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Kapitel 5

 

Fremder Freund

 

 

„Haltung für unseren König, Thengarl Nagaschreck und seine Gemahlin Naokoma!“, brüllte einer der Wachen. Seit dem Kampf gegen Zorak war nun schon 2 Wochen vergangen und der Palast begann wieder in seiner alten Pracht zu strahlen. Der Thronsaal war das erste gewesen das nach meinem Sieg gegen Zorak, den Onkel meines Vaters, wieder hergestellt wurde. Dass Thengarl mein Vater war hatte Zorak ja bereits angedeutet. Glauben hatte ich das da aber nicht können. Doch als meine Mutter wieder vollkommen genesen war hatten mein Vater und sie mir ihre Geschichte erzähl. Meine Mutter, die Tochter eines hohen Offiziers der Königlichen Garde von Atlantis hatte sich in meinen Vater verliebt als ihm bereits der Tochter seines Onkels versprochen gewesen war. Zorak hatte sich damit erhoff mehr Einfluss bei Hofe zu erlangen. Als sich herausstellte, dass meine Mutter schwanger war hatte mein Vater dann im Katzenbüro über das er bereits viele Gerüchte gehört hatte, um Hilfe gebeten und gemeinsam hatten Baron und mein Vater es geschafft meine Mutter in unsere Welt zu bringen und dort vor Zorak zu beschützen.

 

Durch diese Rettungsaktion hatte Zorak jedoch die Möglichkeit gehabt den König, seinen Bruder zu töten und selbst die Macht an sich zu reißen. Er bemächtigte sich aller freien Willen, eigentlich Kraftsteine die durch den Willen eines Menschen angetrieben wurden, und erlangte somit eine unheimliche Kraft. Als es jedoch nicht mehr genügend freie Willen gegeben hatte, hatte Zorak damit begonnen Willen zu brechen, dass sie ihm dienten und selbst die Willen der Toten hatte er daran gehindert zu erlöschen. Es war eine Grausame Zeit gewesen und das gesamte Volk von Atlantis war froh, dass diese Zeit nun ein Ende hatte.

 

Doch die Sache mit den Willenssteinen war nicht das einzige verwunderliche an diesem Volk, dem ich auch angehörte. Ich hatte es schon gemerkt als Thengarl und ich zusammen gekämpft hatten und im Nachhinein betrachtet waren mir noch mehrere seltsame Situationen aufgefallen. Die Atlanter konnten, wenn sie ihre Steine trugen mit den einzelnen Mitgliedern ihrer Blutsfamilie über Gedanken und Gefühle miteinander kommunizieren. Ich konnte also wann immer ich es wollte mit meinen Eltern reden, sie aber untereinander nicht, da sie nicht das selbe Blut teilten. Ebenso merkwürdig war, dass die Zeit hier in Atlantis anders verlief als im Rest der Welt. Es war eine Schutzfunktion um sich vor Entdeckung zu schützen. Man konnte nie genau sagen wie viel Zeit in der richtigen Welt vergangen war. So waren in den wenigen Stunden nach dem Verschwinden Meiner Mutter und der Entführung Baron's ca. 3 Wochen vergangen. Und seit der Baron hier her gekommen war und ich hier auftauchte waren noch einmal 4 Wochen verstrichen. Alles in Allem war diese Stadt und ihre Bevölkerung alles andere als normal. Und dennoch hatte ich mich in Japan niemals so zu Hause gefühlt wie hier. Hier gehörte ich hin. Deshalb, und auch meiner Mutter zuliebe, die endlich wieder fröhlich war, hatte ich mich entschieden hier zu bleiben.

 

„Bitte empfang meine Tochter, Prinzessin Haruthuma, Bezwingerin Zorak’s.“, sagte mein Vater laut als er mir ein Diadem aufsetzte. Eigentlich hätte ich glücklich sein müssen. Jedes Mädchen wünschte sich eine Prinzessin zu sein. Doch ich war nicht glücklich. Vor 2 Wochen hatte ich Baron gerettet, doch er war schwer Verwundet worden und ich hatte seit dem keine Informationen mehr bekommen. Niemand wollte mir etwas sagen, wollte mir erklären wie es ihm ging oder mich zu ihm bringen. Wann immer ich meinen Vater oder meine nun endlich wieder überglückliche Mutter auf Baron ansprach sagten sie mir nachdenklich die Zeit würde Zeigen was mit Baron passieren würde. Wie ihr euch vorstellen könnt war das für mich alles andere als beruhigend.

 

Nachdem mein Vater mich den wichtigsten Leuten vorgestellt hatte, darunter auch die neuen Mitglieder der Regierung, setzten wir uns alle an eine Lange Tafel an der meine Mutter, mein Vater und ich am Kopfende Platz nahmen. Neben mir war ein Platz noch unbesetzt, aber es interessierte mich nicht. Ebenso wenig wie das Essen mich interessierte. Natürlich, es war vorzüglich und es fehlte an nichts, aber dennoch aß ich nur um etwas gegessen zu haben. Genießen konnte und wollte ich es nicht.

