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Kapitel 49

 

New York, New York

 

 

 

Es war schon lustig wie manche Leute damit umgingen, bald bekannte Leute zu treffen. Ich hatte bereits bei unserem Abflug in Wellington verlauten lassen, dass wir in New York von ein paar Freunden abgefangen werden würden, immerhin kamen sie zufälligerweise zur selben Zeit am Flughafen an wie wir.

 

Seitdem ich Hirchop und Eileen diese Nachricht überbracht hatte war Eileen vollkommen nervös. Sie konnte keine Minute still sitzen und immer wieder fragte sie mich aus, wer diese Freunde sein würde. Natürlich verriet ich ihr das nicht, immerhin wollte ich ja ihr Gesicht sehen, wenn auf einmal Elijah, Dom, Billy, Viggo und Orlando vor ihr stehen würden. Hirchop wusste natürlich Bescheid und hatte eingewilligt seiner Freundin die Überraschung nicht zu verderben.

 

Seit ich dieses ungewöhnlich lange Gespräch mit Eileen gehabt hatte, dachte ich besser von ihr. Ich wusste nun, dass sie es mit Hirchop ernst meinte und dass sie ein guter Mensch war. Wer konnte schon Tieren das Leben retten und kein guter Mensch sein? Dass sie Hirchop wirklich liebte sah ich an den Blicken, die sie ihm zuwarf wenn sie miteinander redeten. Blicke, in denen mehr gesagt wurde als das, was aus den Mündern kam.

 

Die beiden hatten schon ihren kompletten 3-tägigen Aufenthalt in New York geplant. Sie wollten alles von der Stadt sehen, was man in 3 Tagen zu sehen bekam, und wollten am Abend, während ich bei der Premiere war, in ein Musical am Broadway gehen. Ich hatte leider keine Karten mehr für die beiden organisieren können, aber da ich ihnen nichts von meinem Plan berichtet hatte, war das nur halb so schlimm.

 

„Deine Freunde, ich meine, die, die uns abholen werden, sind … sind die sehr bekannt?“, fragte Eileen vollkommen nervös und mit zitternder Stimme als das Flugzeug gelandet war und in seine Parkposition fuhr. Ich schüttelte nur lächelnd mit dem Kopf. Diese Frau war wirklich ein reines Nervenbündel. Ich konnte mir gar nicht vorstellen wie sie in einer Stressreaktion zurechtkam.

 

„In ein paar Minuten wirst du es erfahren“, sagte ich nur und lehnte mich noch einen Moment zurück. Einige der Passagiere, es gab immer einige, die sich nicht an das Gesagte hielten, waren bereits schon aufgestanden und kramten ihr Handgepäck aus den Gepäckablagen heraus. Ich fragte mich einmal mehr, warum manche einfach immer aus der Reihe tanzen mussten. Nicht nur im Flugzeug, auch an anderen Orten. Nahm man doch nur mal ein Museum oder einen Zoo. Irgendwo stand groß „Keine Fotos.“ Und dennoch holten manche ihre Fotoapparate und Videokameras heraus. Oder es stand groß auf einem Schild, dass das Blitzlicht die Tiere irritierte und dennoch schafften es manche nicht, ihren Blitz auszuschalten. Es war nervig und man schämte sich fremd, wenn es passierte. Ich konnte solche Menschen einfach nicht verstehen.

 

Wir warteten bis die meisten der Gäste bereits ausgestiegen waren, denn wir hatten für unsere 3 Tage nicht wirklich viel Gepäck dabei. Es hatte in unsere kleinen Handgepäckkoffer gepasst. Als wir durch die Gangway gingen, merkte man schon, dass es hier alles andere als Sommer war. Ich war froh, dass ich mir vorsichtshalber eine etwas dickere Jacke mit ins Flugzeug genommen hatte, aber selbst in dieser fror ich noch.

 

„Von 20 Grad nach minus 5 Grad … nicht gerade angenehm …“, kommentierte Hirchop das Wetter hier in New York. Ich musste lachen. Wir beide kannten diese Temperaturen noch aus England, aber Eileen, die schon immer in Neuseeland gelebt hatte, war normalerweise keine Minusgrade gewohnt und sie würde sicherlich noch das ein oder andere Mal jammern, wenn die beiden durch New York laufen würden.

 

Als wir am Ende der Gangway ankamen und nur noch eine kleine Schleuse unsere Sicht auf das, was hinter ihr lag, verbarg, stellte ich mir schon bildlich vor wie die Jungs in einiger Entfernung zum Gate auf mich warteten. Wahrscheinlich hatten sie bei jedem, der schon durch diese Tür gegangen war, darauf gewartet, dass wir es waren. Als ein älteres Ehepaar genau vor uns durch die Tür ging und ich einen Blick nach draußen werfen konnte, sah ich sie bereits und auch sie sahen mich und zeigten lächelnd auf mich.

