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Epilog

 

 

 

 

 

Die junge Frau, die mir vom Spiegel aus entgegenblickte, sah ziemlich unsicher aus, so als würde sie vor dem, was ihr nun bevorstand, ziemliche Angst haben. Nervös strich sie die Falten ihres eleganten langen Kleides glatt, auch wenn sie genau da sein sollten, wo sie waren. Sie hoffte, damit ihre Nervosität selbst glatt zu streichen, wegzustreichen, aber es funktionierte nicht.

 

Mit einem tiefen Seufzen wand ich mich vom Spiegel ab, es hatte einfach keinen Sinn, außerdem konnte ich sowieso nicht verstehen, warum ich so nervös war, immerhin war dieser Tag lange geplant gewesen und es war nicht so, dass ich bei dieser Entscheidung vollkommen unbeteiligt gewesen war.

 

„Deine Mutter sucht dich“, sagte dann eine ziemlich amüsierte Stimme und ich drehte mich zu der Tür um, aus deren Richtung die Stimme kam. Bei dem erstaunten Blick, der mich dann traf und mich förmlich von oben bis unten betrachtete, musste ich leicht den Kopf schütteln. Es war mein Vater und er sah nicht minder nervös aus wie ich. „Du siehst einfach umwerfend aus, Kleine.“

 

Ich lächelte meinen Vater mit einem breiten Grinsen an. Es wäre schlecht gewesen, wenn es anders gewesen wäre, immerhin war heute der Tag, von dem ich nie geglaubt hätte, dass er jemals kommen würde. Nicht nur, weil wir alle noch vor vier Jahren kurz vor der Vernichtung gestanden hatten und wir hier auf Gan Eden ein neues Leben aufbauen mussten, sondern auch, weil so viele Sachen passiert waren, an die ich noch vor fünf Jahren niemals geglaubt hatte.

 

Vor einigen Tagen hatte ich mit all meinen Freunden meinen 21. Geburtstag gefeiert und schon da hatte sich abgezeichnet, wie sehr sich alles verändert hatte. Wir hatten extra den großen Saal unseres Viertels in Beschlag genommen und die Party hatte die ganze Nacht gedauert. 150 Leute waren gekommen und ich kannte sie alle. Auf der Erde in Daun, dem kleinen Städtchen in der Eifel, in dem ich und mein immer noch bester Freund Kevin aufgewachsen waren, hätte ich höchstens einen Freundes- und Bekanntenkreis von 50 Personen zusammenbekommen. Aber unsere gemeinsamen Erlebnisse hatten uns zusammengebracht und aus uns eine dichte Gemeinschaft gemacht.

 

„Dad“, begann ich, doch irgendwie konnte ich nicht weiter reden. Ich wollte ihm nicht sagen, wie aufgeregt ich war. Es war so banal und dennoch würde sich alles verändern.

 

„Ich weiß, Kleine“, sagte er und kam näher zu mir. Er stellte sich hinter mich genau vor den Spiegel und ich sah nun doch wieder hinein. Wir lächelten uns durch den Spiegel gegenseitig an und es war ein ziemlich atemberaubendes Bild. Ich stellte mir vor, wie es wohl gewesen wäre, wenn mein Vater mich zu meinem Abiball begleitet hätte, auf der Erde in dem kleinen Eifelgymnasium, das Kevin und ich besucht hatten. Wahrscheinlich wäre mein Dad der Traum aller alleinerziehenden Mütter gewesen und sie alle hätten ihn angeschmachtet.

 

Ohne seinen bereits grau werdenden Drei-Tage-Bart sah er sogar noch mal etwas jünger aus als er war und das Training, das er zusammen mit den restlichen Soldaten der Air Force absolvierte, hielt ihn fit genug, dass er immer noch eine recht ansehnliche Figur hatte.

 

Mit den Schuhen, die ich trug, war er nicht mehr viel größer als ich und das erste Mal überhaupt, unsere Gesichter so nah beieinander, sah auch ich, was mein Freunde immer meinten. Man konnte tatsächlich erkennen, dass ich die Tochter meines Vaters war. Ich hatte seine schmalen Augen, seine Nase, eigentlich hatte ich nur meine Wangenknochen und meine Haare von meiner Mutter. Oh, und natürlich die kaum vorhandene Körpergröße, die hatte ich auch noch von meiner Mutter.

 

„Du bist deiner Mutter so ähnlich“, hörte ich meinen Vater nachdenklich murmeln. Ich fragte mich, ob das stimmte, ich selbst sah die Ähnlichkeit nicht, zumindest nicht im Aussehen.

 

„Alle sagen mir, ich sei dir viel ähnlicher“, sagte ich ihm daher und er sah mich verwundert an. Dann lächelte er leicht und erklärte mir, dass er meine Ähnlichkeit zu ihm zwar sehen könne, aber er konnte mehr meine Mutter in mir erkennen als sich selbst. „Außerdem bist du deiner Mutter in vielen anderen Dingen so ähnlich, dass es für mich am Anfang ziemlich schwer war, mit dir umzugehen.“

 

Ich schlug ihm leicht auf die Schulter, als er mich mit seinem schiefen John-Sheppard-Grinsen ansah. Ich wusste, wir hatten nicht gerade den besten Anfang gehabt, aber wahrscheinlich wäre das bei jedem anderen auch so gewesen, wenn sie das durchgemacht hätten was ich durchgemacht hatte. Außerdem war ich damals noch ein Teenager gewesen und die Veränderungen, die man in dieser Zeit durchmachte, verschlimmerten selbst die einfachsten Situationen zwischen Eltern und Kindern. Einfach war nicht gerade das, wie ich mein erstes Treffen mit meinem Vater nennen würde.

