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Kapitel 18

 

Dann brach die Nacht über die Leere hinein und wir entschlossen uns, dass es besser war mit unserem Vorhaben mindestens bis zum nächsten Tag zu warten. Wir waren alle auf unsere eigene Weise erschöpft durch das was wir in der letzten Zeit durchgemacht hatten und es würde niemanden zum Erfolg führen, wenn wir nicht bei voller Konzentration waren, wenn wir auf Alioth trafen.

 

Wir entschlossen, oder besser gesagt die vier menschlichen Lokis entschlossen, sich mit der Wache abzuwechseln, so dass selbst sie etwas Schlaf finden konnten. So würde der Junge zusammen mit Sylvie wache halten, während Loki und sein zukünftiges Ich die andere Hälfte der Nacht Wache halten würden. Mich und Mobius nahmen sie aus der Gleichung, da wir Menschen waren und Schlaf deutlich dringender brauchten als die Asen.

 

„Komm her.“, forderte mich der etwas abseits sitzende Loki dann einige Zeit nach dem Essen auf, zog seine Jacke aus und legte sie als eine Art Kissen auf seine ausgestreckten Beine. Von dieser Geste überrascht brauchte ich einen Moment, bis ich seine Einladung mit einem schüchternen Lächeln annahm.

 

„Ist das nicht kalt und unbequem für dich? Du solltest dich doch auch etwas ausruhen.“, bemerkte ich als ich meinen Kopf auf seiner Jacke abgelegt hatte und sah zu ihm hoch. Er lächelte und ich konnte nicht verhindern, dass eine wohlige Wärme mich durchströmte, als ich in seine Augen blickte. Ich erinnerte mich noch genau an die Abscheu, mit der er mich angesehen hatte als er mich in der Wüste Gobi das erste Mal gesehen hatte, jetzt war der Blick das komplette Gegenteil und sagte so viel mehr als er es mit seinen Worten jemals hätte tun können.

 

„For deg ville jeg sove på sverd, min elskede hevner.“, sagte er in seiner Muttersprache. Ich verstand nur den letzten Teil, hatte Sylvie ihn doch auf Lamentis für mich übersetzt. „Für dich würde ich auf Schwertern schlafen.“, übersetzte er dann flüsternd als er merkte, dass ich ihn nicht verstand. Wenn wir hier rauskamen, das nahm ich mir nun eindeutig vor, würde ich bei der nächsten Gelegenheit damit beginnen seine Sprache zu lernen. Aber jetzt merkte ich, wie mich die Müdigkeit langsam einlullte und ich ließ es zu.

 

 

Leider schlief ich aufgrund unserer Situation nicht besonders gut und wurde von seltsamen Albträumen geplagt. Immer wieder sah ich vermischte Bilder von schwarzen Wolken, verschwindenden Freunden und unzähligen Aliens, die mich umgaben und mich einen Abgrund herunterwarfen. Ich schreckte aus meinem Traum auf, als ich gerade den nicht enden wollenden Abgrund hinunterfiel und ich sah, dass anscheinend alle bis auf Loki eingeschlafen waren. Anscheinend hatte er während seiner Wache den alten Loki nicht geweckt, vielleicht, weil er keine Lust auf Gesellschaft hatte und lieber seinen eigenen Gedanken hinterherhing.

 

 

„Du solltest weiterschlafen, Avenger.“, flüsterte er leise, um niemanden zu wecken. Ich nahm an, dass wir noch früh am Morgen hatten und dass es noch einige Stunden dauern würde, bis es hier in der Leere wieder hell werden würde. Ich erzählte ihm von meinen Albträumen und von dem unheimlichen Gefühl einen endlosen Abgrund herunterzufallen. Ich sah ihm an, dass er das Gefühl nur zu gut kannte, immerhin war er nach der Zerstörung des Bifrost selbst in einen Abgrund gefallen.

 

 

„Schließ deine Augen, ich werde dafür sorgen, dass dich kein Albtraum mehr heimsucht.“, versprach er mir und legte seine warme Handfläche an meine Wange, sodass seine Fingerspitzen meine Schläfe berührten. Ich merkte wie eine leichte Energie von seinen Händen ausging, auf mich überging und mich langsam wieder in einen ruhigen Schlaf zog.