 

„Okay, Eileen, wenn wir jetzt da durch gehen... Die Leute, die du gleich sehen wirst, sind ganz normale Menschen wie du und ich und sie mögen es, auch so behandelt zu werden. Also, es tut mir leid, wenn ich so direkt bin, aber lass Bambi einfach hier am Gepäckband zurück, in Ordnung? Niemand wird überfahren und es ist auch kein Feuer in der Nähe. Bleib einfach ruhig.“ Ich hörte Hirchop im Hintergrund glucksen, anscheinend fand er es eher lustig wie ich gerade mit seiner Freundin sprach. Sie nickte nur vollkommen verwirrt.

 

„Okay, dann tief einatmen“, instruierte ich sie, „ganz normale Menschen, denk dran.“ Sie ließ die eingeatmete Luft wieder aus und wir traten durch die Schleuse. Sobald wir in Sicht kamen, grölten Billy und Dom los wie zwei Fußballfans, die gerade ihre Stars kommen sahen. Lachend schüttelte ich den Kopf. Dann merkte ich, wie Eileen einen Moment stehen blieb. Hirchop war etwas zu weit hinten, als dass er hätte reagieren können, also schob ich Eileen sanft weiter. Glücklicherweise reagierten ihre Beine richtig auf diesen zeitweisen Gleichgewichtsverlust und taten einen Schritt nach dem anderen.

 

„Da bist du ja endlich! Wir warten schon eine Ewigkeit“, seufzte Billy als er, Dom und Elijah mich begrüßt hatten.

 

„Ist das deine Freundin, Hir?“, fragte Dom dann gespannt. Hirchop stellte den dreien Eileen vor. Ich jedoch sah mich um. Nirgendwo waren Viggo oder Orlando zu sehen. Die beiden hätten eigentlich auch hier auf uns warten sollen, aber sie waren nicht zu sehen.

 

„Viggo musste unbedingt auf Toilette, der wird gleich hier sein. Und Orlandos Flieger hat Verspätung, der kommt erst in einer halben Stunde an Gate 54 an“, erklärte Elijah, der meinen Blick natürlich sofort gesehen und interpretiert hatte. Wir machten uns also auf den Weg zu Gate 54. Die Jungs und Viggo hatten ausgemacht, sich dort wieder zu treffen, wenn wir bereits weg waren.

 

„Das sind deine Freunde?“, flüsterte mir Eileen ungläubig zu als wir zu dem Gate gingen, an dem Orlandos Flieger erwartet wurde. Sie konnte es wahrscheinlich wirklich nicht glauben, dass diese 3 Männer nun zusammen mit uns durch den Flughafen gingen. Aber sie kam einfach nicht umher zu sehen, dass diese drei wirklich die waren, die sie dachte. Die Paparazzi, die um uns herumschwirrten und unablässig Fotos von uns machten, ließen keine Zweifel zu. Wahrscheinlich warteten sie darauf, dass eine von uns beiden Frauen einem der Jungs um den Hals viel und ihn küsste. Sie wollten eine Story. Einfaches, freundschaftliches Umarmen brachte keine Story. Vor allem wussten die Paparazzi, dass die Story womöglich in einigen Minuten folgen würde. Ich war mir sicher, dass sie genau wussten, auf wen wir noch warteten, und durch meine gelegentlichen Auftritte bei der Premiere und in Cannes kannten sie mich, zumindest die, die ihren Job gut machten. Schon in Cannes hatten sie Orlando und mir ein Verhältnis nachgesagt und immer, wenn ich wieder mit den Jungs zusammen auftauchte, entfachte sich dieses Gespräch von Neuem. Für sie war es Bestätigung genug, dass ich nun auch bei der Premiere des zweiten Filmes zugegen sein würde.

 

„Hirchop, Teti! Wie schön euch zu sehen.“ Von hinten tauchte auf einmal Viggo auf und sobald er uns umarmte, begann auch schon wieder das knackende Blitzlichtgewitter der Reporter. Es war nervig, vor allem weil die Paparazzi hier schlimmer waren als in jedem anderen Land. Hier war die Privatsphäre eines Menschen rein gar nichts wert, nicht, wenn er berühmt war. Da war es in Neuseeland doch relativ angenehmer.

 

„Viggo, das ist Eileen, Hirchops Freundin“, stellte ich die zu einer Statue erstarrten Frau Viggo vor. Er lächelte nur. „Bambi, ich verstehe, was du meintest“, sagte er und auch ich und Hirchop mussten lachen. Ich hatte Viggo bereits per Mail von Eileen erzählt, immerhin kümmerte sie sich mit um seine beiden Pferde, wofür Viggo sich bei ihr bedankte.

