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Kapitel 43

 

Schlechte Neuigkeiten

 

 

 

Ich merkte, wie die Blicke aller auf mir ruhten. Ich mochte es nicht, wenn ich so sehr im Mittelpunkt stand wie genau in diesem Augenblick. Mein Vater hatte mich sofort, als wir mit der Tria an einem Pier von Atlantis gelandet waren, nach oben in den Konferenzraum gebracht, in dem nun die wichtigsten Erwachsenen, darunter auch ein Vertreter des Festlandes, saßen. Ich sollte ihnen genau das erzählen, was ich ihm erzählt hatte, sollte ihnen von Gan Eden erzählen und der Chance, die sich für uns dort bieten würde. Doch nach der Reaktion, die mein Vater gezeigt hatte, war ich nicht mehr so sicher, ob ich das überhaupt wollte.

 

„Maggie, wenn es diesen Planeten wirklich gibt“, versuchte Daniel, mein Schweigen zu brechen, „dann müssen wir das wissen. Es ist wirklich wichtig.“ Doch so einfach konnte man mich nicht zu etwas bringen, dazu war ich wahrscheinlich zu sehr die Tochter meines starrköpfigen Vaters. Das schien auch anderen aufzufallen, denn als mein Vater etwas über die Sturheit von Frauen sagte, bekam er genau diesen Gedanken als Retourkutsche von Philipps Mutter entgegengeworfen, zusammen mit einigen Fallbeispielen.

 

„Ich bin der Meinung, wenn sie uns sagen soll, was dort drüben passiert ist, dann sollte sie auch wissen, was hier passiert ist. Warum wir so dringend diese Lösung brauchen“, sagte Vala und alle sahen sie auf einmal an. Anscheinend hielt das keiner von ihnen für eine gute Idee, doch jetzt, da es ausgesprochen war, würden sie mich nicht mehr davon abbringen können. So hatte ich eine Möglichkeit, meine Informationen für mich zu behalten, denn diesen Deal würde wahrscheinlich keiner von ihnen eingehen.

 

„Cassie, ich denke, du solltest erst einmal mit Maggie auf die Krankenstation gehen. Kommt zurück, wenn ihr fertig seid“, wies General O’Neill Kevins Mutter an, die er schon seit ihrem 12. Lebensjahr kannte. Cassandra nickte nur und schob mich mit sanfter Gewalt wieder aus dem Besprechungsraum heraus. Davor warteten auch schon Kevin und die anderen Kinder von Atlantis, aber da Cassandra mich begleitete, schienen sie sich nicht zu trauen, mir Löcher über das, was gesprochen worden war, in den Bauch zu fragen. Torren stand etwas abseits von den anderen am Geländer und sah mich besorgt an. Ich war mir sicher, er hatte über meine Gedanken mitbekommen, was gesprochen worden war und rätselte genauso herum, was wohl geschehen sein mochte, wie ich.

 

„Warum untersucht ihr mich? Ich bin nicht krank, und ich bin auch ganz sicher ich“, protestierte ich, als Cassandra mir Blut abnahm und mich wieder einmal an eine Art EEG anschloss. Sicherlich wollte sie herausfinden, ob ich wirklich die war, für die ich mich ausgab, ob ich vielleicht von irgendetwas befallen war, doch das war nicht das Problem. Das Problem war einfach nur, dass ich nicht von hier weg wollte. Außerdem war ich nicht die einzige gewesen, die auf Gan Eden gewesen war. Sollten doch Rush oder einer der anderen etwas sagen, ich würde es bestimmt nicht tun.

 

„Ich sollte dir vielleicht nicht davon erzählen, Maggie, aber es gibt einen Grund, warum wir im Moment wirklich diesen fremden Planeten brauchen könnten“, lenkte Cassandra dann doch noch ein und sie sah ziemlich unentspannt aus, während sie mit mir redete. Sie hatte bestimmt Recht, das, war sie mir nun anscheinend sagen wollte, sollte ich gar nicht erfahren, aber ich war neugierig und wenn ich schon meine Heimat hier aufs Spiel setzen sollte, dann wollte ich wenigstens auch wissen wofür. „Vor einigen Jahren hat es eine Rasse namens Hoffaner gegeben. Sie haben zusammen mit Dr. Beckett einen Weg gefunden, sich vor den Wraith zu schützen. Sie hatten einen Impfstoff entwickelt, der, einmal im System eines Menschen, verhinderte, dass ein Wraith sich an ihm nähren würde. Die Wraith, die es dennoch taten, starben noch während des Vorgangs.“

 

