verschwiegen, dass es mich gab und war einfach auf die Erde abgehauen? Warum hatte sie mir die Chance genommen diesen Mann kennen zu lernen den sie so sehr geliebt zu haben schien?

 

Ich starrte noch einige Zeit auf dieses Bild, versuchte irgendetwas in diesem Bild zu sehen, das meine Fragen beantwortete, aber ich konnte einfach nichts finden. Nichts an diesem Bild konnte die Seite in mir füttern, die meinen Vater nicht mochte, die ihn hassen wollte, dafür dass er nie da gewesen war.

 

Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich erst merkte, dass mein Tablet auf dem Schreibtisch blinkte, als ich eine Stimme in meinem Ohr hörte die mich rief und etwas wütend fragte, ob ich blind sei. Die Stimme war mir bisher unbekannt und als ich mein Tablet berührte sah ich, dass auch das Gesicht dazu mir unbekannt war. Diesen Mann, mit dieser vollkommen genervten Grimasse hätte ich sicherlich nicht vergessen. Er stellte sich mir als Dr. Rodney McKay vor und ich erinnerte mich daran, dass Peter diesen Namen ein paar Mal erwähnt hatte während er mich auf der Deadalus versteckt hatte. Er hatte nicht sonderlich gut über diesen Mann gesprochen.

 

"Geht doch! Ich will dich nur Informieren, dass morgen um 0900 ein Treffen stattfindet, an dem du teilnehmen sollst.", sagte er, dann fügte er noch hinzu, dass ich mir bloß nicht denken sollte ich könnte diesem Treffen entgehen. In Atlantis könne Kavanagh meine Lebenszeichen nicht verstecken, denn hier sei er, Rodney McKay Gott.

 

Dieser Mann hatte eindeutig ein gewaltiges Problem und ich war nicht sonderlich scharf auf ihn zu treffen. Wenn man schon Ärzten nachsagte einen Gotteskomplex zu haben, was hatte dann dieser Typ? Gab es dafür überhaupt einen Ausdruck? Ich fragte mich jedoch, worum es bei diesem Treffen gehen sollte. Was gab es für mich noch groß zu besprechen? Ich war nun hier und würde hier vermutlich den Rest meines Lebens verbringen, denn ich nahm nicht an, dass ich die Erde jemals wiedersehen würde.

 

Ich hatte das Tablet kaum weggelegt, da blinkte es auch schon wieder auf. Diesmal schien es jedoch nur eine Nachricht zu sein.

 

Hey Maggie! Hast du Hunger? Wir treffen uns um 1900 in der Kantine, ich stelle dir ein paar Freunde vor! Komm nicht zu spät!

Philipp.

 

Ich seufzte einmal kurz. Ich hatte keine wirkliche Lust heute noch irgendwohin zu gehen, außerdem hatte ich auch keinen Hunger. Aber konnte ich es mir wirklich leisten den einzigen in meinem Alter abzuservieren? Wahrscheinlich nicht. Ich sah also auf meine Uhr und war froh, dass ich noch ca. 3 Stunden bis dahin Zeit hatte. Ich fragte mich, wem er mich vorstellen wollte. Wenn es noch mehr Typen wie dieser Teal'c waren konnte ich wirklich darauf verzichten.

 

Dann wandte ich mich wieder den Kisten zu in denen man anscheinend alles aufbewahrt hatte was meine Mutter hier zurück gelassen hatte. Nachdem ich nun auch die zweite von drei Kisten ausgeräumt hatte war nur noch eine übrig, die anderen standen bereits leer vor der Eingangstür und warteten nur darauf, dass ich sie rausstellte.

 

In der dritten Kiste fand ich dann die Kleider die meine Mutter hier gelassen hatte. Als ich die Kiste öffnete kam mir direkt der unverkennbare Duft ihres Parfüms in die Nase und ich hatte einen Augenblick das Gefühl sie sei mir ganz nah, als stünde sie hinter mir und ich musste mich nur umdrehen, um sie zu sehen. Als ich mich jedoch wirklich umdrehte sah ich nur mich selbst im Spiegel. Aber ich musste zugeben, dass ich meiner Mutter wirklich ähnlich sah, zumindest meiner Mutter wie sie wohl hier ausgesehen haben musste. Ging mir mein Vater vielleicht deswegen aus dem Weg? Weil ich ihr so ähnlich sah. Schmerzte es ihn an sie erinnert zu werden, an ihre gemeinsame Zeit?

 

Das erste Kleidungsstück was dort lag, war eine blau-graue Uniform. Sie bestand Augenscheinlich aus einer Hose, einem helleren T-Shirt und einer Jacke. An den Schultern waren einige Dinge festgestickt. Einmal ein Feld aus Klettverschluss und auf der anderen Seite eine kleine Deutschland Flagge. Diese Uniform war mir auch schon bei einigen hier auf Atlantis aufgefallen, manche hatten, ebenso wie diese Uniform, blaue Streifen über den Schlüsselbeinen, aber andere hatten auch rote, grüne, gelbe oder sogar schwarz-graue Streifen. Ich ahnte, dass dies etwas mit der Aufgabe zu tun hatte, die sie hier auf Atlantis ausführten, so ein bisschen wie bei Star Trek. Dort hatte es auch mehrere Farben gegeben für die einzelnen Abteilungen. Rot, Blau und Gelb. Blau waren dort die Wissenschaftler und Ärzte gewesen, gelb die technischen Offiziere und rot hatten immer die Kommandanten gehabt, zumindest in den meisten Serien.

 

"Mama war Wissenschaftlerin, dann bedeutet blau wohl auch hier, dass man Wissenschaftler ist.", stellte ich dann Fest und legte die Uniform meiner Mutter auf mein Bett. Darunter folgten dann noch einige Garnituren dieser Uniform, sowie einheitliche Sportbekleidung. Doch sie schien auch normale Kleider hier gehabt zu haben, denn es waren auch Jeans, kurze Hosen, Tops und Pullover dabei. Sogar ein Kleid hatte ich gefunden, doch was mich am meisten fesselte war eine Schatulle am Boden der Kiste. Sie war verschlossen, aber alleine die Verzierung war so fein gearbeitet, dass sie mich faszinierte. Es störte mich noch nicht mal, dass ich keinen Schlüssel dazu fand, ich stellte sie einfach so wie sie war neben den Fulgurit.

 

Wahrscheinlich musste ich diesem Woolsey, wer auch immer das war. Dafür danken, dass er mir diese Sachen hatte bringen lassen, denn es war nun das einzige was ich noch von meiner Mutter hatte.

 

 

 

 

 

 

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