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Kapitel 5

 




Die Aufzugtüren öffneten sich nach einer eigentlich kurzen Zeit, welche mir aber eher wie eine Ewigkeit vorgekommen war. Wahrscheinlich weil die Situation nach dem Streitgespräch zwischen Mobius und Loki nicht gerade angenehm war und ich mich unsinnigerweise fühlte als würde ich zwischen den Stühlen stehen. Ich hatte tatsächlich überhaupt nichts damit zu tun und doch hatte ich das Gefühl zwischen den beiden vermitteln zu müssen, aber ich spürte, dass im Moment keiner der beiden dafür zu haben war.

Als wir dann nacheinander aus dem Fahrstuhl ausstiegen sah ich wohin Mobius uns gebracht hatte, und ich war froh, dass es nicht wieder eines dieser Zeittheater oder gar einer der Gerichtssäle war. Es sah eher aus wie ein Archiv und es war riesig. Wenn ich vorsichtig über die Balustrade sah, an der wir vorbei gingen, konnte ich sehen, dass es unzählige Stockwerke über und unter uns gab und dass der Fahrstuhlschacht, aus dem wir eben ausgestiegen waren von riesigen Statuen der Zeithüter umrandet wurde.

Je länger ich mir die Gegebenheiten in der TVA ansah, merkte ich, dass es hier nicht nur um eine Aufgabe ging. Das alles schien beinahe eine Religion zu sein. Eine Religion in der die Götter ihren Schäfchen eine ganz besondere Aufgabe gegeben hatten und diese nur dankbar waren den Willen ihrer Götter auszuführen. Was die TVA natürlich auch so gefährlich machte. Nichts war gefährlicher als einfache Menschen, die der Meinung waren, sie kämpften für die gerechte Sache ihrer Götter.

„Ich will, dass ihr beide euch jede einzelne Fallakte zur Variante durchlesen und dann brauch ich eure … einzigartige Loki-Perspektive.“, setzte und Mobius dann davon in Kenntnis was von uns verlangt wurde, um unsere letzte Chance uns als nützlich zu erweisen zu ergreifen.

„Vielleicht wurde etwas übersehen.“, sinnierte ich. Es war immer besser, wenn jemand mehr oder weniger neutrales nochmals nach Fehlern suchte. Man selbst fand sie selten.

„Naja, hier arbeiten nur Idioten, also habt ihr sicher eine Menge übersehen.“ Ich atmete tief ein. Loki konnte es einfach nicht lassen und ich konnte es mir auch nicht verkneifen ihn dafür nicht gerade zimperlich mit meinem Ellbogen in die Seite zu knuffen. Mobius hatte bereits angedeutet, dass dies unsere letzte Chance war, wieso musste er den Mann dann also noch provozieren?

„Dann habe ich ja Glück, dass ich sie noch ein Weilchen behalten darf.“, erwiderte Mobius sarkastisch und mir entging auch nicht seine Wortwahl. Er ‚durfte‘ uns noch ein Weilchen behalten, beinahe so als seien wir nichts weiter als lästige Haustiere.

„Haben sie keine Scheu davor, sich so richtig in die Arbeit reinzuknien.“, motivierte und Mobius spöttisch als er uns unseren neuen, temporären Arbeitsplatz zeigte. Es war ein langer Tisch inmitten zweier Bücherregale und er war gefüllt mit Aktenmappen, sicherlich alle über die flüchtige Variante. „Tun sie einfach so, als würde ihr Leben davon abhängen.“, fügte er noch hinzu und sowohl Loki also auch mir war klar, dass das nicht nur einfach dahingesagt war. Unser Leben hing tatsächlich davon ab, dass wir hier nun erfolge erzielten.

Mobius ließ uns dann allein um, wie er sagte etwas zu essen und ich war wieder mit Loki allein. Das ich wütend war, war jedoch die Untertreibung des Jahrhunderts. Wenn es so weiterging, würde ich noch vor dem Abendessen nicht mehr existieren und das nur dank eines gewissen ‚Gottes‘ der nicht in der Lage war sein Ego zurückzuschrauben, selbst wenn sein Leben davon abzuhängen schien. Ich wusste jedoch, dass es mir auch nicht weiterhelfen würde, wenn ich nun mit ihm stritt und über sein Verhalten diskutierte, er würde es sowieso nicht einsehen, schon gar nicht, wenn ich es war, die es ihm sagte.