Ich sah sie einen Moment fragend an. Wenn es doch so ein Mittel gab, warum um alles in der Welt hatten sie es nicht schon längst vervielfacht und an alle weitergegeben? Aber sicherlich würde die Antwort darauf noch folgen. „Leider wurden auch viele der Geimpften sehr krank und starben an einem Retrovirus, der ihre Körper nach einer grippeähnlichen Phase in reine Flüssigkeit verwandelte.“ Ich konnte mir nur geschockt die Hand vor den Mund halten. Das war wirklich ein schrecklicher Weg zu sterben.  „Michael kam an diese Formel und meinte, einen Weg gefunden zu haben, die Wraith zu zerstören. Ihm war es egal, ob dabei auch Menschen starben und er hat angefangen, heimlich eine abgeänderte Form des Impfstoffes auf verschiedenen Planeten zu verteilen. Sie war nicht mehr ganz so tödlich wie die erste und es starben nur noch 30% derjenigen, die das Mittel verabreicht bekamen, aber leider begann es, sich wie eine Seuche auszubreiten. Niemand konnte es aufhalten und es breitete sich immer weiter in den einzelnen Systemen, in denen Michael es frei gelassen hatte, aus.“

 

Ich ahnte schon beinahe, was sie mir sagen wollte und verstand auf einmal, warum sie so dringend einen neuen Planeten brauchten. Cassandra brauchte es gar nicht aussprechen, da nickte ich nur. Diese Seuche war hier eingetroffen, in diesem System. Die ersten Planeten berichteten schon von ersten Symptomen ihrer Bevölkerung und bisher hatte noch niemand ein Gegenmittel finden können. Es würde nur noch eine Frage der Zeit sein, bis diese Seuche auch hier eintreffen würde. Wenn sie hier war, würde sie sich wahrscheinlich wie ein Lauffeuer unter den Leuten auf dem Festland ausbreiten und eine Panik würde ausbrechen. Chaos und Tod wären die Folge und das konnte ich wirklich nicht verantworten.

 

Ich stand also auf und verließ die Krankenstation. Es dauerte einen Moment, bis Cassandra begriff, was ich vor hatte und sie mir folgte. Sie versuchte erst gar nicht, mich aufzuhalten und irgendwie hatte ich das seltsame Gefühl, dass ich genau das tat, was sie von mir erwartet hatten. Aber selbst wenn es so war bedeutete das nicht, dass ich es nicht mehr tun würde.

 

„Maggie, was ist los?“, fragte Torren etwas verwirrt als ich schnurstracks an ihm vorbei in die Kommandozentrale ging und etwas in eine Konsole eingab. Die Techniker dort versuchten gar nicht erst, mich aufzuhalten, anscheinend hatten sie sogar etwas Angst vor mir, zumindest, wenn ich so entschlossen war.

 

„Ich muss etwas überprüfen“, sagte ich, völlig konzentriert auf das, was ich suchte und tatsächlich. Alles, was Cassandra mir erzählt hatte, war wahr. Es gab keine Anzeichen auf eine Manipulation der Daten, egal, wie alt sie waren. Es war alles echt und das bedeutete, dass wir tatsächlich in Gefahr waren, wenn wir hier auf diesem Planeten, in dieser Galaxie blieben.  Doch das war nicht das einzige, was ich fand, als ich nach einer Gefahr für Atlantis suchte. Der Computer zeigte mir noch etwas an. Es war verschlüsselt und ich konnte es nicht öffnen. Irgendetwas versuchten sie noch vor mir zu verbergen, doch sicherlich würde ich das auch noch herausfinden. Nachdem ich das eine Geheimnis dank Cassandra schon erfahren hatte, würde ich nun auch auf dem anderen bestehen. Sicherlich war es ein Spiel mit der Zeit, doch ich war mir sicher, dass auch die Erwachsenen nicht auf Zeit spielen wollten.

 

„Ich weiß von der Seuche“, fiel ich also direkt mit der Tür ins Haus und alle sahen verständnislos zu Cassandra. Ich schaute sie nur entschuldigend an, aber es musste sein. Ich musste meinen Vorteil ausspielen, um endlich die ganze Wahrheit zu erfahren. Irgendetwas war während des Angriffes der Wraith hier passiert, irgendetwas, was alle hier im Raum wussten, es aber für sich behalten wollten. „Ich weiß von der Seuche und dass sie immer näher kommt, aber ich kann euch nicht helfen. Selbst wenn es Gan Eden gäbe, dann wäre es meine Aufgabe als letzte Antikerin, diesen Planeten zu schützen. Diese Seuche könnte sich auch dort ausbreiten.“

 

„Maggie, Rush hat uns bereits alles über den Planeten erzählt. Wir werden hinfliegen und alle evakuieren“, sagte General O’Neill, aber ich meinte in seiner Stimme etwas mitschwingen zu hören, ein Problem, das sie hatten. Wenn dem so war, warum wollten sie dann, dass ich ihnen sagte, wo der Planet war, oder dass ich dieser Evakuierung zustimmte? War es nicht egal, was ein 16-jähriges Mädchen dachte?

