top of page

Kapitel 12

 

Enthüllung

 

 

 

Als ich langsam wieder wach wurde, merkte ich, wie etwas Unsichtbares mich an den Stuhl fesselte, auf dem ich saß. Es hielt mich aufrecht, unterband jedoch auch jegliche Bewegung von den Schultern abwärts. Ich zog erschrocken die Luft ein, als ich dem verhüllten Wesen, das vor mir stand, gewahr wurde. Das Gesicht war vollkommen entstellt und ich konnte mir einfach nichts vorstellen, was diesen Schaden bei einem Menschen verursachen könnte.

„Ihr seht, was die Jedi aus mir gemacht haben, Botschafterin“, sagte das Wesen mit der Stimme des Kanzlers. Er schien nicht mehr zu sein, wie ein in einen Umgang gehüllter Schatten. Ich wunderte mich, dass er immer noch die Scharade aufrecht erhielt. Ich hatte gesehen, was im Jedi-Tempel passiert war, was Anakin angerichtet hatte. Ich blickte mich schnell um, doch dieser Mörder war nirgends zu sehen.

Der Kanzler schien meine Gedanken zu erraten, denn er sagte: „Ich fürchte, Skywalker ist bereits nach Mustafar abgereist. Er wird sich nun um die Separatisten kümmern, damit wir ein für alle Mal Frieden in der Galaxis haben.“

„Einen Frieden? Unter der Diktatur der Sith?“, spuckte ich ihm die Worte beinahe entgegen und dennoch schien sein Blick beinahe sanft zu sein.

„Es gibt keine Diktatur. Die Republik ist Demokratie“, sagte er und kam um seinen Schreibtisch herum, und damit immer näher auf mich zu. Ich blickte nur auf den blutroten Läufer unter dem Stuhl, auf dem ich mich befand. Ich wollte diesen Mann, dieses Monster nicht ansehen und darüber nachdenken, dass ich einige meiner Gene von ihm geerbt hatte.

Auf den Boden blickend erwiderte ich: „Eine Demokratie, die Ihr seit Jahren in die Euch dienlichen Bahnen gelenkt habt.“ Doch er zuckte nur mit den Schultern. Ihn interessierte es nicht, wie er an die Macht gelangt war, die er nun inne hatte. Ihm war es nur wichtig, sie zu haben.

„Wisst Ihr, ich habe einmal genauso angefangen wie Ihr. Ein pflichtbewusster Diener unseres Planeten, der nichts anderes wollte, als Frieden für unsere Galaxis.“ Er ging vor mir auf und ab, als wolle er eine Lehrstunde abhalten. „Aber ich musste schnell feststellen, dass die Galaxis nicht gerettet werden wollte. So sehr ich mich auch einsetzte, ich konnte nichts ausrichten. Dann traf ich einen Mann hier auf Coruscant. Erst war er nur jemand, dem ich gelegentlich mein Leid über die Unfähigkeit einiger Senatoren klagte. Doch eines Tages bat er mich zu sich und lehrte mich Dinge, die ich mir nie hätte erträumen können.“

Ich wusste, worauf er hinauswollte. Er wollte mir mit dieser Geschichte wahrscheinlich zeigen, dass die Dunkle Seite gar nicht so dunkel war. Allerdings hatte er damit bei mir verloren. Ich hatte es immerhin bereits mit eigenen Augen gesehen. Ich hatte gesehen, wie Anakin wehrlose Jünglinge abgeschlachtet hatte.

„Er lehrte mich alles, was er wusste, nahm mich als seinen Schüler auf und vergaß dabei, dass auch er schon bald nicht mehr den Ansichten folgte, denen ich folgte. Es gibt immer nur einen Schüler und einen Meister, und es gab nichts mehr, was er mich hätte lehren können.“ Der Kanzler zuckte mit den Schultern und ich meinte sogar, dass er sich über das, was er erzählte, zu amüsieren schien.

„Lange Zeit weigerte ich mich, einen Schüler zu nehmen, wusste ich doch, dass auch dieser sich eines Tages gegen mich wenden könnte, so wie ich es getan hatte. Doch in den Jahren der Verschwiegenheit keimte ein neuer Gedanke in mir auf. Eine Idee, wie ich verhindern konnte, von meinem Schüler im Schlaf ermordet zu werden.“ Offenbar war er immer noch überzeugt von seiner Idee, die er damals gehabt hatte, dass er aber etwas daran hatte ändern müssen.

