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Kapitel 2

 

Untergrund

 

 

„Wo bin ich hier?“, fragte ich noch etwas benommen als ich aufstand und um mich blickte. Nichts hier kam mir in irgendeiner Weise bekannt vor. Auch die beiden Personen die neben mir standen und mir aufhelfen wollten waren mir keineswegs bekannt.

 

„Ihr seid im Lager der Rebellion.“, sagte die Frau uns sah sich besorgt meine Stirn an. Sie schmerzte und ich merkte wie etwas Warmes meine Stirn hinab lief. Anscheinend hatte ich mir bei meinem Sturz ganz schön die Rübe angerannt. Das war mal wieder typisch für mich … ich war wahrscheinlich der einzige Mensch der sich beim über die Füße stolpern selbst töten konnte … und dann erinnerte ich mich wieder daran was passiert war. Meine Mutter war entführt worden und als ich Baron um Hilfe bitten wollte war auch er verschwunden. Und jetzt, jetzt war ich irgendwo und gleichzeitig nirgendwo.

 

Dann tauchte der Mann auf, den ich schemenhaft bereits in meiner Teetasse gesehen hatte und mein Atem stockte. Ich weiß das konnte nicht sein, aber der Mann, er hatte meine Augen. Dieselbe Farbe, dieselbe Form. Auf einmal stand die junge Frau neben mir Kerzengerade und sautierend da. Ich wusste nicht so recht was ich tun sollte. Musste ich auch salutieren? War dieser Mann eine wichtige Persönlichkeit? Würde er sich beleidigt fühlen wenn ich nicht salutierte? Ich wusste es nicht und daher tat ich es lieber bevor ich noch in Schwierigkeiten kam.

 

„Du musst sicherlich nicht vor mir Salutieren, meine liebe Haruthuma.“, sagte er und ich erstarrte. Woher kannte er bloß meinen Namen? Es war nicht gerade ein häufig vorkommender Name den man vielleicht erraten konnte. Um ehrlich zu sein hatte ich noch nie von jemandem gehört der tatsächlich Haruthuma hieß, außer mir.

 

„Wer seid ihr?“, fragte ich dann aber ich war vorsichtig. Wer wusste schon was dieser Mann von mir wollte? Wer wusste schon ob er es nicht doch gewesen war, der meine Mutter und Baron entführt hatten. Und wo waren Muta und Toto? Warum waren sie nicht auch hier?

 

„Mein Name ist Thengarl und ich bin der Anführer der Rebellion.“ Sagte er und die Frau neben mir wollte noch etwas hinzufügen wurde aber durch seinen Blick zum Schweigen gebracht. Irgendetwas sollte ich nicht erfahren und das machte mir ein wenig Angst. Vor allem wusste ich ja nicht wogegen sie hier rebellierten. Woher sollte ich wissen, ob ich auf der richtigen Seite gelandet war, das hieß bei den guten. Doch etwas in mir sagte mir, dass Thengarl einer von den Guten sein musste. Etwas in mir wollte nicht, dass es anders war. Außerdem wäre ich sicherlich mittlerweile in einem Gefängnis wenn ich auf der Falschen Seite gelandet war.

 

„Ihr sagtet Baron sei entführt worden?“ fragte Thengarl mich dann und bat mich, mich mit ihm auf eine Bank zu setzten. Also erklärte ich ihm was bis hierhin passierte war. Erzählte ihm das erst meine Mutter verschwunden war und dass ich darauf hin bei Baron Hilfe gesucht hatte. Dann war auch er verschwunden. … Als ich resignierend und beinahe mit Tränen in den Augen meine Geschichte beendet hatte griff Thengarl meine Hände und hielt sie beruhigend in den seinen.

 

„Nichts und niemand hat das Recht dich so traurig zu machen Haru, wir werden Baron und natürlich auch deine Mutter befreien.“ Sagte er bestimmt und ich sah in seinen Augen, dass er ernst meinte was er sagte. Doch noch etwas andere blitzte in seinen Augen, etwas das ich nicht verstehen konnte. Dann stand er auf und befahl der Frau die neben mir gestanden hatte etwas in einer Sprache die ich nicht verstehen konnte und sie rannte los.

