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Kapitel 4

 

Vorwürfe und Anschuldigungen

 

 

 

Es war bereits spät als ich nach diesem Gespräch mit Senator Organa in das geräumige Loft zurückkehrte, das einmal Padmé gehört hatte. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie ich es vor mehr als 13 Jahren das erste Mal betreten hatte. Es war mein erster Umzug auf einen neuen Planeten gewesen, meine ersten Tage als Botschafterin. Ich war innerlich so unsicher gewesen, ob ich meiner Aufgabe gerecht werden konnte.

Mittlerweile sah ich meine Aufgabe etwas anders und ein Teil von mir hätte die diplomatische Linie am liebsten wieder fallengelassen und wäre den Geheimdiensten beigetreten, aber diese Positionen waren ausschließlich Klonsoldaten vorbehalten, mit der Begründung, sie seien dafür ihr Leben lang ausgebildet worden. Inoffiziell gab es natürlich einen eher unpopulären Hintergrund: Klone waren entbehrlich und folgten stur ihren Befehlen, während richtige Menschen emotional handelten und Fehler begingen.

Für einen Moment blickte ich auf die Zimmertür, hinter der sich damals meine persönlichen Gemächer befunden hatten. Heute schlief dahinter Dané im selben Bett, in dem auch ich geschlafen hatte.

Ich erinnerte mich noch genau, wie es mich gestützt hatte, als ich mich vor Obi-Wan verschanzt hatte. Angst hatte mich erfüllt gehabt und um nichts in der Welt hatte ich gewollt, dass er mich so sah. Ich sah ihn noch genau vor mir, wie er die Tür zu meinem Zimmer mit Hilfe der Macht geöffnet hatte, um mich sehen zu können. Er hatte sich im Vergleich zu dem letzten Mal, nach der Belagerung von Naboo, einen frischen Vollbart stehen lassen.

Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen hatte, hatte er diesen aufgrund einer geheimen Mission abnehmen müssen, mitsamt seiner restlichen rot-blonden Haarpracht. Es war eben selbe Mission gewesen, die mich beinahe in den Wahnsinn getrieben hatte. Kurze Zeit bevor ich ihn so verändert wiedergesehen hatte, hatte ich durch Padmé von seinem vermeintlichen Tod erfahren. Angeblich war er von einem Kopfgeldjäger Namens Rako Hardeen auf offener Straße ermordet worden. Damals hatte ich mir selbst eingestehen müssen, dass meine Gefühle für Obi-Wan tatsächlich noch stärker geworden waren, als sogar noch vor der Schlacht von Geonosis.

Und seitdem suchte mich ständig ein und derselbe Traum heim: Ich stand mitten auf einem belebten Marktplatz. Unter meinen Füßen befand sich jedoch kein Pflaster oder Durabeton, sondern nur festgetretener, trockener Sand.

Vor was ich auf der Flucht war, erkannte ich schnell: ein Trupp Klonsoldaten pflügte durch die Gassen und riss jedem Lebewesen die Kapuze vom Kopf, um zu sehen, was sich darunter Befand. Und das versetzte mich in Panik. Ich rannte, so schnell ich es konnte. Ich lief mehrere Menschen und andere Lebewesen über den Haufen, die sich lauthals beschwerten und natürlich die Aufmerksamkeit auf mich lenkten. Aber irgendwie war das genau das, was ich in diesem Moment wollte. Ich wollte, dass sie mir folgten, damit sie nicht das fanden, wonach ich selbst Ausschau hielt. Ich wollte nicht, dass ER ihn fanden.

Doch sobald ich auch nur an IHN gedacht hatte, war er auch schon direkt vor mir aufgetaucht. Eine komplett in Schwarz gekleidete Gestalt mit einem Umhang, einer furchteinflößenden Maske und einem beinahe Droiden-artigen Körper. ER war die tatsächliche Bedrohung, vor der es zu fliehen galt, doch gegen ihn hatte ich keine Chance. Vollkommen problemlos packte eine unsichtbare Kraft mich an der Kehle und schnürte mir die Luft ab.

Und dann plötzlich erschien, ganz zu meiner Verzweiflung, die Person, die ich eigentlich gesucht hatte. Ich konnte die Wut der schwarzen Gestalt förmlich spüren, als sich der Griff um meinen Hals verstärkte, als auch er der anderen Person gewahr wurde.