 

"Iss doch noch etwas mein Schatz." sagte meine Mutter fast flehend. Sie schien genau zu wissen was mich bedrückte, sie wusste es immer. "Nein, ich habe keinen Hunger mehr." antwortete ich ihr in Gedanken. Es war immer noch komisch für mich so mit ihr zu reden, doch ich fühlte mich im Moment nicht danach laut mit ihr zu reden. "Aber Haru, wenn du nicht isst wird das Baron auch nicht helfen." Ich wusste, dass sie Recht hatte, aber das änderte nichts an der Tatsache. Außerdem schwirrte ein anderes Problem in meinem Kopf herum. Wenn er wirklich aufwachen sollte, wie sollte es weiter gehen? Ja, ich hatte mir nun schon länger eingestanden dass aus der Verliebtheit von damals mehr gewachsen war und ich hatte mir auch schon oft darüber Gedanken gemacht, dass es ihm vielleicht genauso erging. Doch er war immer noch eine Katzenfigur und ich ein Mensch. Ich hatte sogar schon darüber nachgedacht mit ihm ins Königreich der Katzen zurückzukehren und dort zu bleiben. Lune und Yuki hätten uns sicherlich mit Freuden dort gehabt, aber ich hatte nun auch ein Volk. Ich war das einzige Kind meiner Eltern und würde es auch bleiben. Ich hatte irgendwann ein Erbe anzutreten und hatte damit auch eine Verantwortung. Ich konnte nicht einfach in ein anderes Königreich abhauen, so sehr ich das vielleicht auch gewollt hätte.

 

„Dürfte ich versuchen euch aufzumuntern Prinzessin Haru?“, fragte mich eine sanfte aber dunkle Stimme. Als ich leicht nach oben blickte stand ein Mann vor mir. Er war mir bis dahin gar nicht aufgefallen und mein Vater hatte ihn mir mit Sicherheit auch noch nicht vorgestellt. Sein Gesicht war durch eine weiße Federmaske bedeckt und er trug einen langen Umhang. Wahrscheinlich hatten meine Eltern gedacht sie können mich damit aufmuntern wenn ich an Baron erinnert wurde, doch sie lagen sehr falsch. „Bitte Prinzessin.“, bat er mich und ich wollte nicht unhöflich erscheinen. Als Prinzessin würde ich nun einige Etikette zu beachten haben. Also stand ich auf, nahm seine in einen weißen Seiden Handschuh gepackte Hand und er führte mich auf die Tanzfläche.

 

Ich war wirklich keine gute Tänzerin, im Gegenteil. Yosuke, der Junge mit dem ich auf dem Abschlussball der High School gewesen war, hatte sogar blaue Flecken an den Füßen gehabt, weil ich ihm so oft darauf getreten war. Aber irgendwie schaffte es dieser Mann mich fast elegant aussehen zu lassen. Es war anscheinend wirklich sehr wichtig wie gut der Mann die Frau führen konnte. Und ich fühlte mich gut beim Tanzen. Alle Blicke lagen auf uns beiden und ich konnte sehen wie meine Mutter und mein Vater mich freudig ansahen und ihre Hände hielten. Ich fragte mich, ob sie vielleicht früher einen ähnlichen Moment hatten.

 

"Es freut mich, dass ihr endlich auf mich gehört habt Prinzessin Haru.", flüsterte der Mann und beinahe wäre ich vor Schreck über seine und meine Füße gestolpert. Was hatte er da gerade gesagt? Aber ich hatte diesen Mann doch nie zuvor gesehen. "Ich wusste schon immer, das ihr stark sein könnt, wenn ihr nur an euch selbst glaubt." Dann blickte er zu mir hinunter und ich sah in das grünste Paar Augen das ich je bei einem Menschen gesehen hatte. Ich blieb Augenblicklich stehen. Was war hier nur los? Irgendetwas war mehr als Faul.

 

"Wer seid ihr?", fragte ich Misstrauisch und trat einen Schritt von ihm zurück. Auch die Musik hatte nun aufgehört zu Spielen. Ich sah wie der Willen des Mannes unter seinem Umhang immer stärker zu Leuchten begann und wusste nicht, ob es ein Gutes oder schlechtes Zeichen war. Ich musste auf alles gefasst sein. Mit einem kurzen Blick schätze ich ab, wie weit ich nun von dem Mann entfernt war, wo die Wachen standen und wie viele Schritte ich im Ernstfall brauchen würde um an meine Waffe, welche an einer der Wände hing, zu kommen.

 

"Vorsicht ist gut Haru,", sagte er und auf einmal kam mir seine Stimme unheimlich bekannt vor. "doch vor mir geht für dich sicherlich keine Gefahr aus.", führte er weiter fort und schmiss den Hut den er trug auf den Boden. Diese Szene kam mir so bekannt vor, dass es schon fast unheimlich war. Nun erst sah ich das leicht rotblonde, etwas längere Haar das bis jetzt unter Umhang und Hut verborgen gewesen war. Mein Kopf arbeitete auf Hochtouren. Etwas stimmte nicht, doch warum war nur ich besorgt? Warum war nicht mein Vater mittlerweile aufgestanden um den Fremden zu begutachten. Oder wusste er wer es war? Wussten alle wer es war nur ich nicht.

