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Kapitel 41

 

Der Außenposten

 

In den letzten Tagen war ich wahrscheinlich häufiger bis an die Grenzen meines Körpers gegangen als jemals vorher in meinem bisherigen Leben. Wieder einmal sah ich mich in der Situation, dass ich schwer atmend und schwitzend durch irgendwelche Gänge rannte. Ich musste sie erreichen, bevor sie mit dem Shuttle einfach verschwanden. Sie durften das Stargate nicht von der Tria bringen.

 

Dr. Volker hatte versucht, die Schilde wieder online zu bekommen, Eli und Chloe arbeiteten an den Waffensystemen und ich hatte einen erheblichen Fortschritt in der Lokalisierung gemacht, als auf einmal die Überlastungsanzeige angegangen war. Anscheinend hatten Rushs Modifizierungen dazu geführt, dass das ZPM der Tria durchbrannte und sie dann nur noch mit der Notenergie funktioniert hatte, doch die war nun auch langsam verbraucht. Wir würden es auf keinen Fall schaffen wieder zurück nach Atlantis zu kommen, zumindest nicht mit der Tria.

 

Eli, Chloe, Volker und Jamilia waren direkt hinter mir und auch sie schienen zu begreifen, was es bedeuten würde, wenn das Stargate auf dem Planeten wäre. Auf dem Planeten gab es noch keine Möglichkeit, es so anzuschließen, dass wir ein achtes Chevron anwählen konnten, was für die Reise in eine Nachbargalaxie nötig war. Hier auf der Tria würden die Energiereserven gerade noch dafür reichen und auch wenn das ZPM dann vollkommen verbraucht war, war es immer noch besser, als alleine auf diesem Planeten zu stranden. Eine Aussicht auf Rettung würden wir nicht haben, denn außer uns wusste ja keiner, wo wir hingeflogen waren.

 

„Rush! Stopp!“, rief ich, als ich endlich durch die Tür des Stargate Raumes gerannt war. Das Stargate war schon aus den Verankerungen gelöst und es war alles für einen Abtransport vorbereitet. Ich war froh, dass ich die Kontrolle der großen Glaskuppel über dem Tor gesperrt hatte. So hatte Rush einige Zeit dafür gebraucht, meinen Befehl zu umgehen und wir waren anscheinend noch rechtzeitig angekommen. Ich berichtete ihm, was auf der Brücke passiert war. Für einen kurzen Moment sah ich wieder Erstaunen, vielleicht sogar einen leichten Schock in seinem Gesicht. Aber er verschwand direkt wieder. Hatte er das etwa tatsächlich nicht bemerkt? Hatte er nicht daran gedacht, welche Mengen an Energie dieser Sprung, den er die Tria hatte machen lassen, kostete?

 

Doch auf der Brücke musste auch Rush einsehen, dass es nicht möglich war, und dass unser einziger Weg zurück das Stargate war. „Dieser Planet wäre perfekt gewesen“, seufzte Eli und ich sah, wie Jamilia seine Hand ergriff. Sie versuchte, ihn damit zu trösten, dass sie zumindest die Koordinaten hatten und die Securor damit irgendwann hierher kommen würde, auch wenn es etwas länger dauern würde als mit dem Stargate.

 

„Der Außenposten ruft das Kampfschiff Tria“, wir alle sahen uns unsicher an. Hatten wir das gerade wirklich gehört? „Ich wiederhole, Außenposten ruft das Kampfschiff Tria.“ Anscheinend war es keine Halluzination gewesen und auch die anderen hatten es gehört.

 

„Hier ist die Tria. Wir brauchen dringend Hilfe“, sagte ich schnell auf Antikisch, bevor sich irgend einer von den anderen einmischen konnte.

 

„Wir haben festgestellt, dass Sie Ihre Antriebe gestoppt haben.“

 

„Ja, wir sind bei einem Kampf schwer beschädigt worden. Unsere Systeme laufen nur noch auf Notenergie“, erklärte ich und anscheinend beschwerte sich niemand, dass ich die Kommunikation übernahm. Wahrscheinlich konnten sie alle nicht so gut antikisch wie ich, verständlicherweise.

 

„Wir werden Ihnen Koordinaten für eine sichere Landung geben.“  Ich wollte ihn noch fragen, wo ich denn landen solle und wo er sich überhaupt befand, doch bevor ich das tun konnte, war die Verbindung abgebrochen.

