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Kapitel 11

 

Ankunft in Atlantis

 

 

 

Wir bitten alle nicht-Besatzungsmitglieder, sich für die Ankunft in Atlantis vorzubereiten. In den letzten drei Wochen hatte ich nur ein einziges Mal eine Durchsage gehört, und das war die Information gewesen, dass wir die Milchstraße verlassen hatten. Jetzt waren wir anscheinend bald an unserem Ziel angekommen.

 

Es fühlte sich komisch an zu wissen, dass der Ort an dem man in Zukunft leben würde nicht die Erde war. Ich fragte mich, ob man in irgendeiner Weise einen Unterschied würde spüren können. Ich wusste, dass es auf den meisten Planeten andere Gravitationen gab als auf der Erde, aber wie war es auf Atlantis? Würde ich irgendwann vergessen, dass ich nicht auf der Erde war weil alles so ähnlich war wie dort? Ich konnte es mir nicht vorstellen, immerhin war es nicht die Erde und ich war mir sicher, es gab zwar viele erdähnliche Planeten, aber keinen der genauso war wie die Erde.

 

Ich packte also mehr als widerwillig meine Sachen zusammen, nicht das ich besonders viel gehabt hätte, aber die Berichte meine Mutter waren mir in den letzten Wochen immer wichtiger geworden. Ich hatte sie zwar immer noch nicht angesehen, aber es war dennoch etwas von meiner Mutter und da ich sonst nur das Bild von ihr hatte, dass mir die Kommissare in Deutschland mitgegeben hatten waren diese Berichte mir sehr wichtig.

 

„Na bist du bereit für Atlantis?“ Mittlerweile erschreckte ich nicht mehr wenn Philipp plötzlich hinter meiner Tür lauerte. Es war in den letzten drei Wochen beinahe zu einem Ritual geworden, dass er hinter der Tür auf mich wartete. Er war 3 Jahre jünger als ich, aber er war eindeutig unerschrockener was den Umgang mit allen hier an Bord anging. Er schien viele von den Soldaten bereits zu kennen und ich fragte mich, ob er sogar schon einmal auf Atlantis gewesen war. Als ich ihm jedoch diese Frage vor einigen Tagen gestellt hatte, hatte er mich einfach nur angegrinst und war gegangen.

 

Ich wusste nicht so recht, was ich von Philipp halten sollte. Man merkte ihm eindeutig an, dass er sein ganzes Leben mehr mit erwachsenen zu tun gehabt hatte als mit Kindern, denn sein gesamtes Verhalten war anders, als es für einen 13-jährigen normal gewesen wäre und alleine wie er mit diesem Teal’c umging zeigte mir, dass er ihn schon sein ganzes Leben kannte. Ich fragte mich, ob ich vielleicht auch schon erwachsener wäre, wäre ich damals in Atlantis groß geworden, aber eigentlich wollte ich darüber gar nicht nachdenken. Es gab einen Grund warum meine Mutter nicht dort geblieben war.

 

„Du siehst nicht gerade fröhlich aus. Ist das nicht unheimlich spannend für dich? Ich meine das ist ein ganz anderer Planet.“ Philipp schien nur so vor Freude zu strotzen und wahrscheinlich würde er nie verstehen, dass das es für mich alles andere war als ein spannendes Abenteuer.

 

Je näher wir zu den Transporterräumen kamen, desto mehr Leute sahen wir die mehr oder weniger Gepäck bei sich trugen, bis auf die Panik erinnerte es mich sehr an die Evakuierung der Apollo und ich merkte wie mein Puls langsam anfing zu beschleunigen. Manche der Anwesenden hatten die Lage noch immer nicht verkraftet und sahen müde und schwach aus. Ich konnte sie verstehen. Nach allem was passiert war wäre auch ich am liebsten einfach für immer in diesem Quartier geblieben, aber man hatte mich nicht gelassen. Man hatte mich immer wieder aus der Lethargie geholt und vielleicht war das sogar gut gewesen. Wahrscheinlich hatte mich das aus der Depression geholt die mich in den ersten Tagen auf der Deadalus gepackt hatte. Ich erinnerte mich noch genau daran, wie Teyla mich vor einigen Tagen, nachdem ich meine Arme auf der Krankenstation neu hatte verbinden lassen, auf die Brücke gebracht hatte.

