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Kapitel 29

 

Torrens Geheimnis

Teil 1

 

 

 

Mein Atem ging so schnell, dass ich Angst hatte, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. Ich wusste, zu hyperventilieren war nicht gerade das Allerbeste für den Kreislauf, aber es war wirklich knapp gewesen. John und Torren jubelten wild vor sich hin und klopften mir auf die Schulter, Sara war ganz still.

Sicherlich hatte sie genauso viel Angst bekommen wie ich, als sich die Schleuse des Hangars langsam wieder schloss, ich das Schiff aber nicht mehr zum Halten bekam. Anscheinend hatte mein Unterbewusstsein einfach nicht anhalten wollen und damit auch das Schiff nicht. Das Kommunikationssystem hatte ich bereits ausgeschaltet, als das erste Mal die ziemlich ungehaltene Stimme von General O’Neill durchgekommen war, nicht, dass ich etwas anderes erwartet hätte.

Jetzt hatten wir Atlantis allerdings verlassen und ich hatte die Tarnung aktiviert. Mein System hatte mir angezeigt, dass weitere Gleiter in Atlantis gestartet wurden und uns auf den Fersen waren.

„Mit dir kann man ja doch arbeiten, Peaches!“, flötete Torren amüsiert und ich funkelte ihn nur böse aus den Augenwinkeln an. Wenn er heil auf dem anderen Planeten ankommen wollte, dann würde er nun besser den Mund halten, den ganzen Flug über. Doch natürlich war das wieder einmal zu viel verlangt. Er, John und Philipp gingen die einzelnen Kisten durch, die sie in der Eile in das Schiff hatten mitnehmen können. In einer befanden sich Zats, kleine Alien-Waffen, mit denen man jemanden betäuben, töten und auch verschwinden lassen könnte. In einer anderen befanden sich kleine, schmale Metallzylinder, die sich aber durch einen einzigen Knopfdruck in lange Kampfstäbe ausfahren ließen und in der dritten, und darüber war ich heilfroh, befanden sich Verbandsmaterial und die wichtigsten medizinischen Dinge für eine gute Erstversorgung.

Jetzt war es jedoch erst einmal wichtig, zu dem anderen Stargate zu kommen, immerhin wurden wir verfolgt. Glücklicherweise hatte mein Vater in seiner letzten Flugstunde recht behalten, ich war mittlerweile so weit, dass ich ein Schiff alleine fliegen konnte, ohne das Leben aller Anwesenden aufs Spiel zu setzten, auch wenn es vor einigen Minuten noch anders ausgesehen hatte.

"Atlantis an Jumper 1. Wenn ihr nicht sofort umdreht …" und dann hatte Philipp auch schon die Stimme seiner Mutter unterbrochen, in dem er einfach die Kommunikationsgeräte lahm legte. Es war schon ein komisches Gefühl, hier in diesem Schiff zu sein. Jetzt, wo wir es tatsächlich geschafft hatten, aus Atlantis zu entkommen und ich Zeit hatte, über die ganze Geschichte nachzudenken, war es doch ziemlich waghalsig gewesen, einfach abzuhauen. Doch anscheinend war ich die einzige, die so dachte.

Die anderen schienen geradezu begeistert von der Idee zu sein, bald ähnliche Abenteuer zu erleben, wie sie sie schon öfters von ihren Eltern gehört hatten. Wahrscheinlich wollten sie sich beweisen, wollten zeigen, dass sie zu genauso viel im Stande waren wie ihre Eltern, doch ich fühlte mich nicht so. Vielleicht lag es daran, dass ich nicht schon mit den Heldentaten meiner Eltern aufgewachsen war.

"Die werden Augen machen, wenn wir sie befreien!", sagte Torren mit soviel Selbstvertrauen, dass man ihm beinahe glauben mochte.

"Die werden ausrasten, wenn wir in ihre Zelle gebracht werden", gab ich nur zurück und um die Blicke der anderen zu ignorieren, die anscheinend nicht gerade die realistische Sicht der Dinge hören wollten, blickte ich stur nach draußen.

"Oh Scheiße!", rief ich aus, als ich das Piepsen hörte und draußen ein kurzes Aufleuchten sah. Ohne lange zu erklären, was los war, drehte ich von unserem eigentlichen Kurs ab. Natürlich unter dem Protest der anderen, aber ich hatte gerade keine Zeit zu reden. Das helle Leuchten war ein eindeutig aktiviertes Stargate gewesen und das Piepsen war die Information, dass gerade ein Schiff durch das Stargate gekommen war. Ich tippte darauf, dass es ein Jumper aus Atlantis war. Sie versuchten, uns aufzuhalten.

