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Kapitel 39

 

Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg

 

 

 

„Sie reagieren nicht auf uns“, flüsterte Eli beinahe, anscheinend aus Angst, das Hive könnte uns hören, was natürlich völliger Blödsinn war. Ich hingegen fühlte mich, als würde ich jeden Moment auseinanderreißen. Meine Angst war mit dem Erscheinen des Hives ins Unermessliche gestiegen, doch anscheinend hatte Rush recht gehabt und diese Angst hatte meinen Fähigkeiten tatsächlich noch einen kleinen Schub gegeben. Ich spürte, wie es sich wie eine zweite Haut um das Shuttle legte und das Shuttle kam mir auf einmal unheimlich groß vor. Ich spürte jede noch so kleine Unebenheit auf der Außenhülle und den Druck, den das All darauf ausübte.

„Rush, wir sollten uns jetzt ganz schnell vom Acker machen“, warnte ich ihn, denn ich merkte, dass ich diesen Zustand nicht mehr lange halten konnte.

„Wir können von Glück sprechen, dass diese Hives keine Fenster haben“, kommentierte Dr. Brody etwas missmutig. Er schien mir sowieso ein ziemlich verschlossener, ungemütlicher Mensch zu sein. Ein Lächeln suchte man auf diesem von Locken umgebenen Kopf vergeblich und auch seine Körpersprache war eher abwehrend als einladend.

„Ein bisschen mehr Optimismus Mr. Brody“, gluckste Rush vergnügt, während er die Triebwerke des Shuttles startete. Jetzt war ich mir eindeutig sicher, Rush war geisteskrank, er musste es einfach sein. Niemand konnte wirklich in so einer Situation gut gelaunt sein, nicht wenn das eigene Leben auf dem Spiel stand. Daher war die etwas bösartige Bemerkung Dr. Brodys gegenüber Rushs Optimismus ziemlich gerechtfertigt.

Am liebsten hätte ich Rush angeschrien, dass er sich lieber darauf konzentrieren sollte, dass wir zur Triathlon kamen, aber dafür hätte ich zumindest einen Teil meiner Konzentration und Kraft opfern müssen, und dazu war ich nicht in der Lage. Mir wurde so schon langsam schwindelig und ich musste häufiger blinzeln, weil ich das Gefühl hatte, immer verschwommener zu sehen.

„Dr. Rush, ich glaube wir sollten uns beeilen. Die Kleine sieht wirklich nicht gut aus“, bemerkte Jamilia, die andere junge Frau etwas besorgt.

„Sie wird noch etwas durchhalten müssen“, bemerkte er vollkommen emotionslos und es machte mich wütend. Es interessierte ihn also nicht, wenn ich körperlich an meine absolute Belastungsgrenze stieß? Wenn das passierte, während wir noch in direkter Reichweite der Sensoren des Hives waren, dann wäre auch er so gut wie tot, das sollte ihn doch zumindest etwas beunruhigen. Doch er sah danach nicht aus. Er hatte immer noch dieses leichte Grinsen auf den Lippen und es schien auch nicht so, als ob es in nächster Zeit von dort verschwinden würde.

„Ich glaube nicht.“ Es war das letzte, was ich hörte, bevor ich merkte, wie mein Körper mir diese Überanstrengung quittierte. Ich hatte nicht mehr viel Zeit von dem Moment, in dem ich merkte, wie mein Magen sich verkrampfte bis zu dem Moment, in dem er sich vor den Augen und Füßen aller entleerte. Ich merkte, wie das Magnetfeld, durch meinen plötzlichen Konzentrationsverlust vollkommen unkontrolliert, pfeilschnell zurück schoss. Die Wucht des zurückpeitschenden Magnetfeldes riss mich wortwörtlich von den Füßen und zu meiner großen Scham landete ich auch noch genau in meinem Erbrochenen.

„Sie bemerken uns immer noch nicht“, stellte Eli dann in dem Chaos des Augenblickes fest und das Grinsen von Rush wurde noch breiter. Ich wusste es, bevor er es ausgesprochen hatte und wenn ich auch nur noch ein kleines bisschen an Kraft gehabt hätte, hätte Rush sicherlich einige Tage auf der Krankenstation der Securor verbringen müssen.