Ich entschied mich also dafür, dass es besser war, wenn ich mich tatsächlich in die Arbeit hängte und schnappte mir wortlos den ersten Missionsbericht. Es war einer der letzten. Es ging um eine Burg in den Highlands der 1750ger Jahre in der eine Gruppe von Minutemen einer leichten Abweichung der Zeitlinie nachgegangen waren und sich dann nicht mehr gemeldet hatten. Als ein weiteres Team ausgesandt wurde stellten sie fest, dass alle Mitglieder des Trupps umgebracht worden waren, es hatte nach keinem großen Kampf ausgesehen, daher musste diese Loki-Variante gleichzeitig leise und effektiv sein. Und wie auch schon bei den Angriffen, die wir kannten, hatte die Variante die Zurücksetzungsladung gestohlen.

Und tatsächlich waren auch die folgenden Akten nicht anders. Immer wieder wurden die Minutemen aus dem Hinterhalt überrascht, getötet und der Zurücksetzungsladungen entledigt. Aber leider fand ich keine Hinweise darauf was die Variante damit wollte. Ich merkte nur, dass es unzählige Ladungen waren, die sie mittlerweile angesammelt haben musste.

„Hey, Banner.“ Loki schien gemerkt zu haben, dass ich ihn ignorierte. „Jetzt warte doch mal.“, flüsterte er und legte eine Hand auf meinen Arm, damit ich ihm auch wirklich meine Aufmerksamkeit schenkte und ich war erstaunt über diese Geste. Ich sah ihn leicht verwirrt, aber immer noch wütend an.

Zu meiner Überraschung und entgegen meiner Vermutung hatte er sich tatsächlich schon die ein oder andere Akte angesehen und sich sogar einige Notizen gemacht. „Es tut mir leid, okay?“ Es war wie eine Frage formuliert, aber ich sah ihm an, dass es keine war. Er erwartete keine Antwort darauf von mir und hatte auch noch nicht alles gesagt was er sagen wollte. „Ich wollte dich nicht mit hineinziehen.“ Ich sah ihm an, dass er diese Aussage tatsächlich aufrichtig meinte. „Und, dass was ich über deinen Bruder gesagt habe, tut mir auch leid.“

Bei der Erinnerung an das was er gesagt hatte merkte ich wie einen Moment der Schmerz wieder in mir aufkam, aber ich rechnete es ihm an, dass er gerade wirklich versuchte sich zu entschuldigen. Ich nickte daher kurz und wollte mich dann schon wieder meinen Akten widmen, da ich annahm, dass er nun fertig war, aber er berührte mich noch einmal kurz mit seiner Hand an meinem Arm, um mir zu signalisieren, dass er noch nicht fertig war, auch wenn ich ihm ansah, dass er anscheinend bei dem ganzen Gespräch ziemlich aus seiner selbst erschaffenen Komfortzone hinaustrat.

„Ich werde einen Weg finden, dir dein Leben wiederzugeben.“ Er meinte es ernst, das konnte ich ihm ansehen und dennoch war es für mich schwer diesem Loki das auch zu glauben. Er hatte selbst die Personen hintergangen mit denen er Aufgewachsen war. Ich war für ihn sicherlich nur ein einfacher Mensch, warum sollte er also nicht auch mich bei der ersten Gelegenheit hintergehen, wenn es für ihn von Vorteil war?

„Ich würde dir gerne glauben, Loki.“, sagte ich ihm. „Leider hast du nicht gerade eine vertrauenswürdige Vergangenheit.“ Ich war mir sicher, dass es besser war offen mit ihm zu reden. Ich versuchte ihm ohne mehr zu sagen aber klar zu machen, dass ich offen dafür war von ihm vom Gegenteil überzeugt zu werden. Ich wusste, eigentlich brauchte Loki nur jemanden der an ihn glaubte, damit er eine bessere Version seiner selbst wurde. Dann widmeten wir uns beide wieder den Akten vor uns und es schien mir, als würde auch Loki nun richtig mitarbeiten.

Irgendwann stand er jedoch auf und ging zu einem der Schalter des Archivs. Ich entschied mich ihm lieber nicht zu folgen. Ich wollte gar nicht wissen, was er jetzt schon wieder im Schilde führte, war aber überrascht als er mit einem weiteren Karton Akten zu mir zurück an den Tisch kam. Er war gefüllt mit Akten über ihn selbst. Ich wusste zwar nicht was ihm das bringen würde, aber ich hatte auch keine Lust mit ihm zu diskutieren und lies ihn daher einfach machen. Ich musste dafür sorgen, dass ich allein zurechtkam und auch ohne Loki weiterhin eine Daseinsberechtigung in der TVA hatte und wenn es nur als Archivarin war.

