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Prolog

 

 

 

 

Eine leichte Brise zog durch die einsamen Straßen von Theed. Die Häuser lagen in einer trügerischen Stille, die nichts von der Verfolgungsjagd preisgab, die sich tatsächlich im Schutze der Dunkelheit in dieser sonst so friedlichen Nacht zutrug. Nur sehr wachsame Augen hätten die in einen schwarzen Umhang gewickelte Gestalt gesehen, die, sich immer wieder hektisch umsehend, durch die engen Gassen des Händlerviertels schlich. Stets darauf bedacht, nicht von den verratenden Lichtpegeln der Straßenlaternen entblößt zu werden, nutze sie jeden Schatten, den sie finden konnte, um so ungesehen wie möglich zu bleiben.

 

Doch ihre Verfolger waren nicht von minderer Intelligenz. Sie kannten ihr Ziel gut genug, um zu wissen, wie sie sich zu verbergen versuchte. Außerdem waren sie speziell darauf trainiert worden, Menschen auf der Flucht zu verfolgen. Sie wussten, ihr Auftraggeber würde nicht erfreut sein, wenn sie ohne das zu ihm zurückkehren würden, was die Gestalt bei sich hatte.

 

Keiner der beiden Kopfgeldjäger hatte wirklich eine Ahnung, wer ihr Auftraggeber war, oder was die Frau so Wichtiges gestohlen hatte, dass er es riskierte, zwei Kopfgeldjäger auf einen der friedlichsten Planeten der Republik zu schicken. Die Bezahlung war jedoch das Risiko wert gewesen und die Kopfgeldjäger waren sehr von ihren Fähigkeiten eingenommen. Sie waren sich sicher, dass sie nicht entdeckt werden würden und ihr Auftrag erfolgreich sein würden.

 

„Sie ist hier rein gelaufen“, zischte einer der beiden tonlos seinem Komplizen zu, der gerade in eine etwas breitere Gasse abgebogen war. Der jedoch sah ihn nur an als hätte der andere den Versand verloren. Wie konnte er nur ihre Position auf so subtile Weise preisgeben? Hatte er in den ganzen Jahren nichts gelernt? Das wichtigste Gebot war ungesehen zu sein, auch für das Ziel. Nur so konnte man effektiv zuschlagen.

 

Diese kurze Ablenkung genügte der dunklen Gestalt jedoch, um schnell aus ihrem Versteck zu huschen. Das kleine Bündel unter ihrem Umhang machte es ihr nicht leicht, so schnell und elegant zu laufen, wie sie es vielleicht sonst getan hätte, und durch das zusätzliche Gewicht waren ihre Schritte nicht ganz so tonlos, wie sie es gehofft hatte. Sie wusste, dass ihre Verfolger sie bald finden würden, aber sie wusste auch, dass ihr Ziel nahe war. Wenn sie dies erreicht hatte, wenn sie das Bündel abgeliefert hatte, dann würde sie ihren Verfolgern gegenübertreten, und sie wusste, dass dies ihren Tod bedeuten würde.

 

Dennoch fühlte sie keine Angst wegen ihres bevorstehenden Ablebens. Sie hatte eher Angst, dass sie ihren Auftrag nicht würde erledigen können; dass das Leben, das sie versuchte zu retten, trotzdem ausgelöscht werden würde; dass all die Anstrengungen, die sie in den letzten Monaten erduldet hatte, umsonst waren. Um keinen Preis durfte das Bündel ihren Verfolgern und deren Auftraggebern in die Hände fallen. Vorsichtig legte sie es auf die Türschwelle, die endlich vor ihr lag und horchte wieder in die Dunkelheit. Dann rannte sie bis zur nächsten Ecke.

 

Die beiden Kopfgeldjäger wurden aus ihrer kleinen Diskussion gerissen, als sie auf einmal wieder hektische Schritte durch die Gassen schallen hörten, und am liebsten hätte der Größere der beiden seinen Begleiter auf der Stelle beseitig, aber er hatte jetzt Wichtigeres zu tun. Mit einer abfälligen Handbewegung beendete er also die Diskussion und folge dem Geräusch von schnellen Schritten weiter durch die Straßen der ihm unbekannten Stadt.

 

Als die schnellen Schritte zum Halten kamen, hielten auch die beiden Kopfgeldjäger kurz inne. Gerade eben war der Größere der beiden sich noch sicher gewesen, bald an ihrem Ziel zu sein, immerhin waren die Schritte nicht mehr weit entfernt gewesen. Dennoch waren keine Anzeichen von der gesuchten Person zu finden.

 

Dicht an eine Wand gepresst überlegte die Verfolgte, ob es für sie, nun da sie ihre Aufgabe erfüllt hatte, vielleicht doch noch einen Ausweg gab. Wenn ihre Verfolger nun aufgrund der Stille einen falschen Weg gehen würden, dann hatte sie vielleicht doch noch die Chance zu entkommen. Dann würde sie sich auf einen verlassenen, von der Republik abgeschotteten Planeten begeben und dort im Exil leben.