"Was zur Hölle machst du da?", schrie mich diesmal Sara an. Ihr Blick war voller Unverständnis.

"Ich verhindere, dass wir geschnappt werden!", fauchte ich zurück "Sie haben das Stargate angewählt, durch das ich fliegen wollte.“ Ich ließ eine Anzeige erscheinen, die Sara und den anderen eindeutig zeigte, dass ich Recht hatte. Um das Stargate herum wurden einige kleine Punkte angezeigt, die andere Jumper von Atlantis darstellen sollten, während das Stargate selbst blinkte, es war also aktiviert.

„Und jetzt?“, fragte Philipp etwas verunsichert. Er hatte eindeutig Angst und ich konnte ihn verstehen. Wenn seine Mutter ihn jetzt in die Finger bekam, war er sicher in großen Schwierigkeiten, wie wir alle. Aber ich hatte bereits alles im Griff. Nach der kurzen Schrecksekunde hatte ich umgedreht und die Stargate Adresse des Planeten, auf dem sich mein Vater und die anderen befanden in den Bordcomputer eingegeben. Damit dürfte es für ihn kein Problem sein, eine alternative Route auszuwerfen, die uns an unser Ziel brachte, ohne vorher abgefangen zu werden. Ebenso hatte ich als Ablenkung eine getarnte Signalbarke ausgelassen. Diese Signalbarke war eine relativ neue Entdeckung gewesen. Anscheinend hatten bereits die Antiker versucht, andere Schiffe in die Irre zu führen, in dem sie eine dieser Barken ausließen und diese dann in die genau entgegengesetzte Richtung des Jumpers flogen. Andere Schiffe sahen danach nur noch das stärkere Signal der Barke und flogen dieser anstelle des Jumpers hinterher, während letzterer sich in Sicherheit bringen konnte.

„Du bist clever, Peaches!“, lobte mich Torren und klopfte mir mit seinem schiefen Grinsen auf die Schulte, als wir anstatt zwei Jumpern nur noch einen hinter uns hatten.

„Wenn du mich noch einmal so nennst, dann bist du unsere nächste Signalbarke“, knurrte ich ihn an, doch alle anderen lachten nur darüber. Torren erhob nur scherzend die Hände, als hätte er nichts getan. Doch leider war die Verfolgungsjagd noch immer nicht vorbei. Ein Jumper folgte uns immer noch und auf dem Display sah ich genau, dass man immer noch versuchte, uns zu kontaktieren.

„Da vorne!“, rief Sara und zeigte auf das Asteroidenfeld, das gerade in Sicht gekommen war. Ich sah sie einen Moment schief an. War sie vollkommen verrückt geworden? So gut konnte ich nun wirklich nicht fliegen, dass ich uns sicher durch diese Wolke von Steinen steuern konnte. Wahrscheinlich hätte ich uns eher umgebracht als alles andere. Doch je näher ich kam, desto deutlicher merkte ich, dass unser Schiff mit starken Interferenzen zu kämpfen hatte und das Signal des Schiffes verlor, dass uns verfolgte. Sicherlich würde es den Erwachsenen ähnlich gehen. Wenn ich also nur nah genug an das Feld heranfliegen konnte, eine weitere Barke startete und den Jumper auf einem der größeren Asteroiden am Rand landete, könnten wir vielleicht eine Chance haben, sie abzuhängen.

„Haltet euch gut fest, es könnte gefährlich werden“, warnte ich alle vor, als ich mir einen der größeren Asteroiden ausgesucht hatte, auf dem ich landen wollte. Die Landung selbst verlief wie angekündigt etwas holprig, doch es klappte. Nicht ganz, denn der andere Jumper verschwand nicht. Er blieb in Reichweite des Asteroidenfeldes.

„Was jetzt?“, fragte ich etwas ratlos.

„Einen Moment, lasst mich etwas versuchen.“ Philipp war schon von seinem Stuhl aufgesprungen. Auf die Frage, was er da tat, gab er keine Antwort, sondern öffnete einfach die Abdeckung der Steuerkonsole und fingerte darin herum. Das ein oder andere Mal bekam er einen kleinen Stromschlag, aber es war nichts Lebensbedrohliches, also machte er weiter.

„Du kannst jetzt starten, Maggie“, sagte er dann nach einer geschlagenen Stunde, in denen er auf keine unserer Fragen mit mehr als einer Handbewegung reagiert hatte.