Ich merkte wie Loki gedankenverloren durch die Akten ging und dann auf einmal ganz still und beinahe bedächtig wurde. Ich warf einen Blick auf das, was vor ihm lag. Ganz oben stand in großen, roten Lettern „Zerstörung von Asgard“. Ich merkte wie ich unweigerlich tief Luft holte. Das war etwas was er besser nicht gesehen hätte und ich hätte es ihm am liebsten aus der Hand gerissen, aber es war zu spät. Daher ließ ich ihn lieber in Ruhe, bis er alles gelesen hatte und vielleicht würde ich ihm dann sagen können was ich darüber wusste, auch wenn es nicht schön war daran erinnert zu werden wie eine ganze Zivilisation ausgelöscht wurde.

Für einen Moment meinte ich sogar Tränen in seinen Augen aufsteigen zu sehen, wahrscheinlich als er realisierte, dass seine Heimat und nach seinem Wissen auch alle die er gekannt und vielleicht auch geliebt hatte verschwunden waren. Er schluckte und ich merkte, dass er versuchte sich zusammenzureißen.

„Thor hat überlebt.“ Ich wusste nicht, ob es gut war ihn zu stören, doch ich dachte es war wichtig, dass er das wusste. Ich nahm an, dass er bereits wusste, dass Frigga deutlich vor Ragnarök gestorben war und dass er auch wusste, dass Ragnarök durch Odins Tod und Helas Wiederkehr ausgelöst worden war. „Auf der Erde gibt es ‚Neu Asgard‘, eine kleine Stadt in Norwegen in der 4575 Überlebende von Asgard ein neues Leben unter den Menschen begonnen haben. Es ist nicht Asgard, aber sie haben überlebt.“

„Hier steht, dass es 9719 Opfer gab zusammen mit den Überlebenden ist das nur ein Bruchteil der Bevölkerung, was ist mit den anderen?“ Es freute mich, dass es ihn tatsächlich interessierte. Es zeigte mir, dass er sich tatsächlich immer um sein Volk gekümmert hatte.

„Hela, und Thanos.“ Ich erklärte ihm, dass Hela nach Odins Tod in Asgard eingefallen war und mit ihrer wiedererweckten Armee alle hatte umbringen lassen die nicht hinter ihr standen oder hatten fliehen können. Dann erzählte ich ihm noch grob von dem Kampf auf der Regenbogenbrücke, der Evakuierung der geflüchteten überlebenden und wie tatsächlich er Ragnarök ausgelöst hatte, indem er Surturs Helm in die Ewige Flamme geschmissen hatte.

Er war eindeutig überrascht darüber, dass er letztendlich anscheinend wie ein Held gehandelt hatte. Dann berichtet ich ihm von Thanos, wie er das Flüchtlingsschiff angegriffen hatte um den Tesserakt zu bekommen. „Er hat die Hälfte der Besatzung fliehen lassen, dann hat er das Schiff zerstört.“ Ich musste glaube ich nicht erwähnen, dass Thanos Loki das Genick gebrochen hatte, das wusste er sicherlich schon von Mobius kleinen Videos. „Und obwohl er schon die Hälfte von ihnen getötet hatte, wurden sie nicht von seinem Schnips verschont.“

Als ich Loki von unserem Kampf gegen Thanos erzählte merkte ich wie er mir eine gewisse Sympathie entgegenbrachte. Und dann wusste er auch, warum ich so wütend über seinen Kommentar über meinen Bruder gewesen war, denn ich erzählte ihm wie Bruce direkt vor meinen Augen zu Staub zerfallen war und wie Thor uns ich gemeinsam um unsere Brüder getrauert hatten.

„Ich kann nicht vergessen, was er in New York mit mir gemacht hat, aber ich bin ihm dankbar, dass er mein Volk vor der vollkommenen Vernichtung bewahrt hat.“, sagte Loki und drückte meine Hand. Ich drückte zurück, wir hatten beide vieles verloren.

„Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn die TVA in Wakanda aufgetaucht wäre und Thanos mitgenommen hätte.“, bemerkte ich missmutig, aber ich wusste, dass es nichts ändern würde. Für die TVA war dieses Ereignis vorherbestimmt.

„Das ist es!“, rief Loki dann plötzlich aus und seine Lippen formten sich zu einem breiten Grinsen. Ich sah ihn verwirrt an. Ich hatte keine Ahnung was das was wir gerade gesprochen hatten mit der flüchtigen Variante zu tun hatte, und wie uns das irgendwie weiterbringen sollte.