Schweißgebadet schreckte ich wieder einmal aus meinem Alptraum auf. Ich fühlte mich, als hätte ich schon wochenlang nicht mehr vernünftig geschlafen, war vollkommen ausgelaugt und atemlos. Völlig übermüdet stieg ich unter die Schalldusche und hoffte, dass sie den Schrecken der Nacht einfach abwaschen würde. Doch wie eigentlich immer half es kein bisschen.

Erst als ich aus der Dusche trat, bemerkte ich, dass es in der Tat schon hell draußen war und Halé mit neuen Kleidern auf mich wartete. Sie fragte schon gar nicht mehr, wenn ich wieder einmal erschöpft aus der Dusche kam, sondern legte nur eine Extraschicht revitalisierendes Make-Up auf. So sah ich zumindest für die Außenwelt ausgeschlafen und kompetent aus.

"Senatorin Amidala bat um ein vertrauliches Gespräch mit Euch", kündigte Halé meinen Besuch an. Anscheinend hatte Padmé schon im Empfangsraum gewartet, denn sobald Halé ihren Namen erwähnt hatte, trat sie bereits ein. Ich war dieses Auftreten ihrerseits gewohnt, immerhin stand sie eindeutig über mir. Außerdem waren wir Freundinnen seit unserer Teenager-Zeit.

Sie setzte sich und wartete, bis Halé den Raum wieder verlassen hatte, bevor sie mir sagte, worum es ging. Ihr war am Vortag nicht entgangen, dass ich nicht gerade erfreut darüber gewesen war, dass die Beziehung zwischen ihr und Anakin nun auch noch Früchte getragen hatte. Und der sarkastische Teil meiner selbst wollte sie schon zu ihrem ersten Schritt zur Vernunft begrüßen. Stattdessen schnaubte ich nur belustigt.

"Ich hoffe, du kommst nicht, um mich davon zu überzeugen, dass das, was ihr getan habt, gut war", sagte ich beinahe ein bisschen zu kühl und ich erkannte mich selbst kaum in meiner Stimme wieder. Es klang eher ein bisschen wie die unterkühlte Art von Königin Amidala, die Padmé und ich damals gemeinsam einstudiert hatten. Ich bereute es jedoch nicht, vielleicht erinnerte es sie daran, wofür sie damals gestanden hatte.

Auf einmal verdunkelte sich Padmés Miene schlagartig. "Sag mir, Sabé, womit habe ich dich so verärgert? Woran liegt es, dass du nur Hohn für mich übrig zu haben scheinst?" Ihre Stimme war genauso klar und kühl wie meine es zuvor noch gewesen war. "Liegt es daran, dass du mir die Liebe zu Anakin nicht gönnst? Oder daran, dass ich keine Furcht hatte, eine Familie mit einem Jedi zu gründen?" Ihre Worte schnitten durch die Luft wie Dolche.

"Es liegt daran, dass du damit alles verraten hast, für das wir die letzten Jahre, sogar Jahrzehnte, gearbeitet haben. Tausende haben ihr Leben umsonst gelassen."

"Weil ich ein Kind erwarte?" Im Nachhinein wusste ich selbst, wie absurd meine Begründung wohl geklungen haben musste, aber ich konnte sie nicht mehr zurücknehmen. Ungerührt fuhr sie fort: "Oder ist es eher der Frust darüber, dass dein Jedi sich diesem Wagnis niemals stellen würde, weil er nichts mehr liebt als seinen Orden?"

"Hier geht es um so viel mehr als Obi-Wan!", fuhr ich sie an. Ich konnte einfach nicht glauben, dass sie die Wahrheit nicht sah. Doch um was es tatsächlich ging, konnte ich gar nicht richtig beschreiben. Ich konnte ja noch nicht einmal direkt benennen, warum ich ein schlechtes Gefühl hatte. Es war einfach nur da.

"Du bist neidisch, weil ich all das haben werde, was du dir selbst versagst. Neidisch, weil ich jemanden habe, der für mich nun alles bedeutet, der mein Leben ist und für den ich einfach alles aufgeben würde. Du kannst nicht verstehen, wie andere ihr Leben fortsetzen, während du immer noch der Vergangenheit nachhängst und einer Person dienst, die es schon seit Jahren nicht mehr gibt!"

Es schlug ein wie eine Asteroid und zerfetzte den Teil in mir, der sich eine friedliche Lösung mit Padmé gewünscht hatte. Den Teil, der gehofft hatte, dass ich mich irgendwann mit der Situation würde arrangieren können. Hatte sie mir gerade tatsächlich signalisiert, dass sie meine Dienste ihr gegenüber in den letzten Jahren als Überflüssig ansah?