 

„Du solltest jetzt aber wirklich zu deiner Mutter gehen. Glaub mir, sie ist noch viel nervöser als wir beiden zusammen. Aber sie sieht auch umwerfend aus“, stellte mein Vater fest. Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

 

„Ich dachte, der Bräutigam darf die Braut vor der Hochzeit nicht sehen“, ermahnte ich ihn mit einem Schmunzeln auf meinem Gesicht, das ich leider nicht unterdrücken konnte. Mein Vater setzte sofort eine ziemlich unschuldige Miene auf.

 

„Wenn du es genau nehmen willst, sind wir schon ziemlich lange verheiratet. Und es heißt, der Bräutigam darf seine Braut vor der Hochzeit nicht in ihrem Kleid sehen.“ Er verschränkte besserwisserisch seine Arme vor der Brust, aber ich tat es ihm gleich, um seiner Aussage den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie hatten geheiratet, ja, aber das war vor mehr als 21 Jahren gewesen und es war eine heimliche Hochzeit gewesen, nur die beiden, niemand sonst. Außerdem waren die beiden praktisch wieder geschieden worden, als meine Mutter gestorben war. Das alles versuchte ich ihm mit meinem Blick zu sagen und anscheinend wusste er genau, was in meinem, immer noch ziemlich einzigartigen Kopf vorging, denn er warf resignierend die Hände in den Himmel.

 

„Ist ja gut! Aber was hätte ich machen sollen. Ich musste an ihrem Zimmer vorbei und die Tür stand einen Spalt breit offen!“, versuchte er sich zu verteidigen, doch das ließ ich nicht gelten. „Ich hab kaum was gesehen, ehrlich. Teyla und die anderen sind um sie herum gewuselt. Ich konnte nur ihr Gesicht im Spiegel sehen“, sagte er und an seiner doch etwas enttäuschten Miene konnte ich erkennen, dass er die Wahrheit sagte. Er hatte ihr Kleid tatsächlich nicht gesehen.

 

Ich musste schmunzeln, wenn ich daran dachte, wie die beiden sich in den letzten Jahren wieder näher gekommen waren. Ich konnte mich nur zu gut an die schwierige erste Zeit erinnern, in der ich beinahe zwischen den zwei Fronten gestanden hatte. Sicher, mein Vater war froh gewesen, dass meine Mutter wieder lebte, aber er hatte ihr einfach nicht verzeihen können, dass sie einfach abgehauen war, dass sie ihn einfach im Dunkeln darüber gelassen hatte, dass er Vater war.

 

„Es war die einzige Möglichkeit.“ Die Stimme meiner Mutter hatte sich mittlerweile in Höhen geschraubt, die selbst ich nur sehr selten zu hören bekommen hatte. Ich hatte wirklich gehofft, die beiden durch ein Treffen auf neutralem Gebiet, weit ab von unserem Viertel der Stadt, einander näher bringen zu können. In den letzten Wochen waren sie sich größtenteils aus dem Weg gegangen und ich hatte mich ziemlich schnell entschlossen, wieder bei Madison und Sara einzuziehen, die immer noch in der kleinen WG wohnten, die wir kurz nach der Ankunft hier auf Gan Eden bewohnt hatten.

 

Kurz nachdem meine Mutter wieder auferstanden war, einen anderen Ausdruck konnte ich dafür nicht finden, hatte ich darum gebeten, wieder mit ihr zusammen leben zu dürfen und niemand hatte mir diesen Wunsch abgeschlagen. Ich hatte gedacht sie nie wieder zu sehen und ich wollte keine Sekunde mit ihr verpassen. Allerdings merkte ich, dass mich das immer mehr von meinem Vater entfernte, der einfach nicht verstehen konnte, warum meine Mutter ihn verlassen hatte.

 

Natürlich, vom Verstand her wusste er es und konnte es vielleicht sogar teilweise nachvollziehen. Emotional fühlte er sich aber wahrscheinlich einfach nur betrogen. Betrogen um der Liebe, die die beiden füreinander empfunden hatten, um das Vertrauen, das sie ineinander gesetzt hatten, als sie sich heimlich das ‚Ja‘-Wort gegeben hatten. Und er fühlte sich betrogen wegen der Jahre, die meine Mutter ihm und mir gestohlen hatte.

 

Ich war ihr deswegen auch böse, aber sie wieder hierzuhaben, ihren Tod einfach nur als bösen Traum abtun zu können, war ein Geschenk, das mich das Schlechte zumindest meistens vergessen ließ. Doch ich wollte mich auch von meinem Vater nicht entfernen. Wir hatten in der schweren Zeit, die wir zusammen verbracht hatten, eine relativ enge Bindung aufgebaut und die wollte ich nicht wieder verlieren. Ich wollte nicht noch mehr Jahre ohne ihn verbringen. Also entschied ich mich, zu den beiden älteren Mädchen zu ziehen und so weder dem einen noch dem anderen einen Vorteil zu geben.

 

Es war im Grunde ähnlich wie bei Kindern, deren Eltern geschieden waren. Man hatte immer das Problem, keinen zu benachteiligen und das wollte ich wirklich nicht.