 

Es war genau diese Brücke gewesen von der aus ich das erste Mal die Erde aus dem All gesehen hatte, bevor die Wraith alles zerstört hatten. Damals hatte ich noch gedacht, die Erde die dort vor dem Fenster gewesen war, sei nur ein Bild und ich hatte auch nur einen kurzen Blick darauf werfen können, bevor ich im SGC gelandet war. Als ich jedoch dieses Mal auf der Brücke stand, war dort keine Erde. Ich hatte einen hellen Stern gesehen und einige Planeten, die definitiv keine mir bekannten waren. Es waren weniger als in unserem Sonnensystem.

 

Teyla hatte mir dann erklärt, dass das eines von hunderten Sonnensystemen in der Pegasus Galaxie sei und das es hunderte von Menschen besiedelter Welten dort gab. Ich konnte mir das gar nicht vorstellen. Immerhin kannte ich nur die Erde und selbst dort hatte ich nur eine Handvoll Menschen gekannt. Aber dieser Moment, wo ich mit Teyla auf der Brücke gestanden hatte und dieses vollkommen Fremde Bild vor meinen Augen gehabt hatte, in diesem Moment begann ich zu verstehen, dass das alles echt war. Ich verstand auf einmal, dass nichts von dem was passiert war, von dem was man mir erzählt und gezeigt hatte etwas war, was mein Vater sich ausgedacht hatte. Es war alles wahr. Es gab tatsächlich Außerirdische und einige davon hatte ich bereits kennen gelernt.

 

Doch selbst die Erkenntnis, dass alles was hier passierte wahr war, hatte mich meinem Vater nicht näher gebracht. Ich war immer noch zu Stur zu akzeptieren, dass er nun die einzige Familie war die ich hatte. Ich war immer noch der Meinung ich würde auch wunderbar ohne ihn auskommen. Egal wie sehr der ein oder andere versucht hatte auf mich einzureden, ich war meinem Vater immer aus dem Weg gegangen und ich war dankbar dafür, dass er auch mir aus dem Weg ging.

 

Leider würde das auf Atlantis wahrscheinlich nicht mehr so gut funktionieren. Ich war 16 und Atlantis war eine große Stadt. Man hatte mir schon früh gesagt, dass ich ein Quartier genau neben meinem Vater haben würde und dass er jederzeit Zugang dazu hatte. Ich hatte mich mehr als lautstark dagegen gewehrt, aber weder General O’Neill noch seine Frau hatten nachgegeben.

 

„Gruppe 4, bitte bereitmachen für den Transport.“, sagte eines der Besatzungsmitglieder der Deadalus und ich wusste, dass ich ebenfalls damit gemeint war. Ich stellte mich also direkt zu den anderen 10 Personen aus der Gruppe 4 und wartete wieder auf dieses unbeschreibliche Gefühl und das weiße Licht. Innerhalb von einem Augenblick stand ich nicht mehr im Transporterraum der Deadalus, sondern mitten in einer riesigen Halle in der es nur so von Menschen wimmelte.

 

Ich sah mich einen Moment um. Alles sah so akkurat, so vollkommen durchdacht aus. Genau vor mir erstreckte sich eine Treppe. Auf ihren Absätzen war eine Inschrift zu erkennen die anscheinend von hintern beleuchtete wurde, damit sie den Neuankömmlingen direkt ins Auge fiel. Mich wunderte jedoch, dass es eine alte Form des Lateinischen zu sein schien, sehr alt um genau zu sein, denn manche Wörter schienen in einem seltsamen Dialekt und in einer fragwürdigen Grammatik geschrieben zu stehen. Auch im Rest des Raumes waren auf den Treppenabsätzen diese Inschriften verzeichnet, aber bevor ich sie weiter betrachten konnte riss mich Philipp auch schon aus meinen Gedanken.

 

„Wir sehen uns Maggie!“, rief er mir noch zu als er bereits zu seinem Vater ging, der anscheinend schon mit einer früheren Gruppe transportiert worden war. Ich fragte mich, ob mein Vater auch schon hier war, wenn er es war, dann hatte er nicht vor mir mein Quartiert zu zeigen. Aber dann sah ich Daniel wie er mir lächelnd zu winkte.

 

„Dein Vater muss zu einer wichtigen Besprechung, er hat mich gebeten dir den Weg in dein Quartier zu zeigen.“, erklärte er und ich verdrehte nur die Augen. Mir war es reichlich egal was mein Vater zu tun hatte, Hauptsache mir blieb dieser peinliche Moment mit ihm erspart.