 

„Woher wusste er den Namen des Schiffes?“, fragte Brody etwas misstrauisch, und ich musste zugeben, dass mich das auch wunderte. Was mich aber noch mehr wunderte, waren die Koordinaten, die dann tatsächlich auf der Konsole erschienen. Wir sollten auf der Oberfläche des Planeten landen. Es gab eine etwas erhitzte Diskussion darüber, wie sinnvoll das wirklich wäre, immerhin konnte es auch eine Falle sein. Ich aber argumentierte, dass dieser Fremde anscheinend eingeschränkt auf die Systeme der Tria zugreifen konnte. Die Antiker hatten ihre Schiffe so abgesichert, sicherlich wäre kein Feind in der Lage gewesen, die Tria zu manipulieren. Glücklicherweise war Rush dieses eine Mal meiner Meinung und wir begannen mit dem Anflug auf die Koordinaten.

 

Wir traten in die Atmosphäre des Planeten ein und unter uns war nur unberührtes Land zu sehen. Nichts deutete auf einen Ort hin, an dem wir würden landen können oder einen Ort, für den wir besondere Koordinaten brauchen würden. Wir waren noch ein ganzes Stück von der Position entfernt, als auf einmal eine Datenübertragung auf unserer Konsole angezeigt wurde. Doch es war nicht dieser Außenposten, der Daten versendete, sondern die Tria und sie machte es vollkommen selbstständig.

 

Als der Datentransfer abgeschlossen war, konnte niemand von uns seinen Augen mehr trauen. Innerhalb weniger Sekunden tauchte eine ganze Stadt vor uns auf. Nicht eine Stadt wie Atlantis, sondern eine richtige Stadt. Sie bestand aus hohen und großen Gebäuden, aus Grünflächen und allem anderen, was man in einer Stadt erwartete. Sie war groß, wahrscheinlich die größte Stadt, die ich je gesehen hatte. In einiger Entfernung konnte ich dann auch den Ort sehen, an dem wir landen sollten. Es war eine Art Schiffswerft, die über einem ziemlich grauen Teil der Stadt schwebte.

 

Die Tria erledigte nun alles selbstständig und auch für den Landeanflug mussten wir nichts tun, deswegen hatten wir uns alle voller Staunen an die großen Fenster der Brücke gestellt, um diese Stadt besser zu sehen. Ich fragte mich, warum man es nur als Außenposten bezeichnete, immerhin hatten hier mindestens 15 Millionen Menschen Platz, da war ich mich ziemlich sicher.

 

„Das muss eine Stadt der Antiker sein“, flüsterte ich leise und voller Hoffnung. Manche der Gebäude ähnelten der Bauweise der Türme auf Atlantis und ich meinte sogar, einen kleinen See in der Mitte einer großen Grünfläche zu erkennen, in dem genug Platz für Atlantis gewesen wäre. Ich fragte mich, ob ich vielleicht doch nicht irgendeinen zufälligen Kurs eingegeben sondern stattdessen etwas getan hatte, was tief in mir verankert gewesen war.

 

Als wir dann deutlich spürten, wie sich die Andockklappen um die Tria schlossen, bereiteten wir uns darauf vor, über die Hangartore auszusteigen. Zumindest kannten wir keinen anderen Ausgang aus dem Schiff. Aber bevor wir dort ankamen, spürte ich plötzlich einen seltsamen Sog und für einen kurzen Moment sah ich rein gar nichts. Als ich wieder sehen konnte, war ich nicht mehr auf der Tria, sondern stand irgendwo anders. Vor uns flackerte ein lächelndes Hologramm, zumindest sah es wie eines aus.

 

„Willkommen auf Gan Eden. Es ist lange her, dass wir Besucher hatten“, sagte das Hologramm. Es war ein Abbild eines jungen agilen Mannes, wie man ihn sicherlich auch auf der Erde angetroffen hätte, nur seine Kleidung sah etwas futuristischer aus. Es war eine Art Uniform in weiß und braun, die typischen Farben der Antiker. Der Name des Planeten oder der Stadt war mir allerdings nicht entgangen. Eden. Etwa wie in Garten Eden? Dem Paradies, von dem so viele Religionen berichteten? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Andererseits hatte ich in meiner Zeit auf Atlantis feststellen müssen, dass viele Sachen, die ich als puren religiösen Glauben abgetan hatte, anscheinend einen wahren Kern hatten, warum dann also nicht auch der Garten Eden?

