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Kapitel 10

 

Grausame Wahrheit

 

 

 

"Hast du davon gewusst?" Im Speeder, in der Öffentlichkeit, hatte Padmé noch still gehalten. Wahrscheinlich auch, weil sie gemerkt hatte, wie abwesend ich auf den Voorpak gestarrt hatte. Doch sobald wir gelandet und aus dem Speeder gestiegen waren, hatte sie nichts mehr halten können.

Im ersten Moment wusste ich nicht, was ich ihr sagen sollte. Konnte ich sie anlügen und wollte ich das überhaupt? War es nicht vielleicht besser, endlich jemandem einfach alles erzählen zu können? Dann nickte ich, bevor ich die eigentliche Entscheidung überhaupt getroffen hatte.

"Ich wusste, dass Tiré und Jacen nicht meine richtigen Eltern waren", erklärte ich Padmé nachdenklich. "Meine Mutter - also, meine Adoptivmutter - hat mir immer erzählt, dass sie ihr Kind verloren hatte und mich daher als Geschenk des Himmels angesehen haben, als ich damals vor ihrer Tür abgelegt worden war. Aber ich hatte keine Ahnung, dass ich hier zur Welt gekommen bin." Ich erzählte Padmé alles, was meine Eltern mir damals erzählt hatten. Auch dass meine richtige Mutter mich einer Amme anvertraut hatte und mich von dieser zu ihrem Bruder - Jacen - hatte bringen lassen. Außerdem erzählte ich ihr von dem Amulett, was ich immer trug, und dass es das einzige war, was ich von meiner leiblichen Mutter hatte.

Ich war etwas ängstlich, wie Padmé auf die nächste Neuigkeit reagieren würde, war dies doch eine bedeutende Tatsache, die ich seit mindestens dreizehn Jahren vor ihr verborgen hatte. "Ich darf es nicht abnehmen, das haben mir meine Eltern damals eingebläut. Und das hat auch seinen Grund." Ich sah den fragenden Blick auf dem Gesicht meiner Freundin und während ich mich umsah, dass auch niemand uns belauschte, flüsterte ich es ihr ins Ohr: "Ich bin machtsensitiv."

Ihr entsetzter Gesichtsausdruck hätte einen großen Granit in zwei glatte Hälften teilen können. Aber ich konnte mit meiner nächsten Spezifikation sogar noch einen draufsetzen. "Dieses Amulett verbirgt mich vor jedem, der die Macht nutzen kann. Wer auch immer in meiner Gegenwart ist, kann gar nichts von mir spüren, noch nicht einmal ein Fünkchen."

"Du hast das gewusst?", fragte sie mich immer noch fassungslos. Doch ich schüttelte den Kopf und versuchte es ihr zu erklären. Ich versuchte ihr klarzumachen, dass ich es selbst erst kurz vor Beginn des Krieges herausgefunden hatte und dass Meister Yoda an mich appelliert hatte, alles geheim zu halten, zu meinem eigenen Schutz natürlich.

Immer noch leicht verwirrt, aber zumindest um Fassung ringend, fragte Padmé: "Was hat deine Mutter damit bezwecken wollen, dich vor der Macht zu verbergen? Du hättest eine Jedi werden können."

"Vielleicht wollte sie genau das verhindern, dass ich ihr abgenommen werde", warf ich ein, doch Padmé schüttelte nur den Kopf.

"Aber wieso hätte sie dich dann überhaupt abgehen sollen?", gab Padmé zu bedenken und es klang plausibel. Warum hätte meine Mutter Angst haben sollen, ich würde ihr vom Jedi-Orden genommen werden, nur um mich ihrer Dienerin anzuvertrauen, die mich augenscheinlich nach Naboo gebracht hatte? "Und in einem Waisenhaus bist du auch nie gewesen, das wäre in deinen Unterlagen erschienen. Und die habe ich mir damals genau angesehen."