 

„Du wirst dir nun etwas anderes anziehen, etwas sichereres und dann werden wir nach dem Baron und deiner Mutter suchen, ich habe bereits eine Ahnung wo sie sein könnten.“, sagte der Mann und er hatte eine solche Zuversicht, dass auch ich langsam wieder Hoffnung schöpfte. Dieser Fremde wollte mir tatsächlich helfen. Während ich dann darauf wartete, dass mir neue Kleidung gegeben wurde bestand Thengarl darauf, dass ich ihm von mir erzählte. Er schien erpicht darauf alles über mich zu erfahren. Von dem ersten Mal an dem ich gelaufen war, über meinen ersten Versuch auf dem Fahrrad bis hin zu meinem Treffen mit Baron.

 

„Was ist das da in deiner Tasche?“ fragte er dann. Erst jetzt merkte ich, dass ich meine Tasche im Katzenbüro gar nicht abgenommen hatte. Sie hing immer noch quer über meine Schulter und aus ihr lugte das Bild. Als ich es herauszog und ich Baron auf dem Bild sah musste ich mich zusammen reisen damit nicht wieder Tränen in meine Augen schossen. Was würde ich wohl tun, wenn ich ihn nie wieder sehen würde? Wenn ich nie wieder in seine leuchtend grünen Katzenaugen sehen konnte. Nun da ich endlich wieder wusste, dass es kein Traum gewesen war vermisste ich ihn. Ich wollte ihn wieder bei mir haben. Doch es war absurd. Er war eine Katze, noch nicht mal eine Katze, die Figur einer Katze. Aber machte das wirklich so viel aus? War es nicht eher die Seele die gerade Baron ausmachte? War es nicht allgemein die Seele eines anderen die einen Anzog? Natürlich spielte das Aussehen auch eine gewisse Rolle, aber nicht wenn man sich bereits kannte.

 

„Ein sehr schönes Bild, das viel Gefühl beinhaltet. Du solltest es Baron zeigen wenn wir ihn gefunden haben.“, sagte Thengarl leise und zwinkerte mir leicht zu. Ich sah ihn geschockt an. Der Mann kannte mich noch nicht mal eine Stunde und er ermutigte mich schon einer Katzenfigur, die er wahrscheinlich auch nur wenig kannte, meine Gefühle zu offenbaren die zu nichts führen würden? Woher sollte ich schon wissen, ob der Baron dasselbe für mich empfand, wenn da nicht unsere offensichtliche Barriere wäre. Ich war froh, als endlich meine neuen Kleider kamen, denn dann musste ich mich umziehen und Thengarl verließ den Raum.

 

„Es ist schön euch endlich in Sicherheit zu wissen Haruthuma.“, sagte das Mädchen das mit die Kleider gebracht hatte und ich sah sie verwundert an. Woher um alles in der Welt kannte sie meinen Namen? Und warum nahm sie an dass ich „endlich in Sicherheit“ war? Sie sagte es fast so, als ob ich hier hin gehörte und das beunruhigte mich sehr. Wussten hier alle etwas dass ich nicht wusste? Oder war das hier alles ein dummes Spiel? Die Kleider die man mir anzog waren keines Wegs Kleider die ich im normalen Tokio hätte tragen können es war zu meiner Überraschung und Beunruhigung Kampfkleidung aus Leder das an einigen Stellen sogar mit Stahlähnlichem, aber leichterem Metall bedeckt war.

 

„Was bedeutet das?“, fragte ich Thengarl als man mich komplett angezogen aus dem Raum wieder zum Anführer brachte. Er sah mich von oben bis unten an und schien zufrieden mit dem was er sah.

 

„Das, meine liebe Haruthuma bedeutet, dass wir nun in den Krieg ziehen werden.“ Ich stockte. Mit einem Mal, als wäre seine Worte ein Zauber gewesen, konnte ich keinen einzigen meiner Muskeln mehr bewegen. Hatte er gerade einen Schertz gemacht? Was anderes konnte es wohl nicht gewesen sein. Ich und in einen Krieg ziehen! Pah! Ich würde mich mit einer Waffe schneller selbst umbringen als es irgendjemand anderes schaffen würde. Bei meiner Tollpatschigkeit wäre es kein Wunder wenn ich geradewegs in einen der Schwertständer hinein fiel nur weil ich daran vorbei lief und über meine eigenen Füße stolperte. Und kämpfen? Das hatte ich noch nie gemacht.