„Mein eigen Fleisch und Blut würde mich nicht umbringen“, sagte er nach einer kurzen Pause und der Blick, mit dem er mich ansah, ließ meine Nackenhaare sich aufstellen. Er wusste es, und er wusste, dass ich es auch wusste. Die einzige Frage war, wie viel er wusste. „Es war beinahe wie eine Bestätigung, als deine Mutter mir mitteilte, dass sie ein Kind erwartete.“ Seine Miene verzog sich zu einem höhnischen Grinsen, als er mir dann erzählte, wie meine Mutter immer und immer wieder andere Maßnahmen traf, um ihm zu entkommen, die alle scheiterten.

Er hatte sogar dafür gesorgt, dass die damalige Königin an einer unheilbaren Krankheit starb, nur weil sie meine Mutter, die wohl genau wie ich eine Kammerdienerin gewesen war, wieder in den Dienst hatte berufen wollen. „Sie hat gedacht, sie könnte einfach nach Naboo fliehen und dich dort in Sicherheit bringen.“

„Anscheinend hat sie nicht alles falsch gemacht“, gab ich dann spöttisch zu bedenken und ich meinte damit die Tatsache, dass wir erst jetzt hier zusammen in diesem Raum saßen und dieses Gespräch führten. Er lachte einmal kurz auf und bemerkte, dass dieses Versteckspiel eine gelungene Abwechslung gewesen war, die letztendlich aber nichts an seinen Plänen und deren Erfüllung geändert hatte.

„Es war beinahe interessant, dich vorerst nur zu beobachten und zu sehen, wie du den sonst so beständigen Meister Kenobi aus der Fassung bringen konntest. Doch leider hast du auch etwas von der Sturheit deiner Mutter geerbt und du hast es nie wirklich geschafft, einfach das zu tun, was du wolltest. Vielleicht hätte er dann nicht sterben müssen, dein Jedi, aber wahrscheinlich doch. Wahrscheinlich hättest du ihn sogar selbst irgendwann getötet.“

„Niemals!“, rief ich ihn entgegen. Ich wollte einfach nicht mehr hören, was er sich da zusammenreimte. Er versuchte nur, das Opfer meiner Mutter niederzumachen, zu widerlegen, dass er nicht damit gerechnet hatte, dass ich überlebt und dazu auch noch machtsensitiv war.

„Die Liebe ist eine gefährliche Sache, meine teure Sabé. Sie blüht schnell auf und erstrahlt in den buntesten und schönsten Farben, schmeckt wie die süßeste Frucht und riecht wie die entzückendste Blume. Aber wenn sie lange genug besteht, wird sie welk, bitter und stinkt. Kleine Streitigkeiten starten den Prozess und eines Tages vermischt sich alles mit Misstrauen und Verrat. Auch deine Mutter bediente sich des Verrats, als sie versuchte, dich und deine Fähigkeiten vor mir zu verbergen. Und sie hat den Preis dafür gezahlt.“ In diesem Moment spürte ich, wie die unsichtbare Kraft, die mich festhielt, mir die Kette mit dem Amulett vom Hals riss und die Macht auf mich einprallte.

Doch es war so vollkommen anders als zuvor. Es kam mir vor, als sei ich von einer dicken, klebrigen Flüssigkeit umgeben, die sich einfach in allem festsetzte, was mich umgab. Ich sah die bisher unsichtbaren Fesseln, die mich am Stuhl hielten. Wie Tentakel entsprangen sie den Fingern des nun noch deutlicheren Schattens genau vor mir. Doch ich konnte auch das Band sehen und spüren, das zwischen uns bestand.

Das musste es gewesen sein, was er gemeint hatte, als er sagte, sein Fleisch und Blut würde ihn nicht hinterrücks umbringen können. So sehr ich ihn auch verabscheute, ich ihm den Tod wünschte, ich spürte, dass in diesem Band eine Macht war, die mich davon abhielt. Doch was mich abhielt, würde sicherlich auch ihn abhalten. Wahrscheinlich konnte er mich auch nicht töten.

„Das ist auch nicht meine Absicht. Ich möchte dir helfen, die Macht besser zu verstehen, sie zu nutzen, Sabé. Als Vater und Tochter könnten wir die Galaxis nach unseren Wünschen formen.“

„Meine Vorstellungen einer Galaxis sind jedoch andere als die Euren. Ich werde niemals den Weg einschlagen, den meine Mutter mit ihrem eigenen Leben verhindern wollte“, sagte ich und er nickte, als habe er diese Antwort bereits erwartet. „Ihr müsstet mich schon vernichten, damit ich nicht alles tue, um Euch aufzuhalten.“

„Ich muss gar nichts tun. Auch wenn ich dein Leben nicht beenden kann, es gibt andere, die es können und sicherlich nicht lange zögern würden, um diese Chance zu erhalten“ sagte er und seine Stimme war so düster und dennoch ruhig, dass ich mich dem Gefühl der Angst nicht erwehren konnte.