 

"Mein Name, liebe Haru," begann er und begann langsam seine Maske abzuziehen. Ja irgendetwas an ihm kam mir wahnsinnig vertraut vor. Irgendetwas an ihm sagte mir, dass ich diesen Mann besser kannte als es in diesem Moment wohl den Anschein hatte "ist Baron Humbert von Gikkingen, doch diesmal muss ich dich nicht retten." Mein Herz blieb stehen und ich atmete nicht mehr. Konnte das wirklich sein? War das wirklich Baron, oder erlaubte sich jemand einen bösen Scherz mit mir? Nein! Es war Baron, er musste es einfach sein, wer sonst wusste schon genau was im Königreich der Katzen passiert war? Ich starrte ihn einfach an, ohne ein Wort zu sagen, konnte nicht fassen, das Baron nun als Mensch vor mir stand und nicht als Katzenfigur. Was war nur geschehen?

 

"Mein Körper war so schwer verletzt, dass die Heiler ihn nicht retten konnten, also mussten sie einen neuen erschaffen. Sie fragten mich um meine Erlaubnis, doch ich bat sie mir den Körper eines Menschen zu geben, nicht den einer Katze." Ich sah ihn erstaunt an, konnte nichts sagen, nichts tun. Ich merkte gar nicht mehr das so viele Leute um uns herum standen.

 

"Ich habe nie vergessen was du damals bei unserem Abschied gesagt hast und mir ging es damals ähnlich. Doch du bist nicht mehr gekommen und ich dachte du hast uns vergessen. Als deine Mutter mir dann während unserer gemeinsamen Gefangenschaft berichtete das du ein sehr gefühlvolles Bild von uns beiden gemalt hattest," er sah mir tief in die Augen und es war fast so wie in meinem Bild, nur dass es diesmal echt war und nicht nur auf Leinwand gebannt und wir waren beide Menschen. "stieg in mir die Hoffnung, dass du mich nicht vergessen hattest, und dass sich deine Gefühle nicht geändert hatten. Es gab also nur noch zwei Barrieren, Zorak und meine Katzengestalt. Und mit der Erneuerung meines Körpers wurde mir eine Chance gegeben. Die Chance tatsächlich zu leben, als Mensch. Wir müssen Zorak also in gewisser Weise dankbar sein. Ohne ihn wäre es vielleicht nie so weit gekommen." sagte er und meine Starre endete endlich. Mit den Tränen die langsam in meine Augen gestiegen waren umarmte ich ihn wie ich noch nie jemanden umarmt hatte. Er war hier. Mein Baron war hier und das war alles was zählte.

 

Als wir uns wieder voneinander trennten sah ich ihn wieder an. Es war einfach unglaublich. Er war anders wie früher und doch so gleich. Sein Akzent, seine Augen, auch als Mensch war er etwas größer, genau wie im Königreich der Katzen.

 

"Heißt das, du wirst jetzt immer ein Mensch bleiben?", fragte ich ihn als wir uns wieder hingesetzt hatten. Ich konnte ihn immer noch nur anstarren. Er lachte leicht und ich wäre am liebsten dahin geschmolzen als er auf einmal meine Hand ergriff. Stattdessen änderte sich jedoch nur die Farbe meines Gesichtes. Wenn das alles nun kein Traum war, konnte mein Leben nicht mehr besser werden. "Wirst du hier bleiben?", fragte ich weiter als er meine erste Frage mit einem leichten Nicken bestätigte.

 

"Solange, wie du es wünschst.", antwortete er.

 

"Dann solltest du die lieber auf einen längeren Aufenthalt vorbereiten.", sagte ich mit einem breiten grinsen, denn eines war sicher. Ich würde ihn nicht mehr gehen lassen, nicht jetzt wo ich wusste, dass er alles andere als ein Traum war.

 

"Dann ist es ja gut, dass man uns hat herbringen lassen!", hörte ich plötzlich eine Stimme aus dem Hintergrund und als ich mich in die Richtung drehte aus der die Stimme gekommen war stieß ich einen leisen Schrei aus. In der Tür des Thronsaales standen Muta und Toto. Natürlich lief ich den beiden direkt entgegen und auch wenn Muta das alles andere als angenehm fand hob ich ihn hoch und erdrückte ihn beinahe.

 

"Ist ja schon gut, ist ja schon gut!", beschwerte er sich und ich setzte ihn wieder ab. Das war der Muta wie ich ihn kannte und liebgewonnen hatte. Als ich dann hörte dass die beiden auch hier bleiben würden war ich natürlich hellauf begeistert, vor allem weil mein Vater versprach Toto zu einem richtigen Raben zu machen, nicht nur zu einem der sich immer wieder in Stein verwandeln würde. So fügte sich alles ein und ich war froh, dass alles so gut ausgegangen war.

 

 

 

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