Wenn Padmé es so ausdrückte, war es tatsächlich etwas seltsam. Warum hatten meine Eltern eigentlich immer jedem gegenüber verschwiegen, dass ich nicht ihre leibliche Tochter war? In jüngeren Jahren hatte ich immer angenommen, dass sie keinen Wert auf die potenziell herablassenden Blicke anderer Leute gelegt hatten und die Tatsache deshalb mit niemandem, den sie nicht für würdig hielten, geteilt hatten. Aber mit diesen neuen Informationen war ich mir da nicht mehr ganz so sicher.

"Vielleicht können wir etwas herausfinden", sagte Padmé und ich dachte beinahe ein schwaches Grinsen in ihrem Gesicht zu sehen. Sie hatte schon immer Rätsel geliebt, und in den letzten Jahren war mir auch vermehrt ihre Freude an Geheimnissen aufgefallen, die sie aufdecken konnte.

"Musst du nicht zu einem Termin?", erinnerte ich sie an Gregars Worte, doch sie winkte nur ab. Der Termin wäre erst in einer Stunde und bis dahin hätte sie noch genug Zeit, einiges in Erfahrung zu bringen. Aber zuerst wollte sie von mir mehr über die Macht wissen. Wahrscheinlich erhoffte sie sich so ein besseres Verständnis für Anakin zu erhalten, aber ich musste sie enttäuschen. Das, was ich von der Macht gesehen hatte, konnte ich nicht ansatzweise so beschreiben, dass es jemand, der damit noch nicht in Berührung gekommen war, verstehen konnte. Ich versuchte es zu beschreiben, doch mir fehlten die richtigen Worte dafür.

"Meinst du, die Zwillinge werden machtsensitiv sein?", fragte sie mich dann auf einmal und ich war überrascht, dass sie nun doch über diese neue Erkenntnis reden wollte. Ich hatte bereits bei der Heilerin gesehen, dass sie sehr nachdenklich gewesen war, als ihr die Neuigkeit eröffnet wurde.

"Ich kann es dir nicht sagen. Ich weiß nicht, ob es erblich ist oder nicht. Eigentlich kann das ja gar nicht sein, weil Jedi ja enthaltsam sein sollten."

"Auf Tatooine hat Meister Qui-Gon Anakins Mutter damals gefragt, wer Anakins Vater sei, weil die Macht so stark in ihm war." Ich wunderte mich, dass Padmé sich daran noch erinnern konnte, immerhin war es sehr lange her. Wer wusste schon, wie die Macht funktionierte? "Sie hatte ihm dann erzählt, dass Anakin keinen Vater hatte. Dass sie einfach so schwanger geworden sei." Das konnte ich mir nun wirklich beim besten Willen nicht vorstellen. Jeder hatte Mutter und Vater, das war biologisch kaum anders möglich, zumindest nicht bei Menschen.

"Macht hin oder her. Wäre es von Bedeutung?", fragte ich Padmé und allein der Gedanke daran, was es bedeuten könnte, wenn ihre Kinder machtsensitiv waren, trieb Tränen in ihre Augen. "Sie können mir meine Kinder nicht abnehmen", schluchzte sie und ich wusste genau, wen sie damit meinte.

"Das werden sie nicht", versuchte ich sie zu beruhigen, aber ich war selbst nicht davon überzeugt. Bisher hatte ich selten von einem machtsensitiv Kind gehört, das nicht vom Orden zu sich genommen wurde. Andererseits waren die Eltern auch meist überfordert mit den Fähigkeiten ihres Sprösslings und waren froh, wenn die Jedi ihnen halfen. Anakin und Padmé wären da jedoch andere Eltern. Anakin war selbst ein Jedi und hatte sogar schon einmal einen Padawan gehabt. Er wusste also, wie man einem Kind die Kontrolle der Macht beibrachte.