In diesem Moment betraten auf einmal drei weitere Personen den Raum. Zwei von den in Rot gekleideten Wachen und der chagrianische Berater des Kanzlers. Keiner von ihnen schien auch nur Notiz von mir zu nehmen.

„Beinahe alle Systeme haben den Änderungsvertrag unterschrieben, Imperator.“ Die Stimme Mas Ameddas klang beinahe ehrfürchtig, als er das sagte.

„Imperator?“ Mein Mund hatte gesprochen, bevor ich ihn aufhalten konnte, denn eigentlich wollte ich mit diesem Wesen gar nicht sprechen.

„Du wirst sehen, mein Kind, dass der Großteil der Senatoren nicht so unglaublich engstirnig ist, wie deine Freunde. Die Petition der Zweitausend ist gescheitert und auf Wunsch der Mehrheit in der Erschaffung des ersten großen Imperiums untergegangen.“ Das Lachen, das daraufhin folgte, ließ mich erschaudern, von so viel Bosheit war es getränkt.

„Ich muss mich nun aber um einige wichtige Angelegenheiten kümmern. Immerhin gibt es einige Senatoren, die ich für ihre Anmaßungen bestrafen muss. Ich werde mich dir später wieder zuwenden“, sagte er dann und ließ mich einfach auf dem Stuhl sitzen, während er mit seinen Begleitern in einen anderen Raum ging.

Ich musste zugeben, dass ich tatsächlich erstaunt darüber war, dass der Kanzler sich nun in einem anderen Raum befand, seine Macht mich jedoch immer noch festhalten konnte. Ich konnte mich keinen Millimeter bewegen, noch nicht einmal, um das Amulett wieder an mich zu nehmen, damit ich diese alles verschlingende Dunkelheit nicht mehr sehen musste.

Die Republik war verloren. Die Demokratie war tatsächlich einer Diktatur gewichen und so, wie es sich angehört hatte, sogar noch freiwillig. Die Opposition, für die ich die letzten Jahre so hart gearbeitet hatte, für die ich mein Leben riskiert hatte, würde schon bald vernichtet werden. Mit der Petition der Zweitausend hatte der Kanzler, nein, der Imperator, nun eine Liste in der Hand, auf der ihm alle seine Gegner wie auf einem Silbertablett dargeboten wurden.

Ich hoffte nur, dass viele von ihnen nach der Jagd auf die Jedi erkannt hatten, was passiert war, und geflohen waren. Ich hoffte, dass auch Dané und ihre kleine Schwester Halé schlau genug gewesen waren, zu fliehen, als ich nicht mehr wiedergekommen war. Ich musste auch an Padmé denken und was aus ihrem Leben nun werden würde. Sicherlich, sie hatte mich schon lange nicht mehr gebraucht, um sie zu beschützen. Aber auch ihre Welt musste kurz vor dem Zusammenbruch stehen.

Bestimmt wusste sie nicht, was Anakin im Tempel angerichtet hatte, und es war vermutlich auch besser, wenn sie es nie erfuhr. Es hätte ihr Herz nur weiter gebrochen. Sie würde nun eine stille Existenz führen müssen, wenn sie das Leben ihrer Kinder retten wollte. Oder sie musste es meiner Mutter gleichtun und sich selbst für ihre Kinder opfern. Wenn die beiden auch nur den Bruchteil der Macht ihres Vaters geerbt hatten, dann waren sie in großer Gefahr.

Der Imperator hatte kein Interesse daran, mehrere Sith hervorzubringen. Eine ganze Familie von Sith würde ihn früher oder später überrennen. Und ich war mir beinahe sicher, dass Anakin in seiner Überheblichkeit gar nicht daran dachte, scheitern zu können, wenn es darum ging, den Imperator eines Tages zu stürzen und selbst über die Galaxis zu herrschen.

Je länger ich hier saß, desto mehr nahm mich die Dunkelheit ein, nährte sich Sekunde für Sekunde an jedem Fünkchen Hoffnung, das in mir gewesen war, und hinterließ nichts als Verzweiflung. Ich musste an Obi-Wan denken, doch es brachte mir nichts als Trauer. Sicherlich war er ebenfalls ums Leben gekommen, so wie alle anderen Jedi auch. Bevor sich die Türen geschlossen hatten, hatte ich den abscheulichen blauen Speichellecker Amedda noch davon sprechen hören, dass die Order 66 ein voller Erfolg gewesen war und die Jedi bis zu ihrem Ende nicht geahnt hatten, dass sie von den eigenen Leuten hinterrücks ermordet werden würden. Und alle Jedi, die nicht gerade mit Klonarmeen unterwegs waren, würden ein Signal des Tempels erhalten, dass sie umgehend nach Coruscant zurückrief, wo sie auch nichts als der sichere Tod erwartete.

bottom of page