 

Doch dann fiel mir auf einmal wieder etwas ein. Als wir auf dem Planeten gewesen waren, war ich für einen Moment eine Art Anführerin gewesen. Die Hologramme hatten nicht auf die Befehle von Rush, Brody oder den anderen gehört, sondern nur auf meine. Vielleicht brauchten sie meine Zustimmung, damit ich die Hologramme wirklich davon überzeugen konnte, uns auf den Planeten zu lassen. Dass Dave mir die Koordinaten eines Landehafens in der Hauptstadt gegeben hatte, war noch lange kein Grund, von einer Einladung zu sprechen, dort permanent zu wohnen. Es war eher ein ‚Besucht uns doch ab und zu‘ als ein ‚Zieht doch zu uns‘ gewesen, da war ich mir sicher. Wenn ich den Hologrammen jedoch sagen würde, dass wir von nun an in Gan Eden leben würden, dann würden sie sich sicherlich nicht wehren.

 

„Ihr braucht mich“, sagte ich und wieder schnellten die Blicke zu Cassandra, doch diesmal war sie es wirklich nicht schuld, ich war von selbst darauf gekommen. Und nun würden sie keine andere Wahl haben, als mir alles zu erklären. Vielleicht fand ich dann auch heraus, warum mein Vater einfach alleine in einem beschädigten Jumper im Trümmerfeld der Schlacht gewesen war, als wir angekommen waren. „Wenn ich dieser ‚Umsiedlung‘ zustimmen soll, dann muss ich alles wissen“, sagte ich entschlossen und ich sah meinem Vater an, dass er mich am liebsten in unser Quartier geschleppt und mich zurechtgewiesen hätte, doch er konnte es nicht und das bewies nur noch mehr, dass ich Recht hatte.

 

„Also gut“, seufzte General O’Neill und stand auf.  Sie warf ihrem Mann und den anderen einen beruhigenden Blick zu, anscheinend ahnte sie, dass sie hier auf verlorenem Posten saßen, wenn sie mir nichts sagen würden, oder zumindest wusste sie, wie starrköpfig Teenager in meinem Alter sein konnten, immerhin war sie selbst einmal einer gewesen. „Während des Kampfes gegen die Mutterschiffe haben wir einen Notruf abgefangen. Er kam von einer noch unbekannte Position in dieser Galaxie.“

 

„Und von wem kam dieser Notruf?“

 

„Von anderen Wraith“, mischte sich nun mein Vater ziemlich widerwillig ein und ich sah ihn fragend an. Warum sollten andere Wraith den im Kampf befindlichen Mutterschiffen einen Notruf gesendet haben? „Die Nachricht enthielt nur wenige Worte: Heimat wird angegriffen.“

 

„Aber von wem? Wer könnte die Wraith dazu bewegen, einen Notruf zu senden?“ Dann sahen sich alle gegenseitig an. Anscheinend fragten sie sich, ob sie mir das wirklich verraten sollten und es schien so, als wären sie sich alles andere als einig. Dem Blick meines Vaters entnahm ich, dass er mich vor diesen Informationen lieber beschützt hätte, dass er nicht wollte, dass ich noch mehr schlimme Nachrichten erhielt. Er sah mich einen Moment an, bat mich, dass ich einfach glauben solle, dass wir von hier weg mussten, aber das wollte ich natürlich nicht. Ich schüttelte also nur entschlossen den Kopf. Ich und auch alle anderen hatten ein Recht darauf, zu erfahren, was los war.

 

Dann stand auf einmal Colonel Young auf. Er sah, wenn das überhaupt noch möglich war, noch ernster und grimmiger aus als das erste Mal, als ich ihn gesehen hatte und irgendwie ahnte ich, dass Rush wahrscheinlich nicht gerade unschuldig an der ewig schlechten Laune dieses Mannes war.

 

„Es waren Drohnen, Kampfdrohnen, um genau zu sein“, sagte er und mein Vater schüttelte nur den Kopf. Es war ihm überhaupt nicht recht, dass ich das nun mitbekam, da war ich mir sicher. „Diese Drohnen zerstören einfach alles, was intelligenter ist als ein Neandertaler.“ Dann erzählte er mir, was alle anderen anscheinend schon wussten. Die Destiny, das Antikerforschungsschiff, war das erste Mal vor mehr als 10 Jahren in einem Trümmerfeld auf diese Drohnen gestoßen. Sie wurden von einer höher entwickelten Rasse erbaut, die anscheinend jede Bedrohung durch andere weiterentwickelte Völker direkt ausschalten wollte. Es waren dieselben Drohnen, die die Crew der Destiny gezwungen hatten, in Stasis zu gehen und dieselben Drohnen, die dann später auch zur Zerstörung der Destiny geführt hatten.