 

 

Ich träumte vom Central Park in dem ich während meiner Ausbildung immer meine Pausen verbracht hatte. Es war ein wunderschöner Sommertag und ich genoss die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Ich konnte spüren, dass ich träumte, fühlte mich etwas benommen und dennoch war es ein beruhigendes Gefühl. Ich spürte Lokis Beine unter meinem Kopf, spürte seinen um mich gelegten Arm und die Hand auf meiner Schläfe.

 

 

Wir waren allein im Park nur einige leise Vögel flogen über unsere Köpfe hinweg und ich genoss diese Ruhe. Dann begann er leise das Lied zu summen das ich ihm auf dem Zug zur Arche vorgesungen hatte. Dann schmückte er das Lied auch mit einem Text und dieses Mal konnte ich ihn verstehen, auch wenn mir unterbewusst klar war, dass er ihn eigentlich in seiner eigenen Sprache sang.

 

 

Wenn deine Beine nicht mehr so funktionieren wie früher

und ich dich nicht mehr umhauen kann

Wird sich dein Mund noch an den Geschmack meiner Liebe erinnern

Wirst du immer noch über beide Ohren lächeln

 

Und Liebling, ich werde dich lieben, bis wir alt sind

Mein Herz kann sich selbst wenn es noch jung ist so stark verlieben

Und ich denke darüber nach, wie Menschen sich auf mysteriöse Weise verlieben

Vielleicht nur durch die Berührung einer Hand

Ich verliebe mich jeden einzelnen Tag in dich

Und ich will dir nur sagen, dass es so ist

 

Also, Liebes

Nimm mich in deine liebenden Arme

Küss mich unter dem Licht von tausend Sternen

Lege deinen Kopf auf mein schlagendes Herz

Ich sprech‘ es aus:

Vielleicht fanden wir die Liebe genau dort, wo wir sind

 

Wenn mein Haar fast weg ist und meine Erinnerung verblasst

Und die Menge sich nicht mehr an meinen Namen erinnert

Wenn meine Hände die Saiten nicht mehr auf die gleiche Weise spielen,

weiß ich, dass du mich immer noch genauso lieben wirst

 

Denn, Liebes, deine Seele kann nie alt werden, sie ist unvergänglich

Dein Lächeln ist für immer in meinen Gedanken und Erinnerungen

 

Ich denke darüber nach, wie Menschen sich auf mysteriöse Weise verlieben

Vielleicht ist das alles Teil eines Plans

Ich werde einfach immer wieder die gleichen Fehler machen

In der Hoffnung, dass du es verstehen wirst

 

Aber jetzt,

Nimm mich in deine liebenden Arme

Küss mich unter dem Licht von tausend Sternen

Lege deinen Kopf auf mein schlagendes Herz

Ich sprech‘ es aus:

Wir haben die Liebe vielleicht genau da gefunden, wo wir sind

 

Also,

Nimm mich in deine liebenden Arme

Küss mich unter dem Licht von tausend Sternen

Oh Liebste, lege deinen Kopf auf mein schlagendes Herz

Ich sprech‘ es aus:

Wir haben die Liebe vielleicht genau da gefunden, wo wir sind

 

Wir fanden die Liebe genau hier

 

Ich war mir sicher, dass er mir diesen Traum mithilfe seiner Magie in den Kopf gesetzt hatte, dass er kontrollierte, was ich träumte. Ich ging nicht aus, dass er unter normalen Umständen und in Anwesenheit der anderen dieses Lied gesungen hätte, auch wenn es wunderschön war und auch seine Stimme durchaus nicht versteckt werden musste. Aber es passte nicht zu seiner Reputation. Es passte nicht zu dem Bild, das alle vom Gott des Schabernacks hatten. Wahrscheinlich war das eine Seite, die er sich entschlossen hatte, nur mir zu zeigen und auch wenn es nur im Traum war, war ich gerührt davon. Dann verschwanden die Szene und ich driftete in einen Traumlosen Schlaf hinüber.

 

Als ich dann wieder aufwachte, mein Rücken beschwerte sich deutlich über die Abwesenheit einer weichen Matratze, lag ich immer noch mit dem Kopf auf Lokis Beinen und spürte, wie er in einem immer gleichbleibenden Rhythmus über meine Haare strich, während er sich mit dem älteren Loki über ihre Kindheit auf Asgard unterhielt. Ich hatte schon damals auf der Statesman die Geschichten von Lokis kleineren Streichen geliebt und gerne dabei zugehört, wenn die Brüder sich einmal mehr darum stritten warum es für Loki so lustig gewesen war seinen größeren Bruder immer und immer wieder zu ärgern.

