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Kapitel 7

 

Besuch auf der untersten Ebene

 

 

Der Weg durch die untersten Ebenen der Stadt war nicht der angenehmste, und das lag nicht nur an dem beißenden, undefinierbaren Gestank oder der offensichtlichen Armut der Lebewesen hier. Sondern am meisten lag es an dem Wissen, dass hier niemand irgendwelchen Regeln folgte. Es war beinahe, als scherte sich hier unten niemand um Gesetze oder die einfache Moral. Das schlimme war, es scherte sich auch niemand, der über Ebene 100 lebte, darum, was hier unten geschah.

Vielleicht hatte Obi-Wan mich genau deswegen in eine Bar hier unten gebeten, weil mich hierhin sicherlich niemand verfolgen würde, Auftrag hin oder her. Wer hier auch nur im entferntesten aussah, als hätte er etwas zu verlieren, verlor das Leben.

„Ich sehe, Ihr kennt die untersten Ebenen“, bemerkte er trocken, als er mich in seinen braunen Jedi-Umgang gehüllt abfing und dabei nur knapp einem Blasterschuss ausgewichen war.

„Meint Ihr wirklich, ich hätte damals nicht überall nach Padmés Attentäter gesucht?“

„Ich dachte, Ihr habt als Botschafterin suchen lassen.“ Wieder diese Vorurteile gegen Politiker. Ich wusste nicht, woher sie kamen, oder wusste ich es mittlerweile doch? Ich hatte immerhin schon auf beiden Seiten gestanden, auf der angreifenden und auf der verteidigenden.

„Damit andere bei ihrer Aufgabe versagen und sich töten lassen?“

„Ganz zu schweigen von sich gefangen nehmen zu lassen und in einer Arena vor vier Raubtieren zu fliehen, nicht wahr?“, scherzte er und gluckste leicht. „Politiker überschätzen oft ihre Fähigkeiten.

„Ach, und was war mit Eurer Gefangennahme? War die geplant? Folgtet Ihr damit einem höheren Ziel, das ich nicht erkennen konnte?“, ließ ich mich auf sein Spiel ein.

„Es gibt immer ein höheres Ziel, man muss nur warten, bis es einen findet.“ Ich konnte nicht mehr als den Kopf schütteln. Verlor dieser Jedi jemals ein Wortgefecht? Wahrscheinlich hätte er auch später einmal eine Ausrede für seinen Tod, doch darüber wollte ich eigentlich nicht nachdenken.

Dann warnte ich ihn, dass ich hier unten nicht mehr länger ohne einen triftigen Grund aushalten würde. Und schon gar nicht ohne etwas Hochprozentiges, das die Bakterien, die es hier zweifellos gab, einfach abtöten würde, denn ich hatte das Gefühl, die Berge an Krankheitserregern förmlich auf jeder einzelnen Oberfläche sehen zu können.

„Es geht um Anakin“, sagte er dann ruhig, aber ich sah die Sorge in seinem Gesicht.

„Solltet Ihr darüber nicht besser mit Yoda oder einem der anderen Jedi-Meistern sprechen?“, fragte ich, obwohl ich schon ahnte, warum er das nicht konnte. Wenn er mit einem Jedi über seine Sorgen sprach, dann würden die Jedi von Anakin und Padmé erfahren, und das wollte er genauso wenig wie ich. Es war auch unnötig zu leugnen, dass wir beide sicher wussten, wovon er redete, denn wir beide kannten unsere Schützlinge viel zu gut.

„Ich habe unfreiwillig etwas von Eurer Unterhaltung im Tempel gehört und ich muss zugeben, dass es mich besorgt hat“, gab ich ohne Scham zu. Es war ja nicht so, dass ich die beiden beschattet hatte. Sie hatten einfach nur geglaubt, alleine zu sein, obwohl sie es nicht waren. Ich hörte Obi-Wan nur etwas über mein Amulett murmeln und ich ahnte, warum die beiden mich nicht bemerkt hatten. Ungerührt fuhr ich fort: „Wenn Ihr tatsächlich von Anakin verlangt, Palpatine zu hintergehen... Sagen wir, es könnte kräftig in die Hose gehen. Es könnte Anakin nur noch enger an ihn binden, und in der gegenwärtigen Situation glaube ich nicht, dass Ihr das wollt.“