"Halé", rief ich laut nach der jungen Kammerdienerin und sie kam etwas ängstlich durch die Tür. Sicherlich hatten sie und ihre Schwester zumindest einen Teil dessen verstanden, was wir geredet hatten. "Geleitet die Senatorin bitte zum Lift, ich muss mich auf die Sitzung vorbereiten."

Als sie aufstand und sich wortlos umdrehen wollte, fügte ich viel leiser als zuvor hinzu: "Liebe sollte einen zu einem besseren Menschen machen, Padmé. Doch dich hat sie nur zu einem Schatten deiner selbst gemacht." Dann verschwand Halé mit Padmé in Richtung Ausgang. Im Nachhinein war ich erschrocken darüber, wie sehr meine Aussage doch stimmte. Es kam mir beinahe so vor, als wäre die Padmé, die ich meine Freundin nannte, verschwunden und durch eine andere ersetzt worden. Auf einmal kam sie mir so furchtbar naiv vor, naiver noch als sie vor 13 Jahren als junge Königin gewesen war. Ein Mann war niemals das eigene Leben wert, und erst recht nicht ein so impulsiver wie Anakin.

Wer wusste schon, wie sich seine Gefühle oder auch seine Einstellungen noch ändern würden? Würde Padmé das aufgeben, woran sie geglaubt hatte, wenn Anakin es von ihr verlangte? Ich hoffte nur, dass es dazu nie kommen würde, denn die Antwort darauf wollte ich nicht herausfinden. Es würde bedeuten, dass die Jahre, die ich für sie geopfert hatte, umsonst gewesen wären.

Betroffen von der Erkenntnis, dass meine Freundin sich so sehr verändert hatte, traf ich im Senat ein, um genau diese Freundin wie vor Tagen besprochen bei dieser Sitzung zu vertreten. Es war gut, dass ich eigentlich schon wusste, worum es gehen würde. So würde mich der Antrag über die Kontrolle der Jedi nicht allzu sehr schocken und ich würde mich darauf konzentrieren können, so viele mir nahe Senatoren zu beobachten, wie möglich. So wollten wir herausfinden, welche Politiker vielleicht empfänglich für eine Opposition wären und uns unterstützen würden, sobald wir uns offenbaren würden.

Die Senatsarena war riesig und so konnte ich tatsächlich nur wenige Logen genau beobachten. Aber meine Vermutung vom Vortag, dass die frelijanische Koalition nicht erfreut über den Kurs war, den die Republik einzuschlagen schien, war deutlich zu erkennen. Und das nicht nur an der Gegenstimme, die sie bei der Abstimmung abgaben. Ich selbst enthielt mich meiner Stimme, auch wenn ich am liebsten offen dagegen gestimmt hätte. Einerseits war es Padmés Anweisung gewesen, so abzustimmen, und sie war immer noch so etwas wie meine Vorgesetzte. Und wir hatten uns entschlossen, vorerst aus der Schusslinie zu bleiben und so unauffällig wie möglich zu agieren. Senator Organa und auch Senator Mothma stimmten daher sogar zu, doch das konnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Selbst wenn unsere Stimmen nicht den Ausschlag gaben.

Als ich mich später am Abend - ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich den Großteil des Tages in der Senatsarena verbracht hatte - auf den Weg zurück zu meinem Loft machte, konnte ich nicht verhindern, dass die Dunkelheit, die sich draußen ausgebreitet hatte, auch den Weg in mein Herz fand. Es war ein schrecklicher Gedanke, dass nun auch die Jedi ihre Autonomie verloren hatten.

"Als nächstes wird er beginnen, die Autoritäten der einzelnen Systeme anzugreifen." Es war anzunehmen, dass Dané mit dieser Behauptung recht behalten würde, aber wie jeder Schritt, den der Kanzler bis hierher getan hatte, klang auch dies vollkommen absurd. Andererseits, hatte er mir nicht erst am Vorabend eröffnet, dass er alles tun würde, um die Republik zu "retten"? Dass er selbst einem Sith das Ruder in die Hand geben würde, um zu siegen?

Auch ich hatte von den Gerüchten gehört, dass sich in den obersten Reihen des Senats ein Sith verstecken sollte, und vielleicht hatte er den Kanzler bereits in seiner Gewalt. Vielleicht war das der Grund für die Kontrolle der Jedi: um sie einzuengen und sie tatsächlich für den Sith arbeiten zu lassen, bis dieser sich ihrer entledigte.

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