 

„Ich hätte euch beschützen können!“, riss mein Vater mich mit zusammengebissenen Zähnen aus meinen Gedanken. Auch er war etwas angespannt und ich fühlte mich zwischen den beiden alles andere als wohl. „Ich hätte dafür gesorgt, dass die Luzianer oder das NID nicht näher als 500 Meilen an uns herangekommen wären“, sagte er und irgendwie hörte er sich an wie jemand, der aus purer Verzweiflung versuchte, gegen seinen eigenen Verstand zu argumentieren. Sicher war die Lösung, die meine Mutter gewählt hatte, nicht die beste gewesen, aber keinem von uns fiel eine bessere Lösung ein, eine, in der wir als Familie hätten zusammenbleiben können.

 

Die schlimmste Version, die mir im Kopf herumschwirrte und bei der ich froh war, dass meine Mutter sie nicht in Erwägung gezogen hatte, war, mich zur Adoption freizugeben und mich dadurch zu schützen, dass niemand wissen würde, woher ich eigentlich kam. Allerdings war da dann auch wieder das Problem mit meinen Fähigkeiten und der Tatsache, dass damals niemand wirklich wusste, wie sie sich auf mein Leben auswirken würden.

 

Der Streit zwischen meinen Eltern dauerte so lange, bis auch die anderen Erwachsenen nicht länger zwischen zwei undurchdringlichen Fronten stehen wollten und selbst in die Situation einschritten. Um ehrlich zu sein, hätte der Trick auch von Teenagern wie uns kommen können, denn sie sperrten meine Eltern einfach so lange in einem Transporter ein, bis sie sich tatsächlich ausgesprochen hatten.

 

Eigentlich tat es meiner Mutter leid, dass sie meinem Vater nie von mir hatte erzählen können, war ich ihm doch immer schon so ähnlich gewesen. Aber, und von diesem Standpunkt wich sie nie auch nur einen Moment ab, sie hatte das getan, was ihr in dem Moment, wo sie von mir erfahren hatte, für das Richtige gehalten hatte. Sie war gegangen, weil sie mich nicht auf Atlantis hatte großziehen wollen, nicht in einer Welt, wo man jeden Augenblick Angst vor einem Angriff haben musste.

 

Mein Vater war gerade auf einer wichtigen Mission gewesen, als meine Mutter von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte und das hatte ihr gezeigt, dass mein Vater hier mehr gebraucht wurde als wir ihn vielleicht brauchen würden. Sie hatte das Vertrauen in ihn, dass er alleine sicherstellen konnte, dass die Wraith es niemals bis zur Erde schaffen würden und auf diese Weise vertraute sie ihm, dass er seine Familie beschützen würde.

 

Sie konnte ihm klar machen, was er sich selbst aus seiner Wut heraus nicht hatte eingestehen wollen. Wenn er erfahren hätte, dass er ein Kind bekommen würde, dann hätte meinen Vater nichts mehr auf Atlantis gehalten. Er wäre im Zweifelsfall mit uns auf die Erde gekommen und hätte das Stargate Programm verlassen. Er hätte nicht all die Leben retten können, die er gerettet hatte, egal ob kurz nach meiner Geburt oder vor vier Jahren. Und wer wusste schon, ob die Wraith ihn als Symbolfigur für ihren Feind nicht gesucht und vielleicht die Erde damit schon früher gefunden und zerstört hätten.

 

Sicherlich waren das alles nur Spekulationen, aber es brachte meinen Vater dazu, selbst über das, was passiert war, nachzudenken. Nachdem sie uns glaubwürdig versichert hatten, dass sie sich tatsächlich ausgesprochen hatten und nun in Frieden nebeneinander existieren konnten,  hatten die Erwachsenen meine Eltern wieder frei gelassen. Und die beiden hielten ihr Wort. Sie waren nicht direkt Freunde, aber wenn es sein musste, dann kamen sie auch miteinander aus.

 

Bis sich zwischen den beiden wieder Freundschaft, oder gar wieder Liebe entwickelte, hatte es noch einige Zeit länger gedauert. Mittlerweile waren meine Eltern aber seit zwei Jahren wieder ein Paar und es war ein einmaliges Gefühl. Es war wunderbar, die beiden so vertraut zu sehen, so, wie ich es mir als Kind immer gewünscht und vorgestellt hatte.

 

„Maggie, da bist du ja!“ Diesmal war es eine ziemlich gut gelaunte Cassandra, die mich aus den Gedanken riss. Ich hatte gar nicht wirklich bemerkt, dass ich mich mit meinem Vater zu dem Zimmer begeben hatte, in dem meine Mutter sich fertig machte. Ohne auch nur einen einzigen Widerspruch gelten zu lassen, zog mich Cassie von meinem Vater weg in das Zimmer und machte ihm noch einmal mit einem scharfen Blick klar, dass er sich unterstehen sollte, noch einmal zu spionieren. Dad erhob abwehrend die Hände, versuchte aber erst gar nicht, Cassie die Situation von zuvor nochmals zu erklären, sondern ging direkt weiter und ließ mich mit den anderen Frauen alleine.

 

Es war schon seltsam. Ich hatte sie alle bereits als Kämpferinnen gesehen, oder zumindest als Frauen, die davor keine Angst hatten und bereit waren, für das zu kämpfen, was sie liebten. Jetzt standen sie alle hier in wunderschönen Kleidern, angezogen wie echte Ladies. Nicht eine von ihnen sah fehl am Platz aus.