„Was wisst Ihr?“, fragte er dann und bevor ich ihn täuschen konnte, offenbarte er mir, dass er natürlich von den geheimen Treffen mit Bail Organa wusste. Das war ja auch kein Wunder, immerhin wurde es immer wieder in den eher dubiosen Teilen der HoloNews breitgetreten. „Nun ja, ich bezweifle, dass Senatorin Mon Mothma ein sexuelles Interesse an Euch hat“, sagte er und ich war eindeutig erstaunt. Anscheinend wussten die Jedi, oder zumindest Obi-Wan, doch mehr, als er sagte, und ich fragte mich, ob auch andere davon Wind bekommen hatten. Doch er beruhigte mich, indem er mir erklärte, dass er sehr gute Beziehungen zu Bail hegte und dieser nicht von einem Amulett abgeschirmt wurde.

„Außerdem hatte ich mir einfach nicht vorstellen können, dass Ihr Gefallen an Bail haben könntet“, fügte er noch beinahe spielerisch hinzu.

„Und was brachte Euch zu dieser Überzeugung? Bail ist ein attraktiver Mann.“

„Sagen wir, ich kenne den Typ Mann, der Euch gefällt.“ Es war verwunderlich, wie leicht er doch mit der Tatsache umgehen konnte, dass es zwischen uns Gefühle gab, die wir niemals ausleben konnten.

„Das dachte ich von Euch auch, aber auch um Euch haben sich einige Gerüchte sehr stark gehalten.“ Er wusste, worauf ich anspielte. In den letzten zwei Jahren hatte es mindestens zwei Frauen gegeben, von denen ich erfahren hatte, dass er für sie beinahe den Orden verlassen hätte. Eine von ihnen war die Jedi Siri Tachi gewesen, die bei einer Mission mit Padmé noch während meines Komas verstorben war. Und dann hatte es auch noch die mandalorische Herzogin Satine gegeben.

Ich sah, dass er mit Worten rang und sie einfach nicht finden konnte. Natürlich war es nicht fair von mir, diese beiden Frauen zu erwähnen, waren sie doch beide gestorben. Und dennoch hatten diese beiden Namen sich in mein Herz gebrannt. Ich war nicht die einzige gewesen, an die der Jedi Obi-Wan Kenobi sein Herz verloren hatte.

„Beide waren sehr wichtige Teile meines Lebens. Jede war eine Lektion auf dem Weg zu einem besseren Jedi“, sagte er und ich fühlte mich von seinen Worten etwas verletzt. War ich auch nicht mehr als eben das? Eine Lektion, die er lernen musste? „Ihr versteht mich falsch“, entschuldigte er seine schlechte Ausdrucksweise, weil er meinen Gesichtsausdruck offenbar richtig gedeutet hatte. „Ich kann es selbst noch nicht ganz verstehen. Deswegen habe ich Euch gebeten, mich hier zu treffen.“

„Um etwas über die Jedi zu lernen?“

„Ja. Ich hatte heute Nachmittag ein beunruhigendes Gespräch mit Meister Windu und ich glaube, dass es dabei auch um Euch ging.“ Dann erzählte er mir von Meister Windus Gabe, in der Macht alles zu erkennen. Alles, was das Universum ausmachte, egal ob in der Zukunft oder in der Vergangenheit. Zwischen einfach allem sah er Verwerfungslinien, Verbindungen und Brüche, konnte sehen, wie Menschen zueinander standen und wie sie sich selbst und die Umwelt um sich herum beeinflussen würden.