 

„Es ist sehr erfreulich, eine Erbauerin unter uns zu haben. Werden die anderen auch heimkehren?“, fragte er und sah mich dabei an. Im ersten Moment wusste ich nicht genau, was er meinte. Ich war sicherlich nicht heimgekehrt und ich war auch keine Erbauerin. Doch dann ahnte ich, was er meinte. Er war ein Computer-Programm, wahrscheinlich hatte der Computer festgestellt, dass ich genetisch wie die Antiker aufgebaut war und hielt mich daher auch für eine. Die Antiker, wenn sie diese Stadt wirklich erschaffen hatten, waren dann wohl auch die Erbauer dieser Holoprogramme.

 

„Nein, die anderen werden leider nicht heimkehren. Sie wurden vor langer Zeit von vielen Ereignissen dahingerafft oder sind aufgestiegen. Ich bin die letzte“, sagte ich. Ich wollte ihm noch nicht verraten, dass ich eigentlich keine wirkliche Antikerin war, nicht so, wie er das meinte.

 

„Das ist ja furchtbar. Ist denn soviel Zeit vergangen, seit Ihr die Heimat verlassen habt?“, fragte er.

 

„Die meisten Antiker starben vor über 10.000 Jahren. Die Tria war in einer Zeitdilatation gefangen und wurde erst vor kurzem daraus befreit. Jedoch wurde die Tria beim Kampf gegen die Wraith schwer getroffen. Uns blieb nur die Flucht, und die hat uns zu Euch gebracht“, erklärte ich, während das Hologramm uns durch die Gänge zu einem Transporter begleitete. Dieser brachte uns dann auf den Boden. Es tat gut, einmal wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

 

Atlantis war nur eine Stadt auf einem riesigen Meer und das Festland hatte ich schon Ewigkeiten nicht mehr besucht. Die Scherkraft hier war ähnlich wie auf der Erde und Atlantis. Die Luft war, wie wir es nach den Daten, die die Tria bekommen hatte, schon erwartet hatten, unglaublich sauber und es war beinahe unheimlich, dass man hier keine Spuren von Luftverschmutzung sah, nicht bei den ganzen Fabriken, die wir aus der Luft gesehen hatten, bevor wir gelandet waren.

 

„Sicher wird es Sie erfreuen, dass wir es geschafft haben, die Heimat zu schützen, bis Ihr wieder zurückkehrt“, sagte das Hologramm dann und ich war in der Tat erstaunt. Nichts hier deutete darauf hin, dass hier seit Jahrtausenden niemand mehr gelebt hatte. Alles war so … frisch und sauber. Auf meine verwunderte Frage, wie sie es hinbekommen hatten, dass die Stadt so aussah, antwortete das Hologramm nur lächelnd, dass die Stadt geschlafen habe und auch wenn ich diese Antwort nicht ganz verstand, reichte sie mir dennoch erst einmal. Es gab nämlich wichtigere Dinge, die geklärt werden mussten.

 

„Atlantis wird in der Pegasus-Galaxie angegriffen von den Wraith. Es braucht dringend Hilfe und wir können nicht zurück. Viele Menschen, Bewohner von Terra, leben dort und sind in großer Gefahr. Sie alle sind Nachfahren der Antiker und benötigen unseren Schutz“, versuchte ich zu erklären. Anscheinend waren die anderen damit einverstanden, dass ich hier redete, auch wenn ich die jüngste war. Ich hatte immerhin die Antikergene in mir, sodass dieses Hologramm tatsächlich dachte, ich sei eine Antikerin.  Ich bat das Hologramm, sich einen Weg zu überlegen, wie man die Menschen retten konnte, wie man ihnen helfen konnte, die Wraith zu besiegen. Dann verschwand er.

 

Als das Hologramm uns in einer Straße der Stadt alleine ließ, konnten wir uns endlich frei darauf einlassen und diese Stadt auf uns wirken lassen. Es war einmalig. Alles erinnerte an eine futuristische erdähnliche Gesellschaft, und doch war hier alles so anders. Die Gebäude bestanden beinahe zu 90 % aus Glas. Die Straßen waren nicht geteert, sondern bestanden aus fein nebeneinander angeordneten Pflastersteinen. Keine einzige Spurrille war hier zu sehen, so, als ob hier noch nie ein  Fahrzeug auf dem Boden gefahren war. Alles auf dem Boden war für Fußgänger ausgelegt und mit wohlriechenden Pflanzen geschmückt. Es kam einem tatsächlich so vor, als habe die Stadt nur auf uns gewartet.