„Wir waren die ganze Zeit getarnt?“, auch Jamilia schien etwas wütend aufgrund dieser Erkenntnis zu sein. “Warum haben Sie die Kleine dann das alles machen lassen?“

Rush schien völlig unbeeindruckt von der ganzen Situation. „Ich wusste nicht, ob die Tarnung funktionieren würde, ich habe sie noch nicht getestet, seitdem wir sie repariert haben“, stellte er trocken fest. „Außerdem war es gut für sie, einmal ihre Grenze auszutesten.“

Ich sprang unweigerlich auf, egal wie wenig Kraft ich noch übrig hatte, für Rush würde es reichen. Leider hielt mich Eli jedoch auf und er bekam den für Rush gedachten Stromschlag ab. Er sackte direkt zu Boden. Er war zwar nicht bewusstlos, aber ich ahnte, dass meine Wut auf Rush ihn mit voller Wucht getroffen hatte.

„Es tut mir leid“ flüsterte ich ihm zu. Und damit meinte ich nicht nur den Stromstoß, sondern auch die Tatsache, dass er nun auch in meinem Erbrochenen gelandet war.

„Kein Problem“, lächelte er schwach und versuchte angestrengt, nicht angeekelt auszusehen, „er hat uns alle schon einmal so auf die Palme gebracht.“ Das glaubte ich ihm aufs Wort. Irgendwie kam mir Rush so vor, als habe er ein Talent dafür, wichtige Sachen zu verheimlichen.

Als wir endlich in sicherem Abstand zum neu aufgetauchten Hive waren, konnten wir dann die gesamten Ausmaße des Kampfes sehen. Aus dem einen Hive, das Atlantis auf dem Schirm hatte, als wir weggeschickt worden waren, waren mittlerweile zehn geworden und anscheinend hatte das die Securor auch veranlasst, mehr der Kriegsschiffe zu rufen.

Mit einem ziemlich schlechten Gefühl, hielt ich nach Atlantis Ausschau, aber ich konnte das Stadtschiff nirgendwo sehen. Sofort merkte ich, wie sich düstere Gedanken in mir breit machten, aber ich durfte sie nicht zulassen.

„Maggie, ist alles in Ordnung?“ Anscheinend hatte auch Torren bemerkt, dass irgendwas nicht stimmte, obwohl er immer noch in dem kleinen Schutzraum auf der Securor war.

„Ich kann Atlantis nicht mehr sehen“, sagte ich ihm besorgt und hoffte, dass er vielleicht irgendwelche beruhigenden Worte hatte, doch er schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. „Hier sind mindestens zehn Hives und das elfte ist gerade direkt vor uns aus dem Hyperraum gesprungen.“ Er sagte immer noch nichts, aber ich merkte, wie seine Unruhe anstieg und dann blockierte er mich wieder.

„Da ist die Tria“, erwähnte Rush das Offensichtliche, denn ein Schiff in der Größe der Tria war wirklich nicht zu übersehen. „Wir müssen an Bord systematisch vorgehen, wenn wir schnell etwas erreichen wollen.“ Dann teilte er die Teams ein, als wäre er unser Anführer, doch keiner schien etwas zu sagen. Ich sollte mit Chlor und Eli auf die Brücke gehen, Jamilia und Dr. Brody würden sich in den Maschinenraum begeben und Rush und Dr. Volker machten sich direkt auf den Weg hinunter zu den Antriebssystemen. Ich war froh, dass ich mit einigen der anscheinend angenehmeren Leute zusammen gelassen wurde, aber wahrscheinlich hatte Rush auch Angst, dass ich ihm einen Stromschlag verpassen würde, wenn ich mit ihm alleine war. Damit lag er vermutlich noch nicht einmal so falsch.

„Eli, du stinkst“, lachte Chloe, als Eli ihr über die Schulter sah. Ich hatte direkt wieder ein schlechtes Gewissen, denn immerhin war es meine Schuld, dass er ein wenig unangenehm roch. Die beide lachten allerdings nur darüber, was ich ziemlich seltsam fand.

Nach einigen Minuten, in denen wir nur die weit entfernten Kämpfe beobachteten, meldete sich dann endlich Rush und eröffnete uns seinen Plan. Die Tria verfügte zwar über einen Hyperantrieb, aber anscheinend stimmte damit ja einiges nicht. Also hatte Rush einige Komponenten mitgebracht, mit denen man wenigstens die Sublichtantriebe so verbessern konnte, dass sie zumindest ohne Zeitdilatation zum Kampf kommen konnten.

Sicherlich war ein richtiges Antikerschiff eine größere Herausforderung für die Wraith als alles, was Kommandant Stark aufbringen konnte.

„Da gibt es allerdings ein kleines Problem“, sagte Eli auf einmal ziemlich starr. Und als ich in die Richtung sah, in die er schaute, erkannte ich auch das Problem. Es war ein Jäger der Wraith. Anscheinend hatten sie auch das Signal der Tria erfasst und hatten einen Jäger geschickt, um nachzusehen, was da los war. Der Jäger war in direkter Höhe der Brücke und sicherlich konnte er die Lebenzeichen auf diesem Schiff sehen.