 

„Aber wie konnten sie herkommen?“, fragte ich. Wenn ich mich recht erinnerte, war die Destiny von einer Galaxie zur nächsten gesprungen und war so weit von der lokalen Gruppe entfernt gewesen, dass man ein neuntes Chevron benötigt hatte, um sie mit den Stargates zu erreichen.

 

„Dessen sind wir uns noch nicht sicher, aber irgendetwas sagt mir, dass es etwas mit der Luzianer Allianz zu tun hat.“

 

„Das ist reine Spekulation, Colonel“, unterbrach Daniel den Colonel, aber dieser sprach dennoch weiter.

 

„Die meisten von ihnen haben sich nie in unsere Crew eingegliedert, zumindest nicht vollständig. Sie sind immer unter sich geblieben und auf dem Planeten, auf dem sie ausgesetzt worden waren, standen die Chancen gut, dass die Drohnen zurückkehren würden.“

 

„Das ist eine sehr weit hergeholte Theorie“, lenkte nun auch General O’Neill ein. „Fakt ist, wir wissen nicht, wie sie hierher kommen konnten, wir wissen nur, dass sie hier sind und selbst die Wraith vor ihnen geflohen sind“, sagte er und ich sah meinen Vater mit großen Augen an. Er hatte mich belogen. Hatte mir eine dämliche Geschichte aufgetischt, damit ich nicht weiter nachfragte.

 

„Maggie, ich habe nicht gelogen. Die Wraith sind tatsächlich auf dem Weg zur Milchstraße. Sie wollen sich dort niederlassen, für immer. Dazu müssen sie aber erst einmal alle Völker dort unterwerfen. Das wollen wir verhindern. Nur das können wir nicht, wenn wir Angst haben müssen, ihr würdet hier in Gefahr sein“, erklärte er und ich musste zugeben, die Maggie, die ich vor einigen Monaten noch gewesen war, die Maggie, die ihren Vater hasste für das, was passiert war, kam für einen kleinen Augenblick wieder. Immerhin hatte er mich einfach angelogen, egal, ob ein Teil davon vielleicht stimmte. Wichtige Details wegzulassen war genauso schlimm.

 

„Wenn die Drohnen hier eintreffen, werden sie alles zerstören, was in irgendeiner Verbindung zu höherer Technologie steht. Wir haben schon einmal ganze Planeten unbewohnt vorgefunden, die die Drohnen angegriffen hatten. Sie waren der Erde in den 90er Jahren ähnlich. Wenn diese Dinger erst einmal anfangen, lassen sie nichts zurück. Sie kennen keine Gnade“, erklärte Young und seine Stimme und das, was er sagte, klang ziemlich furchteinflößend. Hätte ich nicht schon eine ganze Menge angsteinflößender Sachen erlebt in der letzten Zeit, ich wäre wahrscheinlich in Panik ausgebrochen, aber dieses Mal merkte ich nur, wie sich die Anspannung in mir vergrößerte.

 

„Also, ich fasse einmal zusammen …“, begann ich und ich hätte am liebsten das Zittern in meiner Stimme unterdrückt, doch es ging nicht. „Eine Seuche rollt durch diese Galaxie und ist mittlerweile in diesem System eingetroffen“, ich sah kurz in die nickenden Gesichter. „Und unaufhaltsame Kampfmaschinen sind auf dem Weg und werden alles auslöschen, was ihnen in den Weg kommt?“ Wieder nickten alle und ich schloss meine Augen. Wahrscheinlich gab es wirklich keinen anderen Ausweg. Doch was war mit den vielen anderen Planeten, mit den anderen Völkern, die hier lebten und den Antikern ähnlich waren. War es nicht meine Aufgabe als Antikerin, sie alle zu schützen?

 

„Die Athosianer werden uns auf der Reise begleiten“, erklärte Cassandra und sah dabei Teyla an, die dankend nickte. „Alle anderen sind bereits von der Seuche betroffen, wir können nicht riskieren, sie mit auf den neuen Planeten zu nehmen. Manche von ihnen sind nicht weit genug entwickelt, um für die Drohnen interessant zu sein, aber die, die es sind …“

 

„Sind dieses Mal auf sich alleine gestellt“, schloss General O’Neill und er sah nicht gerade glücklich dabei aus, keiner der hier Anwesenden schien mit dieser Lösung zufrieden zu sein, aber es gab keine andere, darin waren sie sich anscheinend einig.

 

Dann erhob ich mich wieder von dem Stuhl und alle sahen mich erwartungsvoll an. „Okay, einverstanden, wir werden alle nach Gan Eden bringen“, sagte ich und wusste noch nicht genau, ob es eine gute oder schlechte Entscheidung war, dass ich dieser Sache nun zustimmte, dass ich diesen Planeten nun offensichtlich den Menschen der Erde überlassen hatte.

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