 

Mein leichtes Kichern, als die beiden die Geschichte mit der Schlange wiederholten machte den beiden dann bewusst, dass ich auch wieder wach geworden war und ich setzte mir vorsichtig und mit knackenden Knochen wieder auf. Loki fragte aufgrund meines doch etwas Schmerzerfüllten Gesichtsausdruckes erst gar nicht, ob ich gut geschlafen hatte, aber ich versicherte ihm dennoch, dass es wahrscheinlich in unserer Situation nicht besser hätte sein können, und er lächelte mich an.

 

„Ich weiß, du kannst mir meinen Verrat nicht verzeihen, Anni. Aber ich bin froh, dass es einen von uns gibt dem du dich öffnen kannst.“, sagte der alte Loki dann mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen und ich nickte ihm dankend zu. Ich war froh, dass er eingesehen hatte, dass das was er getan hatte niemals wiedergutzumachen war, vielleicht würde ihm das in Zukunft helfen, weisere Entscheidungen zu treffen.

 

Nach einer kurzen Weile wachten dann auch die anderen auf und wir besprachen unsere nächsten Schritte. Der Junge Loki würde uns mithilfe seines Gerätes so nah wie möglich an Alioth heranbringen und wir würden auf eine Abzweigung warten, damit Sylvie ihn verzaubern konnte.

 

Gesagt getan, nach einem kurzen Frühstück, bei dem wir die Reste des Fleisches verbrauchten, machten wir uns auf den Weg zurück in Richtung des Herzstücks von Alioths‘ Revier. Zu unserer großen Überraschung, hatte das Raubtier dich jedoch noch ein Stück weiter in die entgegengesetzte Richtung verzogen und ich nahm an, dass es an einer ziemlich großen Mahlzeit gelegen hatte, denn als wir die mit Blitzen durchzogene Wolke dann endlich erreicht hatten, sahen wir direkt unter ihr ein riesiges Raumschiff liegen.

 

„Das ist ein Kriegsschiff der Kree.“, erklärte Loki erstaunt und bemerkte, dass er noch nie eines dieser Schiffe in echt gesehen hatte. Ich hatte nur nebenbei von den Kree gehört als Captain Marvel, alias Carol Danvers nach dem Blip bei uns auf der Erde aufgetaucht war, aber was sie von ihnen erzählt hatte, musste ich zugeben, dass ich nicht sonderlich wild darauf war auf einen dieser Aliens zu treffen. Wahrscheinlich musste ich das auch nicht, denn es sah nicht so aus, als hatte das Raubtier viel lebende Materie zurück gelassen mit der wir hätten Bekanntschaft machen können.

 

„Gut wie wollen wir also vorgehen?“, fragte Mobius über das laute Grollen und den Wind hinweg als wir alle vollkommen schockiert auf das Schauspiel vor uns sahen. Sylvie wiederholte was unser Ziel war und ihre Stimme war selbstsicher und fokusiert. Dann sah sie mich einen Moment an und holte etwas aus ihrer Hosentasche heraus. Ich erkannte es direkt, es war ein TemPad.

 

Ich wollte ihr schon widersprechen, wollte ihr deutlich machen, dass es kein Szenario gab, in dem ich nicht mit ihnen vor Alioth treten wollte, doch dann ergriff Loki meine Hände und drehte mich zu sich um, damit ich ihm direkt in die Augen sehen konnte. Er sah Sylvie und die anderen beiden Lokis noch einmal kurz an und ich ahnte, dass die vier miteinander über genau das was jetzt folgte, gesprochen hatten als Mobius und ich tief und fest geschlafen hatten.

 

„Die TVA kann nicht nur an einer Front bekämpft werden, Avenger.“ Sagte er und ich merkte wie seine Stimme leicht zu zittern begann. „Wir brauchen fähige Agenten auf der anderen Seite die dafür sorgen, dass diese Organisation auch von innen heraus zu Fall gebracht wird, nicht nur deren Kopf.“

 

„Mobius ist dafür perfekt geeignet. Ihr braucht mich und meine Fähigkeiten hier.“, insistierte ich ebenfalls mit zittriger Stimme, denn ich ahnte, worauf das alles hinauslaufen würde. Ich sah die Mitleidigen Blicke der anderen die dieses Gespräch sehr wohl verfolgten.