 

Als ich meine Mutter dann in ihrem Hochzeitskleid sah, war ich einfach nur sprachlos. Sicherlich, es war keines der Kleider, wie wir sie vielleicht noch vor vier Jahren auf der Erde bekommen hatten, diese Ressourcen und maschinelle Technologie hatten wir nicht mehr, aber er war dennoch nicht minder schön. Im Gegenteil, es hatte Charakter und eine Geschichte. Nach einer alten Tradition der Athosianer hatten nämlich alle Brautjungfern zusammen mit der Braut daran gearbeitet. Für das gesamte Kleid war nicht eine einzige Maschine benutzt worden und jede von uns hatte ihre Wünsche für die Braut mit in das Kleid genäht. Ich selbst hatte zwar noch nie genäht, mir war aber, als Trauzeugin, die Ehre zugekommen, das Kleid zusammen mit meiner Mutter zu verzieren.

 

„Hast du Torren schon gesehen?“, fragte mich dann Teyla etwas nachdenklich. Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich hatte ihn heute Morgen das letzte Mal gesehen, als ich die Wohnung verlassen hatte, da hatte er nämlich noch ziemlich lautstark geschnarcht, aber das hatte mich auch nicht zu interessieren, immerhin war Cathleen für ihn zuständig.

 

Cathleen war seine momentane Freundin, denn nachdem sich unsere Beziehung als ziemlich schwierig erwiesen hatte, hatten wir entschieden, dass wir einfach nicht für einander gemacht waren. Wir waren zu verschieden, auch wenn andere der Meinung waren, wir seien uns zu ähnlich und würden selbst nicht erkennen, dass das zwischen uns eigentlich die wahre Liebe war. Selbst meine Eltern waren immer noch fest davon überzeugt, dass Torren und ich einmal an derselben Stelle stehen würden, an der sie nun standen.

 

Ich glaubte jedoch nicht mehr daran. Torren hatte sich offensichtlich neu orientiert. Cathleen war eine der Novaner, die zu uns in das Viertel gezogen waren und die als Vertreterin der novanischen Kinder im Rat fungierte, den wir aufgebaut hatten, um die Kommunikation zwischen den einzelnen Gruppen zu wahren. Sie war ein vollkommen anderer Typ als ich. Sie war strohblond, dünn, beinahe größer als Torren und hatte strahlend blaue Augen, kurz gesagt, sie war das perfekte Topmodel.

 

Auch ich hatte eine Zeitlang versucht, mich neu zu orientieren, doch leider ging das nicht wirklich weit. Im Endeffekt blieb ich doch an John hängen, aber das war eher die Folge von verletztem Stolz als alles andere. Torren war immer eifersüchtig darauf gewesen, wenn ich erwähnt hatte, dass John nicht gerade schlecht aussah und wahrscheinlich hatte ich ihm damit eines auswischen, ihn ein kleines bisschen so verletzen wollen, wie er mich verletzt hatte, als er auf einmal mit Cathleen aufgetaucht war.

 

„Nein, keine Ahnung. Wahrscheinlich schläft er noch“, sagte ich und versuchte, dabei so desinteressiert wie möglich zu klingen. Leider kaufte auch Teyla mir diese Nummer nicht ab. Sie schüttelte nur verständnislos mit dem Kopf. Sie war diejenige, die mitbekommen hatte, wie ich vor vier Jahren beinahe den ganzen Tag vor den Fenstern des Isolationsraumes in Atlantis gesessen hatte. Nachdem Torren willentlich riskiert hatte zum Wraith zu werden, hatte er tagelang dort bleiben müssen und hatte sich langsam und unter Schmerzen wieder in einen Menschen verwandelt. Ich hatte mir solche Sorgen gemacht, dass ich nicht hatte schlafen können und gegessen hatte ich auch nur, wenn mir mein Vater oder meine Mutter etwas zu Essen gebracht hatten, auch wenn einer der beiden meistens bei mir war.

 

Sie hatten gesehen, wie sehr ich mit Torren gelitten hatte, wie sehr ich seinen Schmerz gespürt hatte, auch wenn die mentale Verbindung, die Michael hergestellt hatte, seit meinem Aufeinandertreffen mit Tierra nicht mehr vorhanden war. Ich konnte mir einfach vorstellen, welche  Schmerzen er litt, weil ich wusste, wie viel er im Stillen ertragen konnte und er alles andere als still gewesen war in diesem Isolationsraum. Einige Male hatten meine Eltern versucht, mich von dem ganzen Schauspiel fernzuhalten. Sie hatten es sogar mit einsperren versucht, aber sie vergaßen immer wieder die Fähigkeiten, die die Antiker mir hinterlassen hatten. Daher war es gar kein Problem gewesen, ihre Sicherheitsprotokolle zu umgehen und irgendwann hatten sie es auch aufgegeben.

 

„Kannst du bitte losgehen und nach ihm sehen?“, fragte mich Teyla nun und ich sah sie mit großen Augen an. Das konnte nun wirklich nicht ihr Ernst sein! Warum sollte gerade ich jetzt nach Torren sehen? Er war alt genug, um alleine aus dem Bett zu kommen, dazu brauchte er wirklich niemanden oder zumindest sollte es so sein. Außerdem war ich sicherlich die letzte, die zu ihm ins Zimmer gehen wollte, vor allem wenn er tatsächlich noch ziemlich unbekleidet in seinem Bett lag.

 

Um ehrlich zu sein hatte ich Torren in der Zeit, die wir insgesamt als Paar gehabt hatten, nicht sehr oft nackt gesehen. Hier auf Gan Eden hatten wir noch nicht die Ressourcen, um ein zuverlässiges Verhütungsmittel wie die Pille in Serie zu produzieren. Das bedeutete, dass nur Frauen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht schwanger werden durften, dieses Verhütungsmittel bekamen. Alle anderen mussten auf natürliche Weise verhüten und ich war sicherlich noch nicht so weit, Mutter zu werden, schon gar nicht in einer so schwierigen Beziehung wie der mit Torren.