„Doch um mich herum scheint es zu viel Ungewisses zu geben. Die Verbindung zu Anakin verändert sich ständig und auch, wenn es ihn besorgt, ist es nicht das Schlimmste für ihn. Es gibt etwas, das für ihn wie ein blinder Fleck ist. Tausende Linien laufen darin zusammen und verschwinden im Nichts, während über einfach allem ein Nebel voller Dunkelheit schwebt. Meister Windu fürchtet, dass ich dem Sith zu nahe komme, doch ich bin anderer Meinung. Ich denke, diese Leere, die er sieht, stammt von Euch. Es ist Euer Fehlen in der Macht, das ihn nicht sehen lässt“

Ich verstand nicht recht, was ich dagegen tun sollte. Noch vor einigen Stunden hatte Meister Yoda ausdrücklich empfohlen, mich weiterhin vor der Macht zu verschließen. Oder fürchtete er vielleicht, dass ich etwas mit dem Sith-Lord zu tun haben könnte? Er konnte unmöglich annehmen, dass ich der Sith-Lord war. Er selbst hatte miterlebt, wie hilflos ich in der Macht war.

„Ihr ein Sith? Das wäre äußerst wünschenswert“, sagte Obi-Wan, nachdem ich ihm meine Gedanken mitgeteilt hatte. Unnötig zu sagen, dass meine Kinnlade förmlich auf dem Tisch aufschlug, der mit zwei fast geleerten Gläsern Feuerwhiskey zwischen uns stand. „Mit Euch hätte der Orden ein ziemlich leichtes Ziel. Selbst die Jünglinge könnten Euch überwältigen“, scherzte er.

Damit hatte er wahrscheinlich recht. Wenn mein Amulett fehlte, war ich orientierungslos, zumindest einige Zeit lang. Ganz zu schweigen davon, dass ich mit der Macht wahrscheinlich noch nicht einmal eine Feder würde anheben können. „Vielleicht sollte ich mich als Lehrstück melden“, scherzte nun auch ich und wir beide lachten.

„Aber zurück zum Thema. Ihr seid also der Meinung, dass ich an dem schwarzen Loch in Eurer Zukunft schuld bin?“, hakte ich noch einmal nach, denn so richtig verstand ich es noch nicht.

„Sicher kann ich nicht sein, aber es wäre die angenehmere Lösung von den beiden.“

„Was wäre denn die Zweite?“ Ich war gespannt was er nun sagen würde, denn auch, wenn er versucht hatte, es mir zu erklären, begriff ich einfach nicht, was er meinte.

„Dass mich die Dunkelheit verschluckt, mich für sich einnimmt“, antwortete er und ich sah das Schaudern, das durch seinen Körper fuhr. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass Obi-Wan zur dunklen Seite wechseln könnte, aber irgendetwas in ihm gab ihm den Grund zu glauben, dass es unter gewissen Umständen doch möglich wäre.

„Was könnte schon passieren, dass der noble Ritter Obi-Wan den Weg des Lichts verlässt?“ Mittlerweile 7 Feuerwhiskey ließen mich denken, dass das eine durchaus berechtigte Frage war. Er antwortete jedoch nicht auf darauf, sondern nippte nur ein weiteres Mal an seinem Drink.

„Sobald der Aufenthaltsort von Grievous entdeckt wurde, werde ich mich auf den Weg machen, ihn zu finden und zu stellen.“ Ich ahnte, warum er das Thema so plötzlich und in ernstere Bahnen lenkte, und wahrscheinlich hatte er recht. Wir, oder besser gesagt, ich hatte aber schon genug getrunken, um länger ernst bleiben zu können. Wie es bei Obi-Wan aussah, konnte ich nicht abschätzen. Jedi schienen auch was Alkohol anging eine übermenschliche Beherrschung zu haben.

„Ich bin mir sicher, dass Ihr beide schnell mit ihm fertig werdet.“ Das war ich wirklich, immerhin waren Anakin und Obi-Wan ein eingespieltes Team.

„Anakin wird hier bleiben“, sagte er zögerlich und er musste gar nicht mehr sagen, damit ich wusste, wie dieser Satz endete. Anakin sollte den Kanzler „beschützen“. Dass dies aber gleichzeitig bedeutete, dass Obi-Wan sich Grievous alleine stellen sollte, hielt ich für keine äußerst kluge Idee. Ich war überzeugt von seinen Fähigkeiten, ich wusste aber auch, wie oft Anakin ihm bereits das Leben gerettet hatte.

