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Kapitel 31

 

Torrens Geheimnis

Teil 3

 

 

 

„Maggie? Maggie, ist alles okay?“, hörte ich die ziemlich besorgte Stimme von Torren, als ich meine Augen wieder öffnete. Ich saß sofort aufrecht, denn anscheinend waren wir nicht mehr auf dem Schiff. Der Raum war ein anderer und auch wenn Torren hier war, waren es die anderen nicht. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, dass er mich Maggie und nicht Peaches genannt hatte, denn das war in diesem Moment alles andere als wichtig.

„Wo sind wir?“, fragte ich ihn, doch anscheinend hatte auch er keine Ahnung. Er erzählte mir, dass er, kurz nachdem ich wieder von der Königin abgeholt worden war, ebenfalls mitgenommen worden war. Auch er hatte den Tumult gehört und die Erschütterung gespürt, aber hatte keine Ahnung warum.

„Dann kam dieser Halb-Wraith, oder was immer er ist, und hat mich betäuben lassen. Ich bin vor einer Stunde hier aufgewacht.“

„Was ist mit Dad? Und den anderen?“ Wieder zuckte Torren nur mit den Schultern, doch irgendwie ließ mich das Gefühl nicht los, dass weder Dad noch die anderen für die Wraith wichtig gewesen waren. Warum sonst hatten sie nur uns beide hierher gebracht? Dieser männliche Wraith, der später dazugekommen war, schien zumindest ein bisschen mehr zu wissen als die Königin; immerhin hatte er erkannt, dass ich in der Tat ein Mensch war.

Bei Torren waren sie aber anscheinend auch nicht weiter gekommen als bei mir, nur dass er sich wohl noch stärker hatte wehren können, denn seine Verletzungen waren weitaus schlimmer als meine. Aber ich merkte, dass irgendetwas bei ihm nicht stimmte. Schon alleine sein Auftreten war hier vollkommen anders als auf Atlantis, als habe dieses Schiff, oder besser gesagt, die Wraith irgendetwas bei ihm ausgelöst.

„Wie ich sehe, seid ihr wieder wach“, ertönte auf einmal eine Stimme in unserem Raum, es war, als käme sie über einen Lautsprecher, aber ich konnte keinen sehen. An Torrens Reaktion merkte ich, dass er genauso verwirrt war wie ich und wir suchten die Wände der Zelle ab. „Ihr werdet nichts finden, ich bin in euch drin“, sagte die Stimme nun leiser und ein Schauer durchfuhr meinen Körper. Er hatte recht, jetzt merkte ich es. Riss meinen Ärmel auf der Stelle auf und suchte die Stelle, an der er mich mit der Nadel gestochen hatte, doch da war nichts mehr zu sehen, nur noch der überdimensionale blaue Fleck. Ich kratzte daran, weil ich vermutete, dass das, was auch immer er mit uns gemacht hatte, so passiert war, aber ich hatte keinen Erfolg.

„Ich dachte, du bist tot“, sagte Torren und versuchte, etwas arroganter zu klingen, als er momentan rüber kam. Ich sah ihn jedoch nur verwundert an. Kannte er diesen Wraith etwa?

„Oh, mein lieber Torren, das bin ich gewiss nicht. Deine Mutter hat ihre Arbeit schlampig gemacht.“ Die Stimme klang beinahe verhöhnend und bedrohlich zugleich. „Sie hat sich nicht versichert, dass der Sturz mich auch wirklich umgebracht hat.“ Es war wirklich seltsam, diese Stimme direkt in meinem Kopf zu haben und es machte mir Angst. Ich hatte genug Verständnis vom menschlichen Gehirn, um zu wissen, dass er einige komplizierte Sachen gemacht haben musste, wenn er sich auf diese Weise Gehör verschaffen konnte und ich wollte gar nicht wissen, was er noch alles konnte.

„Du willst doch mich. Lass sie gehen!“, rief Torren, doch die Stimme in unseren Köpfen lachte nur laut los. Er erklärte, dass es vielleicht einmal so gewesen war, dass er vor langer Zeit einmal Torren unbedingt hatte haben wollen, aber dass er bei mir etwas sehr wertvolles entdeckt hatte. Natürlich wussten wir alle, was das war: meine Fähigkeit, das Magnetfeld zu beeinflussen. Er hatte es immerhin selbst gesehen und beeinflusst. Warum er allerdings früher einmal hinter Torren her gewesen war, wusste ich nicht.