 

„Habe keine Angst, wenn du erst deine Waffe hältst wirst du wissen was zu tun ist.“, war das einzige was Thengarl dazu zu sagen hatte und ich hatte das Gefühl, dass mein Ungutes Gefühl in etwas belustigte. Und wie er „deine Waffe“ gesagt hatte machte es nicht gerade besser. Es ließ mich immer und immer mehr denken, dass es geplant war, dass ich hier her kam, dass ich hier sein sollte und bereits erwartet wurde. Dann wurde ich in einen weiteren Raum geführt in dem sich bereits viele Menschen befanden die ähnliche, dennoch nicht so ausgefallene Kriegskleidung trugen wie ich. Ihre Schultern waren nicht mit Metall geschmückt und sahen nicht aus als würden weiche Wellen aus ihnen hinaus brechen. Der einzige dessen ‚Rüstung‘, wenn man es so nennen konnte, noch extremer war als die meine war Thengarl, denn seine Rüstung schimmerte von blauen Edelsteinen. Irgendetwas, irgendeine hohe Position musste er bekleiden. Ein einfacher Rebellenführer würde sicherlich abgetragenere Kleidung tragen.

 

„Ich werde niemanden bei einem Krieg helfen, nicht wenn ich nicht weiß worum hier gekämpft wird!“ sagte ich entschlossen und legte demonstrativ meinen Helm ab. Thengarl lachte leicht. Hatte er das wieder erwartet? War ich so leicht zu durchschauen?

 

„Aber natürlich meine Liebe Haruthuma.“

 

„MEIN NAME IST HARU UND DAMIT BASTA!“, schrie ich ihn förmlich an. Ständig nannte er mich bei meinem vollen Namen, das konnte ich nicht leiden. In der Schulzeit hatten mich die anderen immer damit aufgezogen weil er so komplett anders war und jetzt konnte ich ihn nicht mehr hören. Diese Reaktion hatte Thengarl wohl nicht erwartet und er hatte sich nach meiner Schreiattakte sogar einen Schritt von mir entfernt. Wenn das funktionierte musste ich nur lange genug schreien bis er mich vielleicht wieder nach Hause brachte.

 

„In Ordnung, Haru. Du wolltest wissen worum wir kämpfen. Folge mir.“ Thengarls Stimme war ruhig und er schien mir meine Schrei Attacke, die mir nun fast wieder leidtat nicht übel zu nehmen. Er führte mich durch einige Tunnel und an der Beschaffenheit der Tunnel konnte ich sehen, dass wir uns tatsächlich unter der Erde befanden. Wie weit wollte ich gar nicht wissen, denn auch so machte sich meine eigentlich nicht so ausgeprägte Platzangst bemerkbar. Die Tunnel waren voll mit sich rüstenden Kämpfern, Männer und Frauen gleichermaßen und sie alle sahen nicht so aus als würden sie in diesen Kampf gezwungen, nein die waren fast wild darauf zu kämpfen. So sahen keine Leute aus die für eine schlechte Sache kämpften.

 

Und dann … es wurde langsam eine schlechte Angewohnheit von mir, blieb mir der Atem weg. Ich stand in einem Raum, umgeben von Glas. Und das Glas war das einzige das mich von Wasser trennte. Wir waren augenscheinlich unter Wasser. Das Schlimme an der Sache war, dass ich noch nicht einmal die Wasseroberfläche sehen konnte und das einzige Licht das hier die Dunkelheit erleuchtete kam von einer riesigen Stadt in einiger ferne. Einige Häuser stachen wie gewaltige Zinnen in die Höhe.

 

„Das Haru, ist Atlantis. Die verlorene Stadt, die eigentlich gar nicht verloren war.“ Atlantis … ich hatte einmal von dieser Stadt gehört. Der Legende nach soll sie durch eine Flut oder ein Erbeben zerstört worden sein nachdem sich dort eine Weltmacht aufgebaut hatte. Ein Teil von mir wollte schon wieder losschreien und Thengarl als Lügner beschimpfen. Mein Herz jedoch, sagte mir dass er recht hatte. „Atlantis ist wahrlich untergegangen, doch sein Volk lebte weiter. Wir befinden uns an der tiefsten Stelle des Ozeanes, am Grund des Mariannengrabens.“ Ich schluckte einen Moment bei dieser Vorstellung. Wir hatten in der Schule bereits gelernt, dass der Mariannengraben der tiefste Graben der Weltmeere war und dass die tiefste stelle ganze 11.034 Meter unter dem Meeresspiegels lag … 11 km Wasser waren in diesem Moment über mir und mehr Luft. Ich merkte wie sich meine Luftröhre zusammen schloss, wie ich das Gefühl hatte keine Luft mehr zu bekommen. Doch dann kniete sich Thengarl neben mich und legte mir seine Hände auf die Schulter und sah mir tief in die Augen. „Keine Angst, Haru, du wirst nicht ersticken hier ist genug Luft für eine Ewigkeit. Wir leben schon seit vielen Jahren hier unten.“ Und tatsächlich merkte ich wie meine Panik wieder verschwand.