 

Madison war da anders gewesen. Sie hatte bereits vor zwei Jahren einen jungen Novaner namens Jamil geheiratet und war mittlerweile Mutter einer zwei Jahre alten Tochter, mit gerade einmal 25 Jahren. Mrs Miller war nicht sonderlich begeistert davon gewesen, aber auch sie wusste, dass hier auf Gan Eden alles anders war. Außerdem waren wir alle um jedes neue Leben, das das Licht dieser neuen Welt erblickte, dankbar, denn es half allen zu akzeptieren, dass wir nun hier lebten.

 

Die Erde war mittlerweile wahrscheinlich tief im nuklearen Winter und die verstrahlten Menschen und Tiere, die man hatte zurücklassen müssen waren wahrscheinlich mittlerweile bereits tot. Die wenigen, die die Schiffe bei ihrem letzten Besuch in der Milchstraße noch hatten mitnehmen können, erzählten von chaotischen Zuständen, in denen nur noch das Gesetz des Stärkeren gegolten hatte. Um ehrlich zu sein, fragte ich mich jedoch, wie sich das von der ‚Ellenbogen-Gesellschaft‘ unterschied, in der ich aufgewachsen war.

 

Hier war das jedoch alles anders. Wir alle hier hatten eingesehen, dass die Lebensweise, die wir auf der Erde gehabt hatten, hier nicht funktionierte. Wir waren nur noch so wenige, dass jeder auf die anderen Rücksicht nehmen musste, dass wir offen und frei miteinander umgehen mussten. Wir hatten einen großen Rat gegründet, in dem jede Gruppe ihren Vertreter hatte und diese Vertreter waren dafür zuständig, die einzelnen Belange ihrer Gruppe zu vertreten und vorzutragen. Vertreter, die dies nicht taten oder sonst gegen die Interessen ihrer Gruppen verstießen – leider hatten wir davon in den letzten Jahren einige gehabt – wurden direkt vom Rat ausgeschlossen und ein neuer Vertreter wurde gewählt. Außerdem gab es noch ein freies Gremium. Ein Zusammenschluss von zehn vollkommen unabhängigen, neutralen Beobachtern, die im Notfall immer das Recht zu einem einstimmigen Veto hatten. Zu diesem Gremium gehörte auch ich, als einzige mit den Fähigkeiten der Antiker.

 

Doch eine Frage trat immer wieder auf. Wenn ich doch ein Mitglied in diesem Ratsgremium war, wenn ich doch die Fähigkeiten hatte, die mir die Antiker hinterlassen hatten, warum konnten dann manche Leute, wie Teyla, mir immer noch sagen, was ich zu tun oder zu lassen hatte? Ich ging nämlich genau in diesem Moment geradewegs wieder in die Richtung unseres Appartements in der Hoffnung, dort nicht auf einen ziemlich unbekleideten Torren zu treffen.

 

Allerdings stoppte ich schon auf halbem Wege ziemlich verdutzt, als auf einmal eine ziemlich aufgelöste Cathleen auf mich zu rannte. Sie sah nicht gerade fröhlich aus, als sie mich ansah und ich hätte schwören können, dass sie mich am liebsten geohrfeigt hätte, wären nicht so viele andere Leute auf den Straßen gewesen. Ich wusste, es war besser, sie nicht anzusprechen und ich hoffte, dass sie mich einfach ignorieren würde, doch nach den Blicken zu urteilen, war das reines Wunschdenken.

 

„Er gehört dir!“, zischte sie mir ziemlich giftig zu, als sie sich direkt vor mich stelle, ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt.

 

„Wer gehört mir? Wovon redest du?“, fragte ich sie und sie sah mich nur ungläubig an, als sei ich verrückt.

 

„Der Kerl, der bei seinem ersten Mal mit einer Frau DEINEN Namen gerufen hat!“, schrie sie mir nun etwas lauter entgegen und ich zuckte förmlich zusammen. Aber nicht nur, weil sie so wütend und außer sich war, sondern wegen der Worte, die sie mir entgegen gespuckt hatte.

„Du spinnst doch“, sagte ich zu ihr und versuchte, ruhig und leise zu bleiben. Die Leute sahen uns schon ziemlich seltsam an.

 

„Er nennt dich doch immer Peaches, oder?“ Ihre Frage war eher eine rhetorische und das wussten wir beide. Ich versuchte angestrengt, meine Hände nicht über meinem Mund zusammenzuschlagen und es gelang mir, doch anscheinend musste sich ein kleines Grinsen, von dem ich selbst nicht wusste, warum es auf einmal da war, auf meinem Gesicht abgezeichnet haben, denn mit einem Mal rauschte Cathleen an mir vorbei und schrie mir nur hinterher, dass sie hoffte, dass sie nun nicht schwanger werden würde, denn sie sei mit Torren fertig.