 

„Da kommt der Flieger!“, rief einer der Paparazzi auf einmal und alle waren augenblicklich verschwunden. Sie strömten zum Ausgang des Gates wie Motten zum Licht. Ich atmete durch. Wenigstens hatten wir einen Moment Ruhe von diesen Plagegeistern. Natürlich, wer heutzutage Schauspieler wurde musste wissen, worauf er sich einließ, aber manchmal waren diese Menschen einfach zu penetrant. Sie ließen nicht von einem ab, jagten einem hinterher für das beste Foto. Hatten wir nicht vor fünf Jahren bei Lady Di gesehen, was aus solch einer Sensationsgier werden konnte? Niemand hatte etwas daraus gelernt und ich war mir sicher, Lady Di würde nicht die einzige bleiben, die den Paparazzi sprichwörtlich zum Opfer gefallen war.

 

„Ich werde schon einige Tage vor der Hochzeit zu euch kommen. Ich wollte … Maria besuchen“, flüsterte mir Elijah leise zu als wir gespannt darauf warteten, dass Orlando endlich auftauchte. Ich sah ihn einen kurzen Moment an. Seine blauen Augen waren wieder einmal feucht. Wahrscheinlich, weil er genau wusste, dass er dieses Gefühl, das ich nun hatte weil ich auf Orlando wartete, nie wieder spüren würde. Es würde für immer mit Trauer verbunden sein. Ich legte behutsam meinen Arm um seine Schulter und berührte kurz mit meinem Kopf seinen. Er sollte wissen, dass ich Maria genauso vermisste wie er. Er sollte wissen, dass er mit seiner Trauer nicht alleine war.

 

„Hannah ist auch hier“, sagte er dann um etwas vom Thema abzulenken. Hannah war seine jüngere Schwester. Sie hatte Elijah einmal während der Dreharbeiten besucht und war direkt in einer kleinen Szene gelandet. Da diese Szene nun höchstwahrscheinlich gezeigt wurde, und weil er Unterstützung brauchte, hatte Elijah sich anscheinend entschieden sie mit zur Premiere zu nehmen.

 

„Das freut mich. Ich bin gespannt sie wieder zu sehen.“

 

Und dann sah ich ihn zum ersten Mal. Gerade gingen die ersten Passagiere durch die Schleuse und ich hatte gesehen, wie er aus der Gangway getreten war. Auch einige Paparazzi hatten ihn gesehen und bereits ihre Fotoapparate gezückt. Es war ein kleiner Wermutstropfen zu sehen, dass er Seth nicht dabei hatte, aber ich konnte mir denken, dass er besser in Kalifornien aufgehoben war. Orlando hatte mir bei unserem letzten Telefonat gesagt, dass seine Schwester Samantha und ihre Familie grade in Kalifornien Urlaub machten. Wahrscheinlich würden sie die nächsten drei Tage auf Seth aufpassen.

 

Als Orlando dann durch die Schleuse trat, flippten die Paparazzi geradezu aus. Es war eine unbestrittene Tatsache, dass die Frauen auf Orlando abfuhren und das bedeutete für die Paparazzi hohe Preise für ihre Bilder von ihm. Da versuchte jeder das Beste zu bekommen.

 

„Na, du Sexiest Man Alive“, zog ich ihn auf als er endlich bei uns angekommen war. Wir hatten uns darauf geeinigt, uns hier nicht überschwänglich zu begrüßen. Keiner von uns beiden wollte den Paparazzi noch mehr Futter geben als nötig. Sie würden wahrscheinlich auf dem roten Teppich schon genug Fotos von uns bekommen.

 

„Hi, Te“, sagte er und sah mich an. Ich wusste, es gab so viel mehr, was er hätte sagen und tun wollen, doch es ging nicht. Nicht nur wegen den Paparazzi, sondern auch wegen mir. Ich lächelte ihn nur an und verdrehte dabei meine Augen.

 

„Seth ist bei deiner Schwester?“ Er nickte. Es war schade, dass ich den kleinen Mann nicht sehen würde, aber es war ein Trost zu wissen, dass ich seinen nächsten Geburtstag nicht verpassen würde. Im Juni würden er und Orlando wieder in Neuseeland sein und wir würden wieder zusammen arbeiten.