„Ach, stimmt ja! Unsere hübsche Dame weiß ja gar nichts von deinem kleinen Geheimnis“, sagte die Stimme in unserem Kopf und ich sah Torren entsetzt an. Welches Geheimnis und war das jetzt nur Zufall, dass er wusste, was ich mich gerade gefragt hatte? „Nein, ist es nicht“, lautete die kurze Antwort. „Dein aufsässiger Freund hier hat bereits Bekanntschaft mit mir gemacht und das sogar, bevor er geboren wurde.“ Ich sah Torren erschrocken an und er nickte nur langsam mit dem Kopf. „Irgendwann musste dein kleines Geheimnis doch rauskommen, nicht wahr?“

„Torren, was meint er?“, fragte ich ihn.

„Genau Torren, erzähl du es ihr.“ Doch Torren setzte sich einfach auf den Boden und sagte nichts, er starrte stur auf den Boden. „Du hast Hunger, nicht wahr?“, fragte die Stimme in unserem Kopf belustigt. „Greif zu.“ Ich konnte nichts zu essen sehen, von dem Torren sich hätte bedienen sollen. Als ich ihn fragend ansah, bemerkte ich jedoch, wie er zitterte, vor allem seine Hände.

„Torren, ist alles in Ordnung?“, fragte ich ihn und wollte schon zu ihm gehen, doch er schickte mich direkt mit einem warnenden Blick an die Wand.

„Unser lieber Torren hat dich wirklich gern, meine Gute. Zum Fressen gern, würde ich beinahe behaupten.“

„STILL!“, brüllte Torren scharf und sprang vom Boden auf. Er war aggressiv geworden und seine Augen sahen seltsam dunkel aus.

„Nicht so unhöflich, mein Guter. Wir wollen doch das liebe kleine Menschlein nicht verschrecken.“

„Du rührst sie nicht an!“, drohte Torren und war mit dem Rücken zu mir gedreht. Seine Stimme klang sehr wütend und ich hatte beinahe Angst vor ihm. Doch dem „Mann in unserem Kopf“ ging es anscheinend nicht so, er fand es eher lustig.

„Sicher wärst du nicht auf diese Rettungsmission gegangen, wenn du gewusst hättest, wo sie endet, nicht wahr?“, fragte die Stimme ihn spöttisch. Er schien Torren beinahe absichtlich provozieren zu wollen, als würde er damit ein Ziel verfolgen. „Dreh dich um, deine kleine Freundin will sehen, warum du so wütend bist.“

„Nein.“

Torren zitterte einen Moment und ich sah, dass er gegen den Befehl, sich umzudrehen, ankämpfte, doch als er es, einem Roboter ähnlich, doch tat, schrie ich erschrocken auf. Die Haut in seinem Gesicht war bläulich geworden und neben seinen Nasenlöchern hatten sich noch zwei weitere Löcher gebildet. Er war kein richtiger Wraith, der Schlitz in seiner Hand, die Zähne und die Stimme fehlten ihm, und auch seine Haare hatte die normale Farbe behalten. Alles andere jedoch sah verdächtig nach einem Wraith aus.

„Was hat er mit dir gemacht?“, fragte ich erschrocken und trat einen Schritt weiter zurück, als ich den wütenden Blick in Torrens Gesicht sah. Ich verstand nicht, was hier los war.

„Er hat gar nichts mit mir gemacht“, gestand Torren und wenn der Andere anscheinend seinen Körper kontrollieren konnte, so konnte er nicht seine Stimme beeinflussen, denn die klang traurig und wütend zugleich. „Ich habe dasselbe Problem wie du. Nur, dass meine Eltern beide das Wraith-Gen in sich trugen, und nicht das Antiker-Gen.“ Ich sah ihn mit großen Augen an, während er bedrohlich um mich herumschlich. Anscheinend fand jemand das unheimlich komisch. „Als wir den Hive, also das Mutterschiff, betreten hatten, fing auch bei mir das Gen an zu wirken. Genau wie du kann ich es kontrollieren, aber manchmal …“

„Verlierst du die Kontrolle“, schlussfolgerte ich aus meinen eigenen Erfahrungen. Ich war erschrocken über das, was er mir sagte, denn wenn es tatsächlich so war, dann wussten zumindest einige der Erwachsenen darüber Bescheid.