Er hob mir den Bericht über die Zerstörung Asgards hin und zeigte auf eine ganz bestimmte Zeile: Keine Varianzenergie ermittelt. Ich verstand erst nicht was er mir damit sagen wollte, eine Varianzenergie entstand doch immer erst, wenn etwas anders verlief als es sollte.

„Das ist aus meiner Akte. Meine Zukunft, die ich gehabt hätte, wenn die TVA mich nicht geschnappt hätte.“ Ich verstand immer noch nicht genau, doch dann merkte ich was er meinte. „Du warst da, du solltest aber laut dem ‚wahren Zeitstrahl‘ nicht mehr existieren. Warum gibt es keine Varianzenergie?“, bestätigte er mir meinen Gedankengang. Ich versuchte seinem Gedanken weiter zu folgen und überlegte einen Moment, aber Loki hatte anscheinend keine Geduld und nahm mir das Denken ab.

„Wenn alles bei einer dieser Apokalypsen zerstört wird, wie kann etwas was man kurz davor tut oder wer es tut noch Konsequenzen haben?“ Er hatte recht. Meine Anwesenheit hätte an Asgards Zerstörung nicht geändert. Wahrscheinlich hätte es noch nicht einmal etwas geändert, wenn mein Bruder oder die Walküre dort gestorben wären. Die Varianzenergie würde bei null bleiben und die TVA wurde nicht darauf aufmerksam, dass sich etwas verändert hatte.

Vielleicht hatte die TVA auch deshalb nicht geschafft mich zu bekommen. Ich war seit der Sache in New York ein Teil eines Teams, das sich regelmäßig in Apokalyptischen Situationen wiederfand.

„Unsere Variante könnte von Apokalypse zu Apokalypse springen und niemand würde es merken. Sie könnte sich sogar dort längere Zeit verstecken und einfach in eine weitere reisen, wenn es brenzlich wird.“ Das machte eindeutig Sinn und ich schlug vor, dass wir Mobius von der Theorie berichten sollten. Außerdem merkte ich das Loch in meinem Magen und musste dringend etwas dagegen tun.

Also machten wir uns mit Lokis Akten auf den Weg zu Mobius in die Kantine und ich war froh, dass ich die Gelegenheit hatte mit auf dem Weg zu Mobius Tisch ein Sandwich und einen Kaffee aus der Auslage zu schnappen.

Als ich sah wie Loki Mobius seinen Salat klaute sah ich ihn warnend an als er eine Hand an meinen Kaffee und den Teller mit meinem Sandwich legen wollte und anscheinend hatten wir eine Ebene erreicht in der er mich nicht mehr provozieren wollte und er bezog mein Essen nicht in seine Misshandlung des Essens als Akteure in seiner ziemlich seltsamen Metapher ein die er benutzte um Mobius klar zu machen was wir entdeckt hatten. Ich sah mir das Schauspiel nur an und biss genüsslich in mein Sandwich während Mobius verzweifelt auf seinen Salat blickte, da Loki ohne Rücksicht auf Verluste, Salz, Pfeffer und Wasser in die Schüssel schüttete.

Und auch wenn Loki ihn mit dieser Aktion gerade seines Mittagessens beraubt hatte, war Mobius gewillt die Theorie zu testen, auch wenn er anmerkte, dass er sich dabei unheimlich weit aus dem Fenster legte. Es war nur eine Theorie und wenn sie falsch war, riskierten wir den wahren Zeitstrahl selbst zum Abzweigen zu bringen und das würde sicherlich Konsequenzen haben, aber sowohl Loki als auch ich waren uns unserer Sache sicher.

Dann überlegten wir gemeinsam welche Apokalypse die beste für unsere Theorie war und Loki schlug tatsächlich Asgard vor. Es war mir direkt klar, dass Mobius das niemals zulassen würde. Zu groß war für ihn die Gefahr, dass Loki in einer ihm bekannten Umgebung einfach seine Magie nutzen und fliehen würde.

„Wie wäre es mit Pompeij? Den Vulkanausbruch kann man nicht aufhalten und keine von uns kennt sich dort aus.“, schlug ich vor und Mobius stimmte zögerlich zu. In Pompeji gab es außer dem Zeitportal für uns keine Möglichkeit schnell genug zu fliehen, wir waren also auf ihn angewiesen, wenn wir nicht von einer extrem heißen Aschewolke begraben werden wollten.

 

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