Ich sah Padmés hilfesuchenden Blick, als ich ihr diesen Ausblick gab, und verstand plötzlich. Nicht nur, dass sie nicht wusste, ob Anakins Training das Beste für ihre gemeinsamen Kinder war. Sie überlegte scheinbar auch, was der mögliche Beweggrund meiner Mutter für ihr Handeln war. Vielleicht hatte auch sie nicht gewollt, dass mein Vater mich ausbildete, musste ihre Verbindung doch sicherlich auch geheim bleiben. Es war seltsam, diese ganze Geschichte nun aus dieser Perspektive zu sehen. Anscheinend war ich das Kind eines Jedi und einer wohlhabenden Frau, die beide ihren Gefühlen nicht hatten widerstehen können. So wie es auch Padmés und Anakins Kinder waren.

"Senatorin, Ihr werdet in wenigen Minuten beim Kanzler erwartet." Motee war gerade in Padmés Zimmer geplatzt und hatte mich meine Überlegungen Padmé gegenüber gar nicht mehr aussprechen lassen. Es war schon komisch, sie für etwas verurteilt zu haben, ohne das es mich vielleicht nie gegeben hätte. Doch dies würde ich ihr in diesem Moment nicht mehr sagen können, denn Motee geleitete Padmé schon wieder in Richtung ihres Speeders.

"Ich würde einige Nachforschungen zu dem Unfall anstellen", rief Padmé noch zweideutig, bevor der Speeder abhob. Wahrscheinlich hatte sie Recht, vielleicht sollte ich wirklich herausfinden, wer meine richtigen Eltern gewesen waren. Vor allem, wenn ich wissen wollte, warum ich die Macht, die ich besaß, nie hatte kontrollieren oder gar bemerken sollen.

Ich ging also zurück in mein Loft und bat Dané darum, mir den Rücken freizuhalten. Ich wollte nicht gestört werden, außer die Welt ging sprichwörtlich unter. Dann setzte ich mich an die Kom-Nische meines Apartments und suchte nach Informationen über einen Unfall mit zwei Frauen und einem Baby im Jahr meiner Geburt.

Es hatte einige schwere Unglücke in diesen Jahr gegeben, auch hier auf Coruscant. Die HoloNews waren damals erfüllt von solchen Berichten gewesen. Die meisten von ihnen hatten sich in einem Industriegebiet des Planeten abgespielt. Immer wieder hatte es dort schwere Unfälle in einer der Energieanlagen gegeben und immer waren mehrere Arbeiter dabei ums Leben gekommen. Doch das hatte nichts mit mir zu tun, da war ich mir sicher. Also suchte ich weiter.

"Tragischer Unfall im Senatsviertel", las ich dann eine Schlagzeile der HoloNews am Tag meiner Geburt und ich sah schon beim Querlesen, dass dieser Artikel für mich interessant sein könnte. Dort stand, dass ein Speeder in das Gebäude von Republika 5000 gestürzt war. In dem Speeder hatte eine Frau gesessen, die leider durch den Unfall nicht zu identifizieren war. Und in einem kleinen Bündel auf dem Rücksitz hatte man ein Kind vermutet. Alle Insassen des Speeders seien direkt nach dem Unfall verstorben. Um wen es sich bei den Insassen gehandelt hatte, musste zu dem Zeitpunkt noch ermittelt werden.

"Alle mit diesem werwandten Artikel anzeigen", bat ich das Gerät, denn es war der einzige Zwischenfall, der zu dem passte, was die Togruta gesagt hatte, und es war vielleicht ein Baby an Bord gewesen.

Während ich darauf wartete, dass der Computer alles zusammengefasst hatte, was er aus den Archiven erhalten konnte, bat ich Halé darum, uns eine Kleinigkeit zu Essen zu machen, und kontaktierte Motee, ob Padmé schon von ihrer Besprechung mit dem Kanzler zurückgekehrt war. Immerhin begann die Sonne bereits unterzugehen. Am liebsten hätte ich die Wahrheit über meine Herkunft mit ihr an meiner Seite herausgefunden, denn wer wusste schon, ob sie mir gefallen würde?