 

„Er wird Hilfe brauchen, jemanden der weiß wie man engstirnige Idioten wieder zur Vernunft bringt und ich kann aus Erfahrung sagen, dass es dafür niemanden gibt, der besser geeignet ist als du.“ Er lachte kurz auf, aber es war keine Freude darin. „Und sind wir doch mal ehrlich, kannst du dir Mobius hier in einem Kampf mit den Soldaten vorstellen?“, Mobius wollte schon protestieren, zog aber aufgrund der Situation vor nur kopfschüttelnd mit den Augen zu rollen. „Er wäre schneller wieder hier als wir blinzeln könnten. Er könnte ein Paar herumfliegende Möbelstücke gebrauchen, die ihn schützen, und wahrscheinlich wird er auch die weltbeste Notfallärztin brauchen.“ Jetzt war ich es die ein leichtes, freudloses Lachen nicht verkneifen konnte. Ich wollte schon einwerfen, dass ich eine Notfallchirurgin war, aber jetzt war nicht der Moment ihn über meinen Beruf zu belehren.

 

„Ich werde dich nicht belügen oder betrügen, um dich in Sicherheit zu bringen.“, versprach Loki und hielt meine Schultern fest damit ich mich nicht von ihm abwenden konnte, sondern direkt in seine sich mit Tränen füllenden Augen sehen konnte. „Aber ich werde dich bitten.“ Und dann ging er mit zum gebet gefalteten Händen auf die Knie.

 

„Ich möchte nicht mitansehen müssen wie dieses Raubtier sich an dir vergreift. Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn ich dich nicht außer seiner Reichweite weiß. Also bitte, Annmarie, nimm das TemPad und geh mit Mobius zurück zur TVA, kümmert euch um die Bürokraten.“ Mit war nicht entgangen, dass er mich zum ersten Mal bewusst bei meinem Vornamen angesprochen hatte und es machte mich noch trauriger als ich sowieso schon war. Es machte seine Bitte so viel persönlicher, eindringlicher.

 

An meiner Stelle nahm jedoch Mobius das TemPad, denn sicherlich hatte er gemerkt, dass ich dazu nicht in der Lage war, auch wenn ich tatsächlich einsehen musste, dass dies wahrscheinlich der beste Weg war.

 

„Alioth ist eine Nummer zu groß.“, meinte nun Sylvie, die mich aus Lokis Arm Wand, um mich selbst umarmen zu können. „Ich werde so gut es geht auf den Idioten aufpassen, aber du musst das gleiche für den da tun.“, sagte sie und zeigte mit einem Kopfnicken auf Mobius. Auch der alte und der Junge Loki, mit seinem Alligator auf dem Arm traten dann an mich heran und ich sah, dass auch sie dieser Abschied von mir nicht kalt lies.

 

„Werde ich dich wiedersehen?“, fragte ich Loki dann, nachdem ich mich von den anderen Verabschiedet hatte und Mobius bereits vor einem geöffneten Zeitportal wartete. Ich konnte nicht verhindern, dass ein kleiner Schluchzer sich in meine Worte schlich, denn für mich fühlte es sich wie ein Abschied für immer an. Verzweifelt zog Loki mich an sich und ich vergrub mein Gesicht in der Kuhle zwischen seinem Arm und seiner Brust.

 

„Ich kann und will es dir nicht versprechen.“, sagte er und auch ihm fiel es sichtlich schwer seine Fassung zu wahren. „Ich kann dir nur sagen, dass wenn ich zurückkehre, dann nicht für einen Thron, sondern für dich.“ Und dann spürte ich auf einmal seine Lippen auf meinen und schmeckte das salzige Gemisch unser beider Tränen wie sie nun ungehindert über unsere Lippen liefen.

 

Dann trennten wir uns voneinander und Mobius legte einen unterstützenden Arm um meine Schulter, während er mich langsam in Richtung des Portals führte. Ich blickte noch einmal zurück und sah zu Loki, der von ihm bisher unbekannten Emotionen überrannt, vor dem im Hintergrund noch immer grollenden Alioth stand. Ohne eine weitere Vorwarnung nahm ich dann allen Mut zusammen und trat den entscheidenden Schritt durch das Portal und Loki war verschwunden.

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