 

Leider war das Glück ihr nicht so holt, wie sie geglaubt hatte, und anscheinend hatte das Universum beschlossen, dass sie ihre Aufgabe in selbigem nun erfüllt hatte. Und als sie sah, wie die beiden Kopfgeldjäger sich langsam der Stelle näherten, an dem sie das Bündel abgelegt hatte, wusste sie, dass sie handeln und somit ihr Todesurteil unterschreiben musste. Unter keinen Umständen durfte das, was nun auf der Türschwelle eines schlafenden und ruhigen Hauses lag, von ihren Verfolgern entdeckt werden. Unter keinen Umständen durfte sie zulassen, dass es zu IHM zurück gebracht wurde.

 

Sie rannte also ohne einen zweiten Gedanken an ihr Leben zu verschwenden aus ihrem Versteck genau in den Schein der nächtlichen Monde, direkt ins Blickfeld der beiden Männer. Sie schaffte es noch den ersten Schüssen aus den Laserpistolen zu entkommen und rannte um ihr Leben. Diese Hatz diente jedoch eher dazu, ihre Verfolger von dem Bündel wegzulocken, als wirklich ihr Leben zu retten. Sie wusste, das war mehr als utopisch.

 

„Jacen! Jacen, komm her!“, drang eine erschrockene Stimme durch die frühe und kühle Morgenluft. Es war die Stimme einer Jungen Frau und sie stand mit ihrem gerundeten Bauch in dem Türrahmen genau jenen Hauses, vor dem die unbeknnate umhüllte Gestalt in der Sicherheit der Nacht das Bündel abgelegt hatte. Durch ihr Geschrei aufmerksam gemacht erschien hinter ihr ein junger Mann. Auch er sah erschrocken auf das, was dort auf der Fußmatte lag.

 

Er war jedoch gefasster als die junge Frau und hob den Brief auf, der auf dem Bündel lag.

 

 

Lieber Onkel Jacen,

 

ich bin gerade einmal wenige Stunden alt, und dennoch ist mein Leben bereits in großer Gefahr.

Ich wurde von meinen Eltern weg gebracht, damit ich in Frieden großwerden kann.

Meine Amme bittet euch, mich, um mein Wohl, als euer eigen auszugeben.

 

 

„Das kann nicht wahr sein“, seufzte der Mann, als er den Brief zu Ende gelesen hatte. Die junge Frau vor ihm allerdings hob nur das kleine Bündel vor sich auf und hob die Decke hoch, um sich den Inhalt genauer anzusehen. Sie wusste es natürlich bereits, immerhin sah sie die geschlossenen Augen eines menschlichen Säuglings. Was sie jedoch interessierte war das Geschlecht des Kindes.

 

„Es ist ein Mädchen, Jacen“, kommentierte sie ihre Beobachtungen und an ihrer beinahe träumerischen Stimme hörte der junge Mann, dass die Einwände, die ihm gerade direkt in den Kopf geschossen waren, so gut wie unsinnig waren. Er kannte seine junge und hochschwangere Frau und ihre Situation gut genug um zu wissen, dass sie sich nicht mehr davon abbringen lassen würde, dieses Kind an sich zu nehmen.

 

Besonders jetzt, wo die Niederkunft so kurz bevorstand. Es war nicht leicht für die beiden einzusehen, dass das Kind, das in ihrem Bauch herangewachsen war, nicht lebend auf die Welt gebracht werden würde. Es war schwer gewesen zu akzeptieren, dass es bereits gestorben war, bevor es seinen ersten Atemzug hatte machen können. Und dennoch hatte der Arzt ihnen erklärt, dass das Kind zum Schutz Tirés ganz normal auf die Welt gebracht werden musste.

 

Auch dieses Kind war ein Mädchen und die Aussicht darauf, nach der Todgeburt dieses Mädchens ein anderes Mädchen im selben Alter in den Armen halten zu können, würde die Sache für Tiré sicherlich einfacher machen. Jacen wusste, wie betrübt sie in den letzten Wochen gewesen war. Sie hatte noch nicht einmal ihren Dienst als Leibwächterin der Königin wieder angetreten.

 

„Wir werden sie behalten, oder, Jacen?“, fragte sie und drehte sich mit der Kleinen auf dem Arm zu ihm um. „Wenn ihre Eltern wirklich so schlecht für die Kleine sind... Es ist Schicksal, dass sie bei uns abgelegt wurde."

 

Als er den Ausdruck in den Augen seiner Frau sah, konnte er einfach nicht Nein sagen. Er wusste, es hätte ihr sonst das Herz zerrissen, und noch einmal würde sie das nicht überstehen. Ebenso war er froh, endlich wieder ein Strahlen in ihren Augen zu sehen.

 

„Sabé wird es bei uns gut haben“, murmelte sie, als zurück ins Haus ging. Jacen sah ihr überrascht und nachdenklich nach. Sabé? So wollte sie die Kleine nennen? Er wusste nicht, ob es so klug war, dem unbekannten Kind den Namen zu geben, den sie für ihre tote Tochter ausgesucht hatten. Würde es sie nicht immer daran erinnern, was sie durchgemacht hatten? Brachte es die beiden nicht in Gefahr zu vergessen, dass dieses Mädchen nicht das Mädchen war, das in Tirés Bauch herangewachsen war? Jacen wusste nur eines: es gab kein Zurück mehr. Sabé, oder wie immer Tiré sie nennen wollte, würde nun ihre Tochter sein. Und für die Öffentlichkeit würde sie genau die Tochter sein, die Tiré zur Welt bringen würde.

 

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