„Ja. Und wenn ich die Kontrolle verliere, dann werde ich zu einem Hybriden zwischen Mensch und Wraith. Genau das, was Michael damals, als ich noch im Bauch meiner Mutter war, erhofft und gefördert hatte.“

„Michael?“

„Oh, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt, richtig. Ich bin Michael Kenmore.“ Die Stimme in meinem Kopf klang mittlerweile so selbstgefällig, dass es kaum noch auszuhalten war. Und die Tatsache, dass Torren nun als Halb-Wraith vor mir stand, war nicht gerade beruhigender. Ich stand mittlerweile ganz an der Wand, denn auch wenn ich Torren ansah, dass er es nicht wollte, kam er immer mehr zu mir und drängte mich förmlich in die Ecke. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und seine Knöchel waren schon ganz weiß, weil er versuchte, seine Wut zu unterdrücken.

“Wenn deine Mutter mich damals nicht davon abgehalten hätte, wäre das jetzt für dich alles einfacher. Du wärst direkt so auf die Welt gekommen und hättest diese Tortur mit der Wut nicht durchmachen müssen.“

“Sie fieses Monster!“, schrie ich ihn an, ohne wirklich in eine Richtung zu schreien. Langsam wurde auch ich wütend und wahrscheinlich war es genau das, was er wollte, doch ich konnte nichts dagegen tun. Die Lichter in unserer kleinen Zelle begannen schon zu flackern und auch Torren bemerkte, wie meine Wut anstieg.

“Lass dich von ihm nicht provozieren, Peaches“, sagte er und irgendwie klang das Peaches nicht mehr wie Hohn, sondern wie ein ganz normaler Spitzname.

“Er benutzt uns, Torren“, antwortete ich ihm und auf einmal merkte ich, wie sich auch mein Körper um Torren herum bewegte, obwohl ich das gar nicht wollte. Dieses Spiels schien dieser Michael nicht müde zu werden, denn er trieb es so lange weiter, bis wir beide vollkommen erschöpft waren.

“Schlaft jetzt, ihr beiden, morgen wird ein langer Tag werden“, sagte er dann irgendwann zu uns und wir merkten, wie seine Kontrolle nachließ.Torren fiel vollkommen erschöpft zusammen und auch ich musste mich hinsetzen, damit ich nicht umkippte.

“Was hat er mit uns vor?“, fragte ich mit zitternder Stimme.

“Wenn er immer noch hinter dem perfekten Hybriden her ist ... mich wird er brauchen, um herauszufinden, wie das bei mir läuft. Und dich? Wäre ein Hybrid nicht noch mehr wert, wenn er auch noch Fähigkeiten der Antiker hätte?“ Wahrscheinlich hatte er vollkommen Recht. Dann erzählte mir Torren die ganze Geschichte um Michael. Wie er als Wraith gefangen genommen und in einem Experiment zum Menschen verwandelt wurde. Weder die Wraith noch die Menschen von Atlantis waren wirklich einfühlsam mit ihm und so hatte ihn der Wunsch nach eigenen Gefährten dazu getrieben, andere wie sich zu erschaffen. Leider war mit einigen Äußerlichkeiten auch die Grausamkeit der Wraith wieder zu ihm gekommen und er hatte bald geplant, die Herrschaft über die Galaxie zu übernehmen, zusammen mit seinen selbst geschaffenen Hybriden.

Doch anscheinend waren sie nie so gewesen, wie er sie hatte haben wollen, dafür brauchte er Teyla und ihren ungeborenen Sohn, der mittlerweile ziemlich groß geworden war. Und dann hatte er anscheinend nun auch noch das Glück, mich in die Finger zu bekommen. Er hatte Teyla wie ein Versuchskaninchen gehalten, was würde er wohl mit uns jetzt machen?

“Keine Angst, Peaches.“ Torren hatte sich auch wieder beruhigt und war wieder er selbst.Nichts deutete mehr auf seine vorherige Verwandlung hin. Vorsichtig kam er auf mich zu und beobachtete mich dabei genau. Bestimmt wollte er meine Reaktion abwarten, sicher gehen, dass ich mich nicht unwohl in seiner Nähe fühlte. Um ihm zu zeigen, dass das nicht der Fall war, schlug ich zweimal leicht auf den Boden neben mir, um ihm zu zeigen, dass er sich setzen sollte.

“Atlantis, und insbesondere dein Vater, haben noch nie jemanden zurückgelassen. Da wird er bestimmt nicht bei seiner eigenen Tochter anfangen“, versuchte er mich zu beruhigen, während er sich langsam hinsetzte. Es war wirklich komisch. So arrogant Torren auf Atlantis auf mich gewirkt hatte, jetzt war er anders. Ich kannte nun sein Geheimnis und ich wusste jetzt, dass ich nicht der einzige Freak unter den Freaks war. Es gab zumindest einen, der mindestens genauso abgedreht war wie ich.

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