 

Als sie verschwunden war und sicher außer Hörweite, konnte ich nicht anders, als mich beinahe vor Lachen zu kringeln. War das wirklich passiert? Doch als ich dann auf einmal daran dachte, dass Torren tatsächlich mit Cathleen geschlafen hatte, gefror mein Lachen direkt wieder. Er hatte es wirklich getan, oder zumindest hatte er es tun wollen, denn ich nahm nicht an, dass er, nachdem er meinen Namen gesagt hatte, tatsächlich bei Cathleen zum Abschluss gekommen war. Verdienterweise hatte sie ihn sicherlich unverrichteter Dinge einfach zurück gelassen. Es verletzte mich in irgendeiner Hinsicht, dass er sich anscheinend bereit gefühlt hatte, mit Cathleen das Risiko einzugehen, eine Familie zu gründen. Dass sie ihm näher gewesen war, als ich es je hatte sein können.

 

„Maggie, was machst du hier?“, fragte mich auf einmal die etwas besorgte Stimme meines besten Freundes. „Solltest du nicht bei deiner Mutter sein?“

 

Ich wusste im ersten Moment gar nicht, was ich sagen sollte und als ich mich in der spiegelnden Scheibe betrachtete, merkte ich, wie seltsam ich aussah. Selbst mein Körper konnte sich nicht entscheiden, ob er fröhlich oder verletzt war. Mein Rücken war leicht gebeugt, meine Arme vor der Brust verschränkt, aber ein leichtes Lächeln war auf meinen Lippen und auch meine Augen sahen nicht gerade traurig aus. Wahrscheinlich musste ich auf den armen Kevin vollkommen geisteskrank wirken.

 

„Teyla hat mir gesagt, ich soll Torren holen“, erklärte ich langsam. Kevin schlug sich die Hand vor die Stirn und sah ziemlich unangenehm berührt aus.

 

„Ich hoffe, du hast nicht mitbekommen wie die beiden …“, sagte er und machte eindeutige Handbewegungen. Kevin war der einzige von unseren Freunden, der schon ziemlich früh bemerkt hatte, dass ich, auch wenn eine Beziehung zwischen Torren und mir schier unmöglich war, Torren immer noch liebte. Er war auch der einzige, in dessen Gegenwart ich mir das selbst eingestehen konnte und wollte. Alle anderen hätten mich sicherlich zum Handeln gedrängt. Kevin war da jedoch anderer Meinung. Er verstand, dass ich den Schmerz für mich und für Torren nur noch größer machte, wenn ich handelte, obwohl es keine Aussicht auf Erfolg gab. Insgesamt waren Torren und ich in den letzten vier Jahren immerhin mehr als fünfmal zusammen und wieder getrennt gewesen.

 

„Nein, hab ich nicht“, antwortete ich ihm und ich merkte, wie meine Wangen heiß wurden. Allein die Vorstellung, die beiden in flagranti erwischt zu haben, war peinlich genug. „Cathleen ist gerade an mir vorbeigerauscht. Sie war ziemlich … wütend, um es milde auszudrücken“, erklärte ich dann die Situation. Um ehrlich zu sein, war wütend wahrscheinlich noch harmlos gewesen, sie hätte mich wahrscheinlich am liebsten umgebracht.

 

Anscheinend hatte Kevin jedoch nicht die ganze Geschichte mitbekommen, und ich war entschlossen, es auch vorerst dabei zu belassen. Heute war nicht der Tag, um solche Sachen zu besprechen. Meine Eltern würden in weniger als 2 Stunden heiraten und der Trauzeuge lag wahrscheinlich in Selbstmitleid schwelgend in seinem Bett und hatte alles andere vergessen.

 

„Geh du zurück zu den anderen, ich kümmere mich um Torren“, versprach Kevin und ich nickte ihm nur dankbar zu. Ich wollte jetzt wirklich nicht zu ihm gehen, denn anscheinend konnte mein Körper sich nicht entscheiden, ob er wütend und abgestoßen war von dem, was Torren gemacht hatte, oder ob er lieber fröhlich und angezogen war. Die letzte Möglichkeit war eindeutig zu gefährlich, um es tatsächlich darauf ankommen zu lassen.

 

Zurück in einem Nebenraum des großen Saales versuchte ich das, was gerade passiert war, größtenteils in dem Teil meines Kopfes zu lassen, den ich mit ein bisschen Kontrolle gut für eine Weile verschließen konnte. Ich wollte nun wirklich nicht, dass entweder Teyla oder gar meine Mutter herausfanden, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich sagte zu Teyla nur, dass ich Kevin auf halbem Weg getroffen hatte und er sich nun um Torren kümmern würde. Glücklicherweise reichte ihr diese Aussage und sie begab sich wieder daran, die letzten Schliffe am Kleid meiner Mutter zu setzen.

 

Während wir also darauf warteten, dass meine Mutter endlich bereit war, meinem Vater nun in aller Öffentlichkeit das Ja-Wort zu geben, versuchte ich verkrampft, nicht daran zu denken, was ich heute alles erfahren hatte. Leider klappte das nicht richtig. Seit langer Zeit hatte ich wieder zwei Stimmen in meinem Kopf, beides meine, aber sie waren dennoch unterschiedlicher Meinung und führten ein Streitgespräch.

 

Die logische Maggie war der Meinung, das, was sie gehört hatte, einfach zu vergessen, es als einen einmaligen Ausrutscher anzusehen. Die emotionale Maggie, die Maggie, die sich leicht in Schwierigkeiten brachte, wollte einfach glauben, dass es etwas zu bedeuten hatte, dass Torren immer noch genauso fühlte, wie ich es mir nicht eingestehen wollte. Die emotionale Maggie wollte einfach nicht einsehen, dass es für uns keine Zukunft gab, dass wir nur wieder auseinander gehen würden. Sie wollte glauben, dass es eine Chance gab.