 

Daniel lies mich noch weiter umsehen, zog mich aber von der Plattform auf der ich gestanden hatte herunter, da weitere Menschen von der Deadalus transportiert wurden. Auch bei meinem zweiten Blick durch diese Art Ankunftshalle war ich fasziniert von diesem Ort. Links von mir war diese große Treppe mit den Inschriften und rechts von mir stand ein riesiger Ring. Er sah anders aus als der auf der Erde und doch war mir direkt klar, dass das ein sogenanntes Stargate sein musste. Es schien filigraner bearbeitet zu sein und sah alleine schon dadurch fortschrittlicher aus, als das im SGC. Hier sah es so aus, als wäre die Stadt um dieses Tor errichtet worden. Auf der Erde war der Bunker bereits vor dem Tor vorhanden gewesen und man hatte ihn nur umfunktioniert, zumindest hatte man mir das so erklärt.

 

„Haben sie andere Welten gefunden?“, fragte ich nach einem Moment und Daniel sah mich fragend an. „Die Antiker. Hier steht das sie Atlantis verließen um neue Welten zu besuchen.“, sagte ich und zeigte auf die große Treppe. Ich merkte erst gar nicht mit welchem entgeisterten Blick Daniel mich ansah, denn ich ging näher an die Treppe heran um genauer lesen zu können.

 

„Du kannst das lesen?“, fragte er erstaunt und ich drehte mich zu ihm um. Er musste doch auf meinem Zeugnis gesehen haben, dass ich Latein gehabt hatte. Okay, ich hatte nicht die besten Noten gehabt, aber auch nur weil mir die Grammatik ziemlich unlogisch vorkam. Die Grammatik in diesen Sätzen war da weitaus überzeugender.

 

„Das ist doch Latein!“, sagte ich ihm also und meine Stimme klang so, als wäre es das selbst verständlichste der Welt, dass ich diese Sprache kannte. „Ut exeatis hinc, visitare saeculum procul, das bedeutet so viel wie: Da wir diesen Ort verlassen haben, um weit entferne Welten zu besuchen.“, übersetzte ich die erste Zeile während ich immer noch auf die Treppe sah. Dann fragte Daniel mich, ob mir nicht irgendetwas an der Schrift auffiel und nun da ich genauer hinsah und darauf achtete, merkte ich, dass es gar keine normalen Buchstaben waren. Es sah eher so aus als hätte ein Computer die Buchstaben sehr verkleinert und dann hatte jemand versucht die einzelnen Buchstaben als Pixelbilder wiederherzustellen.

 

Ich hatte wirklich keine Ahnung, warum ich das Lesen konnte, aber in meinem Kopf wusste ich einfach was diese zusammengewürfelten Pixelbilder bedeuteten. Ich sah Daniel an und er bückte sich leicht zu mir runter. „Das ist die Sprache der Antiker.“, begann er. „Sie ist Latein sehr ähnlich, wahrscheinlich lernten die Römer nicht nur den Straßenbau von den Antikern, sondern haben auch ihre Sprache adaptiert.“

 

Ich fragte mich in diesem Moment was Daniel wohl zu sich genommen hatte. Wahrscheinlich konnte jeder hier diese Sprache Lesen und er wollte mich auf den Arm nehmen. Wollte sich einen kleinen Scherz erlauben in der Hoffnung ich würde dann vielleicht etwas fröhlicher werden. Aber das würde er nicht hinbekommen. So faszinierend hier auch alles war, es war nicht die Erde, das merkte ich sofort. Nicht nur, dass hier alles anders aussah, ich fühlte mich auch anders. Es war kein großer Unterschied, aber ich hatte das Gefühl ich hätte innerhalb kürzester Zeit abgenommen, denn mein Körper fühlte sich nicht mehr so schwer an.

 

Wahrscheinlich war dieser Planet kleiner als die Erde und daher war auch die Anziehungskraft geringer. Dann murmelte Daniel etwas davon, dass wir unbedingt näher auf meine „Fähigkeit“, wie er es anscheinend nennen wollte, eingehen sollten, aber dass es besser war, wenn ich mich erst einmal in der Stadt zu Recht fand. Dann führte er mich durch die Halle hindurch und in einen Gang. Einige Leute tummelten sich bereits dort und schienen auf irgendetwas zu warten. Daniel jedoch ging einfach mit mir weiter, bis wir zu einer Treppe gelangten. Im Nachhinein war ich froh, dass mein Quartier unter und nicht über der Halle lag, denn mehrere Stockwerke hinunter zu gehen war einfacher als sie hinauf zu gehen und ich erwartete nicht, dass ich sonderlich oft diese Halle betreten würde.

 

Wir gingen ganze 5 Stockwerke nach unten bis Daniel wieder in einen der Gänge abwendete. Alles sah hier gleich aus und wahrscheinlich sah der Gang ein Stockwerk höher nicht anders aus als dieser. Was mir allerdings auffiel war, dass man hier versucht hatte die eher tristen Gänge mit Pflanzen aufzulockern. Das sollte wahrscheinlich ein Zeichen sein, dass wir hier in den bewohnten Gegenden der Stadt waren und nicht mehr in diesem Ankunftsbereich.