„Was hast du da gemacht?“

„Ich habe die Systeme so manipuliert, dass die Signale, die ausgeworfen werden, auf einer anderen Frequenz laufen als die Systeme der anderen Jumper. Es wird sie nicht ewig von uns abhalten, aber zumindest so lange, bis meine Mutter oder McKay herausgefunden haben, was ich verändert habe. Los, starte das Schiff.“

Natürlich tat ich direkt, was er sagte, denn auch wenn er erst 13 Jahre alt war, hörte er sich in diesem Moment so sehr nach einer Mischung aus seinen beiden Eltern an, dass man einfach das tat was er sagte, ohne es zu hinterfragen. Und tatsächlich: als wir getarnt wieder aus dem Nebel austraten, schien uns der Jumper der anderen nicht zu folgen, zumindest vorerst nicht.

Dann waren alle einige Zeit still und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Die Stille half mir, mich komplett aufs Fliegen zu konzentrieren, denn auch wenn sich dieses Schiff intuitiv fliegen ließ, war es nicht sonderlich einfach, vor allem, wenn man zum ersten Mal ohne die Aussicht auf Hilfe flog. Keiner der anderen konnte besser fliegen als ich, was alle einfach damit begründeten, dass mein Vater schon ein begnadeter Flieger sei, und dass es mir einfach im Blut lag.

Mittlerweile musste ich eingestehen, dass sie vielleicht Recht hatten. Vielleicht hatte ich doch mehr von meinem Vater als ich zu Beginn gedacht hatte. Die Idee, bei dieser waghalsigen Sache mitzumachen, musste auch eher aus dem Teil von mir stammen, den mein Vater mir vererbt hatte, denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass meine Mutter so etwas gemacht hätte.

Die Berechnungen wurden abgeschlossen, stand dann auf einmal auf dem Display direkt vor mir und das Schiff fragte mich, ob es den Autopiloten anschalten oder ob es nur die Karte anzeigen solle. Ich sah momentan kein Problem darin, den Autopiloten zu aktivieren, immerhin hatten wir die Jumper von Atlantis schon einige Zeit nicht mehr gesehen und ich sah keine Notwendigkeit, schnell in den Flug eingreifen zu müssen. „Laut Computer brauchen wir ungefähr 8 Stunden bis zum nächsten Stargate“, setzte ich die anderen in Kenntnis und zumindest Sara, Phil und John sahen mich überrascht an. Wahrscheinlich lag es daran, dass die Nachricht des Computers in der alten Sprache der Antiker geschrieben war und sie es nicht lesen konnten. Was mich allerdings wunderte, war, dass Torren so aussah, als hätte er es selbst gelesen und es bereits wusste.

„Wo hast du so gut Antikisch gelernt?“, fragte mich dann Philipp geradeheraus und ich errötete leicht. Ich mochte es nicht, auf meine ‚Besonderheit‘ hingewiesen zu werden, vor allem, weil die anderen nicht unbedingt etwas davon wussten.

„Ich hatte Latein in der Schule, das ist ziemlich ähnlich“, versuchte ich auszuweichen.

„Aber Latein ist nicht in dieser komischen Schrift, wie kannst du es entziffern?“, hakte John leider nach und ich konnte einfach nicht anders, als ihm eine Antwort zu geben. Wahrscheinlich konnte ich ihm nichts abschlagen, wenn er mich mit seinen blauen Augen ansah und es schien, als sähe er direkt in mich hinein.

„Ich weiß es nicht. Ich konnte es, seit ich hier angekommen bin. Ich konnte es einfach.“

„So, wie sie Lampen explodieren lassen kann“, kommentierte Torren und saß eher unbeeindruckt in einer Ecke. Irgendwie war es klar, dass er davon wusste, auch wenn er es eigentlich nicht sollte, nur dass er es jetzt auch vor den anderen gesagt hatte, das war nicht in Ordnung. Doch ich war erstaunt, als die anderen ihn ansahen, als hätte er gerade etwas gesagt, was sie auch bereits wussten, bei dem sich jedoch alle darauf geeinigt hatten, dass sie es nicht ansprechen würden.

„Ihr wusstet es? Alle?“, fragte ich und Sara war die einzige, die zu bemerken schien, dass das wirklich nicht der beste Ort war, um mit mir darüber zu reden, dass ich manchmal leicht die Kontrolle verlor und einige Systeme damit durcheinander bringen konnte. Sie sah mich als einzige etwas entschuldigend an.

„Natürlich wussten wir es. Hör mal, Simon konnte Sicherheitsprotokolle umgehen, meinst du, er konnte nicht herausfinden … seine Mutter untersucht dich deswegen ständig“, sagte Phil nur schulterzuckend und ich wusste genau, dass Simon nicht alleine hatte rausfinden wollen, was los war.