 

„Du solltest ihm eine Chance geben“, sagte meine Mutter, als wir einen Moment ganz alleine im Raum waren. Ich sah sie verwirrt an. Sie konnte unmöglich wissen, was in mir vorging. Oder konnte sie doch? „Vielleicht müsst ihr an die ganze Sache nur anders herangehen“, sagte meine Mutter dann und ich sah sie an.

 

„Meinst du wirklich, dein Vater und ich waren früher immer ein Herz und eine Seele? Meinst du, du warst die erste, die uns je hat streiten sehen?“, fragte sie und setzte sich auf den Stuhl. Sie achtete gar nicht auf ihr Kleid. Sie achtete nur auf mich und es kam mir so vor, als hatte sie schon lange mit mir darüber reden wollen. Ich zuckte nur mit den Schultern. „Wir haben uns beinahe jeden Tag gestritten, und das tun wir auch heute noch.“

 

„Und warum wollt ihr dann heiraten?“, fragte ich nun doch etwas verwirrt. Wenn man sich nur stritt, dann brachte das ganze Konzept der Ehe doch nichts.

 

„Weil man wegen eines Streits nicht aufhört, sich zu lieben“, erklärte meine Mutter und ihre Stimme wurde so weich, wie sie es früher gewesen war, wenn sie versucht hatte, mir etwas Wichtiges beizubringen. „Jeder Mensch ist anders, und das ist auch gut so. Es gibt keine perfekte Beziehung. Ich weiß, dass früher im Fernsehen oft gezeigt wurde, wie so eine perfekte Beziehung auszusehen hat, aber es gibt sie einfach nicht. Es gibt nicht den Mann, der einer Frau jeden Wunsch von den Lippen ablesen kann und es gibt auch nicht die Frau, die alles macht, damit ihr Mann glücklich ist. Das muss man sich immer vor Augen halten.“ Ich konnte nicht anders, als meine Augen zu verdrehen. Ich wusste ja immerhin selbst, dass es so etwas wie die perfekte Liebe nicht gab, dass es sie nicht geben konnte. „Man muss lernen mit den Fehlern des anderen umzugehen, denn es gibt Dinge, die kann man einfach nicht ändern.“

 

„Wenn man jemanden wirklich liebt, dann ändert man sich auch für denjenigen“, stellte ich trotzig fest und meine Mutter grinste leicht.

 

„Wenn man jemanden wirklich liebt, mag man ihn so, wie er ist, auch seine Fehler. Man möchte es sich nicht immer eingestehen, aber es sind die Fehler, die einen Menschen ausmachen. Wenn du Torren komplett so verändern würdest wie du ihn haben willst, dann wäre es nicht mehr Torren“, sagte meine Mutter.

 

„Glaub mir, ich hätte deinen Vater auch lieber weniger waghalsig, ordentlicher und ein wenig gehorsamer, aber dann wäre er nicht mehr der Mann, in den ich mich damals verliebt habe. Der Mann, der mir jedes Mal, wenn ich ihn gesehen habe, einen Schauer über den Rücken gebracht hat. Wenn er nicht jeden Moment die Welt retten und damit sein Leben aufs Spiel setzten würde, könnte ich nicht mehr so stolz auf ihn sein wie ich es bin, weil es nichts mehr geben würde, auf das ich stolz sein könnte.“ Sie hielt einen kurzen Moment inne, dachte anscheinend selbst nach. „Ich weiß, du bist in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der man alles wegschmeißt, was einem nicht passt oder nicht gefällt. Ich eigentlich auch, aber deine Großeltern haben mir beigebracht, dass manche Sachen, die zu Beginn gar nicht so passend sind, Jahre später perfekt passen, und zwar nicht, weil man sie geändert hat, sondern weil man sich selbst verändert hat.“

 

„Ich soll also einfach mit Torren zusammen sein und darauf warten, dass er mir irgendwann passt?“, fragte ich ungläubig und eigentlich wusste ich auch, dass meine Mutter das ein bisschen anders gemeint hatte, als ich das jetzt auffassen wollte.

 

„Ich sage, es lohnt sich manchmal, für etwas zu kämpfen. Auch wenn es anstrengend ist und manchmal wehtut, irgendwann merkt man, dass man richtig gehandelt hat.“ Ich wollte meiner Mutter noch sagen, dass ich keine Lust hatte, für etwas zu kämpfen was so wehtat wie die Streitigkeiten, die ich mit Torren in unseren einzelnen Versuchen gehabt hatte, aber wahrscheinlich hatte sie Recht. Ich war immer zu sehr darauf bezogen gewesen, was ich wollte, dabei ging es nicht nur um mich.

 

Ich war furchtbar egoistisch gewesen. Ich hatte vergessen, dass es bei der Liebe nicht nur um eine Person, nicht nur um mich ging. Es ging dabei auch um Torren, um das, was er sich vorstellte, was er sich wünschte. Mir war nur wichtig gewesen, dass ich meine Wünsche und Vorstellungen durchgesetzt bekam und mir war es egal gewesen, wenn sie mit seinen Vorstellungen nicht übereingestimmt hatten. Ich hatte einfach verlangt, dass er, wenn er mich wirklich liebt, mir folgt und das tat, was ich wollte.

 

„Ich glaube, du solltest später unbedingt mit Torren reden“, sagte meine Mutter mit einem breiten Lächeln.

 

„Mama, woher wusstest du, was los war?“, fragte ich und sie legte ihre Hand auf meine Schulter.