Als der Computer dann endlich fertig war, stellte ich fest, dass die meisten Einträge keine offiziellen Stellungnahmen, sondern nur Spekulationen waren. Wie so oft dauerten offizielle Ermittlungen in solchen Fällen länger, aber die HoloNews hatten meistens schon vorher den richtigen Riecher. So stand in einem Artikel nur einige Tage später, dass die Frau eine Senatorengemahlin war, deren Namen noch nicht genannt werden durfte.

Doch als ich dann den offiziellen Bericht, der Tage später erst erschienen war, mit den Namen las, gefror mir förmlich das Blut in den Adern, und eine Mischung aus Ekel und Angst regte sich in mir. Dort stand, dass die Frau wenige Stunden zuvor ein Kind geboren hatte und gerade auf dem Weg zurück in ihr Apartment gewesen war, das sich in genau dem Gebäude befunden hatte, in das sie gestürzt war. Die Ursache war vollkommen unklar, denn ein Systemausfall war unwahrscheinlich, besonders weil der Speeder laut Unfallortanalyse bereits gelandet und erst danach in die Wand gekracht und explodiert war.

Der letzte Absatz des Artikels war dabei das Schlimmste: "Größtes Opfer dieser Tragödie ist wohl der hoch angesehene Senator Sheev Palpetine von Naboo. Offenbar war er auf der Landeplattform gewesen, um die Insassen des Speeder in Empfang zu nehmen, als dieser in die Luft flog. Er überlebte die Explosion nur schwer verletzt und muss nun den Tod seiner geliebten Frau und seines neugeborenen Kindes betrauern."

Diese Information brannte sich in meinen Kopf ein wie ein Blasterschuss und ich wusste nicht damit umzugehen. Wenn es stimmte, was die Togruta gesagt hatte, dann war die Frau, die bei diesem Unfall ums Leben gekommen war, die Frau des Kanzlers, meine leibliche Mutter gewesen. Und das machte den Kanzler zu meinem leiblichen Vater.

Hatte meine leibliche Mutter mich vielleicht zu ihrem Bruder geschickt, um mich vor etwas zu schützen? Aber wenn es so war, warum hatte sie ihrem Mann, meinem richtigen Vater, nichts davon erzählt? War er es vielleicht, vor dem sie mich hatte schützen wollen? Waren meine Adoptiveltern deswegen immer so gegen meinen Dienst für Naboo gewesen? Weil sie gefürchtet hatten, ich könnte meinem richtigen Vater damit zu nahe kommen? Hatten sie immer gewusst, wer er war?

Als ich nach meinem rasend schnell schlagenden Herz greifen wollte, streifte meine Hand das Amulett um meinen Hals, und innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde fiel die schreckliche Erkenntnis wie eine Lawine auf mich herab. Auf einmal war alles so klar, aber es fühlte sich an, als sei meine ganze Welt kurz davor zusammenzubrechen.

Meine leibliche Mutter hatte mir dieses Amulett gegeben, um mich vor Palpetine zu schützen. Hatte mich ihrem Bruder anvertraut, der mich als sein eigenes Kind hatte ausgeben sollen, damit mein Vater nicht erfuhr, dass ich noch lebte. Das alles hatte sie getan, weil die wusste, dass er gefährlich war. Dass die Macht, die ich ohne Zweifel von ihm geerbt haben musste, mir nur Schmerz und Leid bringen würde. Mein Vater war niemals ein Jedi gewesen und würde es auch nie sein. Mein Vater war der Sith-Lord, den alle suchten und der praktisch schon die ganze Galaxis kontrollierte.

Die Jedi waren ihm in seine Falle gegangen und einige ihrer stärksten Krieger waren nun auf anderen Planeten verstreut. Anakin, den Auserwählten, hatte er wie einen verlorenen Sohn aufgenommen und zu seinem loyalsten Verbündeten gemacht. Wenn er es nur richtig anstellte, würde er vielleicht erreichen, dass Anakin die Jedi verriet?

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