 

„Eine Stadt der Antiker“, stöhnte Eli vollkommen erstaunt. Keiner von ihnen hatte auch nur zu hoffen gewagt, jemals so etwas zu sehen, dass konnte man in ihren Gesichtern ablesen. Auch ich war über alle Maßen erstaunt, aber irgendwie merkte ich ein seltsames Gefühl von Heimat, das mich hier durchflutete. Als gehörte ich genau hier hin. Ich fragte mich, ob es vielleicht irgendetwas gab, das in meinen Genen saß, dass mich genau hierher gebracht hatte, dass ich unbewusst genau den Kurs in den Computer der Tria eingegeben hatte, der uns hier her bringen würde.

 

Wir gingen noch einige Meter weiter durch die große helle Straße, bis das Hologramm des jungen Mannes wieder neben mir erschien. „Eine Lösung wurde gefunden“, sagte das Hologramm und zeigte uns an, ihm zu folgen. Er führte uns durch weitere Straßen, bis wir an etwas ankamen, das wahrscheinlich am ehesten einer Bushaltestelle ähnelte, nur dass sie ungefähr drei Meter über uns war. Auch hier war wieder ein Transporter angebracht, der uns nach oben brachte. Kaum waren wir dort angekommen, erschien auch schon ein längliches Objekt, dass nach dem Stillstand eine kleine Tür öffnete. Wir alle gingen hinein und waren fasziniert. Es war beinahe wie in einem Zug, nur etwas komfortabler und so als wären wir im Jahr 2300, nicht 2023. Wir merkten noch nicht einmal, wie er fuhr, wir konnten nur durch einen Blick durch die Fenster sehen, dass wir uns anscheinend ziemlich schnell bewegten.

 

„Und ihr seid die einzigen, die hier leben?“, fragte ich das Hologramm etwas neugierig, immerhin hatte ich so etwas noch nie gesehen.

 

„Nein, wir leben nicht hier. Wir sind reine Computer-Programme, wir besitzen kein schlagendes Herz wie Humanoide“, sagte das Hologramm sachlich.  Es war ziemlich komisch, jemanden so reden zu hören. Kein schlagendes Herz …

 

„Wenn es keine Antiker außer euch mehr gibt, wo seid ihr aufgewachsen?“, stellte nun das Hologramm eine Frage. Es musste schon ziemlich komplexe Programme haben, wenn es in der Lage war, neugierig zu sein und selbstständig zu denken.

 

„Aufgewachsen bin ich auf der Erde, ihr kennt es wahrscheinlich als Terra. Aber sie wurde leider von den Wraith zerstört. Die Menschen wurden beinahe von ihnen ausgelöscht. Der Außenposten Atlantis wurde nun zur Heimat der Überlebenden, doch auch er steht unter Beschuss und von dort sind wir auch geflohen, um Hilfe zu holen“, erklärte ich und ich musste mich immer mehr über dieses Hologramm wundern. Es schien beinahe so, als wäre es traurig über das, was es hörte, als könnte es so etwas wie Trauer empfinden.

 

„Auch für dieses Problem werden wir eine Lösung finden“, sagte er und verschwand auf einmal wieder. In dieser Zeit blieb der Zug einfach stehen. Im ersten Moment waren wir alle etwas besorgt und Brody war ziemlich wütend, dass wir überhaupt hier eingestiegen waren, als das Hologramm dann jedoch zurückkehrte mit dem Versprechen, es gäbe eine Lösung, die aber erst diskutiert werden konnte, wenn die Wraith, die Atlantis angriffen, vernichtet waren, war diese Besorgnis jedoch verschwunden. Wir alle dachten wieder an die Schlacht, die sich in einer kleinen Galaxie abspielte, die sich um die Galaxie, in der wir uns nun befanden, drehte.  Wir alle wussten, dass wir so schnell wie möglich zurückkehren mussten, damit Atlantis und die Schiffe der Novaner eine reelle Chance hatten.

 

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