 

„Ich bin deine Mutter, niemand kennt dich so gut wie ich.“ Wir übergingen einfach für einen Moment, dass Jack in den Raum gekommen war, um meine Mutter zum Altar zu führen. Ich folgte den beiden natürlich, musste ich doch als Trauzeugin direkt hinter meiner Mutter einlaufen, noch vor Cassie und den anderen Brautjungfern.

 

Als wir vor der verschlossenen Tür standen und darauf warteten, dass endlich die Musik erklang und wir eintreten konnten, dachte ich angespannt darüber nach, was ich machen würde, wenn ich gleich Torren sehen würde. Würde ich ihm böse sein, wegen der Lage, in die er nun auch mich gebracht hatte? Sollte ich so tun, als hätte Cathleen mir nichts davon erzählt? Sollte ich es ihm auf die Nase binden? Ich war mir wirklich nicht sicher. Ich war mir auch immer noch nicht sicher, was ich aus dem machen sollte, was meine Mutter mir gesagt hatte.

 

Wahrscheinlich hatte sie Recht und ich musste aufhören, immer nur an mich zu denken, aber das ging nicht von jetzt auf gleich. Es war eine weitere Veränderung und eine große noch dazu. Sie würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und ich war nicht die Einzige, die sich diesbezüglich würde ändern müssen. Torren konnte auch hin und wieder ziemlich egoistisch sein, aber vielleicht würde er sich ändern, wenn ich mich änderte. Wenn er merkte, dass ich mehr auf ihn zuging, dann würde er vielleicht auch mehr auf mich zugehen.

 

„Alle bereit?“, fragte Jack dann unnötigerweise, als die Musik anfing zu spielen und er meine Mutter langsam durch die Tür führte. Ich hielt einen Moment die Luft an, als ich die Atmosphäre dieses Momentes einatmete. Die ganzen Menschen, die sich hier versammelt hatten, um der Hochzeit meiner Eltern beizuwohnen, waren unglaublich und genau in diesem Moment waren alle Augen auf uns gerichtet, wie wir unseren Weg nach vorne antraten.

 

Vorne stand mein Vater mit seinem breiten schiefen Grinsen, an das ich mich mittlerweile so sehr gewöhnt hatte. Neben ihm standen Daniel, Rodney, Ronon, Carson und Matthew. Letzterer war in den letzten Jahren zu einem sehr guten Freund meines Vaters geworden. Er war ein Mitglied der Destiny-Crew gewesen, hatte aber anscheinend schon während seiner Trainingszeit kurz unter meinem Vater gedient. Carson, Rodney und Ronon waren Fälle für sich. Besonders zwischen Rodney und meinem Vater bestand eine Art Hassliebe und mein Vater hatte tatsächlich mich unter einem anderen Vorwand geschickt, um Rodney zu bitten, einer seiner „Best Men“ zu sein.

 

Im ersten Moment hatte ich schon gehofft, Kevin hätte es nicht mehr geschafft, Torren ansehnlich zu machen und herzubringen, aber da stand er, direkt neben meinem Vater. Sein Grinsen glich dem meines Vaters so sehr, dass es mich beinahe erschreckte, vor allem weil ich erwartet hatte, dass er eher niedergeschlagen sein würde, nachdem was passiert war.

 

Meine Kinnlade sackte jedoch ziemlich nach unten, als ich feststellen musste, dass ich mich nicht rechts von meiner Mutter hinsetzen sollte, sondern direkt neben Torren, links von meinem Vater. Da sich die beiden Männer ziemlich vielsagend ansahen, ließ mich das Gefühl nicht los, dass mein Vater das irgendwie geplant hatte, was dann natürlich auch in gewisser Weise bedeutete, dass meine Mutter in der Sache mit drin hing.

 

„Hey, Peaches“, flüsterte er in dem Versuch, dabei nicht seine Lippen zu bewegen.

 

„Ich würde an deiner Stelle heute nicht mehr von Pfirsichen reden“, zischte ich ihm etwas härter zu und sein Ausdruck war beinahe Anlass dafür, dass ich meine gut ausgelegte Fassade zum Einbruch gebracht und laut gelacht hätte. Sein Blick sagte mir alles, was ich wissen musste. Er hatte das, was passiert war, eigentlich selbst nicht erwartet, aber vor allem hatte er nicht erwartet, dass Cathleen gerade mir davon erzählen würde.

 

„Du weißt es?“, fragte er und für einen Moment war sein Grinsen verschwunden. Ich nickte nur ernst, konnte aber mein eigenes Grinsen nur schwer unterdrücken.

 

„Es war nicht gerade fair.“ Ich hatte Recht mit dieser Aussage, das wussten wir beide. „Wir sollten später reden“, schloss ich unser leises heimliches Gespräch, während Woolsey, als eines der höheren Ratsmitglieder, mit der Trauung meiner Eltern begann. An dem Blick, der mich eher an einen schuldbewussten, aber treudoofen Hund erinnerte, als an einen Menschen, erkannte ich, dass Torren anscheinend genau verstand, was ich meinte. Mein Gefühl hatte mich nicht getrogen, zwischen Torren und mir gab es immer noch Gefühle und sie würden wahrscheinlich niemals verschwinden. Wenn wir also nicht vollkommen daran kaputt gehen wollten, mussten wir lernen, auf einander zuzugehen und den ersten Schritt würden wir heute Abend machen.

 

„Ja, ich will!“, hörte ich ziemlich erleichtert von meinem Vater, nachdem auch meine Mutter schon diese berühmten Worte gesagt hatte.

 

 

 

 

The End

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