 

Den Rest des Tages verbrachten wir damit, in einem Restaurant alles aufzuholen, was wir von den anderen verpasst hatten. Billy erzählte uns, dass er und seine Freundin endlich zusammengezogen waren, während ich immer noch versuchte Eileen klarzumachen, dass diese fünf Männer ganz normale Menschen waren. Es war ein schöner Abend, an dessen Ende dann auch Eileen endlich aufgetaut war. Wenn sie Hirchops Freundin bleiben wollte, musste sie unbedingt damit klar kommen, dass wir berühmte Freunde hatten. Sie durfte nicht immer zusammenzucken oder wie Bambi aussehen, wenn einer meiner Freunde sie ansprach. Es war peinlich und den Jungs mehr als unangenehm.

 

„Okay, hör zu. Diese Männer sind die nettesten, liebenswürdigsten Männer, die ich je kennen gelernt habe. Ich flehe dich an, bitte reiß dich zusammen!“, wies ich Eileen auf der Damentoilette zurecht.

 

„J-Ja“, stammelte sie und verlor dabei ihren Lippenstift. Als sie ihn wieder aufhob, atmete sie einmal tief durch. „O-Orlando und du … ihr-ihr seid nicht nur Freunde“, sagte sie vorsichtig und sah mich dabei über den Spiegel an. Ich drehte meinen Kopf nicht zu ihr, sondern sah sie auch über den Spiegel an.

 

„Keine Ahnung“, war das einzige, was ich ihr sagte, bevor ich wieder nach draußen ging. Mir war es egal, was sie gesehen hatte oder dachte gesehen zu haben. Orlando und ich war ein Thema, was ich sicherlich nicht mit der neuen Freundin meines Bruders erörtern wollte. Es ging sie nichts an, da sie nur eine Momentaufnahme gesehen hatte. Sie hatte nicht das mitbekommen, was in den letzten Jahren alles passiert war.

 

Am nächsten Tag machten Hirchop und Eileen, die etwas beleidigt mit mir war, da ich ihr nichts über Orlando und mich erzählt hatte, schon relativ früh auf den Weg, um die Stadt zu erkunden. Ich hatte mich allerdings wieder mit den Jungs verabredet. Wir wollten vor der Premiere noch etwas alleine sein und miteinander reden. Wenn unbekannte Leute dabei waren, konnte man sich nie so frei unterhalten wie man es unter sich tat.

 

„Meinst du, deine Szene wird vorkommen? Die mit den Ostlingen?“, fragte Billy mich nach einer Weile. Ich zuckte nur mit den Schultern. Woher sollte ich schon wissen, was Peter wirklich geplant hatte und was nicht? Das einzige, was ich wusste, war, dass man mich unter dieser Rüstung nicht erkennen würde. Natürlich hatte ich mich nie selbst darin gesehen, aber ich war mir sicher, dass er zu viel von meinem Gesicht abdeckte, dass mich, außer meinen Eltern, Hirchop und meiner Großmutter, jemand darunter vermuten würde.

 

Doch als ich die Szene dann bei der Premiere tatsächlich sah, begann ich zu zweifeln. Peter hatte diese Szene tatsächlich in den Film gebracht und ich für meinen Teil konnte mehr als gut erkennen, dass ich da unter diesem Kostüm steckte. Ich war mir sicher, jeder, der mich schon mal gesehen hatte, würde wissen, dass ich es war. Egal, ob er mir lange oder nur kurz in die Augen gesehen hatte.

 

„Die werden mich alle erkennen“, flüsterte ich Orlando zu und ergriff seine Hand. Er drückte sie fest.

 

„Unsinn, unter dem Helm könnte eine Frau stecken, aber sicher kann man sich nicht sein. Mach dir keine Sorgen, dich hat niemand erkannt. Hannah wird man da besser erkennen, wenn sie gleich kommt“, versuchte er mich zu beruhigen. Premieren waren immer etwas Komisches. Natürlich, ich war noch nicht auf wirklich vielen gewesen, aber dennoch war es dasselbe Prinzip. Man sah den Film, bevor ihn Millionen andere Menschen sahen. Millionen oder Milliarden von Menschen würden mich dort auf der Leinwand sehen können und einigen von ihnen würde sicherlich auffallen, dass unter dem Helm kein Mann, sondern eine Frau steckte. „Aber du bist ein sehr attraktiver Ostling“, bemerkte er und küsste meine Hand.

 

Direkt stellten sich die Härchen auf meinem ganzen Körper auf und ließen mich erschaudern. Das fühlte sich eindeutig zu gut an. Dann legte er seinen Arm um meine Schultern und ich konnte einfach nicht anders als mich an ihn zu lehnen. Der dunkle Kinosaal, der Film, der Erinnerungen in uns allen wachrief, das alles ließ meine Mauer schrumpfen und auch, wenn wir beide wussten, dass sie mit dem Licht nach dem Film zurückkehren würde, hatten wir dennoch diesen Moment.

 

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