Ich reagierte, bevor es Eli oder Chloe konnten und meine Hand schoss auf die Konsole vor mir. Es war die Verteidigungskonsole und ich aktivierte die vorderen Schilde der Tria. Es war wirklich gut, dass ich durch meine Veränderung intuitiv mit der Tria umgehen konnte, irgendwie wusste ich einfach, was ich machen musste, auch wenn ich es nie gezeigt bekommen hatte. Ich versucht noch ein Störsignal auszusenden, dass den Jäger daran hindern sollte, eine Nachricht an das nächste Hive zu schicken, aber es war schon zu spät. In einiger Entfernung sahen wir das Hive, das gerade erst angekommen war, wenden. Als es in Position war, fing es dann auch direkt an zu schießen. Wahrscheinlich wussten sie, dass es keine bessere Chance für sie geben würde, dieses Schiff zu zerstören.

„Die Schilde sind nur noch auf 50 Prozent!“, rief Chloe mir besorgt von einer anderen Konsole zu, als auf einmal eine Leitung auf der Brücke explodierte. Es sprühten überall Funken und es war immer schwerer, sich bei den Treffern der Wraith auf den Beinen zu halten.

„Was ist bei euch verdammt noch mal los?“, hörte ich Dr. Brodys ziemlich gereizte Stimme aus dem Funk.

„Ach nichts, wir werden nur von einem Hive angegriffen, aber sonst ist alles in Ordnung“, zischte ich etwas ungehalten und sowohl Eli als auch Chloe sahen mich an. Ja, ich konnte leicht die Geduld verlieren, dass hatte ich wahrscheinlich von meinem Vater. Ich fragte mich, warum gerade ich jetzt hier diejenige war, die wissen musste, was sie tat, warum ich das Gefühl hatte, dass die Verantwortung für die Sicherheit der anderen nun auf mir lag, einem Teenager.

„So ein Mist, die Waffensysteme sind auch beschädigt!“, fluchte ich. Wir konnten uns also nicht verteidigen. Immer öfter explodierten kleinere Leitungen auf der Brücke und wahrscheinlich auf dem ganzen Schiff. Die Kommunikation zu Dr. Brody hatte ich schon abgebrochen, denn seine ständige Nörgelei, dass er unter diesen Bedingungen nicht das machen konnte, was gemacht werden musste, ging mir ziemlich auf den Senkel. Ich war froh wenn wir lebend aus dieser Sache raus kamen, er interessierte sich nur dafür, dass das Schiff intakt blieb.

„Rush, wie sieht es mit dem Antrieb aus?“, fragte ich etwas angestrengt, weil ich das Gefühl hatte, alle Systeme gleichzeitig bedienen zu müssen.

„Schilde nur noch auf 25%, noch einen Treffer und sie sind ganz weg“, informierte mich Eli dazwischen und nun schien auch Dr. Rush zu merken, was los war. Er erklärte mir sofort, dass die Systeme, die er versucht hatte, zu installieren noch nicht online seien und dass er dafür noch mindestens eine Stunde brauchen würde. Wir hatten allerdings keine Stunde mehr.

„Eli, würden die Schilde einen Flug mit 0,999-facher Lichtgeschwindigkeit aushalten?“, fragte ich eigentlich eher zu Sicherheit, denn es gab keine andere Lösung als das. Natürlich gab es Einsprüche der anderen, immerhin würden wir eine Zeitdilatation erzeugen.

„Ich habe das berechnet“, versuchte ich die anderen zu beruhigen. Ich hatte es wirklich berechnet und wenn ich keinen Fehler begangen hatte, dann würde eine einzige Minute in dieser Geschwindigkeit bedeuten, dass wir sozusagen 34 Minuten in die Zukunft reisen würden. Aber es blieb uns keine andere Chance. Wenn wir hier blieben und die Wraith uns noch einmal trafen, dann würde die Tria mit uns an Bord zerstört werden und das war wirklich keine Option.

„Ich kann nicht am Antrieb arbeiten, solange er online ist“, bemerkte Rush, doch ich hörte schon nicht mehr auf ihn. Es war mir egal, ob er für eine Minute Pause machen musste, immerhin ging es um unser Leben. Ich gab also einen sicheren Kurs am Kampf vorbei in den Computer ein und startete dann den Sublichtantrieb.

 

 

 

 

 

 

 

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