 

„Wenn das Atlantis ist, warum sind wir dann nicht unter Wasser? Ich dachte die Stadt sei versunken?“, fragte ich Daniel als wir an einem Fenster vorbeigingen und ich die Sonne sehen konnte die hindurch schien. Er sah mich direkt lächelnd an und ging näher zu dem Fenster. Erst als wir näher dran standen erkannte ich, dass wir uns auf dem Wasser befanden. Ich sah sogar einen Teil der Stadt. Es war wie ein ausgestreckter Fangarm eines Oktopusses.

 

„Die Stadt war unter Wasser, vor 18 Jahren hat die Ankunft der Atlantis-Expedition dazu geführt, dass die Stadt nach 10.000 Jahren wieder an die Oberfläche gestiegen ist. Jedoch nicht auf diesem Planeten.“

 

„Auf der Erde?“, fragte ich neugierig und blickte immer noch nach draußen auf das einmalige Bild was sich mir bot. Noch nie hatte ich so etwas gesehen. Ich konnte es noch nicht einmal richtig beschreiben.

 

„Das ist der Süd-Pier. Er war der letzte der wieder hergestellt werden konnte. Die Stadt hat insgesamt 5 davon und wir nehmen an, dass sie damals als eine Art Hafen fungiert haben an denen die Fremden Schiffe anlegen konnten.“, erklärte Daniel dann und ich sah immer noch wie gebannt auf das was ich sah. Die Architektur dieser Stadt war tatsächlich vollkommen anders als alles was ich bisher kennen gelernt hatte. Es war deutlich zu erkennen, dass das hier nicht die Menschen von der Erde die Erbauer waren. Die Hochhäuser, oder Türme, wie Daniel sie nannte, ragten sowohl aus dem Pier als auch aus dem mittleren Stadtkreis empor und waren gelegentlich durch lange Gänge miteinander verbunden. Woher die Statik für diese Gebilde kam war mir mehr als schleierhaft.

 

„Wir befinden uns hier im Hauptturm 5 Stockwerke unter der Ankunftshalle, oder Gateraum, wie wir ihn nennen, und insgesamt im 54 Stockwerk.“, erklärte Daniel während wir uns von dem imposanten Anblick lösten und weiter gingen. „Hier befinden sich die meisten Wohnquartiere. Der Grund dafür ist, dass der Schild der Stadt selbst bei niedriger Energie zumindest den Hauptturm schützen kann. Auf diesem und den nächsten beiden Stockwerken befinden sich die Quartiere der Leitenden Offiziere des Expedition, weiter Unten kommen dann die Anderen.“

 

Dann blieb Daniel vor einer Tür stehen und zeigte auf eine kleine Lampe. Er erklärte mir, dass ich nur, wie bei einem Bewegungsmelder, mit meiner Hand über das Licht fahren musste, damit sich die Tür öffnete. Wenn ich es nicht wollte, würde niemand in mein Quartier kommen können, niemand außer meinem Vater und der Leiterin der Krankenstation. Gegen letztere hatte ich ja im Grunde nichts einzuwenden, es war sicherlich gut, wenn ein Arzt im Notfall zu mir kommen konnte, aber mein Vater? Darauf hätte ich gut und gerne verzichten können.

 

Dann öffnete ich die Tür und trat in mein Quartier. Anscheinend hatte sich jemand Mühe gegeben, denn es war eindeutig freundlicher eingerichtete als das Quartier auf der Deadalus. Hier hatte ich sogar einen Schreibtisch und einige Bücherregale. Die einzige Frage die ich mir stellte war, mit welchen Büchern ist es füllen sollte, denn ich hatte ja alles zu Hause zurücklassen müssen. Als ich weiter hineinging sah ich, dass mein Quartier anscheinend aus mindestens 3 miteinander verbundenen Räumen bestand, denn ich sah zwei Türen. Eine davon musste sicherlich ins Badezimmer führen, zumindest hoffte ich, dass ich ein eigenes Badezimmer hatte und mir nicht, wie in alten Jugendherbergen, mit mehreren ein Badezimmer teilen musste.

 

Dann ging Daniel zu einer der Türen und öffnete sie. Direkt zog ein leichter Wind durch das Quartier und ich sah gespannt durch die Tür. Sie führte über einen weiteren Raum auf einen Balkon dessen Türen weit geöffnet waren. In diesem Raum befanden sich eine kleine Küche, sowie ein Esstisch.