„Könnte es eine Falle sein?“

„Wir vermuten es, aber wenn Anakin hier bleibt, hat er die Möglichkeit, einen Angriff eventuell zu verhindern, egal woher er auch kommen mag.“ Ich merkte Obi-Wan an, dass er sich um sein eigenes Leben keine Sorgen machte, auch wenn es bereits morgen ein Ende haben könnte. Ihn interessierte nur, dass die Galaxis sicher war.

„Interessiert es Euch gar nicht, wenn Ihr sterbt?“ Ich war etwas lauter geworden, aber durch den erhöhten Alkoholkonsum an diesem Abend, hörte sich diese Frage wahrscheinlich nicht so entsetzt an, wie ich es gewollt hatte. „Vielleicht mag es Euch egal sein, wenn Ihr sterbt, vielleicht habt Ihr alles vergessen, was wir in der Arena auf Geonosis gesagt haben, aber ich habe es nicht“, schnaubte ich. Er sah mich an und hätte sicherlich die Möglichkeit gehabt, mich zu unterbrechen, während ich die wirren Worte in meinem Kopf in die richtige Reihenfolge zu rücken versuchte. Es reichte, wenn Meister Yoda mit schlechter Grammatik sprach.

„Als wir die Nachricht bekommen haben, Ihr wäret von diesem Kopfgeldjäger ermordet worden, musste ich alles, was ich jemals über die Unterdrückung von Gefühlen gelernt habe, zusammennehmen, um diesem Hardeen nicht hinterher zu jagen und Euch zu rächen!“ In meinem Kopf drehte sich alles, als ich auch nur an die Möglichkeit dachte, dass ich damit Obi-Wan dann vielleicht tatsächlich selbst getötet hätte, aber das war jetzt nicht wichtig. Mir war nur wichtig, ihm nur sagen, was mich damals beschäftigt hatte. „Ich habe meine Pflichten vernachlässigt, um die nötigen Abschiedsrituale zu vollziehen, um mich gebührend von Euch verabschieden zu können.“

Obi-Wan legte mir eine Hand auf meine Wange und wischte mit seinem Daumen eine Träne aus meinem Gesicht, deren Flucht aus meinen Augen ich gar nicht bemerkt hatte. „Es tut mir leid, dass ich Euch täuschen musste“, sagte er dann und seine Stimme war ruhiger und gesammelter, als ich sie je gehört hatte. „Aber all das tat ich nur, um zu verhindern, dass mein schlimmster Alptraum zur Wirklichkeit wird.“ Ich wolltet ihn schon unterbrechen und ihm sagen, was er zu Anakin immer gesagt hatte: dass man seinen Träumen nicht trauen durfte. Aber er unterbrach mich wortlos, nur mit seinem eindringlichen Blick.

„Ich habe Euch Eure Frage von zuvor nicht beantwortet, Botschafterin. Ihr wolltet wissen, was passieren muss, damit ich den Weg des Lichts verlasse und die Dunkelheit willkommen heißen würde: Wenn ich Euch verlieren würde.“

Wie eingefroren saß ich da, sagte nichts und dachte nichts, sondern versuchte einfach nur, das Gehörte in meinem Gehirn zu verarbeiten. Doch in meinem Kopf wollte es keinen richtigen Sinn ergeben. Er machte sich keine Gedanken, ob er selbst in eine tödliche Falle spazierte, aber er hatte Angst, dass ich starb? Und warum sollte ihn das auf die Dunkle Seite ziehen? Er hatte bereits zwei Frauen verloren, die ihm etwas bedeutet hatten und war immer noch ein Jedi. All dieses Nachdenken ließ meinen Kopf sich nur noch mehr drehen und ich merkte, wie mir übel wurde und ich mit dem letzten bisschen Selbstbeherrschung vermeiden konnte, dass ich mich vor Obi-Wan blamierte.

„Ich denke, wir sollten Euch nach Hause bringen, Botschafterin.“ Seine Stimme war sanft und klang beinahe belustigt, als er einige Credits auf den Tisch legte und mich, ganz der Jedi-Gentleman, auf seine Arme hob und mich nach draußen zu seinem Speeder trug.

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