 

„Aber wo sind Baron und meine Mutter?“ fragte ich nun wieder, diese Frage hatte er mir immer noch nicht beantwortet. Er starrte hinaus auf die Stadt.

 

„Sie werden in den Verließen von Atlantis sein, wie ich befürchte. Zorak, mein Onkel hat mich mit einer List aus dem Palast vertrieben nachdem mein Vater gestorben war und regiert jetzt über Atlantis. Jeder der sich nicht dem anschließt was er denkt und tut wird gefangen genommen und gefoltert bis sein Verstand gebrochen ist.“ Oh Nein! Hatte er das etwa auch mit meiner Mutter und Baron vor aber wieso? Was hatte Baron oder gar meine Mutter diesem Typen schon getan. „Das Volk der Atlanter unterliegt nur noch seinem Willen und die die es nicht tun, sofern sie nicht erwischt wurden haben sich hier versammelt um Widerstand zu leisten. Wenn wir die Gelegenheit dazu haben plündern wir einige der Vorräte und einmal ist es uns sogar gelungen in das Verlies einzudringen und Gefangene zu retten. Ishta, das Mädchen das dich eingekleidet hat, war eine von ihnen, damals war sie noch ein kleines Kind gewesen das auf der Straße ein Lied aus alten Zeiten gesungen hat. Dieses Lied war verboten und deswegen war sie in das Verlies gekommen.“ Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Wenn dieser Zorak wirklich so grausam war wie Thengarl es beschrieb, dann musste diesem Tyrannen Einhalt geboten werden. Niemand sollte es wagen an kleinen Kindern seine Macht zu demonstrieren.

 

„Ich werde euch helfen, aber bevor wir uns um euren Onkel kümmern, möchte ich meine Mutter und Baron in Sicherheit wissen.“ Ich war mir bewusst wie schwer es werden würde zuerst in das Verlies einzudringen und danach erst alles andere zu erledigen, aber ich konnte nicht mit dem Gedanken leben, dass die beiden vielleicht dafür bestraft werden würden, wenn wir nicht erfolgreich waren. Thengarl hatte anscheinend wieder mit meiner Antwort gerechnet und nickte nur kurz. Dann führte er mich wieder in Richtung der Waffenkammer.

 

Als wir dort angekommen waren warf er mir einen Holzstab zu und nahm sich selbst auch einen. Ohne Vorwarnung hieb er auf mich ein. Ich war nicht darauf vorbereitet gewesen und ich war auch alles andere als ein Kämpfer und so donnerte mir der Stab regelrecht auf den Kopf. Ich sah überall Sternchen und ich hörte um mich herum leises Kichern von den anderen Kriegern, dass jedoch von Thengarl mit nur einem einzigen Blick unterbrochen wurde.

 

„Du musst auf meinen Körper achten Haru, achte darauf welche Muskeln sich kurz vor einem Angriff bewegen und sehe ihn somit voraus. Bleib nicht so steif stehen, beweg dich. Geh in die Knie damit du besser reagieren kannst.“ All diese Anweisungen gab er mir und ich wusste nicht was er von mir wollte. Wollte er mich nun zu einer Kriegerin ausbilden? Doch es half nichts, als er mich das nächste Mal angriff und mir die Füße wegzog landete ich mit lautem krach auf dem Boden und mein Holzstab brach. Wieder kicherten einige. Doch beim nächsten Mal sah ich seine beiden ersten Angriffe voraus und konnte ihnen ausweichen. Beim vierten Mal hatte ich es sogar einmal geschafft das Wissen über seinen nächsten Schlag auszunutzen um selbst einen zu platzieren, das Problem dabei war nur gewesen, dass ich über mein Ziel hinausgeschossen war und mich am Ende selbst mit dem Stab erwischt hatte. Ich war nun mal einfach keine Kämpferin und würde auch nie eine werden. Zumindest dachte ich das.

 

 

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