 

„Auch wenn dir das nicht gefallen wird, aber diesen Raum teilst du dir mit deinem Vater. Die Tür dort hinten führt zu seinem Quartier.“, erklärte Daniel und zeigte auf eine Tür weiter hinten in diesem Raum. Am liebsten wäre ich sofort aus dem Raum gegangen, ich wollte mich nicht zu sehr an ihn gewöhnen, denn ich würde ihn wohl nie nutzen, aber der Balkon war zu verlockend um nicht nach draußen zu gehen und die Stadt ohne Fenster zu beobachten.

 

„Das alles ist Atlantis?“, fragte ich dann, denn diesmal sah ich die Stadt wieder aus einer anderen Perspektive. Ich konnte dieses Mal in den Inneren Ring sehen und der Balkon war groß genug, dass ich fast die Hälfte der Stadt sehen konnte. Direkt vor mir erstreckten sich weitere Türme und ich hatte das Gefühl mitten in einer Großstadt mit unendlich vielen Hochhäusern zu stehen. Doch die salzige Brise die mir immer wieder die Haare ins Gesicht wehte erinnerte mich daran, dass ich zwar in einer Großstadt war, dass diese Stadt aber mit nichts vergleichbar war was ich bisher gekannt hatte.

 

Ich fragte mich, ob meine Mutter genauso fasziniert von dieser Stadt gewesen war als sie zum ersten Mal her gekommen war, fragte mich, ob sie oft auf so einem Balkon gestanden hatte um die Stadt zu beobachten. Ich stellte mir sie bildlich vor wie sie vor mir stand und lächelnd auf die Stadt blickte, wie sie vielleicht dem ein oder anderen, der Gerade durch einen der Verbindungsgänge der Türme ging, zuwinkte. Sicherlich war sie hier glücklich gewesen.

 

„Willst du nicht den Rest deines Quartieres sehen?“, fragte Daniel mich, nachdem ich eine Zeit lang einfach nur auf dem Balkon gestanden hatte. Ich hatte Angst gehabt meine Mutter zu vergessen, nicht mehr zu wissen wie sie gewesen war, aber genau hier, auf diesem Balkon hatte ich das Gefühl ihr näher zu sein als ich es je zuvor gewesen war. Hier hatte ich das Gefühl endlich zu verstehen von welcher Schönheit sie immer geredet hatte.

 

Aber ich wusste, selbst wenn ich mich meiner Mutter hier so nahe fühlte, die Chance hier auf meinen Vater zu treffen war zu groß, wahrscheinlich konnte er mich durch die kleinen Fenster sehen und irgendwann würde er mit mir reden wollen, oder müssen, dann würde er mich sicherlich genau an diesem Ort abfangen. Also ging ich mit einem leicht wehmütigen Gefühl wieder zurück durch dieses Ess- und Kochzimmer zurück in meinen eigenen Bereich. Daniel hatte mittlerweile die Tür zum Badezimmer geöffnet und ich freute mich darüber, eine relativ große Eckbadewanne und eine extra Dusche zu sehen. Ich badete zwar nicht oft, aber ich war dankbar für die Möglichkeit dies zu tun. Das Bad war jetzt nicht gerade das Design Highlight des Quartiers, aber es würde reichen. Ich hatte alles was man brauchte.

 

„Auf dem Schreibtisch neben deinem Computer liegt dein neues Tablet und dein Funkgerät. Das solltest du immer bei dir tragen wenn du dein Zimmer verlässt. Nur so können wir dir im Ernstfall helfen.“, sagte Daniel dann und ging zurück zur Eingangstür des Quartieres. Er winkte noch einmal und verschwand dann. Wahrscheinlich musste er noch mehr Leute zu den neuen Quartieren bringen.

 

Doch kaum war Daniel verschwunden ertönte plötzlich eine Art Klingeln in meinem Quartier. Ich ahnte schon schlimmes und überlegte sogar kurz, ob ich die Tür überhaupt öffnen sollte, aber als es noch einmal klingelte ging ich doch zur Tür, winkte einmal kurz über die Lichtschranke und die Tür öffnete sich. Vor mir stand ein mir unbekannter Mann mit einigen Kisten.

 

„Mr. Woolsey sagte mir, wir sollen diese Sachen in dieses Quartier bringen.“, sagte er nur, stellte die Kisten, die er anscheinen auf einer Art Sackkarre gestapelt hatte, in mein Quartier und ging dann wieder, ohne ein weiteres Wort zu sagen.

 

 

 

 

 

 

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