„Wir haben schon bei der Abschottung geahnt, dass es etwas mit dir zu tun hatte. Die Art, wie vorsichtig auf einmal alle mit dir umgegangen sind und die Stunden mit Großvater danach. Kelno’reem macht ein Mensch nicht einfach nur so … es hat meistens einen Grund“, erklärte Sara nun etwas schuldbewusster als die Jungs. „Wir haben bisher nichts gesagt, weil wir gehofft haben, du würdest uns von selbst davon erzählen, immerhin sind wir doch alle Freunde.“

Ich fand es mehr als unfair, dass sie nun versuchte, mir ein schlechtes Gewissen für das alles zu machen und ich war teilweise froh, dass ich die Kontrolle an den Autopiloten übergeben hatte, so standen die Chancen, etwas durcheinander zu bringen, geringer.

„Natürlich sind wir Freunde. Aber die haben mir ziemlich deutlich gesagt, dass ich es niemandem sagen soll.“

„Hast du ja auch nicht“, antwortete Philipp mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.

„Tja, Peaches, ich wusste schon direkt, dass du was Besonderes bist“, sagte Torren und es klang ziemlich nach Ironie und hätte ich nicht die eher pazifistische Einstellung meiner Mutter geerbt, ich hätte ihn wahrscheinlich genau in diesem Moment aus der Luke geschleudert.

Was mir jedoch auffiel war, dass alle lachten, außer Philipp. Es sah beinahe so aus, als müsse er sich etwas verkneifen, was diesmal wirklich niemand wissen durfte, absolut niemand. Als er bemerkte, dass ich ihn beobachtete, schüttelte er nur mit einem flehenden Blick den Kopf und auch wenn er mein Geheimnis verraten hatte, ließ ich ihm das, was er jetzt so gut zu hüten versuchte.

„Okay, wie machen wir weiter, wenn wir durch das Stargate sind?“, fragte John, als wir uns alle beruhigt hatten. Dann wurden die verschiedensten Vorgehensweisen diskutiert, von inkognito durch die Reihen der Feinde schleichen bis sie mit den Drohnen zu beschießen, war eigentlich alles dabei, doch Saras Idee schien noch die vernünftigste zu sein.

„Wir sollten irgendwo landen, wo man uns nicht direkt sehen kann. In einem Wald oder so. Von da aus sollten wir dann erst einmal alles beobachten. Wir müssen sichergehen, dass sowohl der Weg rein als auch der wieder hinaus ungefährlich sind. Das könnte zwar einige Zeit dauern, aber sicherlich nicht länger, als die Erwachsenen brauchen würden. Dann schleichen wir uns zu dem Ort, an dem sie alle gefangen werden und befreien sie.“

Ihr Plan war sehr vage, da wir ja keine exakte Vorstellung hatten, womit wir es überhaupt zu tun bekämen, aber immerhin schien sie vernünftiger zu sein als die Jungs, die anscheinen zu viele Kriegsgeschichten gehört oder gesehen hatten. So klang Johns Angriffsplan eher nach dem Film Black Hawk Down, den ich mir einmal zusammen mit Kevin für den Geschichtsunterricht angesehen hatte und Philipp schien Gefallen an der Methode der Japaner bei Pearl Harbour zu finden.

„Da ihr drei euch nicht einig werden könnt und Sara und ich definitiv für ihre Version sind … seid ihr überstimmt, würde ich sagen. Außerdem bin ich noch nicht gut genug, was Medizin angeht, dass ich euch nach euren waghalsigen Unternehmen wieder zusammenflicken könnte“, entschied ich dann, als das Schiff mich informierte, dass wir bald das andere Stargate erreichten. Philipp setzte sich direkt neben mich, er war neben mir der beste Flieger und für das Eintreten in das Stargate war es besser, zwei Piloten zu haben, zumindest wenn es für beide das erste Mal war.

„Okay, wir müssen uns beeilen, denn wahrscheinlich haben sie mittlerweile gemerkt, dass wir nicht mehr in der Nähe sind und wenn sie dann mitbekommen, dass ein anderes Stargate aktiviert wurde … ihr könnt es euch denken“, sagte Philipp und jeder wusste, was er meinte. Dann wählte er das Gate an und wir alle warteten gespannt darauf, dass sich der Ereignishorizont öffnete.

Beinahe paranoid checkte ich jede Sekunde, ob irgendwo Schiffe auftauchten, mit denen wir nicht rechneten, aber nichts war zu sehen. Als der Vortex dann endlich erschien und Philipp und ich langsam und bedacht das Schiff durch das Gate lenkten waren wir alle mehr als gespannt, was uns auf der anderen Seite erwarten würde.

Doch wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn wir tatsächlich auf Atlantis geblieben wären …

„Oh Shit!“

 

